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Abänderung früher gestellten Erbscheinsantrag durch Antragsteller – Antragsbindung

Ein Testament sollte den letzten Willen klarstellen. Doch im Streit ums Erbe beginnt der Kampf oft erst beim Erbscheinsantrag. Ein aktueller Fall aus Zweibrücken zeigt, wie ein vermeintlich formaler Fehler das ganze Verfahren zurück auf Anfang katapultieren kann.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 W 6/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Zweibrücken
  • Datum: 18.02.2025
  • Aktenzeichen: 8 W 6/25
  • Verfahrensart: Beschwerdeverfahren
  • Rechtsbereiche: Erbrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Beteiligter zu 1), Abkömmling der Erblasserin, beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der ihn zunächst als Erben zu 1/3 und später als Alleinerben ausweisen sollte.
  • Beklagte: Beteiligte zu 2) bis 5), weitere Abkömmlinge der Erblasserin.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben bestimmten. Nach dem Tod des Ehemannes wurde ein Erbschein erteilt, der die Erblasserin als Alleinerbin auswies. Nach dem Tod der Erblasserin beantragte ein Abkömmling die Erteilung eines Erbscheins.
  • Kern des Rechtsstreits: Streit über die Erbfolge nach dem Tod der Erblasserin aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Der Beschluss des Amtsgerichts Frankenthal und der Nichtabhilfebeschluss werden aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Frankenthal zurückverwiesen.
  • Folgen: Erneute Prüfung der Erbfolge durch das Amtsgericht Frankenthal.

Der Fall vor Gericht


OLG Zweibrücken: Verfahrensfehler bei Erbscheinsantrag führt zur Zurückverweisung

Erbschein ändern: Antragsteller im Büro.
Änderung des Erbscheinsantrags und Antragsbindung | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat eine Entscheidung des Amtsgerichts Frankenthal in einem Erbschaftsstreit aufgehoben. Das Nachlassgericht muss den Fall nun erneut prüfen. Im Kern ging es um die Frage, inwieweit ein Antragsteller seinen ursprünglich gestellten Antrag auf Erteilung eines Erbscheins nachträglich ändern kann und ob das Gericht an den ersten Antrag gebunden ist.

Die familiären Hintergründe des Erbfalls

Die Erblasserin verstarb im März 2022. Ihr Ehemann war bereits 2019 verstorben. Aus ihrer Ehe gingen fünf Kinder hervor, von denen zum Zeitpunkt ihres Todes nur noch ein Sohn, der Beteiligte zu 1), lebte. Drei weitere Kinder waren vorverstorben, hinterließen jedoch eigene Kinder (die Beteiligten zu 2) bis 5)). Ein Sohn des ebenfalls vorverstorbenen Kindes D.B. wurde als Minderjähriger adoptiert und schied damit aus der gesetzlichen Erbfolge nach den leiblichen Großeltern aus.

Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute

Die Eheleute hatten im Jahr 2015 ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament verfasst. Darin setzten sie sich gegenseitig als Alleinerben ein. Der überlebende Ehegatte sollte jedoch nur sogenannter Vorerbe sein. Das bedeutet, er erbt zwar zunächst alles, ist aber in seiner Verfügungsgewalt, insbesondere über Immobilien, beschränkt. Erst nach dem Tod des zweiten Ehepartners sollten die „leiblichen Kinder“ zu gleichen Teilen als Nacherben bzw. Schlusserben das verbleibende Vermögen erhalten.

Verfügungsbeschränkungen und Pflichtteilsstrafklausel

Das Testament enthielt eine Klausel, die dem überlebenden Ehegatten im „Not- und Pflegefall“ erweiterte Verfügungsmöglichkeiten über das Erbe einräumte. Zudem war eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel enthalten: Sollte eines der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteil fordern, würde es auch nach dem Tod des zweiten Elternteils nur den Pflichtteil erhalten, nicht seinen vollen Erbanteil.

Erbschein nach dem Tod des Ehemannes

Nach dem Tod des Ehemannes im Jahr 2019 stellte das Amtsgericht Frankenthal einen Erbschein aus. Dieser wies die Ehefrau als alleinige Vorerbin aus. Als Nacherben, die nach ihrem Tod erben sollten, wurden die damals noch lebenden Kinder und die Abkömmlinge des bereits vorverstorbenen Sohnes B.H.B. (die Beteiligten zu 2 und 3) genannt. Dieser Erbschein wurde nach dem Tod der Ehefrau eingezogen und für kraftlos erklärt, da die Nacherbfolge nun eingetreten war.

Der ursprüngliche Erbscheinsantrag des Sohnes

Nach dem Tod der Mutter beantragte der überlebende Sohn (Beteiligter zu 1) im März 2023 über einen Notar einen neuen Erbschein. Gestützt auf das Testament, sollte dieser Erbschein ihn als Erben zu 1/3 ausweisen. Die Enkelkinder der vorverstorbenen Geschwister (Beteiligte zu 2 bis 5) sollten demnach jeweils zu 1/6 erben. Diese Aufteilung spiegelte die im Testament genannte Regelung wider, dass die „leiblichen Kinder“ zu gleichen Teilen erben, wobei die Enkel an die Stelle ihrer vorverstorbenen Elternteile treten.

Das Amtsgericht Frankenthal traf daraufhin im Dezember 2024 eine Entscheidung, mit der der Antragsteller offenbar nicht einverstanden war, und half seiner Beschwerde im Januar 2025 nicht ab. Vermutlich hatte das Amtsgericht die Änderung des Antrags nicht berücksichtigt oder für unzulässig gehalten, möglicherweise unter Berufung auf den Grundsatz der Antragsbindung. Dieser besagt, dass das Gericht im Erbscheinverfahren grundsätzlich nur über das entscheiden darf, was beantragt wurde.

Entscheidung des OLG Zweibrücken: Verfahrensfehler festgestellt

Das OLG Zweibrücken hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Es stellte fest, dass das Verfahren am Amtsgericht fehlerhaft war. Die Richter am OLG sahen offenbar einen Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze im Umgang mit dem (möglicherweise geänderten) Erbscheinsantrag. Die genauen Gründe für die Aufhebung sind dem Textauszug nicht zu entnehmen, sie dürften aber in der fehlerhaften Anwendung der Regeln zur Antragsänderung oder der Antragsbindung liegen.

Grundsatz der Antragsbindung nicht absolut

Grundsätzlich ist das Nachlassgericht zwar an den gestellten Antrag gebunden (§ 352 Abs. 3 S. 1 FamFG). Es darf also keinen Erbschein erteilen, der von dem beantragten Inhalt abweicht. Allerdings ist der Antragsteller nicht starr an seinen ersten Antrag gefesselt. Er kann seinen Antrag im Laufe des Verfahrens ändern, konkretisieren oder sogar zurücknehmen, solange noch keine endgültige Entscheidung ergangen ist. Das Gericht muss einen geänderten Antrag prüfen.

Konsequenz: Zurückverweisung an das Amtsgericht

Die Aufhebung und Zurückverweisung bedeutet, dass das Amtsgericht Frankenthal den Fall erneut bearbeiten muss. Es muss nun unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG Zweibrücken prüfen, welcher Erbscheinsantrag maßgeblich ist und ob die Voraussetzungen für dessen Erteilung vorliegen. Dabei wird es auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG berücksichtigen müssen. Eine endgültige Entscheidung über die Erbquoten ist damit noch nicht gefallen.

Bedeutung für Betroffene

Diese Entscheidung verdeutlicht mehrere wichtige Aspekte für Personen, die in Erbschaftsangelegenheiten involviert sind:

  1. Anträge sind gestaltbar: Ein einmal gestellter Erbscheinsantrag ist nicht in Stein gemeißelt. Stellt sich im Laufe des Verfahrens heraus, dass der Antrag fehlerhaft war oder angepasst werden muss (z.B. aufgrund neuer Erkenntnisse oder rechtlicher Bewertungen), ist eine Änderung grundsätzlich möglich. Betroffene sollten wissen, dass sie ihre Anträge präzisieren oder korrigieren können.
  2. Gerichte müssen Änderungen beachten: Das Nachlassgericht darf eine zulässige Antragsänderung nicht einfach ignorieren. Es muss den aktuellen Stand des Antrags seiner Entscheidung zugrunde legen. Tut es dies nicht, liegt ein Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung der Entscheidung führen kann, wie hier geschehen.
  3. Verfahren können sich hinziehen: Die Zurückverweisung bedeutet für die Erben und Beteiligten eine Verzögerung. Das Verfahren beginnt am Amtsgericht quasi von neuem, was Zeit und möglicherweise weitere Kosten verursacht, bis endlich Klarheit über die Erbfolge herrscht und der Erbschein erteilt werden kann.
  4. Genauigkeit ist wichtig: Auch wenn Anträge geändert werden können, ist es ratsam, von Anfang an präzise und korrekte Anträge zu stellen, um Verzögerungen und Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Die genaue Formulierung im Testament („leibliche Kinder“) und die komplexen Familienverhältnisse erfordern hier besondere Sorgfalt bei der Bestimmung der Erbquoten.
  5. Rechtsmittel können erfolgreich sein: Der Fall zeigt, dass es sich lohnen kann, gerichtliche Entscheidungen überprüfen zu lassen. Wenn Verfahrensfehler vorliegen, kann eine höhere Instanz wie das OLG korrigierend eingreifen und sicherstellen, dass das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt wird.

Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass bei gemeinsamen Testamenten ohne ausdrückliche Ersatzerbenregelung die Frage, ob die Enkel anstelle ihrer vorverstorbenen Eltern erben können, durch Testamentsauslegung zu klären ist. Der Kern des Rechtsstreits liegt darin, ob nur die noch lebenden Kinder als Schlusserben eingesetzt wurden (mit Anwachsung bei Vorversterben einzelner Kinder) oder ob das Eintreten der Enkel in die Position ihrer vorverstorbenen Eltern gewollt war. Das Gericht hat die vorinstanzliche Entscheidung aufgehoben und an das Nachlassgericht zurückverwiesen, da eine tiefergehende Auslegung des Testaments erforderlich ist – besonders relevant für Erblasser, die ihre Nachfolge über mehrere Generationen regeln möchten.

Benötigen Sie Hilfe?

Unsicherheiten bei der Erbfolge?

Sie sind Erbe und unsicher, welche Rechte Ihnen zustehen oder ob Ihr ursprünglicher Erbscheinsantrag noch Ihren Vorstellungen entspricht? Die Komplexität von Testamenten, insbesondere bei Vor- und Nacherbschaften oder veränderten Familienverhältnissen, führt oft zu Unklarheiten und Streitigkeiten. Die Möglichkeit, einen Erbscheinsantrag im laufenden Verfahren anzupassen, ist dabei ein wichtiger, aber oft übersehener Aspekt.

Wir unterstützen Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Durch eine sorgfältige Analyse Ihrer individuellen Situation und unter Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung entwickeln wir eine klare Strategie, um Ihre Interessen bestmöglich zu vertreten. Kontaktieren Sie uns für eine erste Einschätzung Ihres Falles.

Ersteinschätzung anfragen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Kann ich einen Erbscheinsantrag, den ich bereits gestellt habe, nachträglich ändern?

Ja, Sie können einen Erbscheinsantrag unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich ändern. Entscheidend ist dabei vor allem, ob das Nachlassgericht bereits über Ihren Antrag entschieden und den Erbschein erteilt hat oder nicht.

Änderungsmöglichkeiten vor Erteilung des Erbscheins

Solange das Nachlassgericht noch keinen Erbschein erteilt hat, können Sie Ihren Antrag grundsätzlich noch ändern oder ergänzen.

  • Korrekturen: Sie können zum Beispiel Tippfehler bei Namen oder Adressen korrigieren oder fehlerhafte Angaben zum Verwandtschaftsverhältnis berichtigen.
  • Inhaltliche Änderungen: Es ist auch möglich, den Antrag inhaltlich anzupassen. Stellen Sie sich vor, Sie haben zunächst einen Erbschein aufgrund der gesetzlichen Erbfolge beantragt, finden dann aber ein Testament. Sie können Ihren Antrag entsprechend ändern und nun einen Erbschein auf Grundlage des Testaments beantragen (oder umgekehrt).
  • Mitteilung an das Gericht: Wichtig ist, dass Sie jede Änderung dem Nachlassgericht unverzüglich mitteilen. Dies geschieht in der Regel schriftlich oder indem Sie die Änderung direkt bei der Geschäftsstelle des Gerichts zu Protokoll geben.

Was bedeutet „Antragsbindung“?

Das Nachlassgericht ist an Ihren konkreten Antrag gebunden. Das bedeutet, es darf Ihnen nur einen Erbschein mit dem Inhalt ausstellen, den Sie beantragt haben.

  • Beispiel: Wenn Sie beantragen, als Alleinerbe im Erbschein ausgewiesen zu werden, kann das Gericht Ihnen nicht von sich aus einen Erbschein ausstellen, der Sie nur als Miterben zu 1/2 ausweist, auch wenn die Ermittlungen des Gerichts dies ergeben.
  • Folge: Stellt das Gericht fest, dass die tatsächliche Erbfolge anders ist als von Ihnen beantragt, wird es Ihren Antrag in der Regel zurückweisen. Es stellt also nicht einfach einen „anderen“, korrekten Erbschein aus. Sie müssten dann einen neuen Antrag stellen, der die richtige Erbfolge widerspiegelt.

Änderung nach Erteilung des Erbscheins?

Ein bereits erteilter Erbschein kann nicht mehr „geändert“ werden. Wenn sich herausstellt, dass der ausgestellte Erbschein inhaltlich falsch ist (weil zum Beispiel ein weiteres Testament auftaucht, ein Miterbe übersehen wurde oder die angegebene Erbquote nicht stimmt), muss dieser falsche Erbschein eingezogen werden.

  • Einziehung: Das Nachlassgericht wird den unrichtigen Erbschein für kraftlos erklären und seine Einziehung anordnen. Dies geschieht oft auf Anregung eines Beteiligten (z.B. eines anderen Erben) oder von Amts wegen, wenn das Gericht von der Unrichtigkeit erfährt.
  • Neuer Antrag: Nach der Einziehung des falschen Erbscheins muss bei Bedarf ein völlig neuer Erbscheinsantrag gestellt werden, der die korrekte Erbfolge wiedergibt. Eine bloße Korrektur des alten Dokuments ist nicht möglich.

Konsequenzen und Fristen

  • Verfahrensdauer: Eine Änderung des Antrags vor der Erteilung kann das Verfahren verzögern, da das Gericht die neuen Informationen prüfen und eventuell weitere Ermittlungen durchführen muss.
  • Fristen: Für die Änderung eines Antrags vor der Erteilung gibt es keine gesetzliche Frist – sie muss lediglich erfolgen, bevor das Gericht entschieden hat. Für die Anregung, einen unrichtigen Erbschein einzuziehen, gibt es ebenfalls keine feste Frist; dies ist jederzeit möglich, sobald die Unrichtigkeit bekannt wird.

Für Sie bedeutet das: Überprüfen Sie die Angaben in Ihrem Erbscheinsantrag sorgfältig. Wenn Sie nach der Antragstellung neue Informationen erhalten oder feststellen, dass Angaben nicht korrekt sind, sollten Sie umgehend prüfen, ob eine Änderung oder Ergänzung Ihres Antrags notwendig ist und dies dem Nachlassgericht mitteilen, solange noch keine Entscheidung getroffen wurde. Ist der Erbschein bereits erteilt und stellt sich als unrichtig heraus, ist der Weg über die Einziehung und einen Neuantrag erforderlich.


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Was bedeutet die „Antragsbindung“ im Zusammenhang mit einem Erbscheinsantrag?

Die „Antragsbindung“ bedeutet vereinfacht gesagt: Das Nachlassgericht ist bei seiner Entscheidung über einen Erbschein an das gebunden, was Sie in Ihrem Antrag konkret gefordert haben. Es darf Ihnen also in der Regel nicht mehr oder etwas anderes zusprechen, als Sie beantragt haben.

Stellen Sie sich das wie eine Bestellung vor: Wenn Sie eine Pizza Margherita bestellen, darf Ihnen der Pizzabäcker nicht einfach eine Pizza Salami liefern, auch wenn er meint, diese würde Ihnen vielleicht besser schmecken oder zustehen. Genauso ist es beim Erbscheinsantrag: Sie legen fest, was Sie vom Gericht bestätigt haben möchten (z.B. „Ich bin Alleinerbe“ oder „Ich bin Erbe zu 1/2 neben Person X“).

Was bedeutet Antragsbindung konkret?

  • Kein „Mehr“: Beantragen Sie beispielsweise, als Erbe zu einem Drittel (1/3) im Erbschein ausgewiesen zu werden, darf das Gericht Ihnen nicht von sich aus einen Erbschein ausstellen, der Sie als Erben zur Hälfte (1/2) oder gar als Alleinerben ausweist, selbst wenn die Ermittlungen dies nahelegen würden.
  • Kein „Anderes“: Beantragen Sie einen Erbschein, der Sie als gesetzlichen Erben ausweist, kann das Gericht Ihnen nicht einfach einen Erbschein ausstellen, der Sie als testamentarischen Erben (aufgrund eines Testaments) benennt, ohne dass der Antrag entsprechend angepasst wird.

Für Sie bedeutet das: Ihr Antrag steckt den Rahmen ab, innerhalb dessen das Gericht entscheiden kann.

Welche Grenzen hat die Antragsbindung?

Die Bindung des Gerichts an Ihren Antrag ist jedoch nicht absolut:

  • Weniger ist möglich: Stellt das Gericht bei seinen Ermittlungen fest, dass Ihnen zwar ein Erbrecht zusteht, aber nur zu einem geringeren Anteil als beantragt (z.B. Sie beantragen 1/2, aber Ihnen steht nur 1/4 zu), kann es den Erbschein für den geringeren Anteil ausstellen. Es weist Ihren Antrag also teilweise zurück.
  • Zurückweisung ist möglich: Stellt das Gericht fest, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des von Ihnen beantragten Erbscheins gar nicht vorliegen (z.B. Sie sind überhaupt kein Erbe), muss es den Antrag vollständig zurückweisen.
  • Änderung des Antrags: Wenn die Ermittlungen des Gerichts ergeben, dass die Erbfolge anders ist als von Ihnen beantragt (z.B. es gibt doch ein Testament oder weitere Erben), wird das Gericht Sie in der Regel darauf hinweisen. Sie haben dann die Möglichkeit, Ihren Antrag anzupassen oder zurückzunehmen. Nur wenn der Antrag entsprechend geändert wird, kann das Gericht einen Erbschein ausstellen, der von der ursprünglichen Forderung abweicht (z.B. einen höheren Erbteil oder eine andere Erbengrundlage bestätigt).

Welche Rolle spielt die Untersuchung durch das Gericht?

Trotz der Antragsbindung ist das Gericht nicht nur ein „Abstempler“ Ihres Antrags. Es ist gesetzlich verpflichtet, von Amts wegen alle relevanten Umstände zu ermitteln (Amtsermittlungsgrundsatz). Das bedeutet, das Gericht prüft selbstständig, wer tatsächlich Erbe geworden ist. Es sichtet Testamente, prüft Verwandtschaftsverhältnisse anhand von Urkunden und hört gegebenenfalls Beteiligte an.

Die Antragsbindung sorgt also dafür, dass das Gericht nicht über das hinausschießt, was der Antragsteller will, während die Amtsermittlung sicherstellt, dass die tatsächlichen Erbverhältnisse korrekt geprüft werden, bevor ein Erbschein erteilt wird.


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Wie wirkt sich ein gemeinschaftliches Testament auf die Erbfolge und den Erbscheinsantrag aus?

Ein gemeinschaftliches Testament, das häufig von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern erstellt wird, hat wesentliche Auswirkungen auf die Erbfolge und das Verfahren zur Beantragung eines Erbscheins. Es setzt die gesetzliche Erbfolge außer Kraft, soweit es eigene Regelungen trifft.

Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge

Das gemeinschaftliche Testament bestimmt, wer Erbe wird. Die darin getroffenen Regelungen gehen der gesetzlichen Erbfolge vor. Haben die Partner beispielsweise verfügt, dass der Überlebende zunächst Alleinerbe sein soll und erst nach dessen Tod die Kinder erben (ein sogenanntes „Berliner Testament“), dann gilt diese Regelung. Die Kinder erben in diesem Fall erst, wenn auch der zweite Partner verstorben ist, und nicht schon beim Tod des ersten Partners, wie es ohne Testament teilweise der Fall wäre. Das Testament gestaltet die Erbfolge also nach dem Willen der Verfasser.

Besonderheit: Die Bindungswirkung

Eine wichtige Besonderheit gemeinschaftlicher Testamente ist die Bindungswirkung. Bestimmte Regelungen, die die Partner gemeinsam getroffen haben und von denen anzunehmen ist, dass sie nur in Abstimmung miteinander getroffen wurden (sogenannte wechselbezügliche Verfügungen), können nach dem Tod des erstversterbenden Partners für den überlebenden Partner bindend sein. Das bedeutet, der überlebende Partner kann diese Teile des Testaments in der Regel nicht mehr frei ändern. Hat man sich zum Beispiel gegenseitig als Erben und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben eingesetzt, kann der Überlebende diese Schlusserbeneinsetzung der Kinder nach dem Tod des Partners oft nicht mehr rückgängig machen oder abändern. Diese Bindung soll sicherstellen, dass der gemeinsame Wille auch nach dem Tod eines Partners umgesetzt wird.

Auslegung des Testaments

Manchmal ist ein Testament nicht ganz eindeutig formuliert. In solchen Fällen muss das Nachlassgericht das Testament auslegen, um den tatsächlichen Willen der Verstorbenen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu ermitteln. Dabei werden der Wortlaut, die Umstände bei der Erstellung und gegebenenfalls weitere Schriftstücke berücksichtigt. Die Auslegung ist entscheidend dafür, wer als Erbe festgestellt wird.

Auswirkungen auf den Erbscheinsantrag

Wenn Sie einen Erbschein beantragen und ein gemeinschaftliches Testament existiert, müssen Sie dieses im Original beim Nachlassgericht einreichen. Der Erbscheinsantrag muss dann die Erbfolge so darstellen, wie sie sich aus dem Testament ergibt. Sie beantragen also einen Erbschein, der die im Testament genannten Personen als Erben ausweist.

Die Angaben im Antrag müssen die testamentarischen Regelungen korrekt widerspiegeln. Das Gericht prüft das Testament und die Angaben im Antrag. Da die Angaben im Erbscheinsantrag eine gewisse Bindung entfalten können (Antragsbindung), ist es wichtig, die Erbfolge basierend auf dem Testament sorgfältig darzulegen. Sollten sich später durch Auslegung oder das Auftauchen weiterer Dokumente Änderungen ergeben, muss der Antrag gegebenenfalls korrigiert oder zurückgenommen werden. Das Gericht entscheidet letztlich über die Erbfolge und stellt den entsprechenden Erbschein aus.


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Was ist der Unterschied zwischen Vorerbe und Nacherbe und wie beeinflusst das den Erbscheinsantrag?

Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft im Testament bedeutet, dass das Erbe zeitlich nacheinander an zwei verschiedene Personen geht. Stellen Sie sich das wie einen Staffelstab vor, der weitergereicht wird.

Der Vorerbe: Erbe auf Zeit mit Einschränkungen

Der Vorerbe ist die Person, die zuerst erbt, wenn der Erblasser stirbt. Er wird Eigentümer des Nachlasses, allerdings nur auf Zeit und unterliegt bestimmten Beschränkungen.

  • Rechte: Der Vorerbe darf den Nachlass nutzen. Das bedeutet, er kann beispielsweise in einer geerbten Immobilie wohnen oder die Erträge aus geerbtem Vermögen (wie Zinsen oder Mieteinnahmen) für sich verwenden.
  • Pflichten und Einschränkungen: Der Vorerbe muss den Nachlass für den Nacherben grundsätzlich erhalten. Er darf die Substanz des Erbes nicht wesentlich schmälern. Besonders wichtig: Über Grundstücke kann der Vorerbe oft nicht frei verfügen (z.B. verkaufen oder belasten). Auch größere Schenkungen aus dem Nachlass sind ihm in der Regel untersagt. Man kann sagen, der Vorerbe ist eine Art Verwalter des Erbes auf Zeit. Es gibt allerdings die Möglichkeit, dass der Erblasser den Vorerben von einigen dieser Beschränkungen befreit („befreiter Vorerbe“), aber auch dann gelten nicht alle Freiheiten eines normalen Erben.

Der Nacherbe: Der endgültige Erbe

Der Nacherbe ist die Person, die das Erbe nach dem Vorerben erhält. Der Zeitpunkt, wann das Erbe an den Nacherben fällt (der „Nacherbfall“), wird im Testament festgelegt – meist ist das der Tod des Vorerben, es kann aber auch ein anderes Ereignis sein.

  • Rechte: Schon während der Vorerbschaft hat der Nacherbe bestimmte Rechte. Er kann zum Beispiel Auskunft über den Zustand des Erbes verlangen oder eingreifen, wenn der Vorerbe seine Pflichten verletzt und den Nachlass gefährdet. Mit Eintritt des Nacherbfalls wird der Nacherbe dann der endgültige Erbe und erhält das, was vom ursprünglichen Erbe noch vorhanden ist. Er ist dann nicht mehr an die Beschränkungen der Vorerbschaft gebunden.

Auswirkungen auf den Erbscheinsantrag

Diese Unterscheidung ist für den Erbscheinsantrag sehr wichtig:

  • Genaue Angaben erforderlich: Wenn Sie einen Erbschein beantragen, müssen Sie beim Nachlassgericht genau angeben, welche Stellung Sie haben. Sind Sie Vollerbe (also ohne die Einschränkungen einer Vorerbschaft), Vorerbe oder Nacherbe? Das Gericht prüft das Testament und stellt den Erbschein entsprechend aus.
  • Inhalt des Erbscheins: Ist eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet, wird dies im Erbschein vermerkt. Dort steht dann, dass die Person nur Vorerbe ist und wann der Nacherbfall eintritt bzw. wer der Nacherbe ist. Dieser Vermerk ist wichtig, weil er Dritte (wie Banken oder das Grundbuchamt) über die eingeschränkte Verfügungsbefugnis des Vorerben informiert.
  • Verfügungsbefugnis: Der Erbschein zeigt somit, ob der Inhaber frei über den Nachlass verfügen kann oder den Beschränkungen der Vorerbschaft unterliegt. Ein Vorerbe kann beispielsweise ein zum Nachlass gehörendes Haus oft nur mit Zustimmung des Nacherben oder gerichtlicher Genehmigung verkaufen, was sich aus dem Erbschein ergibt.
  • Antragsbindung und Änderung: Sie sind an Ihren Antrag beim Nachlassgericht zunächst gebunden. Wenn Sie fälschlicherweise beantragen, Vollerbe zu sein, obwohl Sie laut Testament nur Vorerbe sind, ist der Antrag inhaltlich unrichtig. Das Gericht wird den Antrag prüfen und gegebenenfalls zurückweisen oder Hinweise geben. Eine spätere Korrektur oder Änderung des Antrags ist zwar möglich, kann aber das Verfahren verzögern. Es ist daher entscheidend, von Anfang an die korrekte Erbenstellung im Antrag anzugeben. Die einfache Angabe „Erbe“ genügt nicht, wenn eine Vor- und Nacherbschaft vorliegt.

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Was passiert, wenn das Nachlassgericht einen Fehler bei der Bearbeitung meines Erbscheinsantrags macht?

Wenn Sie den Eindruck haben, dass das Nachlassgericht bei der Bearbeitung Ihres Erbscheinsantrags einen Fehler gemacht hat, sind Sie nicht machtlos. Das Gesetz sieht Möglichkeiten vor, gerichtliche Entscheidungen überprüfen zu lassen. Solche Überprüfungsmöglichkeiten nennt man allgemein Rechtsmittel.

Mögliche Fehlerquellen

Fehler können in verschiedenen Bereichen passieren. Zum Beispiel könnte das Gericht:

  • Gesetzliche Erbquoten falsch berechnet haben.
  • Ein Testament möglicherweise nicht richtig ausgelegt haben.
  • Wichtige von Ihnen vorgelegte Unterlagen oder Argumente übersehen haben.
  • Einen Erbschein erteilt haben, obwohl aus Ihrer Sicht jemand anderes erbberechtigt ist.

Ihre Rechte bei vermuteten Fehlern

Gegen Entscheidungen des Nachlassgerichts im Erbscheinsverfahren gibt es hauptsächlich zwei Wege, um auf mögliche Fehler aufmerksam zu machen:

  1. Die Anhörungsrüge: Dieses Mittel kommt in Betracht, wenn Sie glauben, dass das Gericht Ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt hat. Das bedeutet, das Gericht hat möglicherweise wichtige Argumente oder Beweise von Ihnen nicht zur Kenntnis genommen oder berücksichtigt, obwohl es das hätte tun müssen. Die Anhörungsrüge müssen Sie in der Regel innerhalb von zwei Wochen einlegen, nachdem Sie von der möglichen Gehörsverletzung erfahren haben. Das Gericht prüft dann, ob es seinen Fehler korrigieren muss.
  2. Die Beschwerde: Dies ist das wichtigste Rechtsmittel gegen viele Entscheidungen des Nachlassgerichts, zum Beispiel gegen die Ablehnung Ihres Erbscheinsantrags oder gegen die Erteilung eines Erbscheins an eine andere Person, die Sie für falsch halten. Mit der Beschwerde wird die Entscheidung des Nachlassgerichts von der nächsthöheren Instanz, meist dem Oberlandesgericht, überprüft. Die Frist für die Einlegung der Beschwerde beträgt grundsätzlich einen Monat, nachdem Ihnen die Entscheidung des Nachlassgerichts bekannt gegeben wurde.

Korrektur von Fehlern

Stellt sich im Rahmen einer Anhörungsrüge oder einer Beschwerde heraus, dass dem Nachlassgericht ein Fehler unterlaufen ist, wird die fehlerhafte Entscheidung in der Regel aufgehoben oder geändert.

Sollte bereits ein inhaltlich falscher Erbschein erteilt worden sein, kann das Nachlassgericht diesen auch wieder einziehen. Das bedeutet, der unrichtige Erbschein wird für kraftlos erklärt und verliert seine Gültigkeit.

Zusammenhang mit Ihrem Antrag (Antragsbindung)

Es ist wichtig zu verstehen, dass das Nachlassgericht an Ihren Antrag gebunden ist. Das bedeutet: Das Gericht kann Ihnen nur den Erbschein erteilen, den Sie beantragt haben (z.B. als Alleinerbe oder als Miterbe zu einer bestimmten Quote). Es kann nicht von sich aus einen Erbschein mit einem anderen Inhalt ausstellen, auch wenn es meint, dieser wäre richtig.

Wenn der Fehler also darin liegt, dass Ihr Antrag selbst nicht korrekt war (z.B. weil Sie eine falsche Erbquote beantragt haben), ist das kein Fehler des Gerichts. In solchen Fällen müssen Sie unter Umständen Ihren Antrag ändern oder einen neuen, korrekten Antrag stellen, solange noch keine endgültige Entscheidung gefallen ist. Ein Fehler des Gerichts liegt hingegen vor, wenn das Gericht einen korrekt gestellten Antrag fehlerhaft bearbeitet oder zu Unrecht ablehnt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Vorerbe

Ein Vorerbe erbt Vermögen (die Vorerbschaft) nur auf Zeit und mit bestimmten Beschränkungen (§§ 2100 ff. BGB). Er ist zwar Eigentümer, darf aber über bestimmte Teile des Erbes, insbesondere Grundstücke, nicht frei verfügen (z.B. verkaufen oder verschenken), um die Substanz für den Nacherben zu erhalten. Im Text war die Ehefrau zunächst Vorerbin nach ihrem Mann. Erst mit ihrem Tod ging das Erbe an die Nacherben über.
Beispiel: Anna wird Vorerbin eines Hauses. Sie darf darin wohnen oder es vermieten, aber sie darf es ohne Zustimmung des Nacherben Ben in der Regel nicht verkaufen.


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Nacherben

Der Nacherbe ist die Person, die das Erbe erst nach dem Tod des Vorerben (oder Eintritt einer anderen Bedingung) endgültig erhält (§§ 2100 ff. BGB). Bis dahin soll der Vorerbe das Vermögen für ihn erhalten. Im Fall erbten die Kinder bzw. Enkel als Nacherben erst nach dem Tod der Mutter, die zuvor Vorerbin war. Ihre Rechte werden durch die Beschränkungen des Vorerben geschützt.
Beispiel: Ben ist als Nacherbe eingesetzt. Er erbt das Haus erst, wenn die Vorerbin Anna verstirbt.


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Schlusserben

Ein Schlusserbe erbt in der Regel bei einem gemeinschaftlichen Testament (oft „Berliner Testament“, § 2269 BGB) erst nach dem Tod des längerlebenden Ehegatten das gesamte Vermögen beider Partner. Anders als bei der Vorerbfolge ist der überlebende Ehegatte oft Vollerbe ohne Beschränkungen. Im Text wird der Begriff neben „Nacherben“ verwendet, was darauf hindeutet, dass die Kinder/Enkel diejenigen sind, die das Vermögen am Schluss, nach dem Tod beider Elternteile, erhalten sollen, unabhängig von der exakten Konstruktion (Vor-/Nacherbschaft oder Vollerbschaft des Längerlebenden).
Beispiel: Max und Maria setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Ihre Tochter Klara soll erst erben, wenn beide verstorben sind. Klara ist Schlusserbin.


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Pflichtteilsstrafklausel

Eine Pflichtteilsstrafklausel ist eine Regelung in einem Testament, meist einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten. Sie soll verhindern, dass ein Kind oder anderer Pflichtteilsberechtigter seinen gesetzlichen Pflichtteil fordert, solange der andere Ehegatte noch lebt. Fordert ein Erbe trotz der Klausel seinen Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils, enterbt er sich für den zweiten Erbfall oft selbst oder wird auch dann nur auf den Pflichtteil beschränkt (je nach Formulierung). Ziel ist es, dem überlebenden Partner das Vermögen ungeschmälert zu erhalten.
Beispiel: Ein Testament besagt: „Fordert eines unserer Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil, erhält es auch nach dem Tod des Längerlebenden nur den Pflichtteil.“


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Antragsbindung

Die Antragsbindung im Erbscheinverfahren bedeutet, dass das Nachlassgericht grundsätzlich nur über den konkret gestellten Antrag entscheiden darf (§ 352 Abs. 3 S. 1 FamFG). Es darf also keinen Erbschein ausstellen, der inhaltlich von dem abweicht, was der Antragsteller beantragt hat (z.B. andere Erben oder andere Quoten). Das Gericht ist jedoch an den zuletzt wirksam gestellten Antrag gebunden; der Antragsteller kann seinen Antrag während des Verfahrens ändern. Im vorliegenden Fall war strittig, ob das Amtsgericht eine (mögliche) Antragsänderung zu Recht ignoriert hat.
Beispiel: Beantragt A einen Erbschein als Alleinerbe, stellt das Gericht aber fest, dass auch B Erbe ist, darf es nicht von sich aus einen Erbschein für A und B ausstellen. A müsste seinen Antrag anpassen oder einen neuen stellen.


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Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze

Ein Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze liegt vor, wenn ein Gericht bei seiner Entscheidung oder im Laufe des Prozesses wichtige Regeln des Verfahrensrechts verletzt hat. Dies betrifft nicht den Inhalt des Rechts (materielles Recht), sondern die Art und Weise, wie das Verfahren geführt wurde (formelles Recht). Solche Fehler können z.B. die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder, wie hier vermutlich, die fehlerhafte Behandlung eines Antrags oder einer Antragsänderung sein. Ein wesentlicher Verfahrensfehler kann zur Aufhebung der gerichtlichen Entscheidung durch eine höhere Instanz führen.
Beispiel: Ein Gericht berücksichtigt einen wichtigen, fristgerecht eingereichten Schriftsatz einer Partei bei seiner Entscheidung überhaupt nicht.


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Aufhebung und Zurückverweisung

Aufhebung und Zurückverweisung ist eine häufige Entscheidung eines Rechtsmittelgerichts (z.B. Oberlandesgericht im Beschwerdeverfahren). „Aufhebung“ bedeutet, dass die angefochtene Entscheidung der unteren Instanz (z.B. Amtsgericht) für ungültig erklärt wird. „Zurückverweisung“ bedeutet, dass der Fall an die untere Instanz zurückgegeben wird, damit diese unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben des höheren Gerichts erneut verhandelt und entscheidet (vgl. z.B. § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG). Dies geschieht oft, wenn die untere Instanz Verfahrensfehler begangen hat oder eine weitere Sachaufklärung notwendig ist.
Beispiel: Das OLG hebt den Beschluss des Amtsgerichts wegen eines Verfahrensfehlers auf und verweist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurück.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 2269 BGB – Wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament: Regelt die Bindungswirkung von Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten. Wenn anzunehmen ist, dass eine Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, führt die Unwirksamkeit oder der Widerruf der einen zur Unwirksamkeit der anderen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Testament der Ehegatten ist gemeinschaftlich. Die Frage ist, ob die Einsetzung der Kinder als Schlusserben wechselbezüglich zur Einsetzung des Ehegatten als Alleinerben erfolgte. Davon hängt ab, ob nach dem Tod der Ehefrau noch Änderungen an der Erbfolge möglich waren.
  • § 2084 BGB – Auslegung von Willenserklärungen: Bestimmt, dass bei der Auslegung einer Willenserklärung, wie einem Testament, der wahre Wille des Erklärenden zu erforschen ist und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht muss ermitteln, was die Ehegatten mit dem Testament wirklich bezwecken wollten, insbesondere hinsichtlich der Erbfolge nach dem Tod beider Ehepartner und der Rolle der Kinder bzw. deren Abkömmlinge als Schlusserben.
  • § 2100 BGB – Nacherbe, § 2102 BGB – Vorerbe: Definieren die Nacherbschaft und Vorerbschaft. Der Vorerbe ist der Erbe bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses (Nacherbfall), dann wird der Nacherbe Erbe. Der Vorerbe ist in seiner Verfügungsmacht beschränkt, um die Rechte des Nacherben zu schützen. | Bedeutung im vorliegenden Fall:** Das Testament benennt den überlebenden Ehegatten als „Vorerben“ und die Kinder als „Schlusserben“. Das Gericht muss prüfen, ob tatsächlich eine Vor- und Nacherbschaft gewollt war und welche Beschränkungen für den überlebenden Ehegatten galten.
  • § 2303 BGB – Pflichtteilsberechtigte, § 2306 BGB – Beschränkung und Beschwerung des Pflichtteilsberechtigten: Legen fest, wer zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehört (Abkömmlinge, Ehegatte, Eltern) und regeln die Rechtsfolgen, wenn ein Pflichtteilsberechtigter durch Testament beschränkt oder beschwert wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Testament erwähnt Pflichtteile und deren mögliche Geltendmachung beim Tod des erstversterbenden Ehegatten. Dies könnte ein Hinweis auf den Willen der Erblasser sein, die Kinder nach dem Tod beider Elternteile als Erben zu sehen, aber Pflichtteilsansprüche beim ersten Erbfall zu vermeiden oder zu sanktionieren.
  • § 2353 BGB – Erbschein: Regelt das Erbscheinverfahren. Der Erbschein ist ein Zeugnis des Nachlassgerichts über das Erbrecht und die Erbteile der Erben. Er dient dem Erben als Legitimation im Rechtsverkehr. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Verfahren dreht sich um die Erteilung eines Erbscheins. Das Gericht muss entscheiden, wer aufgrund des Testaments Erbe geworden ist und wer somit einen Anspruch auf einen Erbschein hat.
  • § 1924 BGB – Gesetzliche Erbfolge der Ordnungen: Bestimmt die gesetzliche Erbfolge nach Ordnungen. Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel etc.) gehören zur ersten Ordnung und schließen entferntere Ordnungen von der Erbfolge aus. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl ein Testament vorliegt, ist die gesetzliche Erbfolge relevant, um zu verstehen, wer ohne Testament Erbe geworden wäre. Dies hilft bei der Auslegung des Testaments und der Bestimmung der testamentarischen Erbfolge, insbesondere im Hinblick auf vorverstorbene Kinder und deren Abkömmlinge.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Erben (insbesondere Schlusserben nach einem gemeinschaftlichen Testament) zum Erbscheinsverfahren

Nach dem Tod des zweiten Elternteils stehen Kinder oft vor der Aufgabe, das Erbe zu regeln, wenn die Eltern ein gemeinschaftliches Testament hinterlassen haben. Meist wird dann ein Erbschein benötigt, um sich gegenüber Banken oder dem Grundbuchamt als Erbe auszuweisen. Doch gerade bei der Beantragung dieses Dokuments können formale Fehler zu erheblichen Verzögerungen und Problemen führen.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.

Tipp 1: Erbscheinsantrag sorgfältig vorbereiten und stellen
Der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins ist ein formelles Verfahren. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben können dazu führen, dass das Nachlassgericht den Antrag zurückweist oder das Verfahren sich erheblich verzögert, wie der Fall des OLG Zweibrücken zeigt. Stellen Sie sicher, dass alle Angaben korrekt sind und alle erforderlichen Unterlagen (z. B. Sterbeurkunden, Testament) beigefügt werden.

⚠️ ACHTUNG: Schon kleine formale Fehler können ausreichen, um das gesamte Verfahren auf Anfang zurückzusetzen. Das kostet Zeit, Nerven und möglicherweise zusätzliches Geld.


Tipp 2: Erbfolge genau prüfen und angeben
Grundlage für den Erbschein ist die Erbfolge, wie sie sich aus dem Gesetz oder einem Testament ergibt. Bei einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten ist nach dem Tod des zweiten Elternteils genau zu prüfen, welche Regelungen für die Schlusserbfolge (also die Erbfolge nach dem Letztversterbenden) getroffen wurden. Geben Sie im Antrag klar an, wer aufgrund welcher Verfügung (Testament) zu welchem Anteil Erbe geworden ist.

⚠️ ACHTUNG: Widersprüchliche Angaben zur eigenen Erbquote oder zur Erbfolge insgesamt (wie im Beispielsfall angedeutet: erst 1/3, dann Alleinerbe) führen zu Nachfragen und Verzögerungen.


Tipp 3: Formvorschriften zwingend einhalten
Das Erbscheinsverfahren unterliegt bestimmten Formvorschriften. Der Antrag muss in der Regel beim zuständigen Nachlassgericht (Amtsgericht) gestellt werden, oft ist eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit der Angaben erforderlich, die meist notariell beurkundet oder zu Protokoll des Gerichts abgegeben werden muss. Informieren Sie sich genau über die Formerfordernisse.

⚠️ ACHTUNG: Die Missachtung von Formvorschriften kann zur Unwirksamkeit des Antrags oder zur Aufhebung gerichtlicher Beschlüsse führen, wie der Fall zeigt.


Tipp 4: Bei Unsicherheiten oder Streitigkeiten professionelle Hilfe suchen
Wenn Sie unsicher sind, wie der Erbscheinsantrag korrekt zu stellen ist, oder wenn es unter den Miterben Streit über die Erbfolge gibt, sollten Sie frühzeitig anwaltlichen oder notariellen Rat einholen. Ein Experte kann helfen, Fehler zu vermeiden, den Antrag korrekt zu formulieren und Streitigkeiten möglicherweise außergerichtlich zu klären.


Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Der vorliegende Fall macht deutlich, dass das Erbscheinsverfahren auch nach Vorliegen eines Testaments streitanfällig sein kann. Gerade bei gemeinschaftlichen Testamenten können Auslegungsfragen zur Schlusserbfolge entstehen. Zudem können Verfahrensfehler, selbst wenn sie nur formaler Natur erscheinen, erhebliche Auswirkungen haben und eine gerichtliche Entscheidung kippen. Eine sorgfältige und formal korrekte Vorgehensweise ist daher essenziell, um das Verfahren zügig abzuschließen.

Checkliste: Erbscheinsantrag nach gemeinschaftlichem Testament

  • Liegt das gemeinschaftliche Testament im Original oder in beglaubigter Abschrift vor?
  • Ist die Schlusserbregelung eindeutig? Wer erbt nach dem zweiten Todesfall?
  • Sind alle notwendigen Urkunden (Sterbeurkunden beider Elternteile, ggf. Geburtsurkunden der Erben) vorhanden?
  • Sind die Angaben im Antrag zur Person des Erblassers, zum Todestag und zur Erbfolge vollständig und korrekt?
  • Wurde die erforderliche Form für den Antrag und die eidesstattliche Versicherung beachtet (z.B. notarielle Beurkundung)?

Das vorliegende Urteil


OLG Zweibrücken – Az.: 8 W 6/25 – Beschluss vom 18.02.2025


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