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Aufklärung zur Mittellosigkeit des Nachlasses

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 82/22 – Beschluss vom 13.09.2022

Zitiervorschlag: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. September 2022 – 3 W

1. Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Eberswalde vom 18.02.2022, Az. 7 VI 505/21, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens – nach Maßgabe der folgenden Gründe an das Nachlassgericht zurückverwiesen.

2. Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: 1.663,62 €

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 01.10.2021 bestellte das Amtsgericht den Beschwerdegegner zum die Pflegschaft berufsmäßig führenden Nachlasspfleger des am 12.06.2021 verstorbenen Erblassers. Der Beschwerdegegner erhielt am 12.10.2021 die Bestallungsurkunde.

Mit Schreiben vom 18.11.2021 teilte das Amtsgericht dem Beschwerdegegner mit, dass die (jetzigen) Beschwerdeführer nach Ablauf der Ausschlagungsfrist als Erben in Betracht kämen, die Voraussetzungen für die Nachlasspflegschaft damit entfallen seien und er seine Tätigkeiten einzustellen habe.

Unter dem 25.11.2021 reichte der Beschwerdegegner die Bestallungsurkunde mit dem ergänzenden Bemerken zurück, dass ein Nachlassverzeichnis nicht erstellt werden könne, da die Nachlasserfassung nicht ansatzweise abgeschlossen sei; der Nachlass sei aktuell mittellos.

Die Nachlasspflegschaft wurde mit amtsgerichtlichem Beschluss vom 06.12.2021 aufgehoben, da die Erben – die Beteiligten zu 1 bis 3 – bekannt seien.

Seinem unter dem 17.01.2022 gestellten, gegen die Erben gerichteten Vergütungsantrag in Höhe von insgesamt 1.663,62 €, basierend auf einem Stundensatz vom 100 € netto, entsprach das Amtsgericht mit dem Festsetzungsbeschluss vom 18.02.2022 (Bl. 38 GA).

Hiergegen richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2, die geltend machen, an der Einhaltung der Ausschlagungsfrist gehindert gewesen bzw. deren Einhaltung versehentlich versäumt zu haben und die Erbschaftsannahme anfechten zu wollen.

Der Beschwerdegegner meint, die Beteiligten zu 1 bis 2 hafteten auch mit ihrem Privatvermögen auf seine Vergütung und die Landeskasse dürfe nicht für etwaige Versäumnisse der Erben haftbar gemacht werden, die nicht vermögenslos seien.

Auf den Hinweis des zuständigen Rechtspflegers, dass eine Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers „gegen die Erben nur dann zulässig ist, wenn der Nachlass nicht mittellos ist“, insofern aber keinerlei Erkenntnisse vorlägen, so dass beabsichtigt sei, den Beschwerden abzuhelfen, teilte der Beschwerdegegner wiederholend mit, dass er einen vermögenden Nachlass nicht glaubhaft machen könne.

Mit lediglich formelhaft unter Hinweis auf die im angefochtenen Beschluss genannten Gründe begründetem Beschluss vom 04.07.2022 hat das Amtsgericht den Beschwerden nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die gemäß § 58 FamFG statthaften und auch im übrigen zulässigen Beschwerden haben in der Sache insoweit Erfolg, als das Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Nachlassgericht zurückzuverweisen ist, weil dieses nicht über den (richtigen) Verfahrensgegenstand entschieden hat.

Die Vergütungsansprüche des Nachlasspflegers richten sich gemäß § 1915 Abs. 1 S. 1 BGB nach den für die Vormundschaft geltenden Vorschriften. Während der ehrenamtliche Pfleger lediglich Aufwendungsersatz und Aufwandsentschädigung gemäß §§ 1835, 1835a BGB bekommt, erhält der Nachlasspfleger eine Vergütung, wenn er eine Nachlasspflegschaft berufsmäßig führt. Die Höhe bemisst sich danach, ob der Nachlass vermögend oder mittellos ist.

Nach § 1836 Absatz 1 Satz 3 BGB i.V.m. § 1 Absatz 2 S. 2 VBVG ist dem Nachlasspfleger eine Vergütung zu bewilligen, deren Schuldner bei vorhandenen Mitteln der Erbe ist; hingegen besteht ein Anspruch des Nachlasspflegers gegen die Staatskasse, wenn der Nachlass mittellos i.S. von § BGB § 1836 d BGB ist. Liegt ein teilmittelloser Nachlass vor, kann die Vergütung des Nachlasspflegers nicht in vollem Umfang anhand eines einheitlichen Vergütungssatzes berechnet werden. Vielmehr ist es insoweit geboten, zwei Vergütungsschuldner in Anspruch zu nehmen und die Vergütungshöhe nach den jeweils unterschiedlichen Regeln festzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2021 – IV ZB 16/20 – FGPrax 2021, 172; Senatsbeschluss vom 13.11.2020 – 3 W 40/19).

Bei der Prüfung, ob der Nachlass mittellos ist, ist dabei grundsätzlich nur das verfügbare Aktivvermögen zu berücksichtigen, die Nachlassverbindlichkeiten bleiben außer Betracht, da ansonsten eine unangebrachte Privilegierung der Nachlassgläubiger gegenüber der Staatskasse bestünde (allg. Meinung, vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.11.2019 – 3 Wx 62/18; OLG Brandenburg Beschluss vom 22.10.2019 – 3 W 57/19). In zeitlicher Hinsicht ist für die Beurteilung der Vermögensverhältnisse grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Tatsacheninstanz maßgeblich. Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse während der Nachlasspflegschaft sind zu berücksichtigen. Mittellosigkeit ist aber dann zu verneinen, wenn der zunächst vorhandene Aktivnachlass durch die Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten verbraucht wird, andernfalls würden die Gläubiger letztlich aus der Staatskasse bezahlt (OLG Düsseldorf a.a.O. m.w.Nw., OLG Brandenburg a.a.O. m.w.Nw.).

Dass der Nachlasspfleger seinen Antrag gegen die Beschwerdeführer als Erben gerichtet hat, spielt in diesem Zusammenhang für den Erfolg seines Begehrens keine Rolle. Wenn und soweit seinen Sachausführungen – wie hier – inzident das Begehren entnommen werden kann, überhaupt eine Vergütung zu erhalten, ist sein Antrag in der Weise zu verstehen, beide Vergütungsansprüche – gegen die Erben und gegen die Staatskasse – geltend zu machen (BGH, Beschluss vom 19.08.2015 – XII ZB 314/13, FamRZ 2015, 1880 ff = NJW 2015, 3301 f; BayObLG FamRZ 2001, 377; vgl. auch OLG Hamm OLGR 2004, 189 f).

Ob der Nachlass des Erblassers im skizzierten Sinne vermögend oder mittellos ist, ist nach Aktenlage allerdings unbekannt. Die Frage der Mittellosigkeit ist dabei von Amts wegen aufzuklären (OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.02.1996 – 20 W 25/96, FamRZ 1996, 819 ff = MDR 1996, 497). Der Nachlasspfleger muss zwar zur Werthaltigkeit des Nachlasses vortragen und bei der Aufklärung mitwirken, indem er die ihm bekannten Tatsachen mitteilt. Dies ist hier indes geschehen. Darin durften sich die Ermittlungen des Nachlassgerichts jedoch nicht erschöpfen, hätte es doch etwa die in Betracht kommenden Erben über ihre entsprechenden Kenntnisse befragen können, Einsicht in amtliche Schuldnerverzeichnisse nehmen und das zuständige Grundbuchamt um Auskünfte zum Vorhandensein von Grundbesitz bitten können. Dass derartige Ermittlungen von vornherein aussichtslos erschienen, kann der Senat nicht feststellen, zumal der Beschwerdegegner selbst angegeben hatte, die Sichtung des Nachlasses sei bei weitem nicht abgeschlossen, woraus sich gerade nicht schließen lässt, dass lediglich Verbindlichkeiten bestehen würden.

Es liegt deshalb im vorliegenden Fall entweder ein vermögender Nachlass vor, so dass Vergütungsschuldner allein der Nachlass ist, oder ein mittelloser bzw. teilmittelloser Nachlass, so dass sich der Vergütungsanspruch (ggf. auch) gegen die Staatskasse richtet. Soweit die vorliegend erforderlichen Ermittlungen zu einem non liquet führen sollten, sich also die positive Feststellung eines die Vergütung absichernden Nachlasses nicht treffen ließen, ginge dies zulasten der Staatskasse (vgl. OLG Frankfurt aaO m.w.N.). Sinn und Zweck der §§ 1835 Abs. 4 Satz 1, 1835 a Abs. 3 Hs. 1 BGB und § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG sprechen dafür, diese Bestimmungen so auszulegen, dass die Landeskasse immer dann einzutreten hat, wenn die erforderlichen Gelder aus dem Vermögen des Betroffenen bzw. dem Nachlass nicht entnommen werden können (Bienwald FamRZ 1993, 219).

Danach ist es fallbezogen nicht ausgeschlossen, dass der Verfahrensgegenstand entweder ein anderer ist als angenommen (bei Mittellosigkeit des Nachlasses) oder dass zwei unterschiedliche Verfahrensgegenstände (bei teilmittellosem Nachlass) vorliegen.

Da das Amtsgericht damit nicht erschöpfend über den Verfahrensgegenstand entschieden hat, ist die Sache an das Amtsgericht von Amts wegen zurückzuverweisen (§ 69 Abs. 1 S. 2 FamFG).

2. Die Kostenentscheidung auch für das Beschwerdeverfahren war dem Nachlassgericht vorzubehalten.

Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 61 Abs. 1, 36 Abs. 1 GNotKG und entspricht der beantragten Vergütungshöhe.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

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