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Erbrechtsgarantie: Verstoß gegen gesetzliche Erbregelung

OLG Frankfurt am Mai, Az.: 21 W 82/16, Beschluss vom 21.07.2016

Leitsatz:

§ 1928 Abs. 3 BGB verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG

Die befristeten Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 17. Februar 2016 werden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligte zu 1) und 2). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 112.500 € festgesetzt.

Erbrechtsgarantie: Verstoß gegen gesetzliche Erbregelung
Foto: kunertuscom/Bigstock

Gründe

I.

Der am … 1999 verstorbene Erblasser war ledig und kinderlos. Er hinterließ keine Verfügung von Todes wegen. Zum Zeitpunkt des Erbfalls noch lebende gesetzliche Erben zweiter und dritter Ordnung waren nicht vorhanden. Die Beteiligten zu 1) bis 3) sind jeweils Abkömmlinge der gesetzlichen Erben vierter Ordnung. Bei den Beteiligten zu 1) und 2) handelt es sich um Enkel einer Schwester des Großvaters des Erblassers mütterlicherseits. Demgegenüber ist der am … 2008 nachverstorbene Ehemann der Beteiligten zu 3) ein Sohn eines Bruders der Großmutter des Erblassers mütterlicherseits. Weitere zum Zeitpunkt des Erbfalls noch lebende Abkömmlinge der gesetzlichen Erben vierter Ordnung sind vorbehaltlich weiterer Ermittlungen von Amts wegen derzeit nicht bekannt, wobei hinsichtlich der Verwandtschaftsverhältnisse des Erblassers im Einzelnen auf Blatt 465 ff. d. A. verwiesen wird.

Nach dem Tod des Erblassers beantragten die Beteiligten zu 1) und 2) am 23. April 2007 einen Erbschein, der sie als Erben zu jeweils 1/2 ausweist (Bl. 273 ff. d. A.). Im Zuge des Erbscheinsverfahrens wurde den Beteiligten zu 1) und 2) in Unkenntnis der Person des Ehemanns der Beteiligten zu 3) nach nicht weiter angegriffenem Vorbescheid ein Teilerbschein erteilt, worin den Beteiligten zu 1) und 2) ein Erbteil jeweils von zumindest 1/8 ausgewiesen wurde (Bl. 326 d. A.).

In der Folge regten die Beteiligten zu 1) und 2) an, den ihnen erteilten Erbschein einzuziehen, weil sie weiterhin der Auffassung waren, Erben zu jeweils 1/2 geworden zu sein. Die Anregung wies das Nachlassgericht mit Beschluss vom 23. April 2009 zurück (Bl. 352 f. d. A.). Eine hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte insoweit Erfolg, als das Beschwerdegericht das Nachlassgericht zu weiteren Ermittlungen und erneuter Entscheidung anwies.

Mit Beschluss vom 30. Dezember 2009 hat das Nachlassgericht sodann die Sicherstellung des erteilten Erbscheins angeordnet (Bl. 390 d. A.). Zur Begründung hat es nicht angegeben, dass es von einer über 1/8 hinausgehenden Erbenstellung der Beteiligten zu 1) und 2) überzeugt sei. Vielmehr hat es zur Begründung seines Beschlusses ausgeführt, dass aufgrund der weiter durchgeführten Ermittlungen das Vorhandensein von Erben dritter Ordnung nicht ausgeschlossen werden könne. Sofern Erben dritter Ordnung bzw. deren Abkömmling zum Zeitpunkt des Erbfalls noch gelebt hätten, seien die Beteiligten zu 1) und 2) von der Erbfolge ausgeschlossen. Der Erbschein müsse dann als unrichtig eingezogen werden. Um dieser unsicheren Rechtslage Rechnung zu tragen sei der bereits erteilte Erbschein sicherzustellen. Eine hiergegen von den Beteiligten zu 1) und 2) erneut eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit Beschluss vom 1. März 2010 hat der damals zuständige 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main die Beschwerde zurückgewiesen (Bl. 411 ff. d. A.).

In der Folge hat das Nachlassgericht umfangreiche weitere Ermittlungen zu den gesetzlichen Erben des Erblassers anstellen lassen, wobei hinsichtlich des Ermittlungsergebnisses auf die jeweiligen Sachstandsberichte der A Bank AG verwiesen wird. Im Zuge der weiteren Nachforschungen ist der nachverstorbene Ehemann der Beteiligten zu 3) ermittelt worden. Daraufhin hat die Beteiligte zu 3) mit am 2. September 2015 als Alleinerbin ihres Mannes einen Alleinerbschein nach dem Erblasser zu Gunsten ihres Mannes beantragt (Bl. 462 ff. d. A.). Das Nachlassgericht hat dem Antrag bislang noch nicht stattgegeben, weil es, um neben der Beteiligten zu 3) weitere gesetzliche Erben des Erblassers mit gleichem Verwandtschaftsgrad ausschließen zu können, die Beibringung verschiedener öffentlicher Urkunden noch für erforderlich hält.

Allerdings hat es mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, den erteilten Mindesterbschein vom 27. Januar 2009 eingezogen (Bl. 486 f. d. A.). Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, dass die Beteiligten zu 1) und 2) neben der Beteiligten zu 3) nicht erbberechtigt seien. Denn bei dem Ehemann der Beteiligten zu 3) sowie den Beteiligten zu 1) und 2) handele es sich zwar jeweils um Erben vierter Ordnung bzw. deren Abkömmlinge. Der nachverstorbene Ehemann der Beteiligte zu 3) sei jedoch gegenüber den Beteiligten zu 1) und 2) dem Grade nach näher mit dem Erblasser verwandt, weswegen dieser die Beteiligten zu 1) und 2) gemäß § 1928 Abs. 3 BGB von der Erbschaft ausschlösse und sich somit der erteilte Erbschein als falsch erwiesen habe.

Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 26. Februar 2016 (Bl. 495 d. A.) zugestellten Beschluss haben die Beteiligten zu 1) und 2) mit einem am 24. März 2016 (Bl. 489 d. A.) beim Nachlassgericht eingegangenen Schriftsatz befristete Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Auffassung des Nachlassgerichts sei unzutreffend, wonach es sich bei dem Ehemann der Beteiligten zu 3) als Großonkel um einen näheren Verwandten des Erblassers im Vergleich zu ihnen handele, die sie jeweils Großcousin bzw. Großcousine des Erblassers seien.

Das Nachlassgericht hat nach der Erteilung eines weiteren Hinweises (Bl. 505 d. A.) dem Rechtsmittel nicht abgeholfen, sondern das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 508 d. A.).

II.

Den zulässigen Beschwerden bleibt der Erfolg versagt. Das Nachlassgericht hat auf der Grundlage des als verfassungsgemäß einzustufenden § 1928 Abs. 3 BGB zu Recht den erteilten Erbschein vom 27. Januar 2009 eingezogen.

1. Die gemäß § 58 FamFG statthaften Beschwerden sind zulässig und insbesondere fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses beim Nachlassgericht eingegangen, § 63 FamFG. Zudem sind die Beteiligten zu 1) und 2) als in dem eingezogenen Erbschein ausgewiesene Erben beschwerdebefugt (vgl. Keidel/Meyer – Holz, FamFG, 18. Aufl., § 59 Rn 80). Schließlich steht der Zulässigkeit auch nicht entgegen, dass die Einziehung des Erbscheins aufgrund der zuvor erfolgten Sicherstellung allein aufgrund des Einziehungsbeschlusses abschließend durchgeführt ist. Da sich bereits alle Ausfertigungen bei den Akten befunden haben (vgl. Bl. 325 und 423 d. A.), hat für die Einziehung die Bekanntmachung des Einziehungsbeschlusses genügt (vgl. Palandt/Weidlich, BGB; 75. Aufl., § 2361 Rn 10). Doch wenngleich die Einziehung bereits erfolgt ist und die Beschwerde gegen den Einziehungsbeschluss sodann nur noch insoweit zulässig ist, als die Erteilung eines neuen gleichlautenden Erbscheins beantragt wird, steht der fehlende ausdrückliche Antrag auf Erteilung eines neuen gleichlautenden Erbscheins der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Denn gemäß § 353 Abs. 3 Satz 3 FamFG gilt die Beschwerde im Zweifel als Antrag auf Erteilung eines neuen gleichlautenden Erbscheins. Anhaltspunkte, dass dies vorliegend anders zu beurteilen sein könnte, sind nicht ersichtlich.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Der den Beteiligten zu 1) und 2) erteilte Erbschein ist unzutreffend und war daher gemäß § 2361 BGB einzuziehen. Einem auf die Erteilung eines gleichlautenden Erbscheins gerichteten Antrag ist das Nachlassgericht zu Recht nicht nachgekommen.

a) Zutreffend hat das Amtsgericht unter Anwendung von § 1928 Abs. 3 BGB festgestellt, dass die Beteiligten zu 1) und 2) keine gesetzlichen Erben des Erblassers sind. Gemäß der vorgenannten Vorschrift erbt nämlich für den Fall, dass zur Zeit des Erbfalls Urgroßeltern nicht mehr leben, von deren Abkömmlingen allein derjenige, welcher mit dem Erblasser dem Grade nach am nächsten verwandt ist. Der Verwandtschaftsgrad wird dabei gemäß § 1589 S. 3 BGB durch die Zahl der Geburten bestimmt, aus denen sich die Verwandtschaft zum Erblasser ergibt, wobei es zur Ermittlung der nächsten Verwandten genügt, von den Urgroßeltern ausgehend die vermittelnden Geburten zu zählen (vgl. MünchKommBGB/Leipold, 6. Aufl., § 1928 Rn 3; Große – Boymann in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl., § 1928 Rn 2). Da der Ehemann der Beteiligten zu 3) der Sohn eines Bruders der Großmutter des Erblassers mütterlicherseits ist, mithin zwei vermittelnde Geburten zur Urgroßmutter in Rede stehe, es sich hingegen bei den Beteiligten zu 1) und 2) um Enkel einer Schwester des Großvaters mütterlicherseits handelt und somit drei vermittelnde Geburten zu zählen sind, ist der Ehemann der Beteiligten zu 3) näher verwandt mit dem Erblasser und schließt damit gemäß § 1928 Abs. 3 BGB die Beteiligten zu 1) und 2) von der Erbschaft aus.

b) Hierbei ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Starnberg (FamRZ 2003, 1131) der in § 1928 Abs. 3 BGB normierte Übergang vom Parentelsystem zum Gradualprinzip für die gesetzlichen Erben ab der vierten Ordnung verfassungsgemäß, weswegen ein Aussetzen des Verfahrens und eine Vorlage des Gesetzes dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG (vgl. dazu Leipold NJW 2003, 2657 in Abgrenzung zu AG Starnberg FamRZ 2003, 1131) nicht zu erfolgen hat.

aa) Das Gradualprinzip für Erben ab der vierten Ordnung verstößt nicht gegen die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.

Grundlegend für die Erbrechtsgarantie ist die Anerkennung der Privaterbfolge (BVerfGE 91, 346, 358 [BVerfG 14.12.1994 – 1 BvR 720/90]). Mit der Gewährleistung der Privaterbfolge wäre es neben dem Verbot der gewillkürten Erbfolge nicht vereinbar, den Nachlass Verstorbener, die eine Verfügung von Todes wegen nicht getroffen haben, einer privaten Erbfolge zu entziehen. Vielmehr muss der Gesetzgeber für den Fall, dass der Erblasser keine letztwillige Verfügung über seinen Nachlass getroffen hat, eine gesetzliche Erbregelung vorsehen, die am typisierten Interesse des Erblassers ausgerichtet ist (vgl. BVerfGE 91, 346, 359 [BVerfG 14.12.1994 – 1 BvR 720/90]).

Welche konkrete Ausgestaltung er hierbei wählt und auf welche Umstände er abstellt, die bei objektiver Betrachtung aus Sicht eines verständigen Erblassers entscheidende Bedeutung für die Erbfolge haben, obliegt grundsätzlich dem Gesetzgeber, der Inhalt und Schranken des Erbrechts bestimmt (vgl. BVerfGE 91, 346, 359 [BVerfG 14.12.1994 – 1 BvR 720/90]).

Hiervon ausgehend hat der Gesetzgeber mit dem in § 1928 Abs. 3 BGB normierten Gradualprinzip für Erben ab der vierten Ordnung eine umfassende gesetzliche Erbregelung geschaffen. Die Regelung stellt trotz des Übergangs des Parentel- zum Gradualprinzip weiterhin ein Verwandtenerbrecht dar. Als Verwandtenerbrecht ist es am typisierten Interesse des Erblassers ausgerichtet und stellt als solches grundsätzlich eine sachgerechte Regelung der gesetzlichen Erbfolge dar (vgl. dazu BVerfGE 91, 346, 359 [BVerfG 14.12.1994 – 1 BvR 720/90]). Da verfassungsrechtlich garantiert ohnehin nur die gesetzliche Erbfolge der engeren Familie ist (vgl. Bryde in von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 14 Rn 48), unterfällt die in § 1928 Abs. 3 BGB vom Gesetzgeber vorgenommene Auswahl der Verwandten anhand des Grades der Verwandtschaft zum Erblasser für gesetzliche Erben ab der vierten Ordnung ohnehin nicht der verfassungsrechtlichen Garantie des in Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Erbrechts. Denn wenn bereits ein ab der ersten drei oder vier Parantelen früher einsetzendes Heimfallrecht des Staates verfassungsrechtlich zulässig ist (vgl. dazu Bryde in von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 14 Rn 48, Papier in MDH Art. 14 Rn 294; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl.-, Art. 14 Rn 108), so gilt dies erst recht für den innerhalb des Verwandtenerbrechts vorgesehenen Übergang vom Parentel- zum Gradualprinzip. Jedenfalls für Erben höherer Ordnung obliegt die Wahl zwischen verschiedenen Systemen der grundsätzlich freien Inhaltsbestimmung des Gesetzgebers.

bb) Da Art. 6 Abs. 1 GG – wie bereits angedeutet – nur die gesetzliche Erbfolge der engeren Familie schützt (vgl. Bryde in von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 14 Rn 48; lit ), Erben der vierten oder höheren Ordnung aber nicht mehr zu der engeren Familie zu zählen sind, ist der in Art. 6 GG normierte Schutz von Ehe und Familie nicht betroffen und eine Verfassungswidrigkeit unter dem Gesichtspunkt entsprechend ausgeschlossen.

cc) Darüber hinaus ist mit der Einführung des Gradualprinzips für Erben ab der vierten Ordnung kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG verbunden. Denn die zwischen den denkbaren Erben vorgenommene Differenzierung des Gesetzgebers ist nicht willkürlich, sondern Ausfluss seines gesetzgeberischen Ermessens (so im Ergebnis auch MünchKommBGB/ Leipold, 6. Aufl., § 1928 Rn 1; Leipold NJW 2003, 2657, Zimmer in Prütting/Wegen/Weinrich, BGB, 11. Aufl., § 1928 Rn 1; Hk-BGB/Hoeren, 8. Aufl., § 1928 Rn 2; Erman/Lieder, BGB, 14. Aufl., Vorbemerkung zu §§ 1924 – 1936 Rn 10; offen gelassen in Staudinger/Werner, BGB, Stand November 2007, § 1928 Rn 6; Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 1928 Rn 1; Zecher in Große – Wiede/Ouart, Deutscher Erbrechtskommentar, 2. Aufl., § 1928 Rn 6; Scholz Löhnig in Frieser, Erbrecht, 4. Aufl., § 1928 Rn 4).

Dies gilt sowohl für die damit verbundene Ungleichbehandlung zwischen verschiedenen Abkömmlingen von Erben der vierten oder einer höheren Ordnung untereinander als auch für die Ungleichbehandlung für die Erben der ersten bis dritten Ordnung gegenüber Erben der vierten oder einer höheren Ordnung.

Denn eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte oder Personen ist nicht generell unzulässig. Vielmehr kann sie durch einen hinreichend gewichtigen Grund gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 100, 138, 174; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl., Art. 3 Rn 14). Dabei kommt als Grund für eine Ungleichbehandlung jede vernünftige Erwägung in Betracht. So ist es grundsätzlich die Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen anknüpft, vorausgesetzt, die Auswahl ist sachlich vertretbar bzw. nicht sachfremd (vgl. BVerfGE 90, 145, 196; 124, 178, 194; Krieger in Schmidt – Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl., Art. 3 Rn 29 ff.). Hierbei müssen die zur Rechtfertigung der Differenzierung herangezogenen Sachgründe dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sein (BVerfGE 129, 49, 68 [BVerfG 21.06.2011 – 1 BvR 2035/07]), was zu einem stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab führt (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl., Art. 3 Rn 16; Krieger in Schmidt – Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl., Art. 3 Rn 29).

Als Differenzierungsziel nennt der Gesetzgeber vornehmlich die Gefahr einer Zersplitterung des Nachlasses sowie ergänzend eine mit zunehmender Ordnung abnehmende Familienzusammengehörigkeit. So heißt es wörtlich in den Motiven: „Bei dem Parentelsystem in reiner Durchführung tritt bereits in der dritten Linie eine ungemeine Zersplitterung des Vermögens ein oder kann doch eintreten, wenn für jeden der vier Großelternteile, welcher nicht mehr am Leben ist, die Abkömmlinge ohne Beschränkung einrücken“. Ergänzend heißt es wenige Sätze später: „Ungeachtet darf nicht bleiben, dass (insbesondere in großen Städten) schon in der großelterlichen Linie das Bewusstsein der Familienzusammengehörigkeit meist sehr in den Hintergrund tritt“.

Bereits der vorgenannte, vornehmlich angeführte Differenzierungsgrund der Zersplitterung des Nachlasses rechtfertigt entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Starnberg die unterschiedliche Behandlung der Abkömmlinge der Erben dritter und vierter Ordnung. Dass nämlich die Gefahr der Nachlasszersplitterung mit steigender Ordnung zunimmt, ist bereits aufgrund der steigenden Anzahl denkbarer Erben unmittelbar plausibel und wird selbst vom Amtsgericht Starnberg nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Dass gleichzeitig der Übergang vom Parentelsystem auf das Gradualsystem einer Nachlasszersplitterung entgegenwirkt, weil hierdurch die denkbaren Erben auf den nächsten Verwandten beschränkt werden und nicht die Abkömmlinge aller Stämme bei der Erbfolge Berücksichtigung finden, ist ebenfalls unmittelbar einleuchtend, wobei das Differenzierungskriterium der Höhe der Ordnung um ein am vermuteten Erblasserwillen orientiertes und damit grundsätzlich verfassungsfestes Kriterium darstellt. Soweit das Amtsgericht demgegenüber meint, die Gefahr einer Zersplitterung sei bereits bei einer niedrigeren Erbfolge gegeben und hierzu auf eigene Erfahrungen im Nachlassverfahren verweist, ist die Erwägung zwar im Prinzip nicht von der Hand zu weisen. Entsprechend war es auch im Gesetzgebungsverfahren bereits durchaus umstritten, ob der Übergang vom Parentel- zum Gradualprinzip nicht schon in der dritten Ordnung erfolgen sollte (vgl. Jacobs/Schubert, Die Beratung des BGB § 1928 f. Prot I 10094). Es handelt sich aber um eine allein dem Gesetzgeber vorbehaltene Grenzziehung, die sich aus einer wertenden Abwägung zwischen widerstreitenden Zielen ergibt, nämlich einer möglichst gerechten, am vermuteten Willen des Erblassers orientierten gesetzlichen Erbfolgeregelung und einer zu vermeidenden Nachlasszersplitterung. Dass diese Abwägung anders hätte ausfallen können und eventuell aufgrund veränderter Verhältnisse mittlerweile zu einem anderen Ergebnis führen könnte, belegen zwar die Erwägungen des Amtsgerichts Starnberg, vermögen einen Eingriff in das gesetzgeberische Ermessen hingegen nicht zu rechtfertigen. Die wertende Abwägungsentscheidung obliegt dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber und nicht der auf Einhaltung der gesetzten Regeln beschränkten Judikative.

Keinen ernsthaften Bedenken unterliegt ferner die mit dem Übergang auf das Gradualsystem verbundene Ungleichbehandlung zwischen verschiedenen Abkömmlingen von Erben vierter bzw. höherer Ordnung untereinander, d.h. im vorliegenden Fall der Ungleichbehandlung zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) einerseits und dem Ehemann der Beteiligten zu 3) andererseits. Das vom Gesetzgeber herangezogene Differenzierungskriterium der Nähe der Verwandtschaft zum Erblasser ist sachgerecht und entspricht zugleich dem sich aus Art. 14 Abs. 1 GG ergebenden Auftrag, am typisierten Interesse des Erblassers ausgerichtet zu sein (vgl. dazu BVerfGE 91, 346, 359 [BVerfG 14.12.1994 – 1 BvR 720/90]). Denn es liegt nahe, dass der Grad der Verwandtschaft bei objektiver Betrachtung aus der Sicht eines verständigen Erblassers entscheidende Bedeutung für die Erbfolge hat (vgl. dazu BVerfGE 91, 346, 359 [BVerfG 14.12.1994 – 1 BvR 720/90]). Dass sich hierbei im Einzelfall Härten ergeben können, hat auch der Gesetzgeber erkannt und im Einzelnen diskutiert (vgl. Motive V, 365). Dies hindert jedoch bereits aufgrund der Natur der Gesetzgebung eine generalisierende Regelung nicht (vgl. BVerfGE 91, 346, 359 [BVerfG 14.12.1994 – 1 BvR 720/90]).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, wobei mangels aktiver Beteiligung der Beteiligten zu 3) am Beschwerdeverfahren eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht angezeigt war.

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus §§ 61, 40 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 GNotKG. Sie richtet sich gemäß § 61 Abs. 1 GNotKG nach dem Wert der Interessen, denen das Rechtsmittel ausweislich des Antrags des Beschwerdeführers dient. Ziel des Antrags der Beteiligten zu 1) und zu 2) ist die Verhinderung der Einziehung des zu ihren Gunsten erteilten Teilerbscheins. Damit ist für den Geschäftswert auch des Beschwerdeverfahrens die spezielle Regelung in § 40 Abs. 2 GNotKG heranzuziehen, wonach der Geschäftswert sich nach dem Anteil der Miterben am Nachlass richtet. Der Wert des Nachlasses bemisst der Senat auf der Grundlage der Angaben der Beteiligten zu 3) (Bl. 476 d. A.) auf etwa 450.000 €. Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung der nur anteiligen Anrechnung in Höhe von zwei Achteln der im Tenor festgesetzte Beschwerdewert.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Die Entscheidung ist folglich rechtskräftig.

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