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Anspruch auf Ergänzung bzw. Berichtigung eines Nachlassverzeichnisses

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 U 122/20 – Urteil vom 10.08.2021

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Landgerichts Potsdam vom 31.08.2020, Az. 11 O 19/20, teilweise abgeändert:

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am …2016 verstorbenen Herrn J… W… B… durch Ergänzung des notariellen Nachlassverzeichnisses vom 02.04.2020 in der Fassung des überarbeiteten und ergänzten Nachlassverzeichnisses 25.05.2021 in folgenden Punkten:

a. unentgeltliche und teilunentgeltliche Zuwendungen sowie ehebezogene Zuwendungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat (§ 2325 BGB)

b. ausgleichspflichtige Zuwendungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat

c. Erblasserverbindlichkeiten; hier nur: Bausparvertrag Nr. … der Bausparkasse … und Forderung H… K… .

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte zu 1/3 und die Kläger als Gesamtschuldner zu 2/3 zu tragen.

4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

5. Der Berufungsstreitwert beträgt 2.000 €.

Gründe

I.

Die Kläger machen gegen die Beklagte im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend und verlangen weitere Auskunft durch Vorlage bzw. Ergänzung eines notariellen Nachlassverzeichnisses.

Die Kläger sind Geschwister und die einzigen Nachkommen des am …2016 verstorbenen J… W… B… aus dessen erster Ehe. Zuletzt war der Erblasser in zweiter Ehe mit der Beklagten verheiratet. Mit letztwilliger Verfügung vom 27.02.2014 setzte der Erblasser die Beklagte als seine Alleinerbin ein und enterbte die Kläger.

Mit Schreiben vom 22.02.2017 forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung dazu auf, Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen. Daraufhin übersandte die Beklagte ein privatschriftliches Bestandsverzeichnis des Nachlasses (Bl. 25 f d.A., Anlage K 10).

Unter dem 30.05.2018 forderten die Kläger die Vorlage eines notariell errichteten Nachlassverzeichnisses unter ihrer Hinzuziehung. Mit Schreiben vom 26.09.2018 wies der Prozessbevollmächtigte der Kläger den von der Beklagten beauftragten Notar auf mandantenseits bestehenden Klärungsbedarf hinsichtlich einer Reihe von Nachlassgegenständen hin, insbesondere hinsichtlich Inventar und Zubehör des Grundstücks in D… und Verwendung der Mieteinnahmen aus dem Untermietvertrag, Miet- und Pachtverträgen sowie Einnahmen hinsichtlich des weiteren Grundstücks in F… und deren Verwendung sowie in Bezug auf Umstände der vermeintlichen Übertragung des Fuhrbetriebs des Erblassers an H… K… etc., Aufnahme eines Bauspardarlehens und Eröffnung eines Kontos zugunsten der Beklagten.

Nachdem den Klägern der Entwurf eines Nachlassverzeichnisses vom 03.12.2019 vorgelegt worden war, machten diese Änderungsbedarf geltend und rügten, dass dieses den gesetzlichen Bestimmungen nicht entspreche. Das Verzeichnis wurde gleichwohl unverändert am 02.04.2020, jedoch in Abwesenheit der durch ihre Tochter vertretenen Beklagten, beurkundet.

Die Kläger haben bereits erstinstanzlich behauptet, der beauftragte Notar habe pflichtwidrig keine eigenen Ermittlungen zum Umfang des Nachlasses angestellt, sondern die Angaben der Beklagten ungeprüft übernommen; die Urkunde gehe auf die im vorhinein mitgeteilten klärungsbedürftigen Sachfragen nicht ein oder sei jedenfalls – hinsichtlich vorhandener Konten, vermeintlicher Betriebsübertragung und Grundstückswerten, unzulänglich; der Notar hätte auf die Inaugenscheinnahme der Immobilien nicht verzichten dürfen; die Beurkundung des Verzeichnisses in Abwesenheit der Auskunftsverpflichteten sei ohne nähere Erläuterung der Verhinderung im Zweifel als unzulässig anzusehen.

Die Beklagte hat behauptet, der beteiligte Notar habe aufgrund ihrer Informationen eigene Nachforschungen zum Bestand des Nachlasses angestellt. Sie war der Auffassung, das errichtete Verzeichnis genüge den gesetzlichen Anforderungen und setze sich angemessen mit dem Auskunftsbegehren der Kläger auseinander; es sei formell wirksam, da der Beklagten aufgrund ihres Gesundheitszustands und hohen Alters eine Anwesenheit in dem Notartermin nicht habe zugemutet werden können, zumal diese in der Sache gar nicht auskunftsfähig gewesen sei.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts vom 31.08.2020, Bl. 128 ff GA, Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß durch Teilurteil zur Auskunftserteilung in Form vollständiger Neuerstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Auskunftsausspruch der pflichtteilsberechtigten Kläger nach § 2314 BGB sei nicht durch Erfüllung erloschen, da das vorgelegte Verzeichnis „nicht in jeder Hinsicht erfüllungstauglich“ gewesen sei; dabei bestimme sich unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien, ob eine einen Ergänzungsanspruch auslösende Unvollständigkeit oder eine einen Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auslösende Unrichtigkeit vorliege (OLG Hamm B.v.16.3.2020 – 5 W 19/20, juris; OLG Düsseldorf, B.v.10.09.2019 – 7 W 29/19, juris); nach diesen Vorgaben sei das Nachlassverzeichnis vom 02.04.2020 im Hinblick auf die Auskünfte zum Hausrat, Inventar und die persönliche Habe des Erblassers nicht erfüllungstauglich, weil es als nahezu ausgeschlossen erscheine, dass der Erblasser neben einer Briefmarkensammlung über nahezu keine werthaltigen persönlichen Gegenstände verfügt habe, und Auskünfte über Inventar und Zubehör der Grundstücke gänzlich fehlten; auch habe der Notar nicht auf die Inaugenscheinnahme der Grundstücke verzichten dürfen, ohne darzulegen, welche Ermittlungen er mit Blick auf deren Verhältnisse insofern für geboten erachtet und danach angestellt habe; ferner sei das Verzeichnis mit Blick auf etwaige Pflicht- und Anstandsschenkungen unvollständig, indem es offenlasse, ob der Erblasser anlässlich von Geburtstagen oder kalendarischen Festen Zuwendungen getätigt habe; derartige Informationen seien indes nötig, um dem Pflichtteilsberechtigten Grundlagen für die rechtliche Bewertung und die Anspruchshöhe in die Hand zu geben; im übrigen bleibe unklar, welche Ermittlungen der Notar im Hinblick auf entsprechende Schenkungen entfaltet habe;

dass die Beklagte sich bei der Errichtung des Nachlassverzeichnisses habe vertreten lassen, sei demgegenüber auch unter Berücksichtigung der während der Corona-Pandemie bestehenden Gesundheitsgefahren zulässig gewesen, auch weil die Bevollmächtigte die Bearbeitung der Nachlassangelegenheit übernommen habe und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

Wegen der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung im übrigen wird ebenfalls auf deren Gründe Bezug genommen.

Gegen das erstinstanzliche Urteil wehrt sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt, zur vollständigen Auskunftsneuerteilung verpflichtet worden zu sein, obwohl die Zivilkammer ihre Entscheidung auf nur wenige ergänzungsfähige Punkte des erstellten Verzeichnisses gestützt habe; dessen ungeachtet seien die erforderlichen Auskünfte auch umfassend erteilt worden: der Erblasser sei – mit Ausnahme der Briefmarkensammlung – ohne wesentliche Habe bei ihr eingezogen, so dass ihm auch keine Hausratsgegenstände gehört hätten; seine mitgebrachten persönlichen Gegenstände seien wertlos gewesen, desgleichen die mindestens 20 Jahre alte Armbanduhr aus dem untersten Preissegment; das fremdvermietete Grundstück in F… habe über kein im Eigentum des Erblassers stehendes Inventar verfügt (Zeugnis … Bl. 170 GA); die Teilmöblierung der Immobilie des Erblassers in D… sei vor dessen Ableben vom Mieter entfernt und durch eine eigene ersetzt worden (Zeugnis …), im Obergeschoss sei lediglich Gerümpel verblieben, so zwei alte Röhrenfernseher; Anstandsschenkungen der Eheleute untereinander habe es sicherlich gegeben, jedoch habe sie daran im einzelnen keine Erinnerungen mehr; der Notar habe sich im Rahmen seiner Ermittlungen insofern bei der bevollmächtigten Tochter erkundigt, die eigene Kenntnisse über Pflicht- oder Anstandsschenkungen verneint habe; jedenfalls hätten sich etwaige Schenkungen wertmäßig lediglich im zweistelligen Eurobereich bewegt (Zeugnis wie oben).

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Potsdam vom 31.08.2020 – 11 O 19/20 – die Klage hinsichtlich des Auskunftsanspruchs abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie stützen die landgerichtliche Entscheidung. Es läge kein formell ordnungsgemäßes Nachlassverzeichnis vor, da es nicht unter Ausschöpfung aller Erkenntnis- und Ermittlungsmöglichkeiten des beurkundenden Notars erstellt worden sei; in diesem Zusammenhang habe sich der von der Beklagten beauftragte Notar nicht lediglich auf die Auskünfte der Beklagten verlassen dürfen, sondern insbesondere mit Blick auf die nachlasszugehörigen Grundstücke eigene Ermittlungen anstellen müssen, zumal es naheliege, dass sich in den darauf befindlichen Wohnhäusern Inventarstücke des Erblassers befänden; die Frage der Löschungsfähigkeit der bestehenden Rückauflassungsvormerkung sei ebenfalls offen geblieben; Ausführungen, wonach der Erblasser mittellos gewesen sei, ließen sich dem erstellten Verzeichnis auch nicht entnehmen, was nur den Schluss zulasse, der Notar habe diesbezüglich sämtliche Nachforschungen unterlassen; die errichtete Urkunde verhalte sich schließlich auch nicht bzw. nicht ausreichend zur Frage der Schenkungen, dem ursprünglich dem Erblasser gehörenden Speditionsbetrieb und dem Verbleib der Mieteinnahmen sowie zu etwaigen dahingehenden Nachforschungen, weshalb es ebenfalls unvollständig sei.

II.

Den Klägern stehen die streitgegenständlichen Auskunftsansprüche nicht im begehrten Umfang zu.

Sie verlangen umfassende Auskünfte in Form eines weiteren notariellen Nachlassverzeichnisses nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB, das sich insbesondere zu den mit Blick auf § 2325 BGB pflichtteilsrelevanten Schenkungen, Schenkungen an die Beklagte und weiteren ehebezogenen Zuwendungen verhalten soll. Ihr Anspruch ist durch die von der Beklagten bislang erteilten Auskünfte nicht insgesamt erfüllt worden, wobei ein Ergänzungsanspruch verbleibt, für eine Verurteilung zur Neuerstellung eines notariellen Verzeichnisses jedoch kein Raum ist.

Zur Auskunftserteilung nach § 2314 Abs. 1 S.1 BGB müssen allerdings die einzelnen Aktiv- und Passivposten des tatsächlichen und des nach §§ 2325 ff BGB berücksichtigungsfähigen fiktiven Nachlasses im einzelnen und entsprechend den Erkenntnismöglichkeiten des Verpflichteten konkret aufgelistet werden (OLG Düsseldorf ZErb 2009, 41). Darüber hinaus ist der Berechtigte über sonstige Umstände zu informieren, die die Pflichtteilsberechtigung beeinflussen und deren Kenntnis zur Durchsetzung des Pflichtteilsanspruches erforderlich ist, in der Auflistung aber nicht schon aus anderen Gründen enthalten sind (z.B. die Person eines Zuwendungsempfängers im Hinblick auf mögliche Ansprüche nach § 2325 BGB, den Güterstand des Erblassers [Münch.Komm./Lange BGB, 8. Aufl. 2020, § 2314 Rz. 10; Cornelius ZEV 2005, 286] etc). Die Auskunftspflicht erstreckt sich weiterhin grundsätzlich zwar nicht über den Bestand des Nachlasses hinaus auf die Vermögensdispositionen, die der Erblasser zu Lebzeiten getroffen hat (OLG Koblenz ZEV 2010, 2623); eine Ausnahme gilt allerdings nicht nur für ergänzungspflichtige Schenkungen des Erblassers, sondern auch für seine unbenannten Zuwendungen an den Ehegatten (Palandt/Weidlich aaO Rz. 9; Sarres ZEV 1998, 5), ggf. auch über die Zehnjahresfrist des § 2325 BGB hinaus. Die Auskunft muss so geleistet werden, dass dem Berechtigten die Nachprüfung der Angaben möglich ist (OLG Karlsruhe ZEV 2000, 280). Bei nach §§ 2325 ff BGB anrechnungsfähigen Schenkungen sind der Name des Leistungsempfängers und das zugrunde liegende Rechtsgeschäft zu bezeichnen (Cornelius ZEV 2005, 286 f; BeckOK BGB/Müller-Engels § 2314 Rz. 13). Bei gemischten Schenkungen besteht hingegen nach wohl zutreffender Auffassung kein Auskunftsanspruch auf Mitteilung des Werts der ausgetauschten Leistungen (so aber OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 1546), sondern lediglich ein Wertermittlungsanspruch nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB, der jedoch an den vom Pflichtteilsberechtigten zu erbringenden Beweis der Zugehörigkeit des betreffenden Gegenstandes zum fiktiven Nachlass geknüpft ist (OLG Schleswig ZErb 2012, 168 = NZG 2012, 1423), denn dem Wertermittlungsanspruch kommt nicht die Funktion zu, dem Pflichtteilsberechtigten die Beweisführung über die Zugehörigkeit des Gegenstandes zum Nachlass zu erleichtern (BGHZ 89, 24 ff). Besteht der begründete Verdacht, der Erblasser habe einen bestimmten Gegenstand innerhalb der Frist des § 2325 BGB verschenkt, hat der Pflichtteilsberechtigte deshalb zwar einen Auskunftsanspruch, aber noch keinen Wertermittlungsanspruch, da dieser den Beweis voraussetzt, dass eine ergänzungspflichtige Schenkung tatsächlich vorliegt. Da der Nachlass mit den Wertermittlungskosten beschwert wird (§ 2314 Abs. 2 BGB), kann der Wertermittlungsanspruch nicht auf einen bloßen Verdacht hin zugesprochen werden (BGH NJW 2019, 234 ff; OLG Koblenz FamRZ 2013, 1247 ff). Der Nachweis einer gemischten Schenkung soll allerdings nach teilweise vertretener Rechtsauffassung (Bamberger/Roth/Mayer BGB § 2314 Rz. 29 m.w.N.) bereits im Wege einer groben Überschlagsrechnung geführt und auf ihrer Grundlage eine genaue Wertermittlung verlangt werden können (zum ganzen vgl. Senatsurteil vom 03.07.2020 – 3 U 38/19).

§ 2314 BGB soll es dem Pflichtteilsberechtigten im übrigen, wie ausgeführt, (lediglich) ermöglichen, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruches zu verschaffen. Hierbei soll ein notarielles Nachlassverzeichnis eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten. Dementsprechend muss der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet. Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er muss zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen, darf sich hierauf allerdings nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung vornehmen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich hielte (BGH ZEV 2019, 81 ff; OLG Koblenz ZEV 2014, 308 ff).

Liegt – wie hier – ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Vielmehr ist er in diesem Fall, soweit die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB vorliegen, auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen (BGH LM § 260 Nr. 1; Staudinger/Herzog, BGB, §§ 2303-2345 (2015), § 2314 Rn. 84). Von diesem Grundsatz sind allerdings verschiedene Ausnahmen anerkannt. So kann ein Anspruch auf Ergänzung bzw. Berichtigung eines Nachlassverzeichnisses bestehen, wenn in diesem eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen – nicht aufgeführt ist (BGH Urteil vom 6.3.1952, IV ZR 16/51; OLG Düsseldorf ErbR 2019, 772 f), wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen (OLG Oldenburg NJW-RR 1992, 777), wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat (OLG Saarbrückern ZEV 2011, 373 ff) oder wenn sich der Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt (OLG Koblenz ZEV 2018, 413 ff; Staudinger/Herzog aaO Rn 85; BeckOK-BGB/Müller/Engels, § 2314 Rn. 21; zum ganzen auch BGH NJW 2020, 2187 ff = ZErb 2020, 286 f).

Dies vorausgesetzt, gilt fallbezogen folgendes:

Es lässt sich nach dem Inhalt des vorliegenden Nachlassverzeichnisses vom 02.04.2020 / 25.05.2021 zwar nicht feststellen, dass der von der Beklagten beauftragte Notar keinerlei eigene Ermittlungen zur Feststellung des Nachlasses getätigt hätte; dies gilt etwa mit Blick auf die Durchsicht der vorhandenen Kontounterlagen im Hinblick auf Mietzahlungseingänge, auf die der Notar hingewiesen hat. Die von ihm vorgenommenen Ermittlungen erweisen sich jedoch in einzelnen Punkten als nicht ausreichend und nachbesserungsbedürftig.

Den vorhandenen Bestand an persönlicher Habe des Erblassers und diesem gehörenden Inventar der fremdvermieteten Grundstücke hat der das Verzeichnis vom 25.05.2021 aufnehmende Notar allerdings nunmehr ausreichend ermittelt. Er hat durch entsprechende Nachfragen bei Mietern bzw. anderen in Betracht kommenden auskunftspflichtigen Personen auf hinreichender Tatsachengrundlage feststellen können, welche Gegenstände in den Nachlass gefallen sind, und diese Auskunft erscheint mit Blick auf die weiteren Darlegungen insbesondere der Beklagten auch plausibel. Soweit in diesem Zusammenhang bei den Klägern Zweifel verbleiben sollten, stünde es ihnen frei, von der Beklagten die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu verlangen. Ihre eventuellen Forderungen könnten sie jedenfalls anhand der vorhandenen Angaben berechnen.

Gegenteiliges gilt allerdings mit Blick auf etwaige werthaltige Schenkungen des Erblassers im Rahmen von Geburtstagen oder anläßlich anderer Festtage. Das ergänzte Verzeichnis vom 25.05.2021 wird zwar den zu stellenden Anforderungen jedenfalls insofern gerecht, als es konkrete Angaben der Beklagten zu Gegenstand und Wert der Beklagten gegenüber erfolgten Schenkungen nunmehr konkret auflistet und drittbezogen Negativangaben enthält. Zurecht bemängeln die Kläger jedoch, dass der das Verzeichnis erstellende Notar weitergehende Ermittlungen zu „verdächtigen“, auf darüber hinaus stattgefundene Schenkungen hinweisende, Kontobewegungen auf den Erblasserkonten innerhalb des insoweit interessierenden Zeitraums unterlassen hat. Dem Notar standen daher im Interesse der Vollständigkeit und Richtigkeit des zu erstellenden Verzeichnisses weitere Erkenntnismöglichkeiten offen, die er nicht genutzt hat. Dies wird er ebenso nachzuholen haben wie mit Blick auf die klägerseits behauptete Unentgeltlichkeit der stattgefundenen Übertragung des Speditionsgeschäfts auf den Zeugen K…. Hier hätte die naheliegende Möglichkeit der Einholung weitergehender Auskünfte bei der Beklagten und dem Zeugen selbst bestanden, was jedoch zum Nachteil der Kläger unterblieben ist.

Die erteilten Auskünfte lassen darüber hinaus offen, ob der Erblasser oder die Beklagte im Innenverhältnis für die Verbindlichkeiten aus dem Bausparvertrag Nr. … der Bausparkasse … verpflichtet war. Auch dies ist jedoch für die anspruchsberechtigten Erben zur Berechnung der Höhe ihrer Ansprüche möglicherweise bedeutsam. So könnte sich ergeben, dass der Erblasser insoweit Verbindlichkeiten der Beklagten getilgt hat, die als anrechenbare Schenkungen in Ansatz gebracht werden könnten. Auch insofern ist die Beklagte mithin verpflichtet, das erstellte Verzeichnis nachbessern zu lassen.

Als nicht ausreichend stellen sich schließlich die weiteren Angaben der Beklagten zu den Erblasserverbindlichkeiten dar, soweit sie die Forderungen des Herrn H… K… wegen angeblicher Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten betreffen. Der ermittelnde Notar hat sich hierbei allein auf die Angaben K… selbst gestützt, ohne sich bei weiteren in Betracht kommenden Personen, vor allem der Beklagten selbst, danach zu erkundigen, ob die abgerechneten Arbeiten, die darüber hinaus im Interesse der Kläger (zu deren Plausibilitätskontrolle) im einzelnen darzustellen gewesen wären, nach etwaig vorhandenen Erkenntnissen tatsächlich und bejahendenfalls in dem dargestellten Umfang ausgeführt worden sind. Dies wird nunmehr nachzuholen sein.

Die dargestellten Unzulänglichkeiten der vorgelegten Auskünfte rechtfertigten dabei entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Verpflichtung der Beklagten, diese insgesamt neu zu erstellen. Es erscheint angesichts des Umstands, dass die vorhandenen Auslassungen überschaubare, im einzelnen abgrenzbare Einzelpositionen der bereits erteilten Auskünfte betreffen, ausreichend, wenn diese im tenorierten Umfang ergänzt werden. Daher unterliegt die angefochtene Entscheidung lediglich im dargestellten Umfang der Abänderung.

Weiterer Ergänzungen bedarf es nicht. Insbesondere ist für die Kläger nichts damit gewonnen, wenn der die Auskunft aufnehmende Notar zusätzliche Ermittlungen zur Löschungsfähigkeit der auf dem Grundstück in F… lastenden Rückauflassungsvormerkung tätigte. Das das nämliche Grundstück betreffende Wertgutachten enthält zum Bestand dieser Belastung klare und eindeutige Feststellungen dahingehend, dass keine Löschungsbewilligung erteilt worden sei. Damit hat die Belastung im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden, und es ist nichts Greifbares dafür ersichtlich, dass die Stadt F… einer Löschung zugestimmt hätte, zumal es in der Auskunft vom 25.05.2021 mit Blick darauf gerade heißt, die Rechtsinhaberin sei der Auffassung, der Eigentümer habe die ihm auferlegten, dinglich gesicherten Verpflichtungen zur Errichtung eines Büro- und Sozialgebäudes sowie einer Lagerhalle nur teilweise erfüllt, weshalb sie einer Löschung nicht zugestimmt habe. Diese Auskunft genügt.

Die Beklagten haben auch keinen die Wirksamkeit der Erstellung des Verzeichnisses beeinträchtigenden Anspruch auf Anwesenheit in Notarterminen zur Errichtung von Nachlassbestandsverzeichnissen. Der ermittelnde Notar muss ihnen allerdings Gelegenheit geben, etwaige Bedenken zur Richtigkeit und Vollständigkeit entsprechend zu errichtender Verzeichnisse innerhalb angemessener Frist mitzuteilen und zeitnah auf eine Berichtigung bzw. Ergänzung hinzuwirken. Darüber hinaus steht es ihnen zwar frei, der Protokollierung beizuwohnen; der die Verhandlung führende Notar ist jedoch im Interesse ihrer Grundrechtssphäre nicht gehalten, den Protokollierungstermin mit den Auskunftsberechtigten abzustimmen und deren Anwesenheit in jedem Fall sicherzustellen. Für einen derartigen Anspruch auf Beteiligung an dem vorliegenden Verfahren besteht ersichtlich keine Rechtsgrundlage, zumal die Kläger gegenteiliges auch nicht aufgezeigt haben.

Die von den Klägern schließlich aufgeworfene Frage nach Ermittlungshandlungen außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des das Verzeichnis errichtenden Notars stellt sich jedenfalls fallbezogen nicht, da es einer Inaugenscheinnahme der nachlasszugehörigen Grundstücke, Gebäude und des darin vorhandenen Inventars nicht bedurfte, die hierzu eingeholten Fremdauskünfte des das Verzeichnis errichtenden Notars jedenfalls ausreichend waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Feststellung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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