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Anfechtung Erbausschlagung – bedingte Erbausschlagung

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 259/16 – Beschluss vom 23.12.2016

Der Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss des Amtsgerichts vom 18. Oktober 2016 wird aufgehoben und die Sache zur ordnungsgemäßen Durchführung des Nichtabhilfeverfahrens an das Amtsgericht zurückgegeben.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1) ist der Witwer der Erblasserin. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind deren gemeinsame Kinder.

Unter dem 10. Juni 2016 und dem 16. Juni 2016 erklärten die Beteiligten zu 2) und 3) jeweils in einer eigenständigen notariellen Urkunde (Nr. 55 der Urkundenrolle für das Jahr 2016, Notar W. S. in Emmerich und Nr. 209 der Urkundenrolle für das Jahr 2016, Notarin G. W. in Rietberg) die Ausschlagung der Erbschaft.

In den gleichlautenden Erklärungen heißt es u.a.:

„Infolge meiner Ausschlagung fällt die Erbschaft, soweit auch – meine Schwester (…)/mein Bruder (…) – die Erbschaft ausschlagen sollte, an meinen Vater, (…).“

Daraufhin stellte der Beteiligte zu 1) am 6. Juli 2016 unter Beifügung der vorgenannten Erklärungen der Erbausschlagung einen notariell beurkundeten ihn als Alleinerben ausweisenden Erbscheins-Antrag (Nr. 61 der Urkundenrolle für das Jahr 2016, Notar W. S. in Emmerich).

Mit Verfügung vom 25. Juli 2016 wies das Nachlassgericht – Rechtspfleger – darauf hin, dass nach der Ausschlagung der Erbschaft durch die Beteiligten zu 2) und 3) nunmehr – neben dem Beteiligten zu 1) als Ehegatten – die Erben der 2. Ordnung in Betracht kämen.

Sodann erklärten die Beteiligten zu 2) und 3) unter dem 5. August 2016 beziehungsweise 12. August 2016 jeweils die Anfechtung der Erbausschlagung (UR.Nr. 1699/2016, Notar K. -P. R. in Köln und Nr. 284 der Urkundenrolle für das Jahr 2016, Notarin G. W. in Rietberg).

In den gleichlautenden Erklärungen heißt es u.a.:

“ (…)

Da unsere Großmutter noch lebt (Großvater ist verstorben) und auch noch Onkels/Tanten unserer Mutter existieren, ist das, was ich und – mein Bruder/meine Schwester – im 2. Absatz der Erbausschlagung vorhatten, offensichtlich nicht zu erreichen.

Wir waren der Auffassung, dass unsere Erklärung (Erbausschlagung) zum unmittelbaren Übergang unseres Erbteils auf unseren Vater als Miterbe führen wird.

Meine Erklärung fechte ich gemäß § 119 Abs. 2 BGB an, denn bei Ausschlagung der Erbschaft gab es eine kausale und objektiv erhebliche Fehlvorstellung über die mit der Erbausschlagung verbundenen Konsequenzen.

Bei Kenntnis der wahren Sachlage wäre von einer Erbausschlagung abgesehen worden. Es war weder mein Interesse, noch das Interesse meines Bruders/meiner Schwester, dass mit der Erbausschlagung andere Miterben in unsere Rechtsstellung eintreten, so dass von einem erheblichen Rechtsirrtum ausgegangen werden muss. Es lag ein Irrtum über die Höhe der durch die Erbausschlagung unserem Vater dann zustehenden Erbquote vor; unser Erbteil sollte unmittelbar auf unseren Vater übergehen.

(…).“

Mit Schriftsatz vom 17. August 2016 hat der Beteiligte zu 1) den Erbscheinsantrag vom 11. Juli 2016 zurückgenommen und unter Bezugnahme auf die Anfechtungserklärungen der Beteiligten zu 2) und 3) einen (neuen) gemeinschaftlichen Erbschein auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge beantragt.

Mit Verfügung vom 31. August 2016 hat das Nachlassgericht – Rechtspfleger – darauf hinwiesen, dass von der Wirksamkeit der Erbausschlagungen auszugehen sei, da sich die Beteiligten zu 2) und 3) weder auf einen Erklärungsirrtum noch einen Inhaltsirrtum berufen könnten.

Mit Schriftsatz vom 7. September 2016 hat der Beteiligte zu 1) ergänzend geltend gemacht, die Beteiligten zu 2) und 3) hätten „nicht ausdrücklich beabsichtigt, das Erbe auszuschlagen, sondern unter der Voraussetzung, dass ihr Vater damit Erbe“ werde. Dies sei deren Bedingung gewesen.

Am 12. September 2016 ist die Mutter der Erblasserin verstorben.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 11. Oktober 2016 hat das Amtsgericht den Antrag vom 17. August 2016 aus den Gründen der Verfügung vom 31. August 2016 zurückgewiesen.

Der hiergegen gerichteten Beschwerde vom 17. August 2016 hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 18. Oktober 2016 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Senat gibt die Sache zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens an das Amtsgericht zurück, da dessen Verfahrensweise nicht den an ein Abhilfeverfahren zu stellenden Anforderungen genügt.

Die Entscheidung über die Abhilfe hat grundsätzlich durch Beschluss zu erfolgen, § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG, der mit Gründen zu versehen und den Beteiligten bekannt zu geben ist (§§ 38 Abs. 3 Satz 1, 41 FamFG; Keidel/Sternal FamFG, § 68 Rn. 12, 33).

Die Anforderungen an das Abhilfeverfahren dürfen im Interesse der Verfahrensbeteiligten nicht überspannt werden. Daher mag in den Fällen, in denen die Beschwerde, die nach § 65 Abs. 1 FamFG begründet werden soll, keine Gründe anführt, eine kurze Begründung oder eine Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung ausreichend erscheinen. Es ist grundsätzlich ausreichend, wenn nach dem Inhalt der Beschwerde und dem sonstigen Akteninhalt nachvollziehbar ist, dass das Amtsgericht die Begründung der Beschwerde zumindest in seine Erwägungen hinsichtlich der Nichtabhilfeentscheidung mit einbezogen hat (vgl. OLG Hamm, 10. Mai 2010, 15 W 200/10 = FGPrax 2010, 266).

Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

Das Nachlassgericht hat in seiner angefochtenen Entscheidung den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins mit der Begründung zurückgewiesen, die Beteiligten zu 2) und 3) seien nicht Miterben geworden, weil sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hätten und ihnen kein Grund zur Anfechtung der Ausschlagung zugestanden habe. Es ist dabei ohne nähere Begründung von der Wirksamkeit der Ausschlagung ausgegangen und hat sich insbesondere nicht mit der Vorschrift des § 1947 BGB auseinandergesetzt, wonach die Ausschlagung nicht unter einer Bedingung erfolgen kann. Dies, obwohl der Beteiligte u 1) auf den Hinweis des Nachlassgerichts vom 31. August 2016 in seinem Schriftsatz vom 7. September 2016 ausgeführt hat, die Ausschlagung sei erfolgt, „unter der Voraussetzung, dass ihr Vater damit Erbe“ werde; dies sei „deren Bedingung“ gewesen.

In der Beschwerdeschrift wird gleich zu Beginn der aus Sicht der Beteiligten tragende Gesichtspunkt der Ausführungen zum geänderten Erbscheinsantrag mit „einem Satz zusammengefasst“ und geltend gemacht:

„Die Kinder der Verstorbenen haben ausdrücklich in ihren jeweiligen Erbausschlagungen als Bedingung formuliert, dass ihr Vater Alleinerbe werden müsse!“

Damit haben die Beteiligten in der Beschwerde noch einmal einen rechtlichen Aspekt angeführt, der in der angefochtenen Entscheidung nicht erörtert worden ist.

Unter diesen Umständen war es unzureichend, der Beschwerde „aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung“ nicht abzuhelfen, ohne auf den (neuen) rechtlichen Aspekt der „bedingten“ Ausschlagung einzugehen (vgl. zu den Anforderungen an die Abhilfe bei bislang nicht erörterten Gesichtspunkten auch Keidel/Sternal, FamFG, § 68 Rn. 12 m.w.N. unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, 8. Juni 2006, 9 WF 69/06 = FamRZ 2006, 1551 und OLG München, 12. September 2003, 21 W 2186/03 = MDR 2004, 291 f.).

Die Ausschlagungserklärung enthält zwar keine „ausdrücklich formulierte Bedingung“. Jedoch dürfte aus der Passage „Infolge meiner Ausschlagung fällt die Erbschaft, soweit auch meine Schwester (…)/mein Bruder (…) die Erbschaft ausschlagen sollte, an meinen Vater, (…).“ hinreichend deutlich werden, dass die Beteiligten zu 2) und 3) die Ausschlagung zugunsten des Beteiligten zu 1) erklärt haben. Bei einer Ausschlagung zugunsten eines Dritten wird in der Literatur erörtert, ob hierin eine „zur Unwirksamkeit der Ausschlagung führende Bedingung“ liegt (vgl. z.B. Leipold, Münchener Kommentar, BGB, § 1947, Rz. 6 und Staudinger/Otte, BGB, § 1947 Rn. 7 m.w.N.; Specks, ZEV 2007, 356).

Durch die aufgezeigte Verfahrensweise ist das Amtsgericht seiner Pflicht zur Selbstkontrolle und Entlastung des Beschwerdegerichts im Abhilfeverfahren nicht nachgekommen.

Weist das Nichtabhilfeverfahren schwere Mängel auf, kann das Beschwerdegericht unter Aufhebung der Nichtabhilfe- und Vorlageverfügung die Sache an das Erstgericht zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens zurückgegeben (OLG München, 31 Wx 13/10 m.w.N.), damit dieses seiner Pflicht zur Selbstkontrolle und zur Entlastung des Beschwerdegerichts nachkommen kann. Dies hält des Senat in diesem Fall für angebracht, gilt zumal bei einer Abhilfe die Erben zweiter Ordnung anzuhören sein dürften.

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