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Auskunfts- und Rechenschaftspflicht gegenüber einem Miterben

LG Hamburg, Az.: 316 O 322/09, Urteil vom 29.01.2010

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger betreffend die Konten bei der M. F. & Co. Bank, Nr., bei der H. Sparkasse, Nr. und bei der J. B. & Co. Ltd. in Z., Nr., Auskunft über die von ihr allein für ihren Vater Herrn D. M. seit dem 1. Januar 2006 bis zum 13. September 2008 oder allein für ihre Mutter, Frau I. M. seit dem 1. Januar 2006 hinsichtlich der Konten bei der M. F. & Co. Bank und der H. Sparkasse bis zum 24. März 2009 sowie hinsichtlich des Kontos bei der J. B. & Co. Ltd. in Z. bis zum 27. Oktober 2008, oder für beide gemeinsam hinsichtlich aller Konten seit dem 1. Januar 2006 bis zum 13. September 2008 geführten Geschäfte zu erteilen und Rechenschaft abzulegen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Auskunft über geführte Bankgeschäfte.

Auskunfts- und Rechenschaftspflicht gegenüber einem Miterben
Foto: Parilov/Bigstock

Der Kläger und die Beklagte sind Geschwister. In dem notariellen Testament der Eltern der Parteien vom 22. Januar 1991 wurden die Parteien zu gleichen Teilen zu Erben nach dem Letztversterbenden eingesetzt (Anlage K 1). Die Beklagte erhielt im Jahr 1998 oder 1999 Vollmacht für das Konto der Eltern der Parteien bei der Bank J. B. & Co. Limited in Z. zu der Kontonummer. Im Jahre 2003 erhielt sie Kontovollmacht für das Konto der Eltern der Parteien bei der H. Sparkasse mit der Nummer. Schließlich wurde ihr 2006 Vollmacht für das Konto der Eltern mit der Nummer bei der M. F. & Co. Bank erteilt. Der Vater der Parteien verstarb am 13. September 2008, die Mutter verstarb am 24. März 2009. Am Todestag der Mutter überwies die Beklagte von dem Konto bei der M. F. Bank EUR 280.000,00 auf ihr eigenes Konto. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 02. April 2009 forderte der Kläger die Beklagte unter anderem auf, bis zum 08. April 2009 mitzuteilen, welche Verfügungen sie im Namen und in Vollmacht ihrer Eltern getätigt hat (Anlage K 6).

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe ihre Eltern bei der Vermögenssorge hinsichtlich der Abwicklung der Bankgeschäfte unterstützt und habe diverse Geschäfte für die Erblasser durchgeführt. Zumindest bis zum 27. Oktober 2008 sei sie lediglich Bevollmächtigte und nicht Mitinhaberin des Kontos in der S. gewesen.

Der Kläger hat zunächst allgemein Auskunft übe die von der Beklagten für die Erblasser geführten Geschäfte begehrt. Mit Schriftsatze vom 09. Dezember 2009 hat er diesen Antrag auf bestimmte Zeiträume beschränkt.

Der Kläger beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger betreffend die Konten bei der M. F. & Co. Bank, Nr., bei der H. Sparkasse, Nr. und bei der J. B. & Co. Ltd. in Z., Nr., Auskunft über die von ihr für ihren Vater Herrn D. M. seit dem 1. Januar 2006 bis zum 13. September 2008, allein oder für ihre Mutter, Frau I. M. seit dem 1. Januar 2006 bis zum 24. März 2009, allein oder für beide gemeinsam seit dem 1. Januar 2006 bis zum 13. September 2008 geführten Geschäfte zu erteilen und Rechenschaft abzulegen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, ein Auskunftsanspruch hinsichtlich der Bankgeschäfte bei der J. B. & Co. Ltd. bestehe nicht, da sie nicht Bevollmächtigte, sondern Mitinhaberin dieses Kontos sei. Sie habe keine Geschäfte für ihre Eltern hinsichtlich der beiden anderen Konten geführt. Sie habe lediglich für ihre Mutter Geschäfte des täglichen Lebens unter Verwendung des Guthabens auf dem Konto bei der H. Sparkasse in Höhe von etwa EUR 1.628,00 getätigt. Darüber hinaus habe sie im Auftrag der Mutter Geschäfte im Wert von EUR 2.083,99 für Schenkungen getätigt.

Ergänzend wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat einen Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch gegen die Beklagte gemäß § 666 BGB. Es handelt sich um einen auf ihn als Erben übergegangenen Anspruch auf Grund eines Auftragsverhältnisses zwischen der Beklagten und den Eltern der Parteien.

Allein in der Erteilung der Bankvollmachten liegt zwar noch keine Erteilung eines Auftrages mit Rechtsbindungswillen im Sinne der §§ 662 ff. BGB. Es ist jeweils eine Frage des Einzelfalles, ob von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis oder einer Auftragserteilung auszugehen ist, wenn Vollmachten für Bankkonten erteilt werden. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Erteilung von Kontovollmachten innerhalb familiärer Beziehungen. Insoweit hat der Bundesgerichtshof zu der Frage der Rechenschaftspflicht eines Ehegatten, der während des Zusammenlebens der Ehegatten die Wirtschaftsführung übernommen hat, ausgeführt, dass für den Fall, dass Ehegatten während des Zusammenlebens die Aufgabenbereiche innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Weise regeln, dass einer von ihnen die Wirtschaftsführung im Wesentlichen allein übernimmt, daraus selbst dann kein Auftragsverhältnis im Sinne der §§ 662 ff. BGB entsteht, wenn die verfügbaren Mittel im Wesentlichen aus den Einkünften oder dem Vermögen des anderen Ehegatten zufließen (BGH, Urteil vom 05. Juli 2000, XII ZR 26/98, zitiert nach juris). Ferner hat das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt entschieden, dass das Verhältnis zwischen Großmutter und Enkel, der sie in sein Haus aufgenommen hat, vergleichbar sei. Auch insoweit bestehe eine Form des Zusammenlebens, die nicht in erster Linie auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhe. Die Großmutter habe dem Enkel Kontovollmachten nicht deshalb eingeräumt, weil er ein ausgebildeter Vermögensverwalter wäre und deshalb über besondere Sachkenntnis verfüge. Entscheidend sei vielmehr das personale Vertrauen, das sie in ihn setzte (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 06. Juli 2007, 10 U 27/07, zitiert nach juris).

Diese Erwägungen führen jedoch nicht dazu, dass ein Auftragsverhältnis vorliegend zu verneinen ist. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ausschließlich die enge persönliche Verbundenheit der Grund für die Vollmachterteilung war. Die Beklage lebte nicht mit ihren Eltern in einem Haushalt. Sie war als Rechtsanwältin tätig. Dies legt nahe, dass die Eltern ein besonderes Vertrauen in ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten legten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass für den Fall, dass erhebliche Vermögenswerte des Auftraggebers auf dem Spiel stehen, regelmäßig von einem Rechtsbindungswillen auszugehen ist (vgl. Palandt, 67. Auflage, Einf v § 662 BGB, Rn. 4). So lag es hier. Der Beklagten wurden Vollmachten für drei Konten erteilt, die offensichtlich nicht dazu erforderlich waren, im Alltag regelmäßig anfallende Bankgeschäfte für ihre Eltern durchzuführen. Wie der Kammer auch aus anderen Verfahren bekannt ist, befanden sich nicht unerhebliche Summen auf den Konten. So lag es im objektiv begründeten Interesse der Eltern der Parteien, dass auch ein Rechtsbindungswille im Hinblick auf den ordnungsgemäßen Umgang mit der aus der Bevollmächtigung folgenden Befugnis zur Verfügung über das Vermögen der Eltern anzunehmen war. Eine Rechenschaft über getätigte Bankgeschäfte ist daher zu erteilen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass ein besonderer Vertrauenstatbestand von ihren Eltern begründet worden sei, dass eine Rechenschaft nicht abzulegen sei. Sie hat auch nicht behauptet, dass die Auskunftserteilung unzumutbar sei.

Hinsichtlich des Kontos in der S. besteht der Anspruch jedoch nur bis zum 27. Oktober 2008, da die Beklagte unstreitig nur bis zu diesem Zeitpunkt Bevollmächtigte und danach zumindest formal Mitinhaberin des Kontos war. Der Kläger hat nicht substantiiert vorgetragen, dass dennoch ab dem 28. Oktober 2008 nur von einem Auftrag hinsichtlich der Kontoführung auszugehen gewesen sei. Die Klage war daher insoweit abzuweisen. Unerheblich für den Auskunftsanspruch ist, ob das Bankkonto an sich in den Nachlass gefallen ist. Die Frage einer Auskunftsverpflichtung für die Zeit der Bevollmächtigung und eines Auftrags zur Kontoführung bleibt davon unberührt.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 709 ZPO.

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