Komplexe Erbfolge: OLG Bamberg fordert erneute Prüfung der Erbansprüche
In einem komplexen Fall von Erbfolge hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg entschieden, dass das Amtsgericht Hof seine bisherige Entscheidung überdenken muss. Im Zentrum des Falles steht eine Mutter, die Erblasserin, die zusammen mit ihrem Kind in einem erweiterten Suizid verstarb. Die Erblasserin hatte in ihrem Testament ihre Eltern als Erben eingesetzt, die jedoch die Erbschaft ausschlugen. Das Nachlassgericht hatte daraufhin festgestellt, dass der Freistaat Bayern der einzige Erbe sei. Der Vater des verstorbenen Kindes legte jedoch Beschwerde ein, da unklar sei, ob das Kind vor oder nach der Mutter gestorben sei. Dies wäre entscheidend für seine eigenen Erbansprüche.
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Übersicht
Unzureichende Ermittlungen des Nachlassgerichts
Das OLG Bamberg kritisierte die bisherige Verfahrensweise des Amtsgerichts Hof. Das Gericht hatte nicht ausreichend ermittelt, ob das Kind vor oder nach der Mutter gestorben war. Nach deutschem Erbrecht ist die Reihenfolge des Versterbens entscheidend für die Erbfolge. Das Nachlassgericht hatte sich lediglich auf die gesetzliche Vermutung des gleichzeitigen Versterbens berufen, was nach Ansicht des OLG nicht ausreicht.
Die Bedeutung der Erbfähigkeit
Die Erbfähigkeit eines potenziellen Erben ist nach § 1923 BGB davon abhängig, dass der Erbe den Erblasser überlebt, und sei es nur um den Bruchteil einer Sekunde. Das OLG Bamberg wies darauf hin, dass das Nachlassgericht diese Frage klären muss, bevor es eine endgültige Entscheidung trifft. Ohne diese Klärung können keine verlässlichen Aussagen über die Erbansprüche gemacht werden.
Mögliche Konsequenzen für den Erbschein
Das OLG Bamberg stellte klar, dass der bereits erteilte Erbschein für den Freistaat Bayern nicht einfach aufgehoben werden kann. Allerdings muss das Amtsgericht den Einwand des Vaters als Antrag auf Einziehung des Erbscheins betrachten. Sollte sich herausstellen, dass das Kind die Mutter überlebt hat, käme der Vater als Erbe in Betracht. In diesem Fall wäre der bereits erteilte Erbschein unrichtig und müsste eingezogen werden.
Offene Fragen und weitere Schritte
Sollte es dem Nachlassgericht nicht gelingen, die Reihenfolge des Versterbens mit der erforderlichen Sicherheit zu klären, wäre die Beschwerde des Vaters unbegründet. In diesem Fall hätte er keine Rechte am Nachlass. Das OLG Bamberg hat die Sache zur erneuten Prüfung an das Amtsgericht Hof zurückverwiesen, um alle offenen Fragen zu klären und eine gerechte Entscheidung zu treffen.
OLG Bamberg – Az.: 7 W 39/22 – Beschluss vom 28.12.2022
Das vorliegende Urteil
1. Der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Hof vom 24.11.2022 wird aufgehoben.
2. Das Verfahren wird zur erneuten Prüfung der Abhilfe an das Nachlassgericht Hof zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Erblasserin und der Beschwerdeführer sind die Eltern des am … geborenen Kindes E., welches zusammen mit der Erblasserin am … im Rahmen eines erweiterten Suizids verstarb.
Die Erblasserin war ledig und hatte keine weiteren Kinder. In einem Testament setzte sie ihre Eltern als Erben ein. Die Eltern der Erblasserin schlugen die Erbschaft allerdings ebenso aus wie die einzige Schwester der Erblasserin, die gleichzeitig die Ausschlagung auch für ihr (damals noch ungeborenes) Kind erklärte.
Das Nachlassgericht stellte daraufhin mit Beschluss vom 13.10.2022 nach § 1964 BGB fest, dass ein anderer Erbe als der bayerische Fiskus nicht vorhanden ist.
Nachdem das Landesamt für Finanzen mit am 07.11.2022 beim Nachlassgericht eingegangenem Schreiben die Erteilung eines Erbscheins für den Freistaat Bayern beantragt hatte, stellte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 08.11.2022 fest, dass die zur Begründung dieses Antrages erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet werden. Gleichzeitig wurde der beantragte Erbschein erteilt.
Mit Schriftsatz vom 11.11.2022, beim Nachlassgericht eingegangen am selben Tag, legte der Beteiligte Z. Beschwerde gegen die Entscheidung vom 13.10.2022 ein und führte zur Begründung aus, es hätte geklärt werden müssen, ob das Kind E. vor oder nach der Erblasserin gestorben ist. Unter Umständen komme nämlich er als Erbe in Betracht.
Mit Beschluss vom 24.11.2022 half das Amtsgericht der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor. Nach Auffassung des Nachlassgerichts müsse mangels entgegenstehender Angaben und den Umständen des Ablebens von einem gleichzeitigen Versterben gemäß § 11 VerschG ausgegangen werden.
II.
Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige, insbesondere form- und mangels Zustellung fristgerecht eingelegte Beschwerde des Beteiligten Z. ist vorläufig begründet.
Der Senat gibt die Sache zur erneuten – ordnungsgemäßen – Durchführung des Verfahrens über die (Nicht-)Abhilfe an das Nachlassgericht zurück, da dessen Verfahrensweise nicht den an diesen Verfahrensabschnitt zu stellenden Anforderungen genügt (Keidel/Sternal, FamFG, 19. Auflage, 2017, § 68 Rn. 34 mit weiteren Nachweisen).
1)
Die Entscheidung über die Nichtabhilfe nach § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist eine regelmäßig in Beschlussform zu treffende und den Beteiligten bekannt zu gebende Sachentscheidung (OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 653).
Die Anforderungen an den Umfang der Begründung hängt naturgemäß vom jeweiligen Einzelfall ab. Stets aber muss die Entscheidung zumindest erkennen lassen, dass das Ausgangsgericht das wesentliche Beschwerdevorbringen beachtet und seiner Pflicht zur Prüfung und Selbstkontrolle im Abhilfeverfahren nachgekommen ist (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
2)
Diesen Anforderungen genügt die vom Nachlassgericht am 24.11.2022 getroffene Entscheidung erkennbar nicht:
Denn zur Feststellung der Erbfolge sind weitere Ermittlungen erforderlich, die vom Amtsgericht bislang trotz der bestehenden Pflicht zur Amtsermittlung (§ 26 FamFG) nicht durchgeführt wurden. Der bloße Hinweis des Nachlassgerichts in der Entscheidung vom 24.11.2022 auf die gesetzliche Vermutung des § 11 VerschG ist nicht ausreichend.
Richtig ist zwar, dass die Erblasserin und das Kind E. durch das gleiche Ereignis ums Leben gekommen sind. Allerdings steht damit nicht automatisch fest, dass sie gleichzeitig verstorben sind. Nach § 1923 BGB ist die Erbfähigkeit aber allein davon abhängig, dass der Erbe den Erblasser – wenn auch nur um den Bruchteil einer Sekunde – überlebt.
Zutreffend weist die Beschwerde deswegen darauf hin, dass im vorliegenden Fall vom Nachlassgericht geklärt werden muss, in welcher Reihenfolge die Erblasserin und ihr Kind gestorben sind (OLG Hamm NJW-RR 96, 70; OLG Köln FamRZ 92, 860; Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Auflage, 2023, § 1923 Rn. 5). Die Entscheidung vom 24.11.2022 geht auf dieses Vorbringen nicht ein. Vor der Klärung dieser Frage ist aber eine Entscheidung über die Nichtabhilfe nicht möglich.
3)
Nicht verkannt wird vom Senat, dass der vom Amtsgericht bereits erteilte Erbschein im Weg der Abhilfe nicht aufgehoben werden kann (Keidel/Sternal, a.a.O., § 68 Rn. 26).
Allerdings wird das Amtsgericht (dem Gedanken des § 352 e Abs. 3 FamFG folgend) das Vorbringen des Vaters des Kindes E. als Anregung bzw. Antrag auf Einziehung des bereits erteilten Erbscheins auslegen müssen.
Denn sollten die durchzuführenden Ermittlungen ergeben, dass E. tatsächlich nach der Erblasserin gestorben ist, käme der Beschwerdeführer als (Erbes-)Erbe in Betracht. Damit dürfte dann auch feststehen, dass der bereits erteilte Erbschein unrichtig und deswegen vom Nachlassgericht einzuziehen ist (§ 2361 BGB).
Kann hingegen nicht mit der erforderlichen Sicherheit geklärt werden, dass E. Erbe nach seiner Mutter wurde, ist die Beschwerde tatsächlich unbegründet. In diesem Fall stehen dem Beschwerdeführer erkennbar keinerlei Rechte am Nachlass zu.