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Anfechtung Testaments durch übergangenen Pflichtteilsberechtigten

OLG Rostock – Az.: 3 W 43/19 – Beschluss vom 20.09.2019

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) wird der Beschluss des Amtsgerichts G. – Nachlassgericht – vom 07.11.2018 dahin abgeändert, dass nur die in der Beschlussformel ausgewiesenen Tatsachen für festgestellt erachtet werden, nämlich, dass die Beteiligten zu 1), 2) und 4) Erben nach J. M. zu je 1/3 nach gesetzlicher Erbfolge sind.

Gründe

I.

Der Erblasser verstarb am 26.05.2018. In erster Ehe war er mit Frau S. M., nunmehr A., verheiratet. Aus dieser Ehe gingen F. W., geb. M. und C. M. hervor.

In zweiter Ehe war der Erblasser mit Frau P. M. verheiratet. Diese lebten jedoch seit 2017 getrennt. Aus dieser Ehe ging R. H. M., geboren am …, hervor.

Er errichtete am 01.01.2007 ein handschriftliches Testament, welches er eigenhändig unterzeichnete und unter den Text das Datum 17.01.2007 setzte. Dieses lautet:

„Alle Dinge, bewegliche und unbewegliche werden im Fall meines Todes meinen Kindern, F. und C. M. übertragen. Meine Frau S. M. ist nicht berechtigt Teile – gleich welche – für sich einzufordern. Sie ist ausserdem im Erbfall nicht berechtigt, im Namen der Kinder zu handeln oder andere Rechtsgeschäfte bezüglich meines Vermächtnisses – materiell oder immateriell, gleich welcher Art vorzunehmen.

Dies gilt sinngemäss und gleichlautend für die Eheleute S. A. und R. A., geb. K.

Meine Eltern Dr. H. M. und Frau S. M. haben dagegen volles Nutzrecht und Verfügungsgewalt, auch im Sinn von Vermögensverteilung gegenüber den Kindern bis zu deren 21. Lebensjahresabschluss.

Sollten die Eheleute Dr. H. und Frau S. M. nicht in der Lage sein diese Geschäfte wahrzunehmen, werden folgende Paten gebeten für sie zu handeln:

Frau C. K.

und

Herr B.-W. v. M.

Die Kinder, F. und C. M. haben ausschließliches volles Wohnrecht in der R. Eigentumswohnung. Sie darf nur mit deren Zustimmung veräußert werden.

Sie sollen weiter in freiheitlichem Geist wohnen und leben können, was ihnen momentan verwehrt ist.

Betriebliches Vermögen ist erst nach Abzug aller Kosten und Verbindlichkeiten zu verteilen. Insbesondere widerspreche ich ausdrücklich der Erbberechtigung meiner Frau S. M. an Einrichtungsgegenständen oder Finanzmitteln. …“

Das Testament wurde von F. W., geb. M. beim Nachlassgericht in einem verschlossenen Umschlag abgegeben und von diesem am 19.06.2018 eröffnet.

Frau S. M. erklärte mit Schreiben vom 01.06.2018, dass Amt als Testamentsvollstrecker für C. M. anzunehmen. Dr. H. M. war zum Zeitpunkt der Testamentseröffnung bereits verstorben.

Frau W. beantragte am 03.07.2018 zu Protokoll des Nachlassgerichtes die Erteilung eines Erbscheines, welcher sie und C. M. als Erben zu je ½ ausweist. Soweit der Erblasser eine Verfügungsbefugnis von H. und S. M. angeordnet hat, könne dies als eine Testamentsvollstreckung bis zum 21. Lebensjahr ausgelegt werden, welche für C. M. anzuordnen sei, weil dieser das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet habe.

Die Beteiligte zu 3) hat für sich und als gesetzliche Vertreterin für den Beteiligten zu 4) geltend gemacht, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes noch nicht mit ihr verheiratet und der Beteiligte zu 4) noch nicht geboren gewesen sei. Letzterer sei ebenfalls gesetzlicher Erbe und es sei nicht davon auszugehen, dass der Erblasser ihn habe vom Erbe ausschließen wollen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass er alle Kinder gleich habe behandeln wollen. Auch sei nicht ersichtlich, dass der Erblasser sie selbst habe vom Erbe ausschließen wollen. Sie hat Bedenken gegen das Testament und dessen Anfechtung erklärt.

Die Beteiligten zu 1) und 2) sind der Testamentsanfechtung entgegen getreten.

Die Beteiligten haben sich in der Folgezeit dahin geeinigt, dass die Beteiligten zu 1., 2. und 4. zu je einem Drittel Erben sein sollen. Die Beteiligte zu 3. hat auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichtet, soll den Pflichtteil erhalten und hat insoweit die Testamentsanfechtung zurückgenommen.

Die Beteiligte zu 1) hat mit Schriftsatz vom 19.10.2018 ihren Erbscheinsantrag wie folgt abgeändert:

J. M., geboren am …, verstorben am …, letzter gewöhnlicher Aufenthalt …, R., ist beerbt worden von seinen Kindern:

1. F. W., geborene M., geboren am …, wohnhaft …, G.

2. C. M., geboren am …, wohnhaft …, R.

3. R. H. M., geboren …, wohnhaft …, U.

zu je 1/3 des Nachlasses.

Mit Beschluss vom 07.11.2018 hat das Amtsgericht G. ausgesprochen, dass die zur Begründung des Antrags vom 03.07.2018 in Verbindung mit dem Antrag vom 19.10.2018 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet werden. In den Gründen des Beschlusses führt das Amtsgericht aus, dass aus der weiteren testamentarischen Verfügung des Erblassers, dass seine Eltern Dr. H. M. und Frau S. M. „volles Nutzrecht und Verfügungsgewalt über das Vermögen auch im Sinn von Vermögensverteilung gegenüber den Kindern bis zum 21. Lebensjahresabschluss“ haben, werde deutlich, dass der Erblasser hier eine Testamentsvollstreckung bis zum 21. Lebensjahr des jüngsten Kindes habe anordnen wollen. Die gelte nach seinem hypothetischen Willen auch bis zum 21. Lebensjahr des Beteiligten zu 4) Daher sei im Erbschein zu vermerken, dass Testamentsvollstreckung angeordnet ist. Wegen der weiteren Begründung des Beschlusses nimmt der Senat auf diesen Bezug.

Die Beteiligten zu 3) und 4) haben unter dem 28.12.2018 sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss insoweit eingelegt, als über die Feststellung der drei leiblichen Kinder als Erben zu je 1/3 hinaus durch die Eltern des Erblassers Dr. H. M. und Frau S. M. „volles Nutzrecht und Verfügungsgewalt über das Vermögen auch im Sinn von Vermögensverteilung gegenüber den Kindern bis zum 21. Lebensjahresabschluss“ haben sollen und dies nunmehr in Form einer Ungleichbehandlung auf das jüngste Kind Anwendung finden soll. Der Beteiligte zu 4) sei gesetzlich von seiner Mutter vertreten. Sie werde seine Interessen in der Erbangelegenheit verantwortungsbewusst wahrnehmen. Im Sinne des Erblassers sei in jedem Fall die Gleichstellung aller drei Kinder anzunehmen. Die Feststellungen im Beschluss seien zwar korrekt, führten jedoch zu einer Benachteiligung, wenn die Rechte des jüngsten Kindes eingeschränkt würden. Die Mutter des Erblassers sei subjektiv befangen, weil sie den Beteiligten zu 1) und 2) zugetan sei. Eine Vertretung des Beteiligten zu 4) durch sie würde keinesfalls dessen Interessen entsprechen. Er wäre nicht einmal in der Lage, über seine gesetzliche Vertreterin einen Anwalt mit der Vertretung zunächst in der außergerichtlichen Klärung der Nachlassangelegenheit zu bevollmächtigen. Keinesfalls sei dies vom Erblasser so gewollt gewesen. Wegen der weiteren Begründung der Beschwerde nimmt der Senat auf diese Bezug.

Die Beteiligte zu 1), aus deren Sicht die streitgegenständliche Erklärung des Testaments als Anordnung einer Testamentsvollstreckung anzusehen sei, erhebt gegen die Feststellungen des angefochtenen Beschlusses keine Einwendungen.

Soweit der Erblasser im Testament die Anordnung der Testamentsvollstreckung jeweils auf zwei Testamentsvollstrecker habe verteilen wollen, werde mitgeteilt, dass es sich einerseits um die Großeltern der Beteiligten zu 1), 2) und 4) gehandelt habe. Anderseits habe es sich um die Patentante und den Patenonkel der Beteiligten zu 1) und zu 2) gehandelt. Ggf. könne dieser Wille aufgegriffen werden und bei Bedarf Herr R. W. für das Amt als weiterer Testamentsvollstrecker gewonnen werden. Dieser sei der Patenonkel des Beteiligten zu 4).

Die Beteiligten zu 3) und 4) haben mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 01.03.2019 ergänzend Stellung genommen, auf welchen der Senat wegen seines Inhalts Bezug nimmt.

Mit Beschluss vom 11.04.2019 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Wegen der Begründung nimmt der Senat auf diesen Bezug.

Mit Schriftsatz vom 24.05.2019 hat die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3) und 4) mitgeteilt, dass Frau S. M. geäußert habe, sie wolle das Amt des Testamentsvollstreckers aufgrund ihres hohen Alters und der konfliktbelasteten Situation nicht wahrnehmen.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig.

Die Beteiligten zu 3) und 4) haben ihre Beschwerde auf die Feststellung des Amtsgerichts im Beschluss vom 07.11.2018, dass die für den Vermerk einer Testamentsvollstreckung betreffend den Beteiligten zu 4) im Erbschein erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet werden, beschränkt. Dass ist zulässig, da der Vermerk der Testamentsvollstreckung gemäß § 352b FamFG unabhängig von der Feststellung der Erbenstellung ist. Somit haben die Beschwerdeführer ihre Beschwerde wirksam hierauf beschränkt, weshalb die übrigen Feststellungen im Beschluss vom 07.11.2018 der Nachprüfung des Senates entzogen sind.

Der Beschwerde steht auch nicht entgegen, dass diese Feststellung allein in den Entscheidungsgründen ihren Niederschlag gefunden hat, nicht jedoch in der Beschlussformel. Ergeben die Gründe des Beschlusses unzweifelhaft, dass das Gericht auf eine bestimmte Rechtsfolge erkennen wollte und lediglich deren Ausspruch versehentlich unterblieben ist, kann dieses gemäß § 42 FamFG durch Berichtigung der Formel nachgeholt werden (OLG Hamm, Beschl. v. 03.04.1986, 2 U 165/85, NJW-RR 1986, 1444; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 19. Aufl., § 42 Rn. 20). Ist jedoch eine solche Berichtigung vorzunehmen, liegt eine offenbare Unrichtigkeit vor, so dass sich das Rechtsmittel auch insoweit gegen den Beschluss richten kann, ohne dass es der vorherigen Berichtigung der Beschlussformel bedarf.

Die Beteiligten zu 3) und 4) sind insoweit auch beschwerdeberechtigt. Beschwerdeberechtigt gegen den Feststellungsbeschluss nach § 352e FamFG ist derjenige, der durch diesen beschwert ist. Der Beteiligte zu 4) ist durch den Beschluss, soweit er die Anordnung der Testamentsvollstreckung gegen ihn für festgestellt erachtet, unmittelbar beschwert. Die Beteiligte zu 3) sieht sich durch diesen Vermerk in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt, da so die beschränkte Handlungsfähigkeit des Beteiligten zu 4) und folglich auch seiner gesetzlichen Vertreterin – der Beteiligten zu 3) – gegenüber Dritten nach außen hin verlautbart wird.

2.

Auch in der Sache hat die Beschwerde Erfolg. Zu Unrecht hat das Amtsgericht die Tatsachen, für festgestellt erachtet, die die Anbringung eines Testamentsvollstreckungsvermerkes nach § 352b FamFG auf dem Erbschein rechtfertigen.

a.

Hat der Erblasser einen Testamentsvollstrecker ernannt, so ist die Ernennung gemäß § 352b FamFG in dem Erbschein anzugeben. Da der Erbe auf diesen Vermerk nicht verzichten kann (Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 352b Rn. 24), hat das Nachlassgericht bereits im Erbscheinsverfahren zu prüfen, ob der Erblasser eine Testamentsvollstreckung wirksam angeordnet hat, und ggf. die letztwillige Verfügung insoweit auszulegen (Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 352b Rn. 24, 25). Es ist jedoch allein festzustellen, dass eine Testamentsvollstreckung angeordnet ist. Der Name des Testamentsvollstreckers ist nicht im Erbschein zu vermerken. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob bereits ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt ist (Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 352b Rn. 25).

b.

Das Amtsgericht hat eine solche Anordnung durch den Erblasser fehlerhaft angenommen.

Der Beteiligte zu 4) hat das Testament gemäß § 2079 Satz 1 BGB erfolgreich angefochten. Gemäß § 2079 BGB kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm bei der Errichtung der Verfügung nicht bekannt war oder der erst nach der Errichtung geboren oder pflichtteilsberechtigt geworden ist. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, soweit anzunehmen ist, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die Verfügung getroffen haben würde.

Als leibliches Kind des Erblassers ist der Beteiligte zu 4) Pflichtteilsberechtigter. Das war er auch bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erbfalls (MünchKomm-BGB/Leipold, 6. Aufl., § 2079 Rn. 4) der Fall. Der Beteiligte wurde bereits 2009 und damit weit vor dem Erbfall am 26.05.2018 geboren. Da er zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung weder gezeugt noch geboren war, hatte der Erblasser zu diesem Zeitpunkt auch keine Kenntnis von der Existenz des Beteiligten zu 4) als Pflichtteilsberechtigten. Dass der Betroffene erst nach Errichtung des Testamentes geboren wird, reicht für die Eröffnung der Anfechtungsbefugnis nach § 2079 Satz 1 BGB regelmäßig bereits aus, ob der Erblasser ihn in seine Erwägungen bereits einbezogen hat, ist lediglich im Rahmen des Satzes 2 zu prüfen (MünchKomm-BGB/Leipold, a.a.O., § 2079 Rn. 4).

Der Beteiligte zu 4) ist aber auch im Sinne des § 2079 BGB als „übergangen“ anzusehen. Der Pflichtteilsberechtigte ist übergangen, wenn er in der Verfügung von Todes wegen nicht erwähnt ist, der Nachlass aber soweit verteilt ist, dass das gesetzliche Erbrecht entzogen oder zumindest geschmälert ist (MünchKomm-BGB/Leipold, a.a.O., § 2079 Rn. 5). Ein Übergehen liegt vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte weder enterbt, noch als Erbe eingesetzt oder mit einem Vermächtnis bedacht worden ist (Palandt/Weidlich, BGB, 78. Aufl., § 2079 Rn. 3). Der Beteiligte zu 4) ist in dem streitgegenständlichen Testament nicht erwähnt.

Umstände, die die Annahme rechtfertigen könnten, der Erblasser hätte den Beteiligten zu 4) auch dann von der testamentarischen Erbfolge ausgeschlossen, wenn er von dessen späterer Existenz gewusst hätte, sind nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass er sein Testament nach der Geburt des Beteiligten zu 4) nicht geändert hat, reicht hierfür nicht aus (BayObLG Beschl. v. 26.03.2004, 1Z BR 114/03, NJW-RR 2005, 91; OLG Schleswig, Beschl. v. 17.12.2015, 3 WX 108/15NJW 2016, 1831; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2079 Rn. 5).

Der Beteiligte zu 4) hat die Anfechtung auch in der Frist des § 2082 BGB erklärt und gemäß § 2081 BGB auch auf die Testamentsvollstreckung bezogen.

Hat der Pflichtteilsberechtigte das Testament wirksam angefochten, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig, in welchem Umfang das Testament nichtig ist. Die jüngere obergerichtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass die fristgerecht erklärte und begründete Anfechtung grundsätzlich die Unwirksamkeit des gesamten Testaments bewirkt. Einzelne Verfügungen bleiben nur dann wirksam, wenn nach § 2079 Satz 2 BGB positiv feststellbar ist, dass sie der Erblasser auch so getroffen hätte, falls er zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung Kenntnis von dem weiteren Pflichtteilsberechtigten gehabt hätte (BayObLG Beschl. v. 26.03.2004, 1Z BR 114/03, NJW-RR 2005, 91; OLG Schleswig, Beschl. v. 17.12.2015, 3 WX 108/15NJW 2016, 1831; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.05.2018, 8 W 302/16, 8 W 340/16, ZErb 2018, 211). Nach einer anderen vom OLG Köln (Beschl. v. 13.04.1956, 8 W 16/56, NJW 1956, 1522) begründeten Ansicht, der sich noch immer vorrangig Stimmen in der Literatur anschließen, soll eine Nichtigkeit nur insoweit eintreten, als die Verfügung den übergangenen Pflichtteilsberechtigten von seinem gesetzlichen Erbrecht ausschließt, die letztwillige Verfügung im Übrigen aber bestehen bleibe. (Zum Streitstand vgl. auch Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2079 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Leipold, a.a.O., § 2079 Rn. 22 ff.).

Der Senat braucht diesen Meinungsstreit vorliegend nicht entscheiden, da beide Lösungsansätze vorliegend zum gleichen Ergebnis führen. Folgte der Senat der ersten Ansicht, wäre gleichwohl im Rahmen des § 2079 Satz 2 BGB der hypothetische Wille des Erblassers dahin zu ermitteln, ob er die übrigen Verfügungen im Testament auch getroffen hätte, wenn er die künftige Entwicklung (das hinzutreten des Pflichtteilsberechtigten) in den Blick genommen hätte und die übrigen Umstände bei Testamentserrichtung, die seiner letztwilligen Verfügung zu Grunde lagen, auf sich hätte wirken lassen. Folgte man der anderen Ansicht, wäre in gleicher Weise der hypothetische Wille des Erblassers bei Testamentserrichtung zu ermitteln, da die bestehen bleibenden Bestimmungen des Testamentes keine Regelung dazu treffen, dass für den Beteiligten zu 4) eine Testamentsvollstreckung einzurichten ist.

Folglich ist festzustellen, ob der hypothetische Wille des Erblassers bereits bei Testamentserrichtung darauf gerichtet war, dass auch für den Beteiligten zu 4), hätte der Erblasser zumindest dessen Geburt vor Augen gehabt, eine Testamentsvollstreckung eingerichtet werden sollte. Insbesondere mit Blick auf die im Testament selbst niedergelegten Regelungen und dem Umstand, dass der Erblasser bei Errichtung des Testamentes mit seiner ersten Ehefrau in Scheidung lag, vermag der Senat dies nicht zu seiner Überzeugung festzustellen. Dies nämlich wäre nur dann der Fall, wenn der Erblasser sein Vermögen für die Zeit, ab welcher er seinen Abkömmlingen einen verantwortungsvollen Umfang damit zubilligte, vertrauensvoll in die aus seiner Sicht hierfür besonders geeigneten Hände seiner Eltern hat legen wollen. Hiergegen spricht bereits, dass der Erblasser in seinem Testament für den Fall der Hinderung der Eltern die Paten beider vorhandener Kinder als Ersatzvollstrecker bestimmt hat, die jedenfalls beide an unterschiedlichen Orten und weit von den Erben entfernt wohnten. Diesen trug er das Amt auch nicht mit der Bestimmtheit an, wie er dies bei seinen Eltern getan hatte. Diese hatte er hingegen nur gebeten, für die Eltern zu handeln.

Weiter ergibt sich, dass der Erblasser nicht wollte, dass seine mit ihm in Scheidung lebende Ehefrau Zugriff auf das Erbvermögen würde nehmen können. So hat er sie ausdrücklich von der Erbschaft ausgeschlossen und sie so enterbt. Im unmittelbaren Anschluss hieran hat er bestimmt dass diese auch nicht für die Beteiligten zu 1) und 2) über das Vermögen verfügen dürfe. Nachdem er dieses Verbot auch auf die Eltern der S. A. ausgedehnt hat, hat er unmittelbar verfügt, dass stattdessen das Vermögen zu Gunsten der beiden Kinder von seinen Eltern verwaltet werden soll. Dies macht für den Senat deutlich, dass er diese Verfügungen vorrangig deshalb getroffen hat, weil er vermeiden wollte, dass seine enterbte und mit ihm in Scheidung lebende Ehefrau und deren Familie über das Sorgerecht als gesetzliche Vertreterin der Beteiligten zu 1) und 2) doch Zugriff auf das Vermögen erlangt. Dass die Schutzmaßnahmen sich vorrangig gegen Frau S. A. richteten, wird auch daraus deutlich, dass er in seinem Testament diese noch einmal ausdrücklich von Verfügungen über Betriebsvermögen ausgenommen hat und auf einer weiteren Seite verfügte, wie mit von dieser geduldeten und geförderten Verbindlichkeiten umzugehen sei.

Dieser Wille aber kann sich auf den Beteiligten zu 4. nicht erstrecken, da eine gesetzliche Vertretung durch S. A., die der Erblasser an einem Zugriff auf das Vermögen hindern wollte, für diesen nie bestand und hätte bestehen können. Dass der Erblasser auch die Beteiligte zu 3) an einem Zugriff auf das Vermögen für den Beteiligten zu 4) und ggf. auch für sich hindern wollte, ist hingegen in keiner Weise erkennbar. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es in der Tat nahe gelegen, auch die Beteiligte zu 3) testamentarisch vom Erbe auszuschließen und für den Beteiligten zu 4) eine Testamentsvollstreckung anzuordnen. Hiervon hat der Erblasser keinen Gebrauch gemacht.

Im Ergebnis dessen liegen die Voraussetzungen für eine Testamentsvollstreckung betreffend den Beteiligten zu 4) aus Sicht des Senates nicht vor, weshalb ein Vermerk nach § 352b FamFG im Erbschein nicht vorzunehmen und der Beschluss des Amtsgerichtes entsprechend zu korrigieren ist.

Eine Kostenentscheidung nach § 81 FamFG ist aus Sicht des Senates nicht veranlasst, da Anlass für die Beschwerde nicht das Verhalten eines Beteiligten sondern die Verfahrensweise des Nachlassgerichtes gegeben hat.

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