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Anfechtung einer Erbschaftsannahme

Eine folgenschwere Fehleinschätzung, die nun korrigiert wurde: Eine Erbin schlug aus Unwissenheit eine vermeintlich wertlose Erbschaft aus, um sich dann eines Besseren zu besinnen. Plötzlich steht ihr ein überraschendes Vermögen offen, nachdem das Gericht ihren Irrtum anerkannte und den Weg für die Annahme der Erbschaft freimachte.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: KG Berlin
  • Datum: 16.10.2023
  • Aktenzeichen: 6 W 31/23
  • Verfahrensart: Beschwerdeverfahren im Nachlassverfahren
  • Rechtsbereiche: Erbrecht, Nachlassrecht
  • Beteiligte Parteien:
    • Antragstellerin: Sie legte Beschwerde ein, um den ursprünglichen Beschluss des Nachlassgerichts zu ändern und die im Erbscheinsantrag vom 7. November 2022 dargestellten Tatsachen bestätigen zu lassen.
    • Erblasserin: Die am 12. Januar 2022 in Berlin verstorbene Person, die in einem privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testament mit ihrem später vorverstorbenen Ehepartner Regelungen zur wechselseitigen Alleinerbeneinsetzung und zu Vorableistungen an Kinder aus früheren Ehen getroffen hat.
    • Ehepartner der Erblasserin: Bereits vorverstorben, war zentral für das gemeinschaftliche Testament, das auch die Vorableistung an dessen Kinder aus einer früheren Ehe vorsah.
  • Um was ging es?
    • Sachverhalt: Die Erblasserin verstarb am 12. Januar 2022. Zuvor wurde in einem gemeinschaftlichen Testament mit ihrem zweiten, bereits verstorbenen Ehepartner vereinbart, dass sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und dass Vorableistungen an die Kinder aus den früheren Ehen erfolgen sollen. Auf dieser Grundlage stellte die Antragstellerin am 7. November 2022 einen Erbscheinsantrag.
    • Kern des Rechtsstreits: Es ging darum zu klären, ob die im Erbscheinsantrag dargelegten Tatsachen – insbesondere die testamentarischen Regelungen und die vereinbarten Vorableistungen – als erwiesen anzusehen sind.
  • Was wurde entschieden?
    • Entscheidung: Der Beschluss des Amtsgerichts Köpenick – Nachlassgericht vom 15. März 2023 wurde dahingehend geändert, dass die dem Erbscheinsantrag zugrunde liegenden Tatsachen als festgestellt gelten.
    • Begründung: Die Entscheidung basiert auf den Regelungen des privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testaments sowie den vorliegenden Zahlungsbelegen, die die vereinbarten Vorableistungen an die Kinder aus den früheren Ehen bestätigen.
    • Folgen: Mit dem geänderten Beschluss wird die Position der Antragstellerin gestärkt, was Auswirkungen auf das weitere Erbscheinsverfahren haben kann. Weitere Kostenfolgen und Verfahrensausführungen richten sich nach der nun festgestellten Sachlage.

Der Fall vor Gericht


Erbschaftsstreit vor Berliner Kammergericht: Anfechtung der Erbschaftsannahme wegen Irrtums über den Nachlasswert

Frau lehnt in Notarzimmer eine Erbschaft ab, sitzt an Schreibtisch mit Dokumenten, blickt auf einen Ablehnungsbrief.
Anfechtung der Erbschaftsannahme wegen Irrtums | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Kammergericht Berlin (KG Berlin) hatte in einem Beschluss vom 16. Oktober 2023 (Az.: 6 W 31/23) über die Anfechtung einer Erbschaftsannahme zu entscheiden. Im Zentrum des Falls stand die Frage, ob eine Erbin ihre zunächst erklärte Erbausschlagung rückgängig machen kann, wenn sie sich über den tatsächlichen Wert des Nachlasses geirrt hat. Das Gericht gab der Beschwerde der Erbin statt und ermöglichte ihr damit, die Erbschaft doch noch anzunehmen.

Testamentarische Erbfolge und anfängliche Fehleinschätzung der Erbin

Die Erblasserin, im Jahr 2022 in Berlin verstorben, hatte gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein privatschriftliches Testament aus dem Jahr 1997 verfasst. In diesem gemeinschaftlichen Testament setzten sich die Eheleute zunächst gegenseitig zu Alleinerben ein. Zudem verfügten sie, dass die Kinder beider Ehepartner aus früheren Ehen – darunter die Antragstellerin, die adoptierte Tochter der Erblasserin – jeweils 10.000 DM erhalten sollten. Diese Vorableistung sollte laut Testament dazu dienen, spätere Pflichtteilsansprüche der Kinder gegenüber dem überlebenden Ehepartner abzugelten.

Nach dem Tod der Erblasserin erhielt die Antragstellerin vom Nachlassgericht eine Kopie des Testaments. Sie ging jedoch zunächst nicht davon aus, dass sie selbst Erbin sein könnte. Da sie seit vielen Jahren keinen Kontakt zur Erblasserin hatte, vermutete sie, dass eine andere Person, möglicherweise eine Schwester der Erblasserin, als Erbin eingesetzt worden sei. Sie interpretierte die Mitteilung des Testaments dahingehend, dass sie lediglich aufgrund des im Testament erwähnten Zahlungsanspruchs informiert wurde.

Irrtümliche Erbausschlagung wegen vermeintlich überschuldeten Nachlasses

Erst durch ein weiteres Schreiben des Nachlassgerichts und ein klärendes Telefonat mit einem Rechtspfleger wurde der Antragstellerin bewusst, dass sie aufgrund des Testaments möglicherweise doch gesetzliche Erbin geworden war. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft bereits verstrichen. Verunsichert und in Unkenntnis der tatsächlichen Vermögensverhältnisse schlug die Antragstellerin vorsorglich die Erbschaft aus. Sie begründete dies damit, dass sie nicht mit der Sache zu tun haben wolle und mutmaßte, dass der Nachlass überschuldet sei. Diese Annahme wurde durch Informationen des Rechtspflegers verstärkt, der Mietrückstände und geringe Kontostände erwähnte.

Anfechtung der Erbausschlagung nach Kenntnis des tatsächlichen Nachlasswertes

Kurze Zeit später erfuhr die Antragstellerin jedoch von dem ehemaligen Betreuer der Erblasserin, dass der Nachlass einen Wert von etwa 350.000 Euro habe. Angesichts dieser neuen Information focht sie ihre zuvor erklärte Erbausschlagung an. Sie argumentierte, dass sie sich bei der Ausschlagung in einem Irrtum über den Wert des Nachlasses befunden habe. Sie sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass der Nachlass überschuldet sei und habe die Erbschaft deshalb ausgeschlagen.

Entscheidung des Kammergerichts Berlin: Irrtum über Nachlasswert als Anfechtungsgrund anerkannt

Das Kammergericht Berlin gab der Beschwerde der Antragstellerin statt und änderte die Entscheidung des Amtsgerichts Köpenick ab. Das Gericht stellte fest, dass die der Erbschaftsanmeldung zugrunde liegenden Tatsachen als festgestellt gelten. Damit ermöglichte das Kammergericht der Antragstellerin die Anfechtung ihrer Erbausschlagung und ebnete den Weg für die Annahme der werthaltigen Erbschaft.

In seiner Begründung führte das Kammergericht aus, dass die Antragstellerin einen Anfechtungsgrund geltend gemacht habe, der zur Aufhebung der Erbausschlagung berechtigt. Gemäß § 119 Abs. 2 BGB liegt ein beachtlicher Irrtum vor, wenn sich der Irrende über verkehrswesentliche Eigenschaften der Sache geirrt hat. Das Kammergericht urteilte, dass der Wert eines Nachlasses eine solche verkehrswesentliche Eigenschaft darstellt. Denn die Vorstellung vom Wert des Nachlasses sei regelmäßig motivbestimmend für die Entscheidung, ob eine Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen wird.

Das Gericht würdigte die Umstände des Falls und kam zu dem Schluss, dass die Antragstellerin tatsächlich einem relevanten Irrtum unterlegen war. Sie hatte aufgrund der ihr zunächst vorliegenden Informationen und des Telefonats mit dem Rechtspfleger – in nachvollziehbarer Weise – angenommen, dass der Nachlass überschuldet sei. Diese Fehlvorstellung habe sie zur Erbausschlagung veranlasst. Als sie später von dem tatsächlichen Wert des Nachlasses erfuhr, habe sie fristgerecht die Anfechtung erklärt.

Das Kammergericht betonte, dass es in solchen Fällen auf die individuelle Situation des Erben und die Gesamtheit der Umstände ankommt. Es sei verständlich und nachvollziehbar, dass die Antragstellerin angesichts der spärlichen und teilweise missverständlichen Informationen des Nachlassgerichts zunächst von einem überschuldeten Nachlass ausgegangen sei. Ihre schnelle Reaktion nach Kenntnis des tatsächlichen Wertes spreche ebenfalls für einen relevanten Irrtum.

Bedeutung des Urteils für Betroffene: Rechte von Erben bei Fehleinschätzung des Nachlasswertes

Das Urteil des Kammergerichts Berlin ist von erheblicher Bedeutung für alle, die mit einer Erbschaft konfrontiert werden. Es verdeutlicht, dass eine Erbausschlagung nicht in Stein gemeißelt ist, sondern unter bestimmten Voraussetzungen angefochten werden kann. Insbesondere dann, wenn ein Erbe sich nachweislich über den Wert des Nachlasses geirrt hat und diese Fehleinschätzung maßgeblich für die Entscheidung zur Ausschlagung war.

Das Urteil stärkt die Rechte von Erben in Situationen, in denen die Informationslage zunächst unklar oder sogar irreführend ist. Es zeigt, dass Gerichte bereit sind, Irrtümer über den Nachlasswert als legitimen Anfechtungsgrund anzuerkennen, wenn diese auf objektiver Grundlage beruhen und nachvollziehbar sind.

Für Betroffene bedeutet dies konkret: Handeln Sie nicht überstürzt bei der Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft. Nehmen Sie sich Zeit, verschaffen Sie sich einen Überblick über die Vermögensverhältnisse des Erblassers und lassen Sie sich im Zweifelsfall rechtlich beraten. Sollten Sie irrtümlich eine Erbschaft ausgeschlagen haben, weil Sie falsche Vorstellungen vom Nachlasswert hatten, prüfen Sie unverzüglich die Möglichkeit einer Anfechtung. Die Anfechtungsfrist beträgt sechs Wochen ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes, beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Irrtum entdeckt wurde. Dieses Urteil macht deutlich, dass es sich lohnt, genau hinzuschauen und seine Rechte zu kennen, um Fehlentscheidungen im Erbrecht zu korrigieren.


Die Schlüsselerkenntnisse

Die Anfechtung einer Erbausschlagung ist auch dann möglich, wenn der Erbe die Erbschaft zunächst aus Unkenntnis über den tatsächlichen Wert des Nachlasses ausgeschlagen hat. Entscheidend ist, dass der Irrtum über den Wert des Nachlasses kausal für die Ausschlagungsentscheidung war. Die Erbin konnte in diesem Fall ihre ursprüngliche Ausschlagung erfolgreich anfechten, da sie erst nachträglich vom erheblichen Nachlasswert (350.000 €) erfuhr und glaubhaft darlegen konnte, dass sie bei Kenntnis des wahren Wertes die Erbschaft nicht ausgeschlagen hätte. Eine unterlassene eigene Nachforschung zum Nachlasswert steht der Anfechtbarkeit nicht entgegen, wenn der Erbe zum Zeitpunkt der Ausschlagung von einer Überschuldung des Nachlasses ausging.

Benötigen Sie Hilfe?

Zweifel bei der Entscheidung über die Annahme einer Erbschaft?

Unsicherheit kann entstehen, wenn erste Informationen über den Nachlasswert in einem Erbschaftsverfahren zu einer Entscheidung führen, die sich im Nachhinein als fehlerhaft herausstellt. Ein Irrtum in der Bewertung kann weitreichende Folgen haben und den weiteren rechtlichen Weg unnötig erschweren. Diese Problematik zeigt, wie wichtig es ist, alle relevanten Aspekte einer Erbschaft genau zu beleuchten und individuelle Besonderheiten zu berücksichtigen.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, Ihre Situation sachlich und präzise zu analysieren. Wir helfen Ihnen, die Rahmenbedingungen Ihres Falles zu erfassen und auf Basis fundierter rechtlicher Kenntnisse Ihre Optionen zu prüfen. So können Sie sicherstellen, dass Ihre Entscheidung auf einer klaren und umfassenden Bewertung beruht.

Ersteinschätzung anfragen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie lange habe ich Zeit, eine Erbausschlagung anzufechten?

Die reguläre Anfechtungsfrist für eine Erbausschlagung beträgt sechs Wochen. Diese Frist beginnt zu laufen, sobald Sie von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangen.

Besondere Fristregeln

Wenn Sie sich im Ausland aufhalten oder der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte, verlängert sich die Anfechtungsfrist auf sechs Monate.

Fristbeginn nach Anfechtungsgrund

Der genaue Zeitpunkt des Fristbeginns richtet sich nach dem jeweiligen Anfechtungsgrund:

Bei einer Drohung beginnt die Frist erst dann zu laufen, wenn die Zwangslage nicht mehr besteht. Bei einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses beginnt die Frist ab dem Zeitpunkt, an dem Sie den Irrtum entdecken.

Absolute Ausschlussfrist

Unabhängig von den genannten Fristen gibt es eine absolute Ausschlussfrist von 30 Jahren nach der Ausschlagung. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Anfechtung in keinem Fall mehr möglich.

Die Anfechtungserklärung muss in öffentlich beglaubigter Form beim zuständigen Nachlassgericht eingereicht werden. Ein einfaches Schreiben genügt nicht für eine wirksame Anfechtung.


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Was sind die rechtlich anerkannten Gründe für die Anfechtung einer Erbausschlagung?

Eine Erbausschlagung kann nach § 1954 BGB angefochten werden, wenn bestimmte rechtlich relevante Irrtümer oder andere Anfechtungsgründe vorliegen.

Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften

Der wichtigste Anfechtungsgrund liegt vor, wenn Sie sich über verkehrswesentliche Eigenschaften des Nachlasses geirrt haben. Dies betrifft konkrete Fehlvorstellungen über:

  • Die tatsächliche Zusammensetzung des Nachlasses
  • Das Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Vermögenswerte
  • Die Existenz von Nachlassverbindlichkeiten

Stellen Sie sich vor, Sie schlagen eine Erbschaft aus, weil Sie von der Existenz hoher Schulden ausgehen, die tatsächlich gar nicht existieren. In diesem Fall können Sie die Ausschlagung anfechten.

Erklärungsirrtum und Inhaltsirrtum

Ein Anfechtungsgrund liegt auch vor bei einem:

  • Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB über die Erklärungshandlung selbst
  • Inhaltsirrtum nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB über die rechtliche Bedeutung der Ausschlagungserklärung

Widerrechtliche Einflussnahme

Die Ausschlagung kann auch angefochten werden bei:

  • Arglistiger Täuschung durch andere Personen
  • Widerrechtlicher Drohung, die zur Ausschlagung führte

Wichtige Einschränkungen

Nicht jeder Irrtum berechtigt zur Anfechtung. Keine Anfechtungsgründe sind:

  • Eine bloße Neubewertung bereits bekannter Vermögenswerte
  • Ein reiner Motivirrtum oder spekulative Entscheidungen
  • Die pauschale Annahme einer Überschuldung ohne konkrete Anhaltspunkte

Der Irrtum muss für Ihre Entscheidung zur Ausschlagung kausal gewesen sein. Das bedeutet, Sie hätten bei Kenntnis der wahren Umstände die Erbschaft nicht ausgeschlagen.


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Welche formellen Anforderungen muss eine Anfechtungserklärung erfüllen?

Eine Anfechtungserklärung für die Annahme einer Erbschaft muss zwingend gegenüber dem Nachlassgericht erfolgen. Sie haben dabei zwei Möglichkeiten der formgerechten Erklärung:

Form der Erklärung

Die Anfechtung können Sie entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichts erklären oder in öffentlich beglaubigter Form beim Nachlassgericht einreichen. Eine einfache schriftliche Mitteilung an das Gericht ist nicht ausreichend.

Zuständiges Gericht

Das zuständige Nachlassgericht befindet sich am Amtsgericht des letzten Wohnorts des Erblassers. Alternativ können Sie die Anfechtung auch beim Amtsgericht Ihres eigenen Wohnsitzes einreichen.

Fristen und Zeitpunkt

Die Anfechtungserklärung muss innerhalb einer Frist von sechs Wochen erfolgen. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem Sie vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt haben. Bei einem Auslandsfall – wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte oder wenn Sie sich bei Fristbeginn im Ausland aufhalten – beträgt die Frist sechs Monate.

Inhaltliche Anforderungen

In der Anfechtungserklärung müssen Sie den Anfechtungsgrund detailliert darlegen. Dabei sollten Sie präzise aufführen:

  • Den konkreten Grund für die Anfechtung
  • Den Zeitpunkt, zu dem Sie vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt haben
  • Die Umstände, die den Irrtum begründen

Ein bloßes Vorliegen von Verdachtsgründen reicht für eine wirksame Anfechtung nicht aus. Die fehlerhafte Vorstellung muss bereits bei der Annahme der Erbschaft bestanden haben.


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Welche Folgen hat eine erfolgreiche Anfechtung der Erbausschlagung?

Eine erfolgreiche Anfechtung der Erbausschlagung führt dazu, dass die ursprüngliche Ausschlagung von Anfang an als nichtig gilt. Dies bedeutet, Sie werden rechtlich so behandelt, als hätten Sie die Erbschaft nie ausgeschlagen.

Wiederherstellung der Erbenstellung

Mit der erfolgreichen Anfechtung wird Ihre ursprüngliche Position als Erbe vollständig und rückwirkend wiederhergestellt. Sie treten damit wieder in die Erbengemeinschaft ein und können Ihren Anteil am Nachlass, einschließlich aller Vermögenswerte, beanspruchen. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Erbe wegen vermeintlicher Überschuldung ausgeschlagen – nach erfolgreicher Anfechtung können Sie nun doch noch von einem wertvollen Nachlass profitieren.

Auswirkungen auf andere Erben

Die Anfechtung hat weitreichende Konsequenzen für die gesamte Erbfolge. Erben, die aufgrund Ihrer ursprünglichen Ausschlagung nachrückten, verlieren ihre Erbenstellung wieder. Die Erbquoten aller Miterben können sich verändern, da Sie wieder als Erbe in die Erbengemeinschaft eintreten. Bereits vorgenommene Verfügungen über den Nachlass durch andere Erben können unwirksam werden.

Praktische Konsequenzen

Die Anfechtung bringt konkrete Verpflichtungen mit sich:

  • Sie übernehmen die volle Verantwortung für Nachlassverbindlichkeiten, als wären Sie von Anfang an Erbe gewesen
  • Sie müssen in bereits laufende Gerichtsverfahren oder Verwaltungsakte eintreten, die den Nachlass betreffen
  • Sie können Ansprüche auf Nachlassgegenstände geltend machen, die zwischenzeitlich an andere Erben gefallen sind

In der Praxis bedeutet dies, dass Sie sich möglicherweise mit komplexen Situationen auseinandersetzen müssen, wenn der Nachlass bereits verteilt wurde oder andere Erben bereits Verfügungen getroffen haben.


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Was passiert mit dem Erbe während des Anfechtungsverfahrens?

Während des Anfechtungsverfahrens bleibt die ursprüngliche Annahme der Erbschaft zunächst wirksam. Sie behalten als Erbe alle Rechte und Pflichten, bis über die Anfechtung rechtskräftig entschieden wurde.

Rechte und Pflichten während der Schwebezeit

Als Erbe müssen Sie in der Übergangsphase den Nachlass ordnungsgemäß verwalten. Sie tragen weiterhin die volle Verantwortung für den Nachlass und haften für dessen Verbindlichkeiten. Dies bedeutet konkret, dass Sie:

  • Nachlassgegenstände sichern und erhalten müssen
  • Dringende Verbindlichkeiten begleichen müssen
  • Den Nachlass vor Schaden bewahren müssen

Verfügungen über den Nachlass

Während des Anfechtungsverfahrens können Sie grundsätzlich über den Nachlass verfügen. Allerdings sollten Sie nur die notwendigsten Handlungen vornehmen, da bei erfolgreicher Anfechtung alle getroffenen Verfügungen rückabgewickelt werden müssen.

Wirkung einer erfolgreichen Anfechtung

Bei erfolgreicher Anfechtung wird die Annahme der Erbschaft rückwirkend unwirksam. Die Anfechtung gilt dann als Ausschlagung der Erbschaft. Dies hat zur Folge, dass:

  • Sie Ihre Erbenstellung vollständig verlieren
  • Bereits empfangene Erbschaftsgegenstände herausgegeben werden müssen
  • Die Erbschaft an die nächstberufenen Erben fällt
  • Sie von der persönlichen Haftung für Nachlassverbindlichkeiten befreit werden

Verfügungen, die Sie während des Anfechtungsverfahrens als vermeintlicher Erbe getroffen haben, können unwirksam werden. Der neue Erbe tritt dann in die ursprüngliche Rechtsposition ein.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Erbausschlagung

Die Erbausschlagung ist eine förmliche Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht, mit der ein Erbe sein Erbe ablehnt und damit alle Rechte und Pflichten aus der Erbschaft verliert. Sie muss gemäß § 1944 BGB innerhalb von sechs Wochen erfolgen, nachdem der Erbe von seinem Erbanfall und dem Grund seiner Berufung als Erbe Kenntnis erlangt hat. Die Ausschlagung ist unwiderruflich und muss persönlich erklärt werden.

Beispiel: Ein Erbe schlägt eine Erbschaft aus, weil er vermutet, dass der Nachlass überschuldet ist und er nicht für die Schulden des Verstorbenen haften möchte.


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Nachlasswert

Der Nachlasswert bezeichnet den gesamten wirtschaftlichen Wert aller Vermögensgegenstände, die zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers vorhanden sind, abzüglich aller Verbindlichkeiten. Dazu gehören gemäß § 1922 BGB bewegliche und unbewegliche Sachen, Forderungen, aber auch Schulden. Der Nachlasswert ist entscheidend für die Erbschaftsteuer und die Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft.

Beispiel: Ein Nachlass besteht aus einem Haus (Wert: 300.000 €), Bankguthaben (50.000 €) und Schulden (100.000 €), der Nachlasswert beträgt somit 250.000 €.


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Gemeinschaftliches Testament

Ein gemeinschaftliches Testament ist eine gemeinsame letztwillige Verfügung von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern. Gemäß § 2265 BGB können darin wechselseitige Verfügungen getroffen werden. Besonders ist die bindende Wirkung: Nach dem Tod eines Partners kann der andere seine Verfügungen meist nicht mehr ändern.

Beispiel: Eheleute setzen sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen, dass nach dem Tod des Längstlebenden die gemeinsamen Kinder erben sollen.


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Erbscheinsantrag

Der Erbscheinsantrag ist ein förmlicher Antrag beim Nachlassgericht, mit dem ein Erbe seine Erbenstellung offiziell nachweisen lassen kann. Nach § 2353 BGB wird damit die Ausstellung eines Erbscheins beantragt, der als offizieller Nachweis der Erbenstellung dient. Der Antrag muss alle relevanten Informationen zur Erbfolge und den Erben enthalten.

Beispiel: Eine Erbin benötigt einen Erbschein, um das Konto des Verstorbenen bei der Bank auflösen zu können.


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Nachlassverfahren

Das Nachlassverfahren umfasst alle gerichtlichen Vorgänge zur Regelung eines Erbfalls. Es wird vom Nachlassgericht nach §§ 342 ff. FamFG durchgeführt und beinhaltet unter anderem die Testamentseröffnung, Erbscheinserteilung und Klärung streitiger Erbfälle. Das Verfahren sichert eine geordnete Verteilung des Nachlasses.

Beispiel: Nach einem Todesfall eröffnet das Nachlassgericht das Testament und informiert alle potenziellen Erben über ihren möglichen Erbanspruch.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 1943 BGB – Unwiderruflichkeit der Ausschlagung: Die Ausschlagung einer Erbschaft ist grundsätzlich unwiderruflich und muss innerhalb von 6 Wochen nach Kenntnis vom Erbanfall erfolgen. Die Ausschlagung kann nur bei Willensmängeln nach §§ 119 ff. BGB angefochten werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Antragstellerin versuchte ihre bereits erfolgte Ausschlagung rückgängig zu machen, nachdem sie vom hohen Nachlasswert erfuhr.
  • § 119 Abs. 2 BGB – Anfechtung wegen Irrtums: Ein Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache oder Person berechtigt zur Anfechtung der Willenserklärung. Der Wert einer Erbschaft gilt als verkehrswesentliche Eigenschaft. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Antragstellerin berief sich auf einen Irrtum über den Nachlasswert, da sie erst nach der Ausschlagung vom erheblichen Vermögen erfuhr.
  • § 122 BGB – Schadensersatzpflicht des Anfechtenden: Der Anfechtende muss dem anderen Teil den Schaden ersetzen, den dieser durch das Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärung erleidet. Dies gilt nicht, wenn der Geschädigte den Anfechtungsgrund kannte oder kennen musste. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Antragstellerin muss mögliche Schäden ersetzen, die durch ihre Ausschlagung und spätere Anfechtung entstanden sind.
  • § 1944 BGB – Form der Ausschlagung: Die Ausschlagung muss durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht erfolgen, entweder zur Niederschrift oder in öffentlich beglaubigter Form. Die Erklärung ist bedingungsfeindlich. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Antragstellerin hat die Ausschlagung formgerecht vor dem zuständigen Nachlassgericht erklärt.

Das vorliegende Urteil


KG Berlin – Az.: 6 W 31/23 – Beschluss vom 16.10.2023


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