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Aufklärungspflicht Nachlassgericht – Prüfung Testierunfähigkeit des Erblassers auf Demenz

Die Frage der Testierfähigkeit eines Menschen ist ein wesentliches Element im Erbrecht und stellt häufig einen Dreh- und Angelpunkt bei Erbstreitigkeiten dar. Insbesondere wenn kognitive Beeinträchtigungen wie Demenz ins Spiel kommen, gewinnt die Überprüfung der Testierfähigkeit an Komplexität. Die zentrale juristische Herausforderung liegt darin, objektiv zu beurteilen, ob eine Person zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in der Lage war, die Tragweite ihrer Entscheidungen zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln. Hierbei müssen rechtliche Instanzen wie das Nachlassgericht die Aufklärungspflicht erfüllen und eine umfassende Prüfung anstellen, die nicht selten die Einholung von Gutachten des Sachverständigen und die Bewertung von Beweismitteln im Erbscheinsverfahren beinhaltet. Entscheidungen des Nachlassgerichts, die auf diesen komplexen Bewertungen basieren, sind oft ausschlaggebend für die Erteilung oder Ablehnung von Erbscheinen und können weitreichende Konsequenzen für die Betroffenen haben.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-3 Wx 103/14   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Entscheidung des Nachlassgerichts aufgehoben, wonach ein Erblasser aufgrund einer fortschreitenden Demenz als nicht testierfähig galt. Die Sache wurde zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Nachlassgericht zurückverwiesen, da die bisherigen Feststellungen und Ermittlungen nicht ausreichend waren, um eine Testierunfähigkeit zu bestätigen.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufgehobene Entscheidung: Das OLG Düsseldorf hebt die Entscheidung des Nachlassgerichts auf, welche die Testamentsänderungen des Erblassers aufgrund von Demenz für ungültig erklärte.
  2. Unzureichende Ermittlungen: Die Ermittlungen des Nachlassgerichts reichten nicht aus, um die Testierunfähigkeit des Erblassers zu belegen, die auf einer fortschreitenden Demenz basierte.
  3. Widersprüchliche Aussagen: Es gab widersprüchliche Aussagen zur geistigen Verfassung des Erblassers von der Haushälterin und dem beurkundenden Notar, die beide die Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestätigten.
  4. Sachverständigen-Gutachten: Das Gutachten von Dr. C. war zentral für das Urteil des Nachlassgerichts, aber das Beschwerdegericht fand dieses für die Feststellung der Testierunfähigkeit nicht ausreichend.
  5. Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen: Das Gericht erachtet weitere Ermittlungen als notwendig, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, einschließlich der Vernehmung weiterer Zeugen und möglicherweise der Einholung weiterer Gutachten.
  6. Rückverweisung an das Nachlassgericht: Das Verfahren wurde an das Nachlassgericht zurückverwiesen, um die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
  7. Beweislast und Amtsermittlungsgrundsatz: Das Gericht betont die Wichtigkeit des Amtsermittlungsgrundsatzes und der Notwendigkeit, alle verfügbaren Beweismittel zu nutzen, um zu einer Entscheidung zu kommen.
  8. Kosten des Beschwerdeverfahrens: Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das Nachlassgericht zu entscheiden.

Beginn der rechtlichen Auseinandersetzung und Kernfrage

Im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung stand die Frage der Testierfähigkeit eines Erblassers aufgrund von Demenz. Konkret handelte es sich um einen Fall, in dem der Erblasser, der am 10. November 2012 verstarb, nach dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 2008 seine beiden Kinder in einem Testament als Erben eingesetzt hatte. Später änderte er sein Testament zu Gunsten eines seiner Kinder nach Ankündigung des anderen Kindes, den Pflichtteil geltend zu machen. Es entstand ein Rechtsstreit darüber, ob die Testamente aus dem Jahr 2009, die die Erbfolge änderten, aufgrund einer fortschreitenden Demenz des Erblassers ungültig seien.

Gegensätzliche Sichtweisen und das Gutachten des Sachverständigen

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Feststellung der Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Die Einschätzungen des beurkundenden Notars und der Haushälterin, die den Erblasser im Alltag unterstützte, standen im Gegensatz zu den Aussagen eines medizinischen Sachverständigen, der eine fortschreitende Demenz und somit eine Testierunfähigkeit zum relevanten Zeitpunkt feststellte.

Entscheidung des OLG Düsseldorf und die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte sich mit diesem komplexen Sachverhalt zu befassen. Das Nachlassgericht hatte zunächst die Testierunfähigkeit des Erblassers festgestellt und dementsprechend entschieden, dass die Erbfolge nach dem Testament von 2008 zu regeln sei. Die Entscheidung beruhte maßgeblich auf dem Gutachten des Sachverständigen Dr. C., der nach Prüfung verschiedener medizinischer Unterlagen und der Aussagen der Haushälterin zu dem Schluss kam, dass der Erblasser bereits seit Anfang 2009 nicht mehr vollständig geistig orientiert und damit nicht testierfähig gewesen sei.

Konsequenzen und Bedeutung der Amtsermittlungspflicht

Gegen diese Entscheidung legte die benachteiligte Erbin Beschwerde ein. Sie führte an, dass die schriftliche Stellungnahme des Notars, der das Testament beurkundet hatte, und das Gutachten des Sachverständigen widersprüchlich seien. Das OLG Düsseldorf gab der Beschwerde statt und hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf. Es wurde festgestellt, dass die vom Nachlassgericht getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um eine fundierte Beurteilung über die Testierunfähigkeit des Erblassers zu treffen. Insbesondere wurde kritisiert, dass die notwendigen Ermittlungen zur Klärung der Testierfähigkeit nicht umfassend genug geführt wurden.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Welche Rolle spielt die Aufklärungspflicht des Nachlassgerichts im Erbscheinsverfahren?

Die Aufklärungspflicht des Nachlassgerichts im Erbscheinsverfahren spielt eine entscheidende Rolle, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu erlangen. Wenn das Nachlassgericht wichtige Ermittlungen unterlässt, verletzt es seine Aufklärungspflicht.

Das Nachlassgericht ist verpflichtet, die beteiligten Personen anzuhören. Dies sind grundsätzlich die gesetzlichen Erben des Erblassers sowie auch die nach dem Testament als Erben in Betracht kommenden Personen. Die Beteiligten erhalten auf diesem Wege die Möglichkeit, zum Erbscheinsantrag Stellung zu nehmen.

Nach Eingang des Erbscheinsantrags hat das Nachlassgericht die Pflicht, erforderliche Ermittlungen einzuleiten und gegebenenfalls Beweise zu erheben. So muss insbesondere die Echtheit eines Testaments ermittelt werden. Ist das Testament unklar und ergibt sich daraus eine Auslegungsbedürftigkeit, hat das Nachlassgericht auch die Auslegung des Testaments vorzunehmen.

Das Nachlassgericht ist an den Inhalt des Antrags gebunden und darf von diesem weder abweichen noch ihm nur in Teilen stattgeben. Wenn das Nachlassgericht den beantragten Erbschein erteilen möchte, erlässt es einen Beschluss, worin die zur Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet werden.

Gegen einen solchen Beschluss können die Beteiligten auch Beschwerde einlegen. Möchte das Nachlassgericht den beantragten Erbschein nicht erteilen, erfolgt eine Zurückweisung des Erbscheinsantrags durch Beschluss. Gegen die Ablehnung der Erteilung eines Erbscheins kann innerhalb einer Frist von einem Monat Beschwerde eingelegt werden.

Die Aufklärungspflicht des Nachlassgerichts ist daher ein zentraler Aspekt im Erbscheinsverfahren, um eine gerechte und korrekte Entscheidung zu treffen.


Das vorliegende Urteil

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 103/14 – Beschluss vom 15.06.2015

Die angefochtene Entscheidung und das ihr zugrunde liegende Verfahren werden aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Nachlassgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der am 10. November 2012 verstorbene Erblasser war der Vater der Beteiligten zu 1 und 2. Nach dem Tode seiner Ehefrau am 27. September 2008 setzte er durch Testament zu Urk.-R.-Nr. 2033/2008 des Notars Dr. L. in Moers vom 17. November 2008 die Beteiligten jeweils zu 1/2 als Erben ein; mit Testament zu Urk.-R.-Nr. 1085/2009 des Notars Dr. O. in Moers vom 14. August 2009 setzte er den Beteiligten zu 1 zu 4/10 und die Beteiligte zu 2 zu 6/10 als Erben ein. Nachdem der Beteiligte zu 1 mit Anwaltsschriftsatz vom 19. August 2009 angekündigt hatte, den Pflichtteil nach dem Tode seiner Mutter geltend machen zu wollen, bestimmte der Erblasser durch Testament zu Urk.-R.-Nr. 1185/2009 des Notars Dr. O. in Moers vom 08. September 2009 die Beteiligte zu 2 zu seiner Alleinerbin.

Der Beteiligte zu 1 hat geltend gemacht, der Erblasser sei ab 2009 aufgrund einer fortschreitenden Demenz nicht mehr testierfähig gewesen; die notariellen Testamente vom 14. August und 08. September 2009 seien daher unwirksam, so dass ein Erbschein auf der Grundlage des Testaments vom 17. November 2008 zu erteilen sei.

Der Beteiligte zu 1 hat beantragt, ihm einen Erbschein dahin zu erteilen, dass der Erblasser von den Beteiligten zu 1 und 2 zu je 1/2 Anteil beerbt worden ist.

Die Beteiligte zu 2 hat beantragt, den Erbscheinsantrag zurückzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, der Erblasser sei bei der Abfassung der Testamente im August und September 2009 noch testierfähig gewesen. Dies belege die eingereichte schriftliche Erklärung der in den Testamenten des Erblassers vom 14. August und 08. September 2009 als Vermächtnisnehmerin begünstigten Haushälterin des Erblassers, R. M., vom 09. Februar 2013, worin diese bestätige, dass die Demenz des Erblassers erst im September 2010 gravierend geworden sei.

Das Nachlassgericht hat nach Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens und eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Dr. C. vom 02. Oktober 2013 und 04. Januar 2014 sowie vom 06. März 2014 und Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des beurkundenden Notars im Jahre 2009, Dr. O., vom 12. Februar 2014 am 07. März 2014 die zur Erteilung des vom Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Erblasser sei wegen einer fortschreitenden Demenz im August und September 2009 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schon seit Januar 2009 nicht mehr in vollem Umfang geistig orientiert und damit nicht mehr testierfähig gewesen. Dies belegten die Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. in seinem Gutachten vom 02. Oktober 2013 sowie die ergänzenden Stellungnahmen vom 04. Januar und 06. März 2014.

Das Gericht verkenne nicht, dass sowohl die Haushälterin M. als auch der die Testamente aus August und September 2009 beurkundende Notar Dr. O. in ihren schriftlichen Stellungnahmen vom 09. Februar 2013 und 12. Februar 2014 den Eindruck wiedergegeben haben, der Erblasser sei noch im August und September 2009 präsent und orientiert gewesen.

Der beurkundende Notar Dr. O. habe insoweit ausgeführt, der Erblasser habe den Eindruck vermittelt, dass er genau wisse, war er wolle. Auch die den Erblasser immerhin regelmäßig in seinem alltäglichen Leben unterstützende Haushälterin M. habe bestätigt, dass der Erblasser genau gewusst habe, was er wollte und was nicht, wenngleich sie einräume, dass er bereits im August 2009 vergesslich gewesen sei.

Der Sachverständige Dr. C. habe sich in seinem Gutachten und in seinen ergänzenden Stellungnahmen auch mit den Schilderungen der Haushälterin und des Zeugen Dr. O. auseinander gesetzt. In seiner Einschätzung, die Demenz des Erblassers sei im August und September 2009 soweit fortgeschritten gewesen, dass eine Testierfähigkeit nicht mehr vorgelegen habe, könne er einen Widerspruch zu den Einschätzungen der Haushälterin M. und des Zeugen Dr. O. nicht erkennen. Der Sachverständige habe vielmehr darauf verwiesen, dass selbst stärkste kognitive Defizite, z. B. bei Demenz, hinter einer Fassade verborgen sein können, die sich im Rahmen alltäglicher Kontakte in ihrer Ausprägung nicht darstellen. Besonders bei Testamentserstellungen bzw. Testamentsänderungen lasse sich die hierzu erforderliche komplexe Interaktion zwischen kognitiven Fähigkeiten, aber auch Wertvorstellungen in einem kurzen Gesprächskontakt, wie er bei einem Notar stattfinde, nicht umfassend prüfen. Hier wären mehrere Erörterungen über die getroffenen Verfügungen, die zugrunde liegenden Motive und deren Einbettung in das Wertgefüge erforderlich gewesen. Zu diesen tiefgreifenden und nachprüfenden Gesprächen sei es naturgemäß nicht gekommen. Auch die Haushälterin M., die sich im Alltag um den Erblasser gekümmert habe, räume ein, bei ihm bereits um den fraglichen Zeitpunkt August und September 2009 Vergesslichkeit festgestellt zu haben; ihre Bekundung entkräfte die Ausführungen des Sachverständigen Dr. C., wonach Orientierungsstörungen schon im Jahre 2008 aufgetreten seien, nicht. Anfang 2009 sei dann erstmals über auffällige kognitive Einbußen (Desorientiertheit im eigenen Haus und Verwirrtheit) berichtet worden. Der Sachverständige habe insoweit ausgeführt, dass nach einem heute allgemeinen gültigen Modell kognitive Funktionen eine Grundbedingung der Willensbildung, also der Fähigkeit, zu einem Schluss zu kommen, darstellen. Die kognitiven Funktionen ermöglichen das Abwägen verschiedener Entscheidungs- und Handlungsalternativen. Daneben seien Willensentscheidungen aber auch von emotional-affektiven Faktoren abhängig. Entsprechend werde der Wille als eine menschliche Funktion beschrieben, die mittels kognitiver Fähigkeiten auf der Grundlage von Werten, getragen von affektiven, dynamischen Elementen, über Reflektion, Planung und Wahl zunächst zielgerichtete Entscheidungen und dann auch deren Realisierung bewirke. Nach Prüfung, ob der Erblasser die Möglichkeit zur kognitiven Kontrolle bzw. Überformung von Handlungsimpulsen gehabt habe, komme der Gutachter zur eindeutigen Aussage, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit entsprechende Testierfähigkeit im August und September 2009 nicht mehr gegeben gewesen sei.

Zwar habe sich der Erblasser offenbar durchgängig in einer intakten Bewusstseinslage befunden, eine durchgängige zeitliche und örtliche Desorientierung werde bis Ende Juli 2010 nicht berichtet. Offenbar habe aber durchgängig eine Orientierungsstörung zur Person bestanden, was im Hinblick auf die freie Willensbildung stärker zu gewichten sei als eine durchgängige zeitliche und örtliche Desorientierung. Orientierungsstörungen zur Person führten in der Regel auch zu einer situativen Desorientiertheit. Gerade diese beiden Orientierungsstörungen seien besonders zu beachten, da sie der Entscheidungsbildung durch das fehlende Wissen um situative Gegebenheiten die Basis entziehen könnten. Nach den Schlussfolgerungen des Gutachters ließen diese Orientierungsstörungen Rückschlüsse darauf zu, dass auch die Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen nicht intakt waren. Eine zielgerichtete Entscheidung sei aber nur dann möglich, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt bekannt sei und das Für und Wider einer Entscheidung vergegenwärtigt werden könne. Der Gutachter spreche dem Erblasser für den fraglichen Zeitraum die Fähigkeit ab, diese notwendigen Denkprozesse im Rahmen der Willensbildung für eine Testamentserrichtung oder Abänderung zielgerichtet durchgeführt zu haben. Der Gutachter stütze sich bei seinen Stellungnahmen auf die in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftsätze, auf die Stellungnahme der Haushälterin des Erblassers, auf die Berichte der behandelnden Ärzte u. a. des Josef-Krankenhauses vom 24. Februar 2009, sowie auf die ärztlichen Stellungnahmen des Chefarztes der inneren Abteilung des St. Josef-Krankenhauses Dr. V. (Antwort auf das gerichtliche Schreiben vom 07. Mai 2013) und des Facharztes für allgemeine Medizin K. vom 09. April 2013. Dem Gutachter habe überdies die vollständigen Pflegedokumentationen der Diakonie Station Neukirchen-Vluyn sowie des Altenheims „Seniorenpark Carpe Diem“ und das Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen vom 09. März 2009 vorgelegen.

Nach alledem bestehe kein Anlass, von den fundierten, von Sachkunde getragenen und nachvollziehbar dargestellten Schlussfolgerungen des Gutachters Dr. C. abzuweichen; das Nachlassgericht schließe sich mithin der Einschätzung des Sachverständigen an, dass der Erblasser im Jahre 2009 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr testierfähig gewesen sei. Maßgeblich für die Erbfolge sei damit das Testament vom 17. November 2008, in dem der Erblasser seine beiden Kinder, die Beteiligten zu 1 und 2, zu je 1/2 als Erben einsetzte.

Gegen diesen ihr am 20. März 2014 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 2 mit der Beschwerde.

Sie macht geltend, das Nachlassgericht hätte sich nicht über die schriftliche Stellungnahme des Notars Dr. O. vom 12. Februar 2014 hinwegsetzen dürfen, der vor Errichtung des Testamentes des Erblassers dessen Testierfähigkeit anhand indizieller Fakten zweifelsfrei festgestellt habe. Dem gegenüber habe der Sachverständige Dr. C. nie persönlich Kontakt zum Erblasser gehabt. Er habe in seinem ersten Gutachten vom 02. Oktober 2013 noch hervorgehoben, dass der Erblasser am 08. September 2009, dem Tag der Errichtung des Testamentes, selbständig und allein zur Untersuchung in die Praxis Dr. K. gekommen sei (Blatt 10 dieses Gutachtens); Hirndurchblutungsstörungen habe Dr. K. erst ab März 2010, also weit nach der Errichtung des Testamentes, festgestellt. In seinem zweiten Gutachten vom 04. Januar 2014 habe der Sachverständige an verschiedenen Stellen Geschäftsfähigkeit und Testierfähigkeit als gleichwertig hingestellt, wobei er wohl gleichzeitig feststellt habe, dass der Erblasser an einer Altersdemenz gelitten habe.

Bei der Diskrepanz zwischen der schriftlichen Stellungnahme des Notars Dr. O. und dem Gutachten Dr. C. habe das Gericht zumindest im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes beide laden und gemeinsam mündlich vernehmen müssen. Indem es mehr oder weniger „blind“ dem Gutachten Dr. C. folge und sich über die schriftliche Stellungnahme des Notars hinwegsetze, verletze das Nachlassgericht seine Verpflichtung, alle erdenklichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Frage der Testierfähigkeit zu klären.

Im weiteren Verfahren seien ihr, der Beteiligten zu 2, noch vier Zeugen eingefallen, die zur Testierfähigkeit des Erblassers Auskünfte erteilen könnten, nämlich der Notar Dr. L. in Moers, der nach der Errichtung des Testaments im April 2010 einen Grundstücksübertragungsvertrag des Erblassers beurkundet und dabei auch noch dessen Geschäftsfähigkeit festgestellt habe, ferner Pastor W H., in Neukrichen-Vluyn, der den Erblasser Zeit seines Lebens seelsorgerisch betreut, insbesondere auch nach dem Tod seiner Ehefrau regelmäßig besucht habe, schließlich die Eheleute I. und Dr. R. W., in Neukirchen-Vluyn, die bis zu dessen Tod umfangreichen Kontakt zum Erblasser gehabt hätten.

Das Gutachten sei falsch, erforderlich sei die Begutachtung eines Facharztes für Gerontopsychiatrie; der Gutachter übernehme unkritisch die Angaben der Pflegedokumentation; Testierfähigkeit sei auch bei luzidem Intervall gegeben; neben dem Notar O. und der Haushälterin M. hätte das Nachlassgericht den Facharzt für Allgemeinmedizin M K. persönlich anhören müssen.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat mit Beschluss vom 22. April 2014 der Beschwerde nicht abgeholfen, die Sache dem Senat vorgelegt und ausgeführt, die Einwände gegen den angefochtenen Beschluss, insbesondere der Vortrag im Schriftsatz vom 15. April 2014, führten nicht zu einer anderen Beurteilung; es bleibe bei der Einschätzung, dass der Erblasser im Jahre 2009 nicht mehr testierfähig war. Eine weitere Beweisaufnahme, insbesondere die Vernehmung der nunmehr benannten Zeugen, könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Der Sachverständige habe ausführlich dargelegt, dass es dahinstehen könne, ob Personen, die mit denen der Erblasser im Alltag zusammen kam, diesen für geschäftsfähig hielten. Maßgeblich sei, dass der Erblasser tatsächlich nicht mehr in der Lage gewesen sei, eine komplexe Willensbildung zu entwickeln.

Der Beteiligte zu 1 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte und der Testamentsakten 6 IV 549/10, 560/92 und 640/91 jeweils Amtsgericht Oberhausen, Bezug genommen.

II.

Das gemäß §§ 38, 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2; 352 Abs. 1 FamFG als Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FamFG.

In dem aus dem Beschlussausspruch ersichtlichen Umfang hat es auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg.

Die vom Nachlassgericht zur Erteilung des vom Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen lassen sich derzeit nicht feststellen. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. 2 FamFG.

1.

Das Nachlassgericht hat dem Erben auf Antrag ein Zeugnis über sein Erbrecht zu erteilen, § 2353 BGB. Der Erbschein bezeugt demnach das Erbrecht zur Zeit des Erbfalles (Palandt-Weidlich, BGB 72. Auflage 2013, § 2353 Rdz. 2). Der Erbschein ist nur zu erteilen, wenn das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, § 2359 BGB.

2.

Mit Erfolg wendet sich die Beteiligte zu 2 gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts, die Tatsachen, die zur Begründung des Erbscheinsantrags des Beteiligten zu 1 erforderlich sind, für festgestellt zu erachten (§ 352 Abs. 1 FamFG).

Der Beteiligte zu 1 ist zwar durch das zu Urk.-R.-Nr. 2033/2008 des Notars Dr. L. in Moers vom 17. November 2008 errichtete Testament des Erblassers wirksam als dessen Erbe zu 1/2 Anteil, gemeinsam mit der ebenfalls als Erbe zu 1/2 Anteil bedachten Beteiligten zu 2, eingesetzt. Die genannte letztwillige Verfügung ist indes (nach gegenwärtigem Stand) mit Blick auf das zu Urk.-R.-Nr. 1185/2009 des Notars Dr. O. in Moers vom 08. September 2009 errichtete Testament, in dem der Erblasser die Beteiligte zu 2 zu seiner Alleinerbin bestimmt (oder das zu Urk.-R.-Nr. 1085/2009 des Notars Dr. O. in Moers vom 14. August 2009), als unwirksam (durch anderweitiges Testieren überholt) anzusehen. Denn das Nachlassgericht hat (nach gegenwärtigem Stand) zu Unrecht die Unwirksamkeit der letztgenannten Verfügung (en) aus dem Gesichtspunkt einer Testierunfähigkeit des Erblassers zu den maßgeblichen Zeitpunkten (August und September 2009) wegen einer fortschreitenden Demenz festgestellt.

a)

aa)

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärungen einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Das Gesetz verbindet danach nicht mit jeder Geisteskrankheit oder – schwäche die Testierunfähigkeit, sondern sieht die Fähigkeit des Erblassers, die Bedeutung der letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Entscheidung von normalen Erwägungen leiten zu lassen, als maß-gebend an. Eine geistige Erkrankung des Erblassers steht der Gültigkeit seiner letztwilligen Verfügung nicht entgegen, wenn diese von der Erkrankung nicht beeinflusst ist. Entscheidend ist, ob die psychischen Funktionen des Urteilens und des kritischen Stellungnehmens durch die Geisteskrankheit oder – schwäche so sehr beeinträchtigt sind, dass der Erblasser nicht mehr fähig ist, die Bedeutung seiner letztwilligen Verfügung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, ob krankhafte Empfindungen und Vorstellungen die Bestimmbarkeit des Willens durch normale, vernünftige Erwägungen aufgehoben haben (so BayObLG ZEV 2005, 345).

bb)

Die Klärung der im Wesentlichen auf dem Gebiet des Tatsächlichen angesiedelten Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit bei dem Erblasser (hier: zur Zeit der Errichtung der notariellen Testamente am vom 08. September 2009) gegeben waren, verlangt vom Gericht, die konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers aufzuklären, sodann Klarheit über den medizinischen Befund zu schaffen und anschließend die hieraus zu ziehenden Schlüsse zu prüfen (vgl. Hamm OLGZ 1989, 271; Frankfurt NJW-RR 1996, 1159; Palandt-Weidlich BGB 72. Auflage 2013 § 2229 Rdz. 11). Bestehen dann weiter Zweifel an der Testierfähigkeit (KG FamRZ 2000, 912), sind diese regelmäßig durch das Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen zu klären (BayObLG FamRZ 2001, 55), wobei der Sachverständige anhand von Anknüpfungstatsachen den medizinischen Befund nicht nur festzustellen, sondern vor allem dessen Auswirkungen auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers zu klären hat (BayObLG FamRZ 2002, 1066; vgl. auch Senat, NJW-RR 2012, 1100).

b)

Gemäß § 2358 Abs. 1 BGB hat das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren unter Benutzung der vom Antragsteller angegebenen Beweismittel von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Verfahrensrechtlich bestimmt § 26 FamFG, dass das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen hat. Welche Ermittlungen erforderlich sind, bestimmt das Gericht zwar grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen. Die von Amts wegen einzuleitenden und durchzuführenden Ermittlungen sind jedoch so weit auszudehnen, wie es die Sachlage erfordert, das Verfahren muss also geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu erlangen (BVerfG FamRZ 2009, S. 1897 ff.; BGHZ 185, 272 ff.). Die richterliche Aufklärungspflicht ist verletzt, wenn Ermittlungen, zu denen nach dem Sachverhalt als solchem und dem Vorbringen der Beteiligten Anlass bestand, nicht durchgeführt worden sind; die Ermittlungen sind erst abzuschließen, wenn von weiteren Maßnahmen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist (BGH FG-Prax 2013, 86; Keidel-Sternal, FamFG, 18. Auflage 2014, § 26 Rdnr. 17 m.w. Nachw.). Diese Grenzen reichen aus, um die Annahme einer Amtsermittlungspflicht in Fällen zu unterbinden, in denen die Ermittlung sozusagen „ins Blaue“ hinein geschähe oder das Gericht einer lediglich denkbaren, rein theoretischen Möglichkeit nachginge. Auf der anderen Seite sind die Beteiligten, wie § 27 Abs. 1 und 2 FamFG heute hervorhebt, auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von der Verpflichtung, durch eingehende Tatsachendarstellung an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, nicht befreit. Ihrer Mitwirkungs- und Verfahrensförderungslast genügen sie, indem ihr Vortrag und die Bezeichnung geeigneter Beweismittel dem Gericht Anhaltspunkte dafür geben, in welche Richtung es seine Ermittlungen durchführen soll. Insbesondere findet die Verpflichtung des Gerichts zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts dort ihre Grenze, wo es die Verfahrensbeteiligten allein oder hauptsächlich in der Hand haben, die notwendigen Erklärungen abzugeben und Beweismittel zu bezeichnen bzw. vorzulegen, um eine ihren Interessen entsprechende Entscheidung herbeizuführen (Keidel-Sternal a.a.O., § 26 Rdnr. 20 f. m. Nachw.).

3.

Nach diesen Grundsätzen hat das Nachlassgericht gegen die ihm obliegende Amtsermittlungspflicht verstoßen, indem es seiner Entscheidung Feststellungen zugrunde gelegt hat, die nicht ausreichen, um zu der fundieren Beurteilung zu gelangen, dass der Erblasser, seit Januar 2009, d.h. insbesondere bei Abfassung der Folgetestamente (14. August und/bzw. 08. September 2009) testierunfähig war, mit der Folge, dass das Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss die zur Erteilung des vom Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen (nach derzeitigem Stand) zu Unrecht für festgestellt erachtet hat.

a)

aa)

Im Untersuchungsbericht über die stationäre Behandlung des Erblassers im St. Josef Krankenhaus in Moers (Dr. V.) vom 09. Februar 2009 (Seite 1) findet sich u. A. die Diagnose „Demenz ICD F01.3“ [= Gemischte kortikale und subkortikale vaskuläre Demenz]; ferner heißt es dort, „in Anbetracht der demenziellen Tendenzen des Pat., …“ (Seite 3). Hieraus ergeben sich lediglich Anzeichen für eine tendenzielle (also beginnende, leichte?) Demenz, ohne dass ein Zusammenhang mit Ausfällen hergestellt wird.

bb)

Nach den handschriftlichen Bemerkungen des Dr. V. als Antwort auf die gerichtliche Anfrage vom 07. Mai 2013 war der Erblasser „desorientiert eine Demenz war bekannt“. Diese Ausführung entbehrt der Substanz, zumal eine solche Erkenntnis/Diagnose dem Bericht des Dr. V. nicht zu entnehmen ist; hierzu wäre er ggf. persönlich anzuhören.

b)

Die schriftliche Bekundung des Notars Dr. O. vom 12. Februar 2014 zu der Beurkundungssituation am 08. September 2009 schließt zwar eine Demenz des Erblassers nicht aus, spricht aber andererseits nicht für eine demenzielle Beeinflussung des Erblassers im Sinne einer Testierunfähigkeit. Dies gilt umso mehr als bei der Beurkundung komplexe Vorgänge um Vorsorgevollmacht, Pflichtteil, Testament und Grundstücksverkauf eine Rolle spielten.

c)

Die Haushälterin M. des Erblassers, die allerdings medizinischer Laie und zudem in den Testamenten des Erblassers vom 14. August und 08. September 2009 als Vermächtnisnehmerin selbst begünstigt ist, bestätigt in ihrer schriftlichen Angabe vom 09. Februar 2013, dass die Demenz des Erblassers erst im September 2010 gravierend geworden sei; Im Übrigen schildert sie plausible und zum Teil objektivierte (Pflichtteilsverlangen des Beteiligten zu 1 nach seiner Mutter) Gründe für die Testamentsänderungen.

Ihre Bekundung ist zwar nicht geeignet, das Vorliegen einer Demenz beim Erblasser bereits Anfang 2009 zu widerlegen, andererseits sind ihrer Schilderung keine Anhaltspunkte für eine Demenz des Erblassers bereits am 14. August bzw. 08. September 2009 oder gar Anfang 2009 entnehmen.

d)

M. K., der immerhin Hausarzt des Erblassers vom 28. August 2009 bis zu dessen Tode war („Am 09.09.2009 war Herr M. selbständig und kam allein zu den Untersuchungen, in meine Praxis.“ „jedes Quartal regelmäßig in Behandlung“), hat erste Anzeichen der Hirndurchblutungsstörungen erst für März 2010 beschrieben und erst im November 2010 Testierunfähigkeit bescheinigt, was sich mit den Beobachtungen der Zeugin M. deckt.

e)

aa)

Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. in seinem Gutachen vom 02. Oktober 2013:

„ … in den Akten nur ein einigermaßen aussagekräftiger medizinischer Bericht, nämlich der Entlassungsbericht der Abteilung für Innere Medizin des St. Josef Krankenhauses Moers; Diagnose „Demenz ICD 10:F01.3“; Demenztests nicht durchgeführt; im CCT vom 27.01.2009 Veränderungen …; demenzielle Tendenzen-+; Demenz…

Der Bericht enthält keinen psychischen Befund, also keine Aussage zu den Gedächtnisfunktionen oder zur Orientierung, insgesamt zum Grad der Demenz. …

„Nach den vorliegenden Befunden litt der Erblasser an einer vaskulären … Demenz, die in aller Regel bis zum Vollbild der Demenz ein wechselndes psychopathologisches Zustandsbild zeigt, …“ (Gutachten Seite 13), rechtfertigen nicht den Schluss:

„Nach diesem Zeitpunkt [17.11.2008] war er mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner geistigen Einschränkungen nicht mehr in vollem Umfang geistig orientiert und damit nicht mehr testierfähig.“(Gutachten Seiten 15 f.). Insbesondere ist derselbe weder verständlich noch gar folgerichtig, zumal der Sachverständige für eine fundiertere Aussage den Bericht des MDK, der zur Einstufung in die Pflegestufe 1 führte sowie die Pflegedokumentation des Diakonischen Dienstes für erforderlich hält (Gutachten Seite 15).

bb)

In seinem Ergänzungsgutachten vom 04. Januar 2014 [einbezogen Pflegedokumentation der Diakoniestation Neukirchen-Vluyn, die vom 03.04.2007 bis zum 23.03.2010 (ambulante Betreuung) reicht; Pflegedokumentation Altenheim „Senioren-Park carpe diem“ vom 23.03.- 31.07.2010; MDK-Gutachten vom 09. März 2009 zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit] kommt der Sachverständige Dr. C. zu der Beurteilung, es könne von einer „leichten bis mittelschweren vaskulären Demenz ausgegangen werden (E-Gutachten Seite 13). Das MDK-Gutachten vom 06.03.2009 spreche für leichte bis mittelschwere Demenz (E-Gutachten Seite 10), wobei der Gutachter nicht ausschließt, dass der Erblasser zum Zwecke des Erreichens der Pflegestufe übertrieben hat und konstatiert, dass das Verhalten bei der Untersuchung nicht den Eindruck widerspiegele, den der Erblasser bei den Pflegekräften hinterlassen habe. „(Es) … kann …von einem psychopathologischen Bild (circa beginnend im Januar 2009) ausgegangen werden, bei dem es zu leichten bis mittelgradigen Beeinträchtigungen der Gedächtnis- und anderen kognitiven Funktionen gekommen war.“

Das Fazit: „Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ist deshalb davon auszugehen, dass Herr M. seit Januar 2009 nicht mehr in vollem Umfang geistig orientiert und daher und mehr testierfähig war“ (E-Gutachten Seite 10) basiert hiernach nicht auf belastbaren Feststellungen. Insbesondere sind aus der nicht dem Grade nach verlässlich eingeordneten konstatierten Demenz keine Defizite abgeleitet, die einen durchgehenden Ausschluss der Testierfähigkeit in dem fraglichen Zeitraum – nach den Ausführungen des Sachverständigen zeigt sich „in aller Regel bis zum Vollbild der Demenz ein wechselndes psychopathologisches Zustandsbild, …“ (Gutachten Seite 13) – oder Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung der weiteren Testamente folgerichtig belegen. Auch hat der Sachverständige in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt, dass der Erblasser wohl nicht unerheblich Alkohol zu trinken pflegte (E-Gutachten Seite 6), was bekanntermaßen Einfluss auf das jeweils zu beurteilende Zustandsbild haben kann.

Ermangelt es aber bereits an verlässlichen Anhaltspunkten für konkrete auffällige Verhaltensweisen des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung, insbesondere an solchen, die darauf hindeuten könnten, dass der Erblasser (wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen) nicht in der Lage gewesen sein könnte, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärungen einzusehen und (unbeeinflusst von fremdem Willen) nach dieser Einsicht zu handeln, so lässt sich der bloße Verdacht, der Erblasser sei mit Blick auf eine demenzielle Entwicklung evtl. mit wechselnden psychopathologischen Zustandsbilder womöglich ab Anfang 2009, und demnach auch am 14. August und 08. September 2009 testierunfähig gewesen, nach aktuellem Stand nicht verifizieren.

Fraglich ist neben der bislang fehlenden hinreichenden Objektivierung des Zustandes des Erblassers zudem, ob „leicht bis mittelgradig“ reicht um durchgehende Testierfähigkeit ab Anfang 2009 anzunehmen (grobe Faustregel: mindestens mittelschwere Demenz – Cording ZEV 2010, 115, 116), weil es an Feststellungen fehlt, dass zum Zeitpunkt der Errichtung der Folgetestamente bei weiter wechselnden psychopathologischen Zustandsbildern(!?) Testierunfähigkeit vorlag.

cc)

Auch das Ergänzungsgutachten Dr. C. vom 06. März 2014, das die Stellungnahme des Notars Dr. O. vom 12.02.2014 (zum 08.09.2009) einbezieht, stützt nicht die Feststellung von Testierunfähigkeit des Erblassers im maßgeblichen Zeitpunkt.

4.

a)

Hiernach ist vorbehaltlich – im Rahmen der Amtsermittlung erforderlicher – weiterer Erhebungen derzeit mit Blick auf den Regelfall der Testierfähigkeit von einer Testierunfähigkeit des Erblassers nicht auszugehen.

Das Nachlassgericht wird daher darauf hinzuwirken haben, die aufgezeigten Aufklärungsmängel durch (ergänzende) Vernehmung (sachverständiger) Zeugen (Dr. V., M. K.) sowie weiterer Zeugen (Haushälterin M., Notar O., Notar Dr. L., Pastor H., Eheleute W.) in Gegenwart eines Sachverständigen zu beheben und die dargestellten Defizite der Begutachtung, namentlich durch eine weitere Erläuterung seitens des Sachverständigen Dr. C. und/oder die Beauftragung eines weiteren Sachverständigen zum Zwecke der Herstellung einer verlässlichen Entscheidungsgrundlage, auszuräumen.

b)

Die bisher unterlassenen Ermittlungsmaßnahmen sind nach Wiedereröffnung des ersten Rechtszuges nachzuholen.

Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 und 2 FamFG darf das Beschwerdegericht die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen, soweit dessen Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und zur Entscheidung eine umfangreiche oder aufwendige Beweiserhebung notwendig wäre und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt. So liegt es hier.

Die Beteiligte zu 2 hat mit ihrem Rechtsmittel Aufklärungsdefizite gerügt und um Aufhebung des angefochtenen Beschlusses angetragen, was sich sinngemäß als Antrag nach § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG darstellt.

Das Nachlassgericht hat, wie zuvor dargestellt, seiner verfahrensrechtlichen Amtsermittlungspflicht in wesentlichen Punkten nicht genügt und damit auf unzureichender Tatsachengrundlage entschieden. Zur Herstellung einer tragfähigen Entscheidungsbasis sind – wie gezeigt – umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen durch Vernehmungen von Zeugen (in Gegenwart eines Sachverständigen) und gegebenenfalls die Einholung gutachtlicher Äußerungen des bereits beauftragten bzw. eines weiteren Sachverständigen erforderlich. Zumindest im letztgenannten Fall wird die Beweisaufnahme auch aufwendig sein.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist dem Nachlassgericht vorzubehalten.

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