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Abfallgebühren als Nachlassverbindlichkeit

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 4 C 18.1134 – Beschluss vom 12.07.2018

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich als Mitglied einer Erbengemeinschaft gegen die Heranziehung zur Zahlung von Abfallgebühren und verfolgt ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren weiter.

Die Klägerin ist Mitglied der Erbengemeinschaft in Nachfolge ihres am 31. Juli 2015 gestorbenen Ehemanns, die infolge des Erbfalls in dessen Erbbauberechtigung an dem Geschäftsgrundstück FlNr. 1989/2 in R. eintrat. Mit Schreiben vom 2. November 2015 teilte das Amtsgericht Regensburg, Abteilung für Nachlasssachen, der Beklagten den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge mit.

Mit Bescheid vom 5. November 2015 erließ die Beklage aufgrund des Eigentumswechsels gegenüber der Klägerin für das oben genannte Grundstück einen „Bescheid über Grundabgaben“ und setzte u.a. eine anteilige Abfallgebühr für den Zeitraum 1. August 2015 bis 31. Dezember 2015 auf 237,00 Euro und ab 1. Januar 2016 jährlich auf 568,50 Euro fest. In der Bescheidsbegründung wird unter anderem angegeben, dass bei mehreren Abgabenschuldnern der namentlich genannte Schuldner gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werde. Bei der Auswahl seien die Eigentumsverhältnisse, Wohnort und personenbezogene Kriterien berücksichtigt worden. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor, sie sei nicht Schuldnerin der festgesetzten Abgaben. Es sei ein Nachlassinsolvenzantrag gestellt worden. Diesem Verfahren solle die weitere Abwicklung der Rückstände und der künftigen Forderungen der Beklagten überlassen werden. Die Klägerin hafte nicht mit ihrem Privatvermögen, die Haftung sei auf den Nachlass beschränkt. Im weiteren Verlauf nahm die Erbengemeinschaft den Nachlassinsolvenzantrag zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2017 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Klägerin sei als Miterbin gesamtschuldnerisch auf der Grundlage der Gebührensatzung herangezogen worden. Ein Ausgleich der Gesamtschuldner erfolge allein im Innenverhältnis. Die Beklagte habe ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Gegen den am 20. April 2017 zugestellten Bescheid erhob die Klägerin am 19. Mai 2017 Klage. Den am 19. Juni 2017 gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe lehnte das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 17. April 2018 ab.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Klägerin, der die Beklagte entgegentritt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die von der Beklagten vorgelegte Aktenheftung verwiesen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1, § 147 Abs. 1 VwGO) hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 5. November 2015 bezüglich der Festsetzung von Abfallgebühren zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn die Klägerin wurde für das streitgegenständliche Grundstück rechtmäßig als Miterbin ab 1. August 2015 bis 31. Dezember 2015 zur (anteiligen) Abfallbeseitigungsgebühr in Höhe von 237,00 Euro und ab 1. Januar 2016 in Höhe von jährlich 568,50 Euro als Gesamtschuldnerin herangezogen. Entgegen der in der Beschwerde vorgetragenen Auffassung kann die Klägerin der Gebührenschuld nicht die Einrede der beschränkten Erbenhaftung (§ 1990 BGB) entgegensetzen.

a) Die streitgegenständliche Abgabenschuld entstand mit dem 1. August 2015 (erstmalig) bei der Klägerin als Miterbin und Gesamtschuldnerin (§ 2032 BGB, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i.V.m. § 44 AO) und stellt daher keine vom Erblasser herrührende Nachlassschuld im Sinn von § 1967 BGB dar. Die Dürftigkeitseinrede des Erben gegenüber einem Nachlassgläubiger nach § 1990 BGB greift nicht.

Das streitgegenständliche Grundstück gehört mit dem Erbfall zum ungeteilten Nachlass des am 31. Juni 2015 gestorbenen Ehemanns der Klägerin und ist gemäß § 2032 BGB gemeinschaftliches Vermögen der Erben. Da das Grundstück an die Abfallversorgung angeschlossen ist, erhebt die Beklagte für dieses Grundstück auf der Grundlage der Gebührensatzung für die öffentliche Abfallentsorgung vom 20. März 1992 Abfallgebühren, die die Erbengemeinschaft als Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte schuldet (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Bei einem Wechsel in der Person des Gebührenschuldners endet die Gebührenpflicht des bisherigen Verpflichteten mit dem Ende des laufenden Kalendermonats, die Gebührenpflicht des neuen Verpflichteten entsteht mit Beginn des folgenden Kalendermonats (§ 6 der Satzung). Mit dem Erbfall am 31. Juli 2015 (§§ 1922, 1942 BGB) entstand die Gebührenschuld am 1. August 2015 bei der Erbengemeinschaft als eigene Schuld neu. Der Umstand, dass die Miterbengemeinschaft im Wege der Universalsukzession in die Eigentümerstellung des Erblassers eingetreten ist, hat nicht zur Folge, dass es sich bei der Gebührenschuld allein deswegen auch um eine Nachlassverbindlichkeit i.S.v. § 1967 BGB handelt. Da es sich folglich um eine sogenannte Eigenschuld der Erben handelt, hat die Klägerin für diese gesamtschuldnerisch mit ihrem Vermögen einzustehen und kann sich nicht auf erbrechtliche Haftungsbeschränkungen berufen (BayVGH, B. v. 27.2.2008 – 4 CS 07.3354 – juris Rn. 9; OVG NRW, B.v. 27.2.2001 – 9 B 157/01 – NVwZ-RR 2001, 596 f = juris Rn. 3; Staudinger/Marotzke, BGB, § 1967 Rn. 36). Ob die Gebührenschuld daneben (auch) noch eine sogenannte Nachlassverbindlichkeit im Sinn einer Nachlasserbenschuld ist, weil sie im Zuge einer Nachlassverwaltung entstanden sind (so Staudinger/Marotzke, BGB, § 1967 Rn. 36), kann hier offen bleiben. Denn auch in diesem Fall könnte die Klägerin die Haftung nicht auf den Nachlass beschränken, weil dies dem Erben nur bei einer „reinen“ Nachlassverbindlichkeit möglich ist. Sofern es sich – wie hier – zumindest auch um eine Eigenschuld handelt, ist diese Privilegierung nicht möglich (Palandt/Weidlich, BGB, 18. Aufl. 2018, § 1967 Rn 1; Horn in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1967 BGB, Rn. 2).

b) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der in der Beschwerdebegründung angeführten Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 11. August 1998 (VII R 118/95). In diesem Fall, der sich auf das Einkommensteuerrecht bezog, hatte der Erblasser noch zu Lebzeiten ein Rechtsgeschäft abgeschlossen, in dessen Vollzug es nach dem Erbfall zu einem Güteraustausch und einem Veräußerungsgewinn kam. Der Bundesfinanzhof entschied, dass in dieser Konstellation ausnahmsweise der Veräußerungsgewinn und die darauf entfallende Steuer nach erbrechtlichen Grund-sätzen dem Erblasser zuzurechnen seien, weil dieser durch sein Verhalten einen Geschehensablauf in Gang gesetzt habe, auf den der Erbe keinen Einfluss mehr gehabt habe. Zwar sei die Steuerschuld originär beim Erben angefallen, ihm sei aber in diesem besonderen Fall die Einrede nach § 1975 BGB zuzubilligen. Mit diesem besonderen Ausnahmefall ist der hier zu entscheidende Fall nicht vergleichbar. Der Umstand, dass eine Steuerschuld allein an die Inhaberschaft eines Rechts geknüpft ist und kraft Satzung entsteht, rechtfertigt keine Durchbrechung der erbrechtlichen Haftungsgrundsätze, zumal die Erbengemeinschaft weiterhin die öffentliche Abfallentsorgung der Beklagten in Anspruch nimmt. Keine Auswirkung auf die steuerrechtliche Haftung hat es außerdem, dass sich – wie im Beschwerdevorbringen geltend gemacht wird – die Klägerin als Mitglied der Erbengemeinschaft nicht im Stande sah, innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Ausschlagungsfrist von 6 Wochen (§ 1944 Abs. 1 BGB) zu entscheiden, ob sie das Erbe annimmt. Angesichts der von ihr vorgetragenen Überschuldung des Grundstücks musste ihr außerdem die finanzielle Situation des nach eigenen Angaben lediglich aus dem Grundstück bestehenden Erbes bekannt gewesen sein.

c) Die Beklagte hat das ihr zustehende Auswahlermessen hinsichtlich der einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft sachgerecht ausgeübt (vgl. § 114 VwGO). Sie durfte insofern berücksichtigen, dass die Klägerin als einzige Steuerpflichtige im Gemeindegebiet wohnt. Die Klägerin kann von den Miterben gem. § 426 Abs. 1 BGB einen Ausgleich verlangen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozess-kostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

 

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