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Abbedingung des Ausgleichsanspruchs gem. § 2057 a BGB durch Testament

In einem erbitterten Streit um das Erbe ihrer Mutter standen sich zwei Brüder vor dem Landgericht Siegen gegenüber. Der eine, zum Alleinerben bestimmt, hatte die Mutter jahrelang aufopferungsvoll gepflegt, während der andere auf seinen Pflichtteil pochte. Das Gericht musste nun entscheiden, ob die jahrelange Pflege den Bruder tatsächlich vom Erbe ausschloss.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Siegen
  • Datum: 12.12.2018
  • Aktenzeichen: 5 O 160/17
  • Verfahrensart: Erbstreitverfahren
  • Rechtsbereiche: Erbrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Der Bruder des Beklagten. Er fordert einen Pflichtteil aus dem Nachlass der gemeinsamen Mutter.
  • Beklagter: Der Bruder des Klägers. Er wurde durch das Testament der Mutter als Alleinerbe eingesetzt.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Die verwitwete Mutter der Parteien verstarb und hinterließ ein Testament, in dem sie den Beklagten als Alleinerben einsetzte. Der Kläger und eine weitere Schwester wurden auf ihren Pflichtteil verwiesen. Der Kläger beantragte die Auszahlung seines Pflichtteils, der vom Beklagten nicht vollständig erfüllt wurde.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Frage, ob der Kläger einen zusätzlichen Ausgleichsanspruch nach § 2057a BGB hat oder dieser durch das Testament wirksam abbedungen wurde.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 31.666,66 € nebst Zinsen zu zahlen. Die übrige Klage wurde abgewiesen.
  • Begründung: Der Kläger hat einen Anspruch auf seinen Pflichtteil gemäß § 2303 BGB. Der Ausgleichsanspruch nach § 2057a BGB wurde durch das Testament der Erblasserin wirksam abbedungen. Der Wortlaut und die Begründung im Testament waren diesbezüglich eindeutig. Außerdem wurde der Pflichtteilsanspruch des Klägers um eine bereits erhaltene Zahlung reduziert.
  • Folgen: Der Kläger erhält den ihm zustehenden Pflichtteil abzüglich der bereits erhaltenen Summe. Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 24 % vom Kläger und zu 76 % vom Beklagten getragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung.

Klarheit im Erbrecht: Abbedingung des Ausgleichsanspruchs im Testament

Die Abbedingung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 2057 a BGB ist ein zentrales Thema im Erbrecht, das viele Menschen betrifft, insbesondere bei der Regelung von Nachlässen. In einem Testament kann eine Person festlegen, wie Vermögenswerte nach ihrem Tod verteilt werden sollen. Diese testamentarische Verfügung hat weitreichende rechtliche Folgen, denn sie beeinflusst nicht nur die Erbfolge, sondern auch die Ansprüche der Erben und enterbten Personen, die auf ihren Pflichtteil hoffen.

Gerade die Regelung des Ausgleichsanspruchs kann für Verwirrung sorgen, wenn etwa Vermächtnisse oder besondere Erbteile im Testament berücksichtigt werden sollen. Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die Abbedingung des Ausgleichsanspruchs beleuchtet und die rechtlichen Aspekte näher analysiert.

Der Fall vor Gericht


Pflichtteilsanspruch trotz jahrelanger Pflege durch Alleinerben

Zwei Brüder in einer Anwaltspraxis, diskutieren angespannt über das Testament ihrer Mutter.
Abbedingung des Ausgleichsanspruchs im Erbrecht | Symbolfoto: Flux gen.

Das Landgericht Siegen entschied in einem Erbrechtsstreit zwischen zwei Brüdern über die Höhe des Pflichtteils. Der Beklagte wurde von seiner Mutter testamentarisch zum Alleinerben eingesetzt, während sein Bruder auf den Pflichtteil verwiesen wurde. Die Erblasserin begründete diese Entscheidung mit der langjährigen Pflege und Betreuung durch den zum Alleinerben eingesetzten Sohn.

Testamentarische Regelung honoriert Pflegeleistungen

Die Mutter hatte in einem notariellen Testament festgelegt, dass der pflegende Sohn ihr Vermögen erben und frei darüber verfügen sollte. Sie verwies dabei ausdrücklich auf dessen intensive Betreuungsleistungen seit mehreren Jahren. Der klagende Bruder sowie eine weitere Tochter wurden auf ihre Pflichtteile beschränkt. Der Nettonachlass belief sich auf einen erheblichen Betrag. Nach dem Tod der Erblasserin zahlte der Alleinerbe seinem Bruder zunächst nur einen Teilbetrag des geforderten Pflichtteils aus.

Gerichtliche Prüfung des Ausgleichsanspruchs

Das Landgericht musste insbesondere klären, ob der gesetzliche Ausgleichsanspruch für Pflegeleistungen nach § 2057a BGB durch das Testament wirksam ausgeschlossen wurde. Die Richter bejahten dies nach sorgfältiger Auslegung des Testaments. Sie stellten fest, dass die Erblasserin mit der Alleinerbeinsetzung gezielt die Pflegeleistungen ihres Sohnes honorieren wollte. Dies entspreche genau dem Zweck des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs, weshalb eine zusätzliche Ausgleichszahlung nicht gerechtfertigt sei.

Erfolgreiche Pflichtteilsklage mit Anrechnung früherer Zahlungen

Das Gericht sprach dem Kläger einen Pflichtteilsanspruch von 31.666,66 Euro zu. Bei der Berechnung wurden frühere Zahlungen der Erblasserin in Höhe von mehreren tausend Euro berücksichtigt, die der Kläger per Quittung bestätigt hatte. Obwohl in der Quittung von einem „Erbanteil“ die Rede war, wertete das Gericht dies als Anrechnung auf den Pflichtteil. Die Richter begründeten dies damit, dass von juristischen Laien keine präzise rechtliche Terminologie erwartet werden könne. Der Beklagte wurde zur Zahlung des ermittelten Betrags nebst Zinsen verurteilt und muss 76 Prozent der Prozesskosten tragen.


Die Schlüsselerkenntnisse


„Das Urteil verdeutlicht, dass ein Erblasser in seinem Testament den gesetzlichen Ausgleichsanspruch für Pflegeleistungen (§ 2057a BGB) wirksam ausschließen kann. Eine solche Abbedingung muss nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann sich auch aus der Gesamtschau des Testaments ergeben. Wenn der Erblasser im Testament die Pflegeleistungen eines Erben als Grund für dessen Alleinerbenstellung nennt und die anderen Erben ausdrücklich auf den Pflichtteil verweist, ist darin regelmäßig ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs zu sehen.“

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie ein Testament erstellen und einen Erben für seine Pflegeleistungen besonders bedenken möchten, können Sie dies durch eine entsprechende Erbeinsetzung tun und müssen keine zusätzlichen Ausgleichsansprüche der anderen Erben befürchten. Als Pflichtteilsberechtigter müssen Sie beachten, dass Sie keinen zusätzlichen Ausgleich für die Pflege des Erblassers durch den Alleinerben verlangen können, wenn das Testament die Pflegeleistungen als Grund für die Alleinerbenstellung nennt. Besonders wichtig ist eine klare und nachvollziehbare Begründung im Testament, warum Sie einen bestimmten Erben bevorzugen.


Ihr letzter Wille, rechtssicher umgesetzt.

Die optimale Gestaltung Ihres Testaments erfordert genaue Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen. Gerade bei komplexen Familienverhältnissen und dem Wunsch, Pflegeleistungen im Testament zu berücksichtigen, ist professioneller Rat unerlässlich. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Wünsche klar und rechtssicher zu formulieren, damit Ihr Erbe wirklich in Ihrem Sinne verteilt wird.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie kann ein Ausgleichsanspruch für Pflegeleistungen im Testament ausgeschlossen werden?

Ein Ausgleichsanspruch für Pflegeleistungen nach § 2057a BGB kann durch eine eindeutige Anordnung im Testament ausgeschlossen werden. Der Erblasser hat dabei verschiedene Möglichkeiten:

Ausdrücklicher Ausschluss

Die sicherste Methode ist ein expliziter Ausschluss des Ausgleichsanspruchs im Testament. Eine mögliche Formulierung könnte lauten: „Ich schließe hiermit ausdrücklich jeden Ausgleichsanspruch nach § 2057a BGB für erbrachte Pflegeleistungen aus.“ Diese klare Anweisung lässt keinen Interpretationsspielraum.

Impliziter Ausschluss durch Testamentsgestaltung

Ein Ausschluss kann sich auch aus dem Gesamtzusammenhang des Testaments ergeben. Wenn Sie beispielsweise einen Erben zum Alleinerben einsetzen und dies mit dessen Pflegeleistungen begründen, kann dies als Ausschluss weiterer Ausgleichsansprüche interpretiert werden. Eine mögliche Formulierung wäre: „Ich setze meinen Sohn X zum Alleinerben ein, da er mich in den letzten Jahren aufopferungsvoll gepflegt hat. Mit dieser Erbeinsetzung sollen seine Leistungen abschließend abgegolten sein.“

Teilweiser Ausschluss oder Begrenzung

Sie können den Ausgleichsanspruch auch teilweise ausschließen oder begrenzen. Denkbar wäre eine Formulierung wie: „Für die von meiner Tochter Y erbrachten Pflegeleistungen soll ein Ausgleich nach § 2057a BGB nur bis zu einem Höchstbetrag von 50.000 Euro erfolgen.“

Bedingte Anordnung

Eine weitere Option ist die Verknüpfung des Ausschlusses mit Bedingungen. Zum Beispiel: „Der Ausgleichsanspruch nach § 2057a BGB ist ausgeschlossen, sofern der Wert meines Nachlasses zum Zeitpunkt meines Todes 200.000 Euro nicht übersteigt.“

Formelle Anforderungen

Beachten Sie, dass der Ausschluss des Ausgleichsanspruchs den formellen Anforderungen an ein Testament entsprechen muss. Bei einem handschriftlichen Testament bedeutet dies, dass es vollständig handgeschrieben und unterschrieben sein muss. Bei einem notariellen Testament wird der Notar auf die korrekte Form achten.

Klarheit und Eindeutigkeit

Unabhängig von der gewählten Methode ist es entscheidend, dass Ihre Anordnung klar und eindeutig formuliert ist. Vermeiden Sie mehrdeutige Aussagen, die zu Streitigkeiten unter den Erben führen könnten. Je präziser Sie Ihren Willen zum Ausdruck bringen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Verfügung später angefochten wird.

Wenn Sie einen Ausgleichsanspruch für Pflegeleistungen in Ihrem Testament ausschließen möchten, sollten Sie sorgfältig abwägen, wie sich dies auf Ihre gesamte Nachlassplanung auswirkt. Eine klare und durchdachte Formulierung hilft, Ihren letzten Willen unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen und mögliche Konflikte unter den Erben zu vermeiden.


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Welche Rechtsfolgen hat die testamentarische Abbedingung des Ausgleichsanspruchs?

Die testamentarische Abbedingung des Ausgleichsanspruchs nach § 2057a BGB hat weitreichende Konsequenzen für die Verteilung des Nachlasses:

Wegfall des Ausgleichsanspruchs

Der pflegende Erbe verliert seinen Anspruch auf zusätzliche Vergütung für erbrachte Pflegeleistungen oder andere besondere Leistungen im Rahmen der Erbauseinandersetzung. Dies bedeutet, dass er trotz möglicherweise jahrelanger Pflege des Erblassers keinen finanziellen Ausgleich von den Miterben verlangen kann.

Auswirkungen auf die Erbquoten

Die Erbquoten bleiben unverändert, wie sie im Testament festgelegt wurden. Wenn Sie beispielsweise als pflegender Erbe zu gleichen Teilen mit Ihren Geschwistern als Erbe eingesetzt wurden, erhalten Sie trotz Ihrer Pflegeleistungen nur Ihren festgelegten Anteil am Nachlass.

Bedeutung für den Pflichtteil

Die Abbedingung wirkt sich auch auf die Berechnung des Pflichtteils aus. Normalerweise würde der Ausgleichsanspruch nach § 2316 Abs. 1 BGB bei der Pflichtteilsberechnung berücksichtigt. Durch die testamentarische Abbedingung entfällt diese Berücksichtigung. Dies kann zu einem niedrigeren Pflichtteilsanspruch für den pflegenden Erben führen, wenn er enterbt wurde.

Rechtliche Gültigkeit

Die Abbedingung des Ausgleichsanspruchs durch den Erblasser ist grundsätzlich zulässig und rechtlich wirksam. Der Bundesgerichtshof hat bestätigt, dass der Erblasser die Möglichkeit hat, einen solchen Ausgleich auszuschließen. Dies gilt selbst dann, wenn der Ausschluss nicht ausdrücklich im Testament erwähnt wird, sondern sich aus der Auslegung des Testaments ergibt.

Alternative Kompensationsmöglichkeiten

Trotz der Abbedingung des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs kann der Erblasser andere Wege wählen, um den pflegenden Erben zu begünstigen. Wenn Sie als pflegender Erbe beispielsweise zum Alleinerben eingesetzt wurden, kann dies als alternative Form der Kompensation für Ihre Leistungen angesehen werden.

Beachten Sie, dass die Abbedingung des Ausgleichsanspruchs die Testierfreiheit des Erblassers widerspiegelt. Sie als pflegender Erbe sollten sich daher frühzeitig Gedanken über mögliche Vereinbarungen mit dem Erblasser machen, um Ihre Leistungen angemessen zu würdigen.


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Was ist der Unterschied zwischen Pflichtteilsanspruch und Ausgleichsanspruch für Pflege?

Der Pflichtteilsanspruch ist ein gesetzlich garantierter Mindestanspruch auf einen Geldbetrag in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Er steht Ihnen als enterbtem Kind automatisch zu und richtet sich gegen die Erben.

Der Ausgleichsanspruch für Pflege nach § 2057a BGB hingegen ist ein zusätzlicher Anspruch, wenn Sie als Kind den Erblasser über längere Zeit gepflegt haben. Dieser Anspruch soll die erbrachten Pflegeleistungen finanziell ausgleichen.

Wesentliche Unterschiede in der Entstehung

Der Pflichtteilsanspruch entsteht allein durch die Enterbung. Sie müssen lediglich pflichtteilsberechtigt sein, also zu den engsten Familienangehörigen gehören.

Der Ausgleichsanspruch für Pflege setzt voraus, dass Sie erhebliche Pflegeleistungen erbracht haben. Diese müssen:

  • über einen längeren Zeitraum erfolgt sein
  • das Vermögen des Erblassers erhalten oder gemehrt haben
  • ohne angemessene Vergütung geleistet worden sein

Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten

Ein wichtiger Unterschied liegt in der Gestaltungsfreiheit des Erblassers:

Der Pflichtteilsanspruch kann vom Erblasser grundsätzlich nicht entzogen werden. Er genießt Verfassungsrang und ist durch das Grundgesetz geschützt.

Der Ausgleichsanspruch für Pflege kann dagegen durch Testament ausgeschlossen werden. Wenn der Erblasser beispielsweise den pflegenden Abkömmling bereits durch die Erbeinsetzung für seine Leistungen honoriert hat, kann er den zusätzlichen Ausgleichsanspruch abbedingen.

Berechnung und Durchsetzung

Bei der Berechnung des Pflichtteils wird der reine Nachlasswert zugrunde gelegt. Sie erhalten als Pflichtteilsberechtigter die Hälfte des Wertes, der Ihnen als gesetzlicher Erbe zugestanden hätte.

Der Ausgleichsanspruch für Pflege wird nach Billigkeit berechnet. Dabei werden berücksichtigt:

  • Dauer und Umfang der Pflegeleistungen
  • eingesparte Kosten für professionelle Pflege
  • Wert des Nachlasses

Der Ausgleichsbetrag wird dem Erbteil des pflegenden Abkömmlings hinzugerechnet und mindert entsprechend die Erbteile der anderen Erben.


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Welche Voraussetzungen müssen für einen Ausgleichsanspruch wegen Pflege erfüllt sein?

Für einen Ausgleichsanspruch wegen Pflege nach § 2057a BGB müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:

Anspruchsberechtigte Person

Nur Abkömmlinge des Erblassers können einen Ausgleichsanspruch geltend machen. Das bedeutet, Sie müssen ein Kind, Enkel oder Urenkel des Verstorbenen sein. Andere Verwandte oder nicht verwandte Personen sind von diesem Anspruch ausgeschlossen.

Art und Umfang der Pflegeleistungen

Die erbrachten Pflegeleistungen müssen über normale familiäre Unterstützung hinausgehen. Darunter fallen Hilfeleistungen bei der Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftlichen Versorgung. Auch die bloße Anwesenheit zur Sicherung des Pflegebedürftigen kann als Pflegeleistung gelten.

Zeitlicher Rahmen

Die Pflege muss „während längerer Zeit“ erfolgt sein. Es gibt keine feste Mindestdauer, aber die Pflegeleistungen müssen einen erheblichen Zeitraum umfassen. Gerichte berücksichtigen dabei sowohl die Gesamtdauer als auch die Intensität der Pflege.

Beitrag zur Vermögenserhaltung

Ihre Pflegeleistungen müssen dazu beigetragen haben, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn durch Ihre Pflege Kosten für einen Pflegedienst oder ein Pflegeheim eingespart wurden.

Keine angemessene Vergütung

Ein Ausgleichsanspruch besteht nur, wenn Sie für Ihre Pflegeleistungen kein angemessenes Entgelt erhalten haben. Wurde Ihnen bereits zu Lebzeiten des Erblassers eine angemessene Vergütung gezahlt oder vertraglich vereinbart, entfällt der Anspruch.

Gesetzliche Erbfolge oder entsprechende testamentarische Regelung

Der Ausgleichsanspruch setzt voraus, dass die gesetzliche Erbfolge eintritt oder dass Sie und Ihre Geschwister testamentarisch als Erben zu gleichen Teilen eingesetzt wurden.

Wenn Sie diese Voraussetzungen erfüllen, können Sie bei der Erbauseinandersetzung einen finanziellen Ausgleich für Ihre Pflegeleistungen verlangen. Die genaue Höhe des Anspruchs wird unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs der Leistungen sowie des Nachlasswerts ermittelt.


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Wie können Pflegeleistungen im Testament angemessen gewürdigt werden?

Im Testament stehen verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, um Pflegeleistungen angemessen zu würdigen und rechtssicher zu regeln.

Erbeinsetzung mit höherer Quote

Die einfachste Möglichkeit besteht darin, dem pflegenden Angehörigen im Testament einen höheren Erbteil zuzuweisen. Wenn Sie beispielsweise zwei Kinder haben, können Sie dem pflegenden Kind einen doppelt so hohen Erbteil wie dem anderen Kind zuweisen. Eine Begründung dieser unterschiedlichen Erbquoten ist rechtlich nicht erforderlich, kann aber zum Familienfrieden beitragen.

Pflegevergütungsvermächtnis

Eine Alternative zur erhöhten Erbquote ist die Anordnung eines Pflegevergütungsvermächtnisses. Hierbei können Sie:

  • Einen festen Geldbetrag als Vermächtnis festlegen
  • Eine variable Zuwendung abhängig vom tatsächlichen Pflegeaufwand bestimmen
  • Den Betrag an den üblichen Kosten professioneller Pflegedienste orientieren

Das Vermächtnis sollte ausdrücklich als Vorausvermächtnis angeordnet werden, damit es zusätzlich zum regulären Erbteil gewährt wird.

Ausschluss des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs

Wenn Sie die Pflegeleistungen durch testamentarische Zuwendungen würdigen, sollten Sie den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 2057a BGB ausdrücklich ausschließen. Eine mögliche Formulierung könnte lauten: „Ich setze meine Tochter zu meiner Alleinerbin ein. Die Pflegeleistungen meiner Tochter sollen bei der Berechnung des Pflichtteils unberücksichtigt bleiben“.

Lebzeitige Pflegevereinbarung

Eine besonders rechtssichere Lösung ist der Abschluss einer Pflegevereinbarung zu Lebzeiten. In dieser können Sie:

  • Den Umfang der erwarteten Pflegeleistungen definieren
  • Die Vergütung oder spätere erbrechtliche Berücksichtigung festlegen
  • Klare Bedingungen für alle Beteiligten schaffen

Die Vereinbarung sollte notariell beurkundet werden, um späteren Streitigkeiten vorzubeugen.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Ausgleichsanspruch nach § 2057a BGB

Ein gesetzlicher Anspruch auf finanzielle Entschädigung für Pflegeleistungen, die ein Abkömmling (Kind oder Enkel) dem Erblasser vor dessen Tod geleistet hat. Diese Regelung soll Familienmitglieder, die sich um den Erblasser gekümmert haben, im Erbfall besonders berücksichtigen. Der Anspruch besteht gegenüber den anderen Erben und wird bei der Erbauseinandersetzung geltend gemacht. Grundlage ist § 2057a BGB. Beispiel: Eine Tochter pflegt ihre Mutter drei Jahre lang zu Hause, während die Geschwister sich nicht kümmern. Nach dem Tod der Mutter kann sie dafür einen finanziellen Ausgleich verlangen.


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Pflichtteil

Der gesetzlich garantierte Mindestanteil am Nachlass, den bestimmte nahe Verwandte (Ehepartner, Kinder, Eltern) auch dann erhalten müssen, wenn sie durch Testament enterbt wurden. Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Geregelt in §§ 2303 ff. BGB. Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Geldanspruch gegen den oder die Erben. Beispiel: Ein Vater enterbt seinen Sohn und setzt nur die Tochter als Erbin ein. Der Sohn hat trotzdem Anspruch auf den Pflichtteil in Höhe von 25% des Nachlasswertes.


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Nettonachlass

Der tatsächliche Wert des Erbes nach Abzug aller Verbindlichkeiten wie Bestattungskosten, offene Rechnungen oder Hypotheken des Verstorbenen. Dieser Wert bildet die Berechnungsgrundlage für Pflichtteile und andere erbrechtliche Ansprüche gemäß § 2311 BGB. Beispiel: Ein Haus im Wert von 300.000 Euro ist mit einer Hypothek von 100.000 Euro belastet – der Nettonachlass beträgt dann 200.000 Euro.


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Alleinerbe

Eine durch Testament oder Erbvertrag bestimmte Person, die als einziger Erbe den gesamten Nachlass erhält. Der Alleinerbe tritt rechtlich vollständig in die Position des Verstorbenen ein (Universalsukzession) und übernimmt damit auch alle Verpflichtungen. Grundlage ist § 1922 BGB. Beispiel: Eine Mutter setzt in ihrem Testament ihren ältesten Sohn als Alleinerben ein – er erbt das gesamte Vermögen, muss aber auch eventuelle Schulden übernehmen.


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Anrechnung auf den Pflichtteil

Zuwendungen, die der Erblasser zu Lebzeiten an einen Pflichtteilsberechtigten gemacht hat, können auf dessen späteren Pflichtteilsanspruch angerechnet werden. Dies muss der Erblasser bei der Zuwendung ausdrücklich bestimmen (§ 2315 BGB). Dadurch verringert sich der nach dem Tod auszuzahlende Pflichtteil. Beispiel: Ein Vater schenkt seinem Sohn 20.000 Euro mit dem Vermerk, dies sei auf den späteren Pflichtteil anzurechnen. Nach dem Tod wird dieser Betrag vom Pflichtteilsanspruch abgezogen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB (Pflichtteilsrecht):
    Der Pflichtteil gewährt einem enterbten gesetzlichen Erben einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils. Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob der Erblasser durch ein Testament anderweitige Regelungen getroffen hat, und dient dem Schutz der Nachkommen vor vollständiger Enterbung.
    Im vorliegenden Fall wurde der Kläger auf seinen Pflichtteil verwiesen, der nach § 2303 BGB durch die Alleinerbeneinsetzung des Beklagten ausgelöst wurde. Der Anspruch wurde entsprechend geltend gemacht und teilweise erfüllt.
  • § 2057a BGB (Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen):
    Diese Vorschrift regelt den Ausgleich unter Abkömmlingen bei besonderen Leistungen, wie Pflege oder Mitarbeit, die ein Abkömmling für den Erblasser erbracht hat. Der Erblasser kann durch Testament bestimmen, ob und wie eine solche Ausgleichung zu erfolgen hat oder diese ausschließen.
    Die Erblasserin hat im Testament klargestellt, dass die Leistungen des Beklagten als ausreichend honoriert angesehen werden, indem sie den Ausgleichsanspruch nach § 2057a BGB wirksam abbedungen hat. Dies wurde durch die Testierfreiheit gedeckt.
  • § 2315 BGB (Anrechnung von Vorausleistungen):
    Zuwendungen, die ein Abkömmling zu Lebzeiten des Erblassers erhält, können auf den Pflichtteil angerechnet werden, wenn der Erblasser dies ausdrücklich anordnet. Dabei ist der Wille des Erblassers entscheidend.
    Im vorliegenden Fall hat die Erblasserin eine Anrechnung der bereits empfangenen Leistungen auf den Pflichtteil des Klägers angeordnet. Diese Anordnung wurde im Testament und durch eine quittierte Zahlung bestätigt.
  • § 286 BGB (Verzug):
    Ein Schuldner kommt in Verzug, wenn er trotz Mahnung eine fällige Leistung nicht erbringt. Durch den Verzug entstehen dem Gläubiger weitere Ansprüche, wie Zinsen nach § 288 BGB.
    Der Beklagte wurde durch anwaltliches Schreiben zur Zahlung des Pflichtteils aufgefordert und kam mit der Nichtzahlung in Verzug. Daher stehen dem Kläger Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe zu.
  • § 709 ZPO (Sicherheitsleistung bei vorläufiger Vollstreckbarkeit):
    Um die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Urteils zu gewährleisten, kann das Gericht anordnen, dass der Gläubiger eine Sicherheitsleistung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des zu vollstreckenden Betrags zu erbringen hat. Dies dient dem Schutz des Schuldners vor ungerechtfertigten Vollstreckungsmaßnahmen.
    Im Urteil wurde eine Sicherheitsleistung von 110 % angeordnet, um eine vorläufige Vollstreckung zu ermöglichen und gleichzeitig die Interessen des Beklagten abzusichern.

Das vorliegende Urteil


Landgericht Siegen – Az.: 5 O 160/17 – Urteil vom 12.12.2018


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