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Aufhebung eines Erbvertrags durch ein Ehegattentestament

LG Hamm – Az.: I-10 U 68/22 – Urteil vom 11.08.2022

Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das am 03.05.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Der Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 06.04.2022 (Erlass einer einstweiligen Verfügung) wird aufgehoben.

Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Verfügung trägt die Verfügungsklägerin.

Gründe

I.

Der Verfügungsbeklagte ist der Sohn der am 00.12.2021 im Alter von 84 Jahren verstorbenen Erblasserin A.

Die Verfügungsklägerin ist die Enkelin der Erblasserin. Sie ist das einzige Kind von C B, ihrem am 00.11.2021 im Alter von 59 Jahren vorverstorbenen Vater, dem Bruder des Verfügungsbeklagten.

Die Erblasserin, die zwischenzeitlich mit dem vorverstorbenen D verheiratet war, war alleinige Eigentümerin des Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von E des Amtsgerichts Hamm, Blatt Bl01. Es handelt sich um ein gepflegtes Zweifamilienhaus mit großem Grundstück in guter Lage in F-E, das den wesentlichen Nachlass der Erblasserin ausmacht.

Die Erblasserin hatte, z.T. gemeinsam mit ihrem Ehemann D, verschiedene letztwillige Verfügungen errichtet: So hatte sie am 02.02.1973 ein Testament notariell beurkunden lassen (UR-Nr. … des Notars G in H). Am 01.10.1979 schloss sie mit ihrem Ehemann D einen Erbvertrag (UR-Nr. … des Notars G in H). Ein weiterer Erbvertrag der Erblasserin und ihres Ehemannes D wurde am 01.08.1983 beurkundet (UR-Nr. … des Notars G in H). Am 05.02.1990 schloss sie mit ihrem Ehemann einen dritten Erbvertrag (UR-Nr. … des Notars G in H). Der letzte Erbvertrag der Erblasserin und ihres Ehemannes stammt vom 24.11.1998 (UR-Nr. … des Notars I in F). In diesem Erbvertrag setzte die Erblasserin ihre beiden Söhne, den Verfügungsbeklagten und den Vater der Verfügungsklägerin, zu Erben zu gleichen Teilen ein. Ersatzerben sollten deren ehelichen Abkömmlinge sein. Diese Verfügungen sollten ausdrücklich vertragsmäßig sein.

Die Erblasserin erteilte dem Verfügungsbeklagten am 12.11.2009 eine privatschriftliche Generalvollmacht mit Patienten- und Betreuungsverfügung, die ihn insbesondere dazu berechtigte, Grundstücke zu veräußern. In der Vollmachtsurkunde heißt es u.a.:

„… Der Bevollmächtigte ist berechtigt, in meinem Namen Rechtsgeschäfte mit sich selbst vorzunehmen, gleichviel ob er dabei für sich oder Dritte handelt (Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB). …“

Ferner ist in der Vollmachtsurkunde geregelt, dass der Bevollmächtige durch die Vollmachtgeberin im Innenverhältnis angewiesen wird,

„… von dieser Vollmacht erst Gebrauch zu machen, wenn ich aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung meine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann (fehlende Geschäftsfähigkeit ist durch ein ärztliches Attest nachzuweisen). …“

Weiter heißt es in der Urkunde, dass der Bevollmächtigte nicht berechtigt ist,

„… ohne entsprechende ärztliche Feststellung von einem der vorgenannten Umstände auszugehen …“.

Die Erblasserin unterschrieb die Vollmachtsurkunde am 19.07.2021 ein weiteres Mal. Diese Unterschrift wurde am 19.07.2021 notariell beglaubigt (UR-Nr. … des Notars J in F).

Am 00.11.2021 verstarb der Vater der Verfügungsklägerin nach langer schwerer Krankheit.

Der Verfügungsbeklagte stimmte danach für den 06.12.2021 einen Notartermin ab, in dem die Übertragung der Immobilie der Erblasserin auf den Verfügungsbeklagten beurkundet werden sollte. Nachdem sich die Erblasserin mit Corona infiziert hatte und am 03.12.2021 stationär ins Krankenhaus kam, sagte der Verfügungsbeklagte den ursprünglichen Beurkundungstermin ab und vereinbarte für den 10.12.2021 einen neuen Termin. Diesen Termin sagte der Verfügungsbeklagte wegen der Erkrankung der Erblasserin erneut ab, bat aber das Notariat um einen kurzfristigen neuen Beurkundungstermin. Der Verfügungsbeklagte ließ am 13.12.2021 einen Übertragungsvertrag beurkunden, durch den ihm die Hausimmobilie der Erblasserin im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wurde. Er handelte dabei zugleich im eigenen Namen und im Namen der Erblasserin. Am 27.12.2021 wurde der Verfügungsbeklagte als Alleineigentümer in das Grundbuch eingetragen.

Die Erblasserin verstarb am 00.12.2021.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 06.04.2022 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen, aufgrund derer ein Widerspruch und ein Verfügungsverbot zugunsten der Verfügungsklägerin am 22.04.2022 in das Grundbuch eingetragen worden sind.

Das Amtsgericht Hamm hat am 25.04.2022 zwei wortgleiche Ehegatten-Testamente der Erblasserin und ihres Ehemannes vom 02.04.2003 eröffnet. Darin heißt es u.a.:

„… Der von uns vor dem Notar I am 24.11.1998 unterzeichnete Ehe- und Erbvertrag soll in nachfolgendem Punkt geändert werden: Die Kinder K und C B sollen nicht zu gleichen Teilen erben, sondern K B wird zum Alleinerben bestimmt.“

Die Verfügungsklägerin hat vorgetragen, die Übertragung der Immobilie sei im Innenverhältnis nicht von dem Willen der Erblasserin gedeckt gewesen. Die Erblasserin habe von der Übertragung keine Kenntnis gehabt. Hätte sie eine Übertragung vornehmen wollen, hätte sie diese bereits am 19.07.2021 beurkunden lassen. Die Übertragung habe im Widerspruch zum Inhalt des Erbvertrages gestanden. Der Erblasserin sei die Gleichbehandlung ihrer Söhne immer wichtig gewesen. Außerdem sei die Erblasserin aufgrund einer Demenz nicht mehr zur Abgabe einer Willenserklärung in der Lage gewesen. Die Vollmacht sei in rechtsmissbräuchlicher Weise genutzt worden. Deshalb habe der Verfügungsbeklagte mit sich selbst kollusiv zusammen gewirkt und dadurch gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB verstoßen. Daraus folge die Nichtigkeit des Übertragungsvertrages und der Auflassung. Der Verfügungsklägerin stehe ein Anspruch gemäß § 2287 Abs. 1 BGB zu. Die Übertragung der Immobilie auf den Verfügungsbeklagten stelle eine Schenkung dar. Der Verfügungsbeklagte habe die Absicht, die Immobilie zu veräußern. Die Erblasserin habe die Testamente aus dem Jahr 2003 nicht mit Testierwillen verfasst. Dies folge daraus, dass die Erblasserin und ihr Ehemann die sämtlichen früheren letztwilligen Verfügungen notariell haben beurkunden und in amtliche Verwahrung haben nehmen lassen. Es bestünden Zweifel an der Echtheit der Urkunden.

Dem ist der Verfügungsbeklagte entgegen getreten und hat vorgetragen, die Erblasserin habe sich im Verlauf des Jahres 2021 dazu entschieden, die Immobilie auf ihn allein zu übertragen. Deshalb habe sie die aus dem Jahr 2009 stammende Vollmacht am 19.07.2021 erneut unterzeichnet. Die Verfügungsklägerin sei nicht Miterbin geworden. Vielmehr sei er Alleinerbe der Erblasserin aufgrund der beiden Ehegatten-Testamente der Erblasserin und ihres Ehemannes vom 02.04.2003 geworden, die er im Haus der Erblasserin am 14.04.2022 aufgefunden habe. Grund für die Einsetzung des Verfügungsbeklagten als Alleinerben sei gewesen, dass das Verhältnis zwischen der Erblasserin und der Mutter der Verfügungsklägerin nicht gut gewesen sei und sich über die Jahre weiter verschlechtert habe. Zum Ende habe gar keine Beziehung mehr bestanden.

Das Landgericht hat die Parteien persönlich angehört und nach Vernehmung der Zeugen M L und N B durch das angefochtene Urteil die einstweilige Verfügung vom 06.04.2022 bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verfügungsklägerin habe einen Grundbuchberichtigungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht. Der Verfügungsbeklagte sei zu Unrecht als alleiniger Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Nach dem Erbvertrag vom 24.11.1998 sei neben dem Verfügungsbeklagten auch die Verfügungsklägerin als einziges Kind des vorverstorbenen C B Miterbin der Erblasserin geworden. Mit dem Erbfall seien die Parteien Miteigentümer des Grundstücks geworden. Der Verfügungsbeklagte könne sich nicht erfolgreich darauf stützen, dass der Verfügungsbeklagte durch ein späteres Testament Alleinerbe geworden sei. Die Verfügungsklägerin habe die Echtheit der Testamente hinreichend bestritten. Der Verfügungsbeklagte habe die Echtheit der Testamente nicht glaubhaft gemacht. Der Verfügungsbeklagte sei auch nicht infolge des am 13.12.2021 von ihm im Wege des In-Sich-Geschäfts (§ 181 BGB) geschlossenen Übertragungsvertrags und der Grundbucheintragung nach §§ 873, 925 BGB alleiniger Grundstückseigentümer geworden. Der Übertragungsvertrag sei wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 BGB nichtig. Der Verfügungsbeklagte sei zwar im Außenverhältnis durch die Generalvollmacht vom 12.11.2009 zur Vertretung der Erblasserin umfassend berechtigt gewesen und hierbei auch von der Beschränkung des § 181 BGB befreit. Der Verfügungsbeklagte habe jedoch seine Vertretungsmacht im Innenverhältnis zu der Erblasserin missbraucht. Es sei von einem offensichtlichen Missbrauch der Vertretungsmacht auszugehen. Die objektiven Umstände sprächen dafür, dass die Erblasserin die streitgegenständliche Immobilie ihren Söhnen habe zukommen lassen wollen. So habe sie es in sämtlichen unstreitig von ihr stammenden letztwilligen Verfügungen bestimmt, insbesondere in dem Erbvertrag aus dem Jahr 1998. Da die Echtheit der von dem Verfügungsbeklagten angeführten Testamente aus dem Jahr 2003 aus den dargestellten Gründen im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht habe geklärt werden können, könne daraus nichts Gegenteiliges geschlossen werden. Die Zeugin M L habe ausgesagt, dass die Erblasserin ihr gegenüber noch im Jahr 2021 geäußert habe, Wert darauf zu legen, ihre Angehörigen gleich zu behandeln. Dem Willen der Erblasserin laufe es jedoch zuwider, wenn der Verfügungsbeklagte sich das Grundstück der Erblasserin allein übertrage. Soweit der Verfügungsbeklagte behaupte, es sei der ausdrückliche Wunsch der Erblasserin gewesen, dass er einen Notartermin ausmache, um die Immobilie auf ihn allein zu übertragen, sei dies nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Das Vorbringen des Verfügungsbeklagten erscheine zum Teil widersprüchlich und nicht hinreichend plausibel. Es erscheine nicht nachvollziehbar, dass die Erblasserin mit der Grundstücksübertragung habe verhindern wollen, dass die Immobilie teilweise an die Verfügungsklägerin bzw. deren Mutter übergehe, wenn die Erblasserin schon längst im Jahr 2003 den Erbvertrag geändert und den Verfügungsbeklagten zu ihrem Alleinerben eingesetzt habe. Auch habe die Zeugin N B sein Vorbringen nicht bestätigt, sondern ausgesagt, dass die Erblasserin vor dem Tod ihres Sohnes C B keinen Anlass gesehen habe, Regelungen bezüglich der Immobilie zu treffen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Verfügungsbeklagten, der seinen Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung weiter verfolgt. Zur Begründung trägt er vor, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die in Kopie vorgelegten Testamente für das Verfahren keinerlei Bedeutung hätten, weil deren Echtheit nicht glaubhaft gemacht worden sei. Der Verfügungsbeklagte habe durch seine eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass er am 14.04.2022 die letztwilligen Verfügungen vorgefunden habe, bei denen es sich um zwei Ehegatten-Testamente handele, die von Herrn D und von der Erblasserin unterschrieben seien. Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, dass sich die Verfügungsklägerin darauf hätte beschränken können, die Errichtung der Testamente mit Nichtwissen zu bestreiten. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Erblasserin Mitte des Jahres 2021 die schon im Jahr 2009 erteilte Generalvollmacht erneut unterzeichnet habe und dass diese Unterschrift notariell beglaubigt worden sei. Nach dem Tod des Sohnes C B habe die Erblasserin gebeten, wegen des Hauses alles Erforderliche in die Wege zu leiten. Das habe er zum Anlass genommen, einen Notartermin zu vereinbaren. Da die Erblasserin im Krankenhaus gewesen sei und den Termin nicht habe wahrnehmen können, habe er entschieden, von seiner Vollmacht Gebrauch zu machen. Dies habe die Zeugin N B bestätigt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe kein offensichtlicher Missbrauch der Vollmacht vorgelegen. Das Landgericht habe nicht bedacht, dass die Erblasserin ihren Willen geändert habe. Die Argumentation des Landgerichts, die lebzeitige Übertragung der Immobilie sei wegen der Testamente aus dem Jahr 2003 nicht erforderlich gewesen, sei unlogisch im Hinblick darauf, dass die Echtheit der Testamente nicht als glaubhaft erachtet worden sei. Es könne auch nicht unterstellt werden, dass die Erblasserin in der Situation nach dem Tod des Sohnes alle letztwilligen Verfügungen vor Augen gehabt habe. Es gebe auch keinen Widerspruch zwischen der Aussage der Zeugin B und dem Vorbringen des Verfügungsbeklagten.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dortmund die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 06.04.2022 aufzuheben.

2. das Grundbuchamt des Amtsgerichts Hamm zu ersuchen, die im Grundbuch von E, Blatt Bl01 vorgenommenen Eintragungen, nämlich eines Widerspruches gegen die Eintragung des Berufungsklägers als Eigentümer des Grundstückes sowie das dort eingetragene Veräußerungsverbot zu Lasten des als Eigentümer eingetragenen Berufungsklägers zu löschen.

Die Verfügungsklägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt ergänzend vor, die Erblasserin habe ihren Willen, das Grundstück zu gleichen Teilen beiden Söhnen oder den jeweiligen Nachkommen der Söhne zu hinterlassen, klar und deutlich und somit unmissverständlich festgelegt. Sie habe diesen Willen durch notariellen Erbvertrag vom 24.11.1998 mit Bindungswirkung festgehalten. Auf Veranlassung des Verfügungsbeklagten sei die von der Erblasserin erteilte Vollmacht im Juli 2021 notariell beglaubigt und so für eine Grundstücksübertragung verwendbar gemacht worden. Der Verfügungsbeklagte habe die Übertragung ohne Wissen der Erblasserin vorgenommen. Hätte die Erblasserin die Übertragung gewollt, hätte sie das Geschäft selbst vorgenommen und nicht nur eine Unterschrift beglaubigen lassen. Der Erblasserin sei die Gleichberechtigung beider Kinder, wie im Erbvertrag vom 24.11.1998 festgelegt, stets besonders wichtig gewesen. Dies sei durch die Zeugin M L sowie die Zeugin B bestätigt worden. Die Verschleierung der Übertragungsabsicht sei auch der Grund für das Aufsuchen zweier verschiedener Notare gewesen. Nur so habe die Unterschriftsbeglaubigung erfolgen können, ohne auf die geplante Übertragung im Wege des In-Sich-Geschäfts aufmerksam zu machen. Sofern die Erblasserin die handschriftlichen Testamente tatsächlich mit Testierwille verfasst hätte, hätte sie gewusst, dass nach ihrem Tode der Verfügungsbeklagte Alleinerbe wird. Eine vorherige Übertragung der Immobilie, um diese vor dem Zugriff der Mutter der Verfügungsklägerin sowie der Verfügungsklägerin selbst zu sichern, wäre somit nicht notwendig gewesen. Die Vollmacht habe der Verfügungsbeklagte genutzt, obwohl die dort enthaltene Klausel in Ziffer III. 2. die Bedingung enthalte, dass die Vollmacht erst gebraucht werden dürfe, wenn die fehlende Geschäftsfähigkeit der Erblasserin durch ein ärztliches Attest nachgewiesen sei. Ein solches Attest sei jedoch nicht beigebracht worden. Auch hier habe der Verfügungsbeklagte missbräuchlich und entgegen dem Willen der Erblasserin gehandelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Parteien gemäß § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21.07.2022 nebst Berichterstattervermerk Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Verfügungsbeklagten ist begründet.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts ist zu Unrecht ergangen. Dies führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und Aufhebung der einstweiligen Verfügung, §§ 925, 936 ZPO. Die Verfügungsklägerin hat das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht.

1. Die Verfügungsklägerin kann die Eintragung eines Widerspruchs in das Grundbuch gemäß § 899 Abs. 1 BGB nicht verlangen. Der zur Begründung des Antrags erforderliche Grundbuchberichtigungsanspruch als Verfügungsanspruch ist nicht zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht worden.

a) Gemäß § 899 Abs. 1 BGB kann ein Widerspruch gegen die Richtigkeit in den Fällen des § 894 BGB in das Grundbuch eingetragen werden. Voraussetzung ist das Bestehen eines (dinglichen) Grundbuchberichtigungsanspruchs in der Person desjenigen, zu dessen Gunsten der Widerspruch eingetragen werden soll, gegen denjenigen, dessen Recht durch den Widerspruch betroffen ist. Zur Begründung des Antrags ist der Grundbuchberichtigungsanspruch als Verfügungsanspruch zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft zu machen (§§ 936, 920 Abs. 1, 2 ZPO). Das ist der Verfügungsklägerin im vorliegenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht gelungen.

Voraussetzung des Grundbuchberichtigungsanspruchs gemäß § 894 BGB ist eine Unrichtigkeit des Grundbuchs in Bezug auf das Eigentum an dem streitgegenständlichen Grundstück. Der Verfügungsbeklagte ist ausweislich des in Kopie vorgelegten Grundbuchauszugs aufgrund der Auflassung vom 13.12.2021 am 27.12.2021 als Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks in das Grundbuch eingetragen worden. Dass diese Eintragung unrichtig ist, d.h. zu Lasten der Verfügungsklägerin von der wirklichen materiellen Rechtslage abweicht, kann im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht festgestellt werden. Wegen der Vermutung der Richtigkeit der Eintragungen in das Grundbuch gemäß § 891 BGB obliegt es der Verfügungsklägerin, die Voraussetzungen des Berichtigungsanspruchs glaubhaft zu machen. Die Verfügungsklägerin hat aber weder glaubhaft gemacht, dass sie aufgrund des Erbfalls Miteigentümerin des Grundstücks in E geworden ist, noch dass der Verfügungsbeklagte zu Unrecht als Alleineigentümer der Immobilie im Grundbuch eingetragen ist.

b) Es kann dahinstehen, ob der Verfügungsbeklagte bereits aufgrund der Auflassungserklärung vom 13.12.2021 und der anschließenden Eintragung in das Grundbuch Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks geworden ist. Insoweit begegnet der Gebrauch der ihm von der Erblasserin erteilten Vollmacht Bedenken im Hinblick darauf, dass der Verfügungsbeklagte bei der Beurkundung die ihm von der Erblasserin im Innenverhältnis auferlegte Verpflichtung, die Erforderlichkeit der Vertretung durch ein ärztliches Attest nachzuweisen, missachtet hat (vgl. Ziff. III. 2. der Generalvollmacht vom 12.11.2009). Ob dies allerdings schon zur Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB und damit auch zur Nichtigkeit der Übertragung des Grundstücks führt, muss der Senat im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden.

c) Denn dem Verfügungsbeklagen ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes darin zuzustimmen, dass er unabhängig von der rechtsgeschäftlichen Übertragung schon aufgrund der letztwilligen Verfügung in den Ehegatten-Testamenten der Erblasserin und ihres Ehemannes vom 02.04.2003 Alleinerbe geworden und deshalb zu Recht als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen worden ist.

Da der Grund für die Unrichtigkeit bei § 894 BGB gleichgültig und allein entscheidend die materiell-rechtliche Unrichtigkeit des Grundbuchinhalts ist (Artz in: Erman BGB, Kommentar, § 894 Rn. 10; Staudinger/Picker (2019) BGB § 894 Rn. 24; MüKoBGB/Kohler, 8. Aufl. 2020, BGB § 894 Rn. 4), hätte die Verfügungsklägerin glaubhaft machen müssen, dass die vom Verfügungsbeklagten vorgelegten Testamente unwirksam sind, mit der Folge, dass es bei ihrer Einsetzung als Ersatz-Miterbin in dem Erbvertrag der Erblasserin und ihres Ehemannes vom 24.11.1998 verblieben wäre. Dies ist der Verfügungsklägerin indessen nicht gelungen.

aa) Soweit sie hauptsächlich vorträgt, der Erblasserin habe bei Abfassung der Testamente der Testierwille gefehlt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Es ist kein Grund ersichtlich, daran zu zweifeln, dass die Erblasserin zusammen mit ihrem Ehemann eine rechtsverbindliche Anordnung für den Fall ihres Todes treffen wollte. Dass es sich bei den beiden Urkunden um bloße Testamentsentwürfe handeln soll, kann nicht angenommen werden. Es darf nämlich nicht außer Acht gelassen werden, dass das Gesetz bei einem eigenhändigen Testament, das den Formanforderungen entspricht, von einem wirksamen Testament ausgeht. Ergeben sich aus den äußeren Umständen keine Besonderheiten und entspricht das Testament im Übrigen den Anforderungen an die Eigenhändigkeit gemäß § 2247 BGB, ist regelmäßig von der Ernstlichkeit des Testierwillens bei der Testamentserrichtung auszugehen (Grüneberg-Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Auflage, § 2247 Rn. 5; BeckOGK/Grziwotz, 1.7.2022, BGB § 2247 Rn. 15).

Die von dem Verfügungsbeklagten vorgelegten Testamentsurkunden entsprechen den üblichen Gepflogenheiten für Testamente. Sie sind ordnungsgemäß unterschrieben sowie mit Ort und Datum versehen. Es ist ausdrücklich ein Bezug zu dem Erbvertrag vom 24.11.1998 hergestellt. Die Testamente sind als Änderungen dieses Erbvertrages gekennzeichnet.

Es ist auch nicht aus den sonstigen Umständen klar erkennbar, dass es sich bei den beiden Urkunden nicht um endgültige Testamente handeln sollte. Zwar mag es im Einzelfall Zweifel am Testierwillen des Erblassers begründen, wenn zahlreiche vorherige letztwillige Verfügungen notariell beurkundet und vom Erblasser in amtliche Verwahrung gegeben worden sind (so BayObLG, Beschl. vom 4. 2. 2000 – 1Z BR 16/99, ZEV 2000, 365). Im vorliegenden Fall lässt aber die Tatsache, dass die Erblasserin zuletzt abweichend von ihrer früheren Gewohnheit ein eigenhändiges Testament verfasst und dieses zu Hause aufbewahrt hat, nicht den sicheren Schluss darauf zu, dass sie bei dessen Abfassung ohne Testierwillen gehandelt hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Erblasserin sich für eine andere Vorgehensweise entschieden hat, um z.B. Geld für eine notarielle Beurkundung zu sparen. Der Verfügungsbeklagte hat dazu nachvollziehbar vorgetragen, er habe seinem Stiefvater auf dessen Nachfrage einmal erklärt, dass ein Testament auch eigenhändig wirksam errichtet werden könne. Dem ist die Verfügungsklägerin nicht entgegen getreten. Schließlich deutet auch die Verwendung des Schreibmaterials nicht darauf hin, dass die Erblasserin und ihr Ehemann lediglich ein Konzept fertigen wollten, um dieses später ggf. von einem Notar beurkunden zu lassen. Die Testamente sind auf gewöhnlichem Schreibpapier geschrieben, so dass auch von daher nicht die Absicht erkennbar ist, lediglich einen unverbindlichen Entwurf oder eine bloße Absichtserklärung niederzulegen.

Gegen die Ernstlichkeit der Einsetzung des Verfügungsbeklagten zum Alleinerben der Erblasserin kann schließlich auch nicht eingewandt werden, die Erblasserin habe ihre beide Söhne stets gleich behandeln wollen, so dass sich die Frage stelle, warum der Vater der Verfügungsklägerin im Jahr 2003 enterbt worden sei. Dass die Erblasserin, aus welchen Motiven auch immer, eine Änderung der Regelung ihres Nachlasses vorgenommen hat, erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen.

bb) Soweit die Verfügungsklägerin hilfsweise die fehlende Echtheit der Testamentsurkunde rügt, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn die Verfügungsklägerin hat entgegen der sie – wie oben dargelegt – treffenden Verpflichtung, nicht glaubhaft gemacht, dass die Testamentsurkunden unecht sind. Die fehlende Echtheit kann nach Auffassung des Senats nicht daraus hergeleitet werden, dass der Verfügungsbeklagte die Testamente erst nach Erlass der einstweiligen Verfügung durch das Landgericht vorgelegt hat. Der Verfügungsbeklagte hat nachvollziehbar vorgetragen, er habe erst nach Erhalt des Beschlusses des Landgerichts Dortmund in den Unterlagen der Erblasserin gesucht und die Testamente dort am 14.04.2022 aufgefunden. Es erscheint durchaus plausibel, dass der Verfügungsbeklagte, der bis dahin keine Veranlassung hatte, die Papiere seiner Mutter zu durchsuchen, im Haus der Erblasserin gezielt nach Unterlagen gesucht hat, nachdem ihm die einstweilige Verfügung zugestellt worden war. Die Verfügungsklägerin hat dieses Vorbringen jedenfalls nicht entkräften können.

d) Durch die beiden gemeinschaftlichen Ehegattentestamente vom 02.04.2003 ist der Erbvertrag vom 24.11.1998, auf den die Verfügungsklägerin, ihren Anspruch stützen will, wirksam durch die Erblasserin und ihren damaligen Ehemann aufgehoben worden, § 2292 BGB. Dass es sich dabei um wirksame gemeinschaftliche Testamente im Sinne des § 2267 BGB handelt, unterliegt keinem Zweifel. Die Voraussetzungen für die Errichtung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments gemäß § 2265 BGB sind eingehalten. Aus den beiden privatschriftlichen Einzeltestamenten der Erblasserin und ihres Ehemannes geht insbesondere der erforderliche Wille der beiden Testierenden zu einer gemeinschaftlichen Regelung hervor. Die dafür ausreichende Andeutung für eine gemeinschaftliche Erklärung liegt bereits in der Verwendung des Wortes „uns/unser“ und der Mitunterzeichnung durch den jeweils anderen Ehegatten (vgl. Grüneberg-Weidlich, BGB, Einf v § 2265 Rn. 7 m.w.N.).

2. Die Verfügungsklägerin kann auch nicht die Eintragung eines Veräußerungsverbots zu Lasten des im Grundbuch eingetragenen Verfügungsbeklagten verlangen. Ein durch Eintragung eines Veräußerungsverbots zu sichernder Anspruch der Verfügungsklägerin, ist nicht glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen des von der Verfügungsklägerin in Betracht gezogenen Anspruchs gemäß § 2287 BGB lassen sich nicht feststellen.

Voraussetzung des Anspruchs aus § 2287 BGB in Verbindung mit §§ 818 ff. BGB ist die objektive Beeinträchtigung des Vertragserben durch eine wirksame Schenkung. Insofern aber ist die Verfügungsklägerin schon gar nicht anspruchsberechtigt. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie (Ersatz-)Vertragserbin der Erblasserin ist. Der Vater der Verfügungsklägerin, an dessen Stelle sie als Ersatzerbin berufen gewesen wäre, war zwar ursprünglich aufgrund des Erbvertrages der Erblasserin und ihres Ehemannes vom 24.11.1998 (UR-Nr. … des Notars I in F) als Miterbe zu gleichen Teilen neben dem Verfügungsbeklagten eingesetzt. Wie oben dargelegt, ist diese Erbeinsetzung jedoch durch die gemäß § 2267 BGB ordnungsgemäß errichteten gemeinschaftlichen Testamente der Erblasserin und ihres damaligen Ehemannes wirksam aufgehoben und der Verfügungsbeklagte zum Alleinerben bestimmt worden, § 2292 BGB.

3. Der Senat hat nach eigenem Ermessen davon Abstand genommen, auf der Grundlage der getroffenen Entscheidung seinerseits ein ausdrückliches Ersuchen an das Grundbuchamt zu tenorieren. Insofern scheint es vielmehr angezeigt, gemäß dem Konzept des einstweiligen Rechtsschutzes die Verantwortung für die Vollziehung in dem unmittelbaren Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Parteien und ihrer jeweiligen Bevollmächtigten zu belassen. Gemäß § 941 ZPO ist ein Gericht zwar befugt, ein solches Ersuchen auszusprechen. Es ist jedoch hierzu nicht verpflichtet (Zöller-Vollkommer, ZPO, § 941 Rz. 1 m.w.N.).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Vorläufigkeit der Vollstreckbarkeit entfällt gemäß § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO, da eine Revision nicht statthaft ist.

 

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