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Auskunftsanspruch des Nichtmehr-Erben nach Ausschlagung der Erbschaft

Oberlandesgericht Naumburg – Az.: 1 U 124/13 – Urteil vom 17.04.2014

Die Berufung des Beklagten gegen das am 28.6.2013 verkündete Teilurteil des Landgerichts Magdeburg (9 O 1666/12) wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Beschluss: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien sind die Kinder des verstorbenen H. B. (i.F. Erblasser). Der Erblasser errichtete mit Datum vom 12.8.2002 ein notarielles Testament (Bl. 7ff.), in dem er die Parteien zu je 1/3 als Erben einsetzte. Die Erben wurden mit mehreren Vermächtnissen belastet, was dazu führte, dass die Kläger die Erbschaft jeweils mit notariellen Urkunden ausschlugen. Der Beklagte hat die Erbschaft ausdrücklich angenommen. Zunächst außergerichtlich machten die Kläger gegen den Beklagten Pflichtteilsansprüche geltend und verlangten Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Über die Frage wurde außergerichtlich korrespondiert. Mit Schreiben vom 13.9.2010 legte der Beklagte ein nicht unterzeichnetes Nachlassverzeichnis sowie einen Gutachtenauszug über die Grundstücke in W. und R. vor. Nachdem sich der Beklagte geweigert hatte, Pflichtteilsrechte der Kläger anzuerkennen, haben diese eine Stufenklage erhoben (die am 5.12.2012 zugestellt wurde), mit der sie auf der 1. Stufe einen Auskunftsanspruch über den Bestand des Nachlasses geltend machen und die Wertermittlung der Grundstücke in W. und R. verlangen.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und vertritt unter Hinweis auf das Urteil des OLG Celle (vom 6.7.2006 – 6 U 53/06 – [z.B. FamRZ 2006, 1877]; hier: zitiert nach juris) die Ansicht, dass den Klägern kein Anspruch aus § 2314 BGB zustehe. Diese Vorschrift sei auf Erben nicht anwendbar, die die Erbschaft ausgeschlagen hätten und nur dadurch die Stellung eines Nichtmehrerben erlangt hätten. Wenn den Klägern indes kein Pflichtteilsanspruch zustehen könne, gelte dies auch für den geltend gemachten Auskunftsanspruch. Im Übrigen erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung, liege keine vor, sei der Anspruch verwirkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.

Mit dem angefochtenen Teilurteil hat das Landgericht der 1. Stufe der Stufenklage stattgegeben. Voraussetzung für einen Anspruch aus § 2314 BGB sei, dass die Beklagten zu den Pflichtteilsberechtigten i.S.v. § 2303 BGB gehörten, wozu auch der nach § 2306 BGB belastete Erbe zähle, soweit er das Erbe ausschlage. Der Auffassung des OLG Celle (a.a.O.) wonach das Auskunftsrecht nur dem enterbten pflichtteilsberechtigten Nichterben zustehe, nicht aber demjenigen, der durch Ausschlagung des Erbes die Stellung eines Nichtmehrerben erlange, könne nicht gefolgt werden. Die Rechte aus § 2314 BGB schieden nur dann aus, wenn der Ausschlagende einen Pflichtteil aufgrund von § 2306 BGB nicht verlangen könne. Anwendbar sei § 2306 BGB in der bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung. Wenn der Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten einen unbelasteten Erbteil zuwende, der dem Pflichtteil gleichkomme oder diesen übersteige, müsse sich dieser damit zufrieden geben. Ein Pflichtteilsanspruch bestehe dann nicht. Belaste der Erblasser den Erbteil des Pflichtteilsberechtigten durch testamentarische Anordnungen, solle mit § 2306 BGB verhindert werden, dass dadurch die Nachlassbeteiligung dieses Erben unter seinen Pflichtteil gemindert werde. Übersteige das belastete Erbteil den Pflichtteil, räume § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB (a.F.) dem Erben ausdrücklich ein Wahlrecht ein. Er könne zwischen der Annahme des (belasteten) Erbteils und dem Verlangen des Pflichtteils wählen. Ob der belastete Erbteil den Pflichtteil übersteige, sei allein anhand eines Quotenvergleichs zu ermitteln. Insoweit hätte nach der testamentarischen Anordnung der Erbteil der Kläger jeweils 1/3 betragen, während der Pflichtteil nur 1/6 ausmache. Den Klägern stehe daher trotz Ausschlagung des Erbes der Pflichtteil zu und damit auch die Rechte aus § 2314 BGB. Der Anspruch sei zudem weder verjährt, noch verwirkt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er wiederholt unter Hinweis auf das Urteil des OLG Celle (a.a.O.) seine Ansicht, dass das Auskunftsrecht aus § 2314 BGB nur demjenigen Pflichtteilsberechtigten zustehe, der durch das Testament enterbt werde, weil dieser dann keine Möglichkeit habe, auf andere Weise Auskunft über den Nachlass zu erlangen. Dies gelte aber nicht in gleicher Weise für den Miterben, der Auskunftsmöglichkeiten habe. Der Beklagte wiederholt seinen Vortrag zur Verjährung und zur Verwirkung. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 9.9.2013 (Bl. 137ff.).

Der Beklagte beantragt, das am 28.6.2013 verkündete Teilurteil des Landgerichts Magdeburg (9 O 1666/12) abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihren Vortrag aus erster Instanz. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 14.1.2014 (Bl. 145ff.).

Der Senat hat den Parteien mit der Ladungsverfügung einen schriftlichen rechtlichen Hinweis erteilt (Bl. 144).

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht dem Kläger ein Auskunftsrecht aus § 2314 BGB zuerkannt. Es wird in vollem Umfang Bezug genommen auf die zutreffenden Gründe in der angefochtenen Entscheidung.

Zweck des § 2314 BGB ist, dem außerhalb des Nachlasses Stehenden die Möglichkeit einzuräumen, Informationen über dessen Inhalt zu erlangen (Staudinger/Haas BGB, Neubearbeitung 2006 – § 2314, Rn. 1). Der (Mit-)Erbe kann zwar rein tatsächlich vor dem gleichen Problem stehen, gleichwohl steht ihm der Anspruch aus § 2314 BGB nicht zu, sondern u.U. nur ein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB (dazu: OLG Karlsruhe Urteil vom 24.9.2003 – 9 U 59/03 – [FamRZ 2004, 410, 412]). Zwar fällt die Erbschaft mit dem Erbfall beim Erben an (Universalsukzession). Endgültig erwirbt der Erbe wegen seines Rechts zur Ausschlagung die Erbschaft aber erst mit der Annahme (Palandt/Weidlich BGB, 73. Aufl., § 1922, Rn. 6). Diese Ausschlagungsfrist aus § 1944 BGB als Überlegungsfrist räumt das Gesetz dem Erben ausdrücklich ein. Entschließt er sich zur Ausschlagung der Erbschaft hat er wie der enterbte Erbe wiederum keinen Zugriff auf den Nachlass und ist zur Bestimmung eines Pflichtteilsrechts auf Auskunft angewiesen. Dass er in der Ausschlagungsfrist theoretisch Zugriff auf den Nachlass haben kann (rein praktisch wird dies jedoch überhaupt nicht möglich sein, weil er zum Nachweis seiner Erbenstellung – z.B. gegenüber Banken – erst einen Erbschein erlangen muss), kann nicht das entscheidende Abgrenzungskriterium hinsichtlich der Notwendigkeit von Auskünften gegenüber dem von vornherein enterbten Pflichtteilsberechtigten darstellen. Da der Erbe sowohl das Wahlrecht hat, die Erbschaft anzunehmen als sie auch auszuschlagen und dem beschränkten Erben zudem weiter das Wahlrecht aus § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB zusteht, ist – wie im rechtlichen Hinweis ausgeführt – kein Grund ersichtlich, den enterbten Pflichtteilsberechtigten und den Nichtmehrerben nach Ausschlagung der Erbschaft im Hinblick auf das Auskunftsrecht aus § 2314 BGB unterschiedlich zu behandeln. Dem enterbten Pflichtteilsberechtigten steht das Auskunftsrecht aus § 2314 BGB zu. Dem Erben kann jedenfalls unter den Voraussetzungen von § 242 BGB ein Auskunftsrecht zustehen. Warum der Nichtmehrerbe in dieser Hinsicht völlig rechtlos sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Die Feststellung im Urteil des OLG Celle (a.a.O.), dass die Ausschlagung des Erbes nicht dazu dienen dürfe, die Stellung des Nichtmehrerben im Auskunftsverfahren gegenüber dem Erben zu verbessern und ihm Rechte einzuräumen, die ihm in der Stellung als (Mit-) Erbe nicht zustehen würde, verkennt, dass dem Erben nach dem Gesetz die Wahl zusteht, in welche Rolle (Erbe oder Pflichtteilsberechtigter) er eintreten will. Entscheidet er sich im Rahmen der gesetzlichen Wahlmöglichkeit gegen die Erbenstellung und für die Stellung als Pflichtteilsberechtigter, dann müssen ihm – ebenso wie dem enterbten Erben – auch alle Rechte zustehen, die daran hängen. Die Frage, ob der hinterlassene Erbteil größer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, ist mit dem Landgericht jedenfalls dann allein anhand eines Quotenvergleichs zu ermitteln, wenn – wie vorliegend – die Erbeinsetzung nach Bruchteilen erfolgt (Staudinger/Haas a.a.O., § 2306, Rn. 5).

Der Anspruch ist nicht verjährt. Selbst wenn man auf den Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls im Jahre 2009 abstellt, konnte der Anspruch bei Eintritt der Rechtshängigkeit noch im Jahre 2012 eindeutig nicht verjährt sein.

Der Anspruch ist mit dem Landgericht auch nicht verwirkt. Nach der Reform des Verjährungsrechts und der Einführung einer Regelverjährungsfrist von nur noch 3 Jahren, kommt die Annahme von Verwirkung nur noch ganz ausnahmsweise in Betracht (Palandt/ Grüneberg a.a.O., § 242, Rn. 93 m.w.N.), was aus den vom Landgericht angeführten Gründen vorliegend nicht angenommen werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil der Senat von der Entscheidung des OLG Celle (a.a.O.) abweicht.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren richtet sich nach dem (geschätzten) Aufwand des Beklagten für die Erteilung der Auskunft (Zöller/Herget ZPO, 30. Aufl. § 3, Rn. 16 [Auskunft]):

– jeweils 2.000,– Euro für die Wertgutachten

– 500,– Euro für das Nachlassverzeichnis

 

 

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