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Aufhebung Nachtragsverwaltung – Antragsrecht Erben

OLG Celle – Az.: 6 W 92/16 und 6 W 107/16 – Beschluss vom 21.07.2016

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Beschwerdewert zu 6 W 92/16: 19.000,00 €

Beschwerdewert zu 6 W 107/16: 5.000,00 €

Gründe

Die Beschwerden sind unbegründet.

I. 6 W 92/16

Es ist weder die Nachlassverwaltung aufzuheben noch der Beteiligte zu 1 aus dem Amt des Nachlassverwalters zu entlassen.

1. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Nachlassverwaltung sind nicht gegeben.

a) Vom Senat war nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlassverwaltung beim Beschluss des Amtsgerichts vom 17. Dezember 2014 (Bl. 4 Bd. I d. A.) vorlagen. Eine Überprüfung ist „nach Eintritt (der) formellen Rechtskraft grundsätzlich ausgeschlossen“ (OLG Köln, Beschluss vom 3. November 2014 zu 2 Wx 315/14, zitiert nach juris, dort Rn. 9).

Im vorliegenden Fall ist formelle Rechtskraft für die Anordnung der Nachlassverwaltung eingetreten. Der Beteiligte zu 5 als ursprünglicher Antragsteller hat seine gegen die Anordnung erhobene Beschwerde vom 12. Januar 2015 mit Schriftsatz vom 23. Januar 2015 (Bl. 21 Bd. I d. A.) zurückgenommen. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben, nachdem die Zustellung des Anordnungsbeschlusses an die Beteiligte zu 2 am 19. Dezember 2014 erfolgt war (Bl. 7 Bd. I d. A.), mit Schriftsatz vom 29. Januar 2015 erklärt, an der angeordneten Nachlassverwaltung festzuhalten (Bl. 24 Bd. I d. A.).

b) Die Anordnung der Nachlassverwaltung ist nicht nach § 48 Abs. 1 Satz 1 FamFG aufzuheben. Nach dieser Vorschrift kann „das Gericht des ersten Rechtszugs … eine rechtskräftige Endentscheidung mit Dauerwirkung aufheben oder ändern, wenn sich die zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich wesentlich geändert hat“, wobei „in Verfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden … die Aufhebung oder Abänderung nur auf Antrag“ erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 FamFG).

(1) Die Anordnung einer Nachlassverwaltung ist eine „Endentscheidung mit Dauerwirkung“ im Sinne dieser Vorschrift, die einen Antrag voraussetzt (OLG Köln, a. a. O., Rn. 11).

(2) Die Beteiligte zu 2 ist als Erbin berechtigt, die Aufhebung der Nachlassverwaltung zu beantragen.

Zwar ist sie nicht „der ursprüngliche  Antragsteller“, weil die Anordnung der Nachlassverwaltung auf Antrag des Beteiligten zu 5 als Nachlassgläubiger aufgrund Vermächtnisses beruht.

Doch ist auch der Erbe, der keinen Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung gestellt hat, als antragsberechtigt i. S. d. § 48 Abs. 1 FamFG anzusehen. Dem steht nicht der zutreffende Hinweis des Oberlandesgerichts Köln (a. a. O., Rn. 12) entgegen, dass es hierzu in der Gesetzesbegründung heißt, § 48 Abs. 1 Satz 2 FamFG „bestimm(e), dass eine Abänderung in Antragsverfahren nur auf Antrag des ursprünglichen Antragstellers erfolgen kann“ (BT-Drs. 16/6308, S. 198). Denn dem Gesetzeswortlaut ist diese Einschränkung des Antrags auf den „ursprünglichen“ Antragsteller nicht zu entnehmen. In § 48 Abs. 1 Satz 2 FamFG heißt es nur, dass die Aufhebung „auf Antrag“ erfolgt. Das Gesetz enthält keine Beschränkung auf den ursprünglichen Antragsteller. Eine solche wäre auch nicht berechtigt, weil der Erbe als Antragsgegner vor Eintritt der formellen Rechtskraft für die Anordnung der Nachlassverwaltung beschwerdeberechtigt gewesen wäre, also hätte überprüfen lassen können, ob die Voraussetzungen für die Nachlassverwaltung vorlagen. Für den Fall aber, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlassverwaltung ursprünglich vorlagen und ein Antragsgegner daher keine Veranlassung hatte, gegen die Anordnung der Nachlassverwaltung Beschwerde einzulegen, muss ihm ein eigenes Antragsrecht für die Aufhebung der Nachlassverwaltung zugebilligt werden, wenn die „zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich sich wesentlich geändert hat“, also die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlassverwaltung inzwischen entfallen sind. Wenn diese Änderung der Sach- und Rechtslage bereits zwischen der Anordnung in erster Instanz und vor Ablauf der Beschwerdefrist eingetreten wäre, hätte der Erbe mit dieser Begründung Beschwerde einlegen können.

(3) Es kann aber nicht festgestellt werden, dass „sich die zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage … nachträglich wesentlich geändert“ hat.

Die Anordnung der Nachlassverwaltung beruhte auf einem Antrag des Beteiligten zu 5 und setzte nach § 1981 Abs. 2 BGB voraus, dass „Grund zu der Annahme besteht, dass die Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass durch das Verhalten oder die Vermögenslage des Erben gefährdet“ wird.

Das Amtsgericht hat die Anordnung auf die Ansprüche des Beteiligten zu 5 als Vermächtnisnehmerin gestützt.

Dieser Anspruch ist noch nicht erfüllt.

Zwar hat der Beteiligte zu 1 mit dem Beteiligten zu 5 die notariellen Verträge vom 17. November 2015 zu UR-Nr. 331 und 332/2015 (Bl. 213 – 224 Bd. III d. A.) geschlossen. Auch haben die Beteiligten zu 2 und 3 insoweit mit Schriftsatz vom 5. Juli 2016 vorgetragen, sich nicht mehr der Übertragung des Grundstücks an den Beteiligten zu 5 entgegenzustellen (Bl. 61 Bd. IV. d. A.). Auch der Beteiligte zu 4 hat insoweit ausgeführt, dass der Wille des Erblassers darauf gerichtet war, dass das gesamte Hausgrundstück dem Beteiligten zu 5 zufallen soll (S. 6 des Schriftsatzes des Beteiligten zu 4 vom 7. April 2014, Bl. 157 Bd. III d. A.).

Doch ist die Erfüllung weiterhin gefährdet. Zum einen hat das Amtsgericht zum Antrag des Beteiligten zu 1 vom 18. April 2016 (Bl. 208 Bd. III d. A.), die beiden Verträge vom 17. November 2015 mit dem Beteiligten zu 5 nachlassgerichtlich zu genehmigen, mit Verfügung vom 21. April 2016 (Bl. 226 Bd. IIII d. A.) ausgeführt, dass die beantragte Genehmigung derzeit nicht erteilt werden könne, weil im Erbscheinsverfahren zunächst über die Gültigkeit des Testaments zu entscheiden sei.

Zum anderen ist nicht sichergestellt, dass die Beteiligte zu 2 das Vermächtnis erfüllt, wenn die Nachlassverwaltung aufgehoben wird. Denn mit Schreiben vom 21. Mai 2014 (Bl. 103 Bd. IV d. A.) hat die Beteiligte zu 2 die Anfechtung des Testaments erklärt und hält an dieser Anfechtung weiterhin fest. Diese könnte zur Folge haben, dass sie eine Erfüllung des Vermächtnisses nicht vornimmt.

2. Der Beteiligte zu 1 ist nicht aus dem Amt des Nachlassverwalters zu entlassen.

Es können keine Tatsachen dafür festgestellt werden, dass ein pflichtwidriges Verhalten des Beteiligten zu 1 die Interessen der Erben oder Nachlassgläubiger gefährdet (1915 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 1886 BGB, vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1985 Rn. 3).

a) Es liegt kein konkreter Anhaltspunkt dafür vor, dass der Beteiligte zu 1 Mittel des Nachlasses pflichtwidrig verwandt oder unzutreffende Angaben gegenüber dem Finanzamt gemacht hat. Die Vermutung der Beteiligten zu 2, die sie in ihrem Antrag vom 13. Januar 2016 auf das Schreiben des Beteiligten zu 1 vom 6. Januar 2016 an das Finanzamt L. gestützt hat (Anlage A 1 zum Schriftsatz vom 13. Januar 2016, Bl. 8 Bd. III d. A.) hat sie im Beschwerdeverfahren nicht mehr wiederholt, sondern in der Beschwerdebegründung vom 5. Juli 2016 (Bl. 42 Bd. IV d. A.) ausgeführt, dass „keine gefährdeten Nachlassverbindlichkeiten mehr zu besorgen sind“ und die Nachlassverwaltung des Beteiligten zu 1 als „ohnehin wenig ereignisreich“ bezeichnet. Die pauschale Behauptung, sie, die Nachlassverwaltung, diene „nur noch der Befriedigung parasitärer Bedürfnisse seiner (, des Beteiligten zu 1,) selbst und einiger, derzeit dreier befreundeter Rechtsanwälte zum Nachteil des Nachlasses“ reicht nicht zur Darlegung einer Pflichtwidrigkeit. Auch haben die Beteiligten zu 2 und 3 mit Schriftsatz vom 13. Juli 2016 vorgetragen, dass „dem Nachlass kurzfristig liquide Mittel in Höhe von bis zu EUR 4.000.000,00“ zustünden (Bl. 128 Bd. IV d. A.).

b) Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erklärungen des Beteiligten zu 1 in der notariellen Urkunde vom 21. März 2016 zu UR-Nr. 219/16 vor dem Notar Ch. D. (Bl. 108 – 113 Bd. III d. A.) pflichtwidrig waren. Sie beruhen auf dem privatschriftlichen Testament des Erblassers und der notariellen Vereinbarung der Beteiligten zu 2 und 4 vom 14. Juni 2013 zu UR-Nr. 252/13 (Bl. 114 – 118 Bd. III d. A.). Dem Beteiligten zu 1, der die nachlassgerichtliche Genehmigung begehrt (Bl. 107, 111 Bd. III d. A.), ist nicht vorzuwerfen, von der Gültigkeit des privatschriftlichen Testaments des Erblassers auszugehen, nachdem die Nachlassverwaltung aufgrund des Vermächtnisses aus diesem Testament angeordnet wurde und bisher keine Entscheidung des Nachlassgerichts vorliegt, die von einer Unwirksamkeit des Testaments ausgeht.

II. (6 W 107/16)

Der mit der Beschwerde vom 5. Juli 2016 (Bl. 31 Bd. IV d. A.) weiterverfolgte Antrag aus dem Schriftsatz vom 5. Mai 2016 (Bl. 16 Bd. IV d. A.),

dem Beteiligten zu 1 im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 49 Abs. 1 FamFG) bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens auf Erteilung eines Erbscheins (7 VI 457/13 Amtsgericht Tostedt) zu verbieten, Vermögensgegenstände aus dem Nachlassvermögen des Erblassers zu veräußern oder in Ausübung der Gesellschafterrechte der F. Holding GmbH seine Zustimmung zu solchen Veräußerungen zu erteilen oder dem von ihm bestellten Interimsgeschäftsführer der F. Holding GmbH zu solchen Veräußerungen anzuweisen, ist unbegründet.

1. Wie bereits ausgeführt, kann nicht festgestellt werden, dass die Erklärungen des Beteiligten zu 1 in der notariellen Urkunde vom 21. März 2016 zu UR-Nr. 219/16 vor dem Notar Ch. D. pflichtwidrig waren. Auch hat die Rechtspflegerin mit Verfügung vom 21. April 2016 (Bl. 226 Bd. III d. A.) mitgeteilt, dass die anderweitig beantragte Genehmigung des Beteiligten  zu 1 für die Verträge mit dem Beteiligten zu 5 „derzeit nicht erteilt werden, da im Erbscheinsverfahren zunächst über die Gültigkeit des Testamentes zu entscheiden ist“.

Daher ist davon auszugehen, dass auch eine nachlassgerichtliche Genehmigung für den Vertrag vom 21. März 2016 nicht vor der Entscheidung im Erbscheinsverfahren erfolgt.

2. Im Übrigen hat der Nachlassverwalter hinsichtlich der Verfügung über Vermögensgegenstände aus dem Nachlass zunächst in eigener Verantwortung zu entscheiden, in welcher Weise er vorgeht, wie vom Senat bereits im Beschluss vom 14. Januar 2016 zu 6 W 231/15 ausgeführt (Bl. 38 – 40 Bd. III d. A.). Ein Bedürfnis zu einer sichernden oder regelnden Maßnahme kann nicht festgestellt werden. Der Nachlassverwalter führt sein Amt unabhängig und eigenverantwortlich. In reinen Zweckmäßigkeitsfragen untersteht er keinen rechtlichen Weisungen (Palandt/Weidlich, a. a. O., § 1985 Rn. 2 mit Verweis auf BGHZ 49, 1). Auch ist nicht ersichtlich, dass er gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt oder das ihm eingeräumte Ermessen überschreitet, missbraucht oder nicht ausübt (vgl. zu Geboten und Verboten: Palandt/Weidlich, a. a. O., § 1960 Rn. 12, § 1962 Rn. 3).

III.

Eine Kostenentscheidung war entbehrlich.

Die Pflicht, die Gerichtskosten zu tragen, folgt aus dem Gesetz.

Eine Kostenerstattung war nicht anzuordnen, weil am Beschwerdeverfahren nur die Beteiligten zu 2 und 3 als Beschwerdeführerinnen, aber niemand im entgegengesetzten Sinn teilgenommen hat.

Der Beschwerdewert für die Beschwerde zu 6 W 92/16 wurde auf 19.000 € (= 1/10 von 190.000,00 €) festgesetzt (§ 64 Abs. 2 GNotKG). Die Vertragsparteien haben den Verkehrswert des Übertragungsgegenstandes im Vertrag vom 17. November 2015 zu UR-Nr. 331/2015 des Notars Friedrich Harre (Bl. 219 bis 224 Bd. III d. A.) mit diesem Betrag für den Vermächtnisgegenstand zugunsten des Beteiligten zu 5 angegeben. Der Senat nimmt den Wert in Verfahren, welche die Anordnung oder Aufhebung der Nachlasspflegschaft betreffen, regelmäßig mit einem Zehntel des betroffenen Wertes an (zuletzt: Beschlüsse vom 17. November 2014 und 7. Dezember 2015 zu 6 W 205/14 und 6 W 210/15). Der Antrag auf Entlassung hat keinen höheren Wert (vgl. zur entsprechenden Anwendung von § 65 GNotKG: OLG Schleswig, NJW-RR 2014, 783).

Der Beschwerdewert für die Beschwerde zu 6 W 107/16 wurde gemäß § 36 Abs. 3 GNotKG auf 5.000 € festgesetzt.

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