OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 175/18 – Beschluss vom 15.11.2018
Die angefochtene Entscheidung wird geändert.
Der Antrag der Beteiligten zu 1. und 2. auf Anordnung der Nachlassverwaltung vom 29. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 3. hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.
Geschäftswert: 140.000 €.
Gründe
I.
Mit Schreiben vom 29.05.2018 (Eingang bei Gericht am 04.06.2018) beantragen die Beteiligten zu 1 und 2 die Anordnung der Nachlassverwaltung.
Zur Begründung tragen sie vor, die durch Erbvertrag des am 15.05.2018 verstorbenen Erblassers vom 26.01.2015 eingesetzte Alleinerbin, die Beteiligte zu 3, gefährde sowohl durch ihr Verhalten als auch durch ihre Vermögenslage die Befriedigung der Ansprüche der Beteiligten zu 1 und 2 als Nachlassgläubigerinnen.
Diese seien als Töchter des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Hierzu legen sie deren Geburtsurkunden vor.
Zudem würden auch Pflichtteilsansprüche der Beteiligten zu 1 und 2 nach dem Tod deren Mutter am 09.08.2015 bestehen, welche sich nunmehr nach dem Tod des Erblassers und Alleinerben der Mutter gegen die Beteiligte zu 3 richteten.
Sie geben weiter an, dass der Nachlass nicht überschuldet sei und aus einer Immobilie nebst Geldvermögen bestehe.
Der Aufenthaltsort der Beteiligten zu 3 befinde sich im Ausland und sei im Genaueren unbekannt. Eine Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche werde dadurch vereitelt.
Zur Notwendigkeit der Anordnung der Zwangsverwaltung geben Beteiligten zu 1 und 2 weiter an, dass eine Titelerwirkung zu lange dauern würde. Es bestünde die Gefahr, dass der Zugriff auf den Nachlass dann nicht mehr möglich sei. Verkaufsbemühungen betreffend die Immobilie seien bereits angelaufen. Entsprechende Vermarktungs-Anzeige der Sparkasse legen sie vor.
Eine Sicherheitsleistung sei seitens der Beteiligten zu 3 abgelehnt worden.
Die Pflichtteilsansprüche der Beteiligten zu 1 und 2 werden grundsätzlich von der Beteiligten zu 3 nicht bestritten.
Sie legt ein der Gegenseite zugesandtes vorläufiges Nachlassverzeichnis vor und sichert den Beteiligten zu 1 und 2 die Befriedigung ihrer Ansprüche nach Verkauf der Immobilie zu.
Eine Bekanntgabe ihrer Anschrift an die Beteiligten zu 1 und 2 lehnt sie ab.
Die Beteiligte zu 3 bestreitet die Notwendigkeit der Anordnung der Nachlassverwaltung mit der Begründung, dass andere Sicherungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden und der Nachlass nicht komplex sei.
Durch Beschluss vom 17. August 2018 hat das Nachlassgericht Nachlassverwaltung angeordnet und den Beteiligten zu 4. zum Nachlassverwalter bestellt. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 3. mit ihrem am 23. August 2018 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel.
II.
Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 3. ist dem Senat infolge der mit weiterem Beschluss des Nachlassgerichts vom 24. August 2018 ordnungsgemäß – insbesondere unter ausreichender Würdigung der Rechtsmittelbegründung – erklärten Nichtabhilfe zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG.
Es ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde statthaft und insgesamt zulässig.
In der Sache erweist sich die Beschwerde – einzig – aufgrund einer im zweiten Rechtszug neu eingetretenen Tatsache als begründet.
1.
Die angegriffene Entscheidung vom 17. August 2018 ist richtig gewesen. Berechtigterweise ist das Nachlassgericht seinerzeit davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 1981 Abs. 2 BGB vorlagen.
Nach dieser Vorschrift ist auf Antrag eines Nachlassgläubigers die Nachlassverwaltung anzuordnen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass durch das Verhalten oder die Vermögenslage des Erben gefährdet wird (Satz 1); allerdings kann der Antrag nicht mehr gestellt werden, wenn seit der Annahme der Erbschaft zwei Jahre verstrichen sind (Satz 2).
a)
Keiner näheren Ausführungen bedarf, dass die Beteiligten zu 1. und 2. als Pflichtteilsberechtigte Nachlassgläubiger sind, die Beteiligte zu 3. die Alleinerbin nach dem Erblasser ist und die Zweijahresfrist nicht verstrichen sein kann.
b)
Was die vorstehend beschriebene Annahme anbelangt (zum Folgenden: BayObLG NJW-RR 2002, 871 ff; KG NJW-RR 2005, 378 ff; Senat, NJW-RR 2012, 843; BeckOK BGB – Lohmann, Stand: 01.05.2018, § 1981 Rdnr. 6; MK-Küpper, BGB, 7. Aufl. 2017, § 1981 Rdnr. 6; Staudinger-Dobler, BGB, Neubearb. 2016, § 1981 Rdnr. 22), gefährdet ein Erbe die Gläubigerbefriedigung durch sein Verhalten, sei es schuldhaft oder nicht, namentlich durch leichtsinnige Verschleuderung des Nachlasses, voreilige Befriedigung einzelner Nachlassgläubiger, aber auch schon durch bloße Gleichgültigkeit, nach mehrfach geäußerter Ansicht (Küpper, Dobler und vor allem KG, je a.a.O.) hingegen nicht allein durch die Veräußerung zum Nachlass gehöriger Gegenstände; ferner durch seine (des Erben) schlechte Vermögenslage, wenn sich – insbesondere infolge Verschuldung – das Eigenvermögen des Erben so darstellt, dass die Gefahr eines Zugriffs der Eigengläubiger auf den Nachlass besteht. Beseitigen kann ein Erbe eine vorhandene Gefährdung durch Sicherheitsleistung.
Hinsichtlich der Veräußerung einzelner Nachlassgegenstände erscheint dem Senat eine differenzierte Betrachtung geboten. Die dem heutigen Meinungsstand zugrunde liegende Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts betraf die Veräußerung von Mobilien, die im Hinblick auf den Gesamtnachlass von mehreren Millionen DM als nur von marginalem Wert bezeichnet werden mussten; bei ihnen verstand sich eine Gefährdungsannahme in der Tat ohne weitere Feststellungen nicht von selbst. Anders sieht es aber bei abweichenden Wertverhältnissen und, insbesondere zugleich, signifikant geringerer Sicherheit, sich aus dem Nachlass effektiv befriedigen zu können, aus. Diese Sachverhaltsgestaltung betrifft jedenfalls anstehende Veräußerungen von Immobilienvermögen durch einen Erben, sofern er den Gläubigern nicht Sicherungen am Erlös einräumt (so zum Arrestverfahren auch Schneider NJW 2010, 3401/3402). Dann liegt eine Gefährdung der Gläubigerbefriedigung zunächst typischerweise vor und kann lediglich aufgrund der Gegebenheiten des einzelnen Falles, etwa der besonderen Verlässlichkeit des Erben oder der Möglichkeit, unschwer einstweiligen zivilprozessualen Rechtsschutz zu erlangen, ausgeschlossen sein. Daran ändert sich nichts dadurch, dass der Erbe anführt, die Veräußerung gerade zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger vorzunehmen. Auch lässt sich der hier vertretenen Sicht nicht entgegenhalten, einen Anspruch auf Erhaltung des Nachlasses in seinem ursprünglichen Bestand habe ein Nachlassgläubiger nicht. Denn es geht nicht um die Untersagung einer Veräußerung, sondern um den Zusammenhalt des Nachlasses dem Werte nach, und der geordneten Befriedigung und der Sicherung dient die Nachlassverwaltung auf Gläubigerantrag. Bei alledem darf nicht aus dem Blick geraten, dass die gesetzliche „Bevorzugung“ von Nachlassgläubigern gegenüber sonstigen Forderungsinhabern, etwa durch §§ 1981 Abs. 2, 1961 BGB, maßgeblich auf der Erwägung beruht, diese erhielten mit dem Erbfall ohne ihren Willen neue Schuldner (vgl. zum Vorstehenden KG a.a.O.).
c)
Nach diesen Grundsätzen war hier zur Zeit der Entscheidung des Nachlassgerichts eine Gefährdung anzunehmen.
Zwar kann der Beteiligten zu 3. weder Verschleuderung des Nachlasses, noch eine Bevorzugung einzelner Gläubiger vorgehalten werden, und sie steht – wie gerade auch die recht zügige Erstellung und Übermittlung des Nachlassverzeichnisses, bei dem nur wenige, objektiv noch nicht absehbare Positionen als Erinnerungsposten offen blieben, zeigt – den Nachlasswerten auch nicht etwa gleichgültig gegenüber; schließlich ist nicht ersichtlich, von den Beteiligten zu 1.und 2. nicht einmal behauptet, dass Eigengläubiger der Beteiligten zu 3. versuchten, auf den Nachlass Zugriff zu nehmen.
Jedoch beabsichtigt sie die Veräußerung des (gemäß Nachlassverzeichnis) einzig wirklich wertvollen Nachlassgegenstandes, des Immobilieneigentums, ohne Sicherheiten am Erlös gewährt zu haben. Zur Zeit der nachlassgerichtlichen Entscheidung konnte auch keine Rede davon sein, dass die Beteiligten zu 1. und 2. unschwer in der Lage gewesen wären, einen dinglichen Arrest in das Hausgrundstück auszubringen. Dies gilt zwar nicht bezüglich der gerichtlichen Zuständigkeit (wegen § 919, 2. Fall ZPO); auch mögen sie nicht imstande gewesen sein, ihre Pflichtteilsforderungen genau zu beziffern, doch hätten sie auf der Grundlage des (vor Erlass des Beschlusses des Nachlassgerichts vorliegenden) Nachlassverzeichnisses, gegen dessen Richtigkeit sie substantielle Einwendungen nicht erhoben haben, einen Mindestbetrag schätzen (vgl. § 2311 Abs. 2 Satz 1 BGB) und besichern lassen können. Demgegenüber ist mindestens fraglich, ob das zuständige Amtsgericht auf der Grundlage höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Arrestgesuch überhaupt als zulässig behandelt hätte, dies aus zwei Gründen: Zum einen wären die Beteiligten zu 1. und 2. außerstande gewesen, eine Anschrift der dortigen Antragsgegnerin anzugeben oder auch nur vorzutragen, es gebe jedenfalls eine inländische Anschrift, allenfalls hätten sie einen Zustellungsbevollmächtigten benennen können (vgl. BGHZ 102, 332 ff; Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 253 Rdnr. 8 m.w. Nachw.); zum anderen hätte das Amtsgericht der Auffassung sein können, dem Gesuch fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil es auf einen mangels hinreichender Identifizierung der Antragsgegnerin – eben durch ihre Anschrift – nicht vollstreckungsfähigen Titel gerichtet sei (vgl. zuletzt BGH NJW 2018, 399 ff).
2.
Die nach alledem den nachlassgerichtlichen Beschluss tragende Tatsachengrundlage ist dadurch entfallen, dass die Beteiligte zu 3. mit der Beschwerdebegründung ihre (in Deutschland gelegene) Adresse in hinreichend verlässlicher Form mitgeteilt hat, denn bei dieser Lage kann – wie gezeigt – nicht mehr gesagt werden, es bestehe Grund zur Annahme, die Befriedigung der Beteiligten zu 1. und 2. als Nachlassgläubigerinnen sei gefährdet, da einstweiliger Rechtsschutz, wenn überhaupt, allenfalls unter Schwierigkeiten zu erlangen wäre.
a)
Die Beteiligte zu 3. hat ihre (inländische) Anschrift ab 1. September 2018 konkret benannt und, anders als zuvor, ausdrücklich deren Mitteilung an die Beteiligten zu 1. und 2. nicht ausgeschlossen sowie die Richtigkeit ihrer Angaben durch Kopien ihres gültigen Personalausweises und der Meldebestätigung der Stadt A. vom 4. September 2018 nachgewiesen. Auch die Beteiligten zu 1. und 2. erheben keine konkreten Einwände gegen den diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten zu 3.
b)
Dieses Vorbringen ist nach § 65 Abs. 3 FamFG im Beschwerdeverfahren zu beachten. Jene Vorschrift besagt, dass die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden kann. Nicht erforderlich ist, dass diese erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung zur Verfügung standen oder erst nach diesem Zeitpunkt dem Beschwerdeführer bekannt geworden sind, mit anderen Worten nicht früher geltend gemacht werden konnten (BGH MDR 2008, 764 f [zur ZPO]; Keidel-Sternal, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 65 Rdnr. 10).
Danach ist maßgeblich der Verfahrensstoff im Zeitpunkt des Erlasses der Beschwerdeentscheidung, hier des vorliegenden Beschlusses.
III.
Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, für das Beschwerdeverfahren auf dieser Vorschrift in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 97 Abs. 2 ZPO und rechtfertigt sich daraus, dass die Beschwerdeführerin – wie zuvor gezeigt – vor dem Nachlassgericht zu Recht unterlegen gewesen ist und sie mit ihrem Rechtsmittel nur aufgrund neuen Vorbringens obsiegt. Ausschlaggebend auf das Obsiegen und Unterliegen abzustellen, ist deshalb geboten, weil sich die vorliegende Nachlasssache in ihrem sachlichen Gehalt als reine Zivilstreitigkeit darstellt, nämlich als Streit um eine Sicherung für bestehende Forderungen, ohne dass persönlicher Verbundenheit eine erkennbare Bedeutung zukäme.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor.
Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1, 64 Abs. 2 GNotKG, wobei der Senat von einem Nachlassreinwert von 420.000 € ausgegangen ist.