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Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis in privatschriftlichem Testament

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 99/19 – Beschluss vom 18.10.2019

Die Zwischenverfügung vom 11. April 2019 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die derzeit als Alleineigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes im Grundbuch eingetragene Erblasserin verstarb im Jahr 2018. Zu ihrem Nachlass gehören neben dem verfahrensgegenständlichen Grundbesitz Rechte an einem Unternehmen, Bankguthaben sowie Forderungen gegen Dritte.

Mit privatschriftlichem Testament vom 31. Dezember 2015 setze die Erblasserin den Beteiligten zu 1 zum Testamentsvollstrecker ein. Weiter verfügte sie folgendes:

„Mein Nießbrauch-Vermögen bei der Firma … soll im Fall meines Todes zu gleichen Teilen (je 25%) auf die Enkel-Kinder meines verstorbenen Ehemanns … übertragen werden (vererbt werden).

Mein restliches Vermögen vermache ich meinen Stiefsohn A. (Anm.: das ist der Beteiligte zu 2) … und meinem Adoptiev-Enkel Dr. B. (Anm.: das ist der Beteiligte zu 1) … zu gleichen Teilen.“

Unter dem 22. November 2018 trafen die Beteiligten zu 1 und 2 in einer als „Vermächtniserfüllungs- und Übertragungsvertrag“ überschriebenen notariellen Urkunde folgende Vereinbarungen: In einem ersten Schritt übertrug der Beteiligte zu 1 in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker zum Zwecke der Vermächtniserfüllung den verfahrensgegenständlichen Grundbesitz je zu ½-Anteil an sich selbst und an den Beteiligten zu 2 als Vermächtnisnehmer. In einem zweiten Schritt übertrug der Beteiligte zu 2 seinen hälftigen Miteigentumsanteil an den Beteiligten zu 1.

Unter dem 6. Februar 2019 wurde dem Beteiligten zu 1 ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt. Ein Erbschein ist bislang nicht beantragt.

Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis in privatschriftlichem Testament
(Symbolfoto: Von Casper1774 Studio/Shutterstock.com)

Mit notariellem Antrag vom 14. Februar 2019 beantragten die Beteiligten die Umschreibung des Eigentums am verfahrensgegenständlichen Grundbesitz unmittelbar auf den Beteiligten zu 1.

Mit Zwischenverfügung vom 22. Februar 2019 wies das Grundbuchamt darauf hin, dass eine Zustimmung der Erben gemäß § 2205 Satz 3 BGB in der Form des § 29 GBO sowie ein Erbnachweis, der durch Vorlage eines Erbscheins geführt werden könne, erforderlich seien.

Der verfahrensbevollmächtigte Notar teilte mit Schreiben vom 14. März 2019 mit, die vom Grundbuchamt verlangten Nachweise nicht für erforderlich zu halten, da der Beteiligte zu 1 als Testamentsvollstrecker im ersten Schritt des Übertragungsvertrages ausschließlich das von der Erblasserin angeordnete Vermächtnis erfülle; das sei keine unentgeltliche Verfügung im Sinne von § 2205 Satz 3 BGB.

Mit Schreiben vom 28. März 2019 teilte das Grundbuchamt mit, es bestünden Zweifel, ob die im Testament getroffenen Anordnungen als Vermächtnis oder als Erbeinsetzung auszulegen seien. Im Hinblick auf das Formerfordernis des § 29 GBO seien die Zustimmung der Erben und der Erbnachweis angefordert worden. Deshalb bitte es um Erledigung der Zwischenverfügung.

Der Rechtsauffassung des Grundbuchamtes trat der verfahrensbevollmächtigte Notar mit seinem weiteren Schreiben vom 8. April 2019 entgegen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Grundbuchamt erneut eine Zwischenverfügung erlassen und die bereits mit der Verfügung vom 22. Februar 2019 verlangten Nachweise angefordert. Es hat zur Begründung ausgeführt, es sei nicht zweifelsfrei erkennbar, ob es sich bei der testamentarischen Anordnung „Mein restliches Vermögen vermache ich …“ tatsächlich um ein Vermächtnis handele. Auch nach freier Beweiswürdigung könne nicht auf einen Erbnachweis verzichtet werden. Soweit die Beteiligten zu 1 und 2 Mitglieder einer Erbengemeinschaft seien, wäre die Übertragung des Grundbesitzes eine Erbauseinandersetzung und dann sei die Erbengemeinschaft stets in der Form von § 35 oder § 36 GBO nachzuweisen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 29. April 2019. Er meint, schon die wörtliche Auslegung des Testaments führe zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Grundstücksübertragung durch ihn als Testamentsvollstrecker um die Erfüllung eines Vermächtnisses handele; dafür benötige ein Testamentsvollstrecker keine Zustimmung der Erben. Selbst wenn es sich um eine Erbeinsetzung handeln sollte, wäre eine Zustimmung der Erben nicht notwendig, denn auch dann würde der Testamentsvollstrecker lediglich die Anordnungen der Erblasserin erfüllen.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit weiterem Beschluss vom 7. Mai 2019 dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.

Mit weiterer Eingabe vom 14. Mai 2019 wiederholt und vertieft der Beteiligte zu 1 seine Ausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie den der beigezogenen Akten des Nachlassgerichts (AG Mönchengladbach-Rheydt 12 VI 853/18 und 12 IV 568/18 und 12 VI 665/18) verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 18 Abs. 1, 71 Abs. 1, 72, 73 GBO zulässige Beschwerde ist nach der vom Grundbuchamt ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 75 GBO. Sie hat in der Sache schon deshalb Erfolg, weil die Zwischenverfügung nicht hätte ergehen bzw. durch Nichtabhilfe hätte bestätigt werden dürfen und daher aus formellen Gründen aufzuheben ist.

Die Zwischenverfügung ist inhaltlich unzulässig, weil die Beteiligten im Anschluss an die erste Zwischenverfügung vom 22. Februar 2019 und an das gerichtliche Hinweisschreiben vom 28. März 2019 durch ihre Ausführungen vom 14. März 2019 und vom 8. April 2019 ernsthaft und endgültig zu erkennen gegeben haben, dass sie nicht gewillt sind, die vom Grundbuchamt gesehenen Eintragungshindernisse zu beseitigen. In diesem Fall geht das mit Erlass einer Zwischenverfügung beabsichtigte Verbesserungsverfahren ins Leere. Das Grundbuchamt hätte deshalb – auf der Basis seiner eigenen Rechtsauffassung – nicht erneut durch Zwischenverfügung entscheiden bzw. diese aufrecht erhalten dürfen, sondern über den Eintragungsantrag unmittelbar entscheiden müssen (vgl. Senat FGPrax 2013, 14; ZEV 2016, 707).

In der Sache sei – ohne Bindungswirkung – bemerkt:

Liegt – wie hier im ersten Schritt der notariellen Urkunde vom 22. November 2018 – eine Verfügung eines Testamentsvollstreckers vor, hat das Grundbuchamt unter anderem auch die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers zu prüfen. Gemäß § 2205 Satz 3 BGB sind dem Testamentsvollstrecker unentgeltliche Verfügungen untersagt. Daraus folgt für das grundbuchrechtliche Verfahren, dass das Grundbuchamt auch die Entgeltlichkeit der Verfügungen des Testamentsvollstreckers festzustellen hat. Da sich der Nachweis der Entgeltlichkeit einer Verfügung häufig jedoch nicht durch öffentliche Urkunden (§ 29 GBO) führen lässt, hat das Grundbuchamt dann im Wege freier Beweiswürdigung die Entgeltlichkeit festzustellen. Insofern handelt es sich um einen Ausnahmefall von § 29 GBO (OLG München ZEV 2011, 197 ff. und RNotZ 2015, 359 ff.; Palandt-Weidlich, BGB, 76. Aufl. 2017, § 2205 Rn. 31 m.w.N.). Eine entgeltliche Verfügung eines Testamentsvollstreckers liegt unter anderem dann vor, wenn die Verfügung in Erfüllung einer letztwilligen Verfügung des Erblassers vorgenommen wurde. Der Nachweis, dass der Testamentsvollstrecker gemäß der Erblasseranordnung gehandelt hat, wird durch Vorlage des Testaments erbracht. Hierbei sind grundsätzlich auch privatschriftliche Testamente vom Grundbuchamt zu würdigen (vgl. Senat BeckRS 2013, 15711; OLG München ZEV 2011, 197 ff. und RNotZ 2015, 359 ff.; BeckOK BGB/Lange, 51. Edition, Stand: 1. August 2019, § 2205 Rn. 70 ff. m.w.N.).

Die Ausnahme von § 29 GBO gilt insbesondere dann, wenn ein Nachweis in der Form der §§ 29, 35 GBO nicht erbracht werden kann, etwa weil ein Erbschein die Vermächtnisnehmereigenschaft nicht nachweist.

Eines gesonderten Nachweises in der Form des § 29 GBO bedarf es im übrigen auch dann nicht, wenn der Testamentsvollstrecker deshalb in Erfüllung des Testaments handelt, weil er mit der Übertragung eines Grundstücks oder eines Grundstücksrechtes eine entsprechende Anordnung des Erblassers vollzieht. Es ist dann nämlich unerheblich, ob der Gegenstand dem Empfänger als Erbe durch Teilungsanordnung (§ 2048 BGB), als Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) oder als (gewöhnliches) Vermächtnis (§ 2147 BGB) zukommen soll. Im Testament muss nur hinreichend deutlich werden, dass der Bedachte den Gegenstand in jedem Fall erhalten soll (OLG München ZEV 2011, 197 ff.; BayObLG NJW-RR 1989, 587; vgl. auch OLG Karlsruhe NRW-RR 2005, 1097 ff.; Keim ZEV 2007, 470 ff.).

Hier stützt sich der Beteiligte zu 1 zum Nachweis seiner Verfügungsbefugnis als Testamentsvollstrecker auf das privatschriftliche Testament der Erblasserin vom 31. Dezember 2015. In welchem Sinne das ihm vorlegte Testament auszulegen ist, hat das Grundbuchamt grundsätzlich in eigener Verantwortung festzustellen. Das gilt auch, wenn es sich um die Klärung rechtlich schwieriger Fragen handelt. Eine Auslegung scheidet indes aus, wenn das Grundbuchamt auf Grund der Eintragungsgrundlagen nicht zu einer abschließenden Würdigung in der Lage ist (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl. 2018, § 35 Rn. 43 m.w.N.).

Hier sprechen nach Auffassung des Senats gute Gründe dafür, das privatschriftliche Testament der Erblasserin vom 31. Dezember 2015 dahin auszulegen, dass die Beteiligten zu 1 und 2 entgegen der von ihnen vertretenen Auffassung nicht als Vermächtnisnehmer eingesetzt worden sind, sondern zu Miterben nach der Erblasserin bestimmt worden sind. Entsprechendes rechtfertigt sich aufgrund einer Anwendung der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2087 BGB.

Gemäß § 2087 Abs. 1 BGB ist eine Verfügung, auch dann wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist, als Erbeinsetzung zu verstehen, wenn der Erblasser dem Bedachten sein Vermögen oder einen Bruchteil davon zuwendet. Wendet der Erblasser dem Bedachten nur einzelne Gegenstände zu, ist nach § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel nicht anzunehmen, dass er, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist, Erbe sein soll. Es handelt sich dann vielmehr in der Regel um eine Vermächtnisanordnung (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, a.a.O., § 2087 Rn. 8).

Im hier auszulegenden Testament hat die Erblasserin in Bezug auf ihre Rechte an dem seinerzeitigen Unternehmen ihres vorverstorbenen Ehemannes verfügt, dass diese den vier Enkeln ihres Ehemannes „übertragen werden (vererbt werden)“. Ihren gesamten restlichen Nachlass hat sie den Beteiligten zu 1 und 2 zugewandt und ihre Zuwendung mit den Worten „vermache ich“ bezeichnet. Ausweislich des zu den Nachlassakten gereichten Wertermittlungsbogens beläuft sich der Wert der Rechte an dem Unternehmen auf 225.884,- € und der Wert der restlichen Nachlassaktiva auf insgesamt 1.373.087,- €. Hat also die Erblasserin einerseits die vier Enkel ihres vorverstorbenen Ehemannes mit ihren Rechten an dem Unternehmen des Ehemannes als bestimmt bezeichneten Bestandteil ihres Nachlasses bedacht, ohne dass diese Rechte wertmäßig den Nachlass erschöpfen oder ihn im wesentlichen bestimmen, und andererseits den Beteiligten zu 1 und 2 ihr gesamtes restliches Vermögen, welches auch wertmäßig den ganz überwiegenden Nachlass ausmacht, zugewandt, führt die Anwendung der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2087 BGB zu dem Ergebnis einer Einsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 als Erben und der vier Enkel als Vermächtnisnehmer. Die von der Erblasserin jeweils verwendeten Bezeichnungen stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.

Gleichwohl ist für das hiesige Eintragungsverfahren die Vorlage eines Erbscheins entbehrlich, denn den testamentarischen Anordnungen der Erblasserin vom 31. Dezember 2015 lässt sich ohne weiteres entnehmen, dass die Beteiligten zu 1 und 2 abgesehen vom den zum Nachlass gehörigen Unternehmensrechten alle übrigen Nachlassgegenstände – mithin auch den zum Nachlass gehörigen, verfahrensgegenständlichen Grundbesitz – jeweils zu gleichen Teilen erhalten sollten. Damit deckt sich die hier im ersten Schritt erklärte Übertragung des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes durch den Beteiligten zu 1 in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker an die Beteiligten zu 1 und 2 je zu ½-Anteil.

III.

Eine Kostenentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG; deshalb erübrigt sich auch eine Wertfestsetzung. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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