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Auskunftsanspruch eines Pflichtteilsberechtigten nach Erbausschlagung

Erbschaftsstreit um Ausschlagung eines Pflichtteils: Kläger hat Anspruch auf Auskunft über Nachlass.

Im Streit um eine Erbschaft hat ein Kläger Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses seines verstorbenen Großvaters. Der Kläger hatte das Erbe ausgeschlagen und fordert stattdessen einen Pflichtteil. Da er Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil hat, kann er auch Auskunft über den Nachlass verlangen. Dies ergibt sich aus § 2314 BGB. Ob der Kläger zusätzlich Anspruch auf den vollen Pflichtteil hat, bleibt zunächst offen. Die Frage soll erst in einer späteren Verhandlung geklärt werden.

Der Kläger hatte außerdem geltend gemacht, dass die Nichte des Erblassers als Testamentsvollstreckerin eingesetzt worden sei und dass deshalb eine Belastung gemäß § 2306 Abs. 1 BGB vorliege. Das Landgericht hatte die Klage jedoch insgesamt abgewiesen und argumentiert, dass die Beklagte nur als Totenfürsorgeberechtigte eingesetzt worden sei und keine Testamentsvollstreckung angeordnet worden sei.

Die Berufung des Klägers wurde nun teilweise stattgegeben. Die Beklagten müssen dem Kläger Auskunft über den Bestand des Nachlasses geben. In Bezug auf die weiteren Klageanträge wird der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

OLG Düsseldorf – Az.: I-7 U 202/21 – Urteil vom 04.08.2022

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 08.06.2021 abgeändert und die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, dem Kläger ein notarielles Verzeichnis über den Bestand des Nachlasses des am 00.00.2020 verstorbenen A. vorzulegen.

Im Übrigen wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 08.06.2021 aufgehoben und die Sache zur Entscheidung in den weiteren Stufen an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger ist der Enkel des am 00.00.2020 verstorbenen Erblassers A.. Sein Vater, der einzige Sohn des Erblassers, ist am 00.00.2014 vorverstorben. Durch privatschriftliches Testament vom 17.02.2014 hat der Erblasser zu seinen Erben zu gleichen Teilen den Kläger und dessen Bruder B., die Mutter des Klägers C. (Beklagte zu 2.), seine Lebensgefährtin D. (Beklagte zu 3.) und seine Nichte E. (Beklagte zu 1.) sowie deren inzwischen verstorbenen Ehemann F. bestimmt. Desweiteren hatte er verfügt, dass die Beklagte zu 1. sich um seine Beisetzung nach seinen ihr bekannten Wünschen und in seinem Sinne kümmere. Die Kosten dafür sollten von dem von ihr treuhänderisch verwalteten Vermögen bezahlt werden.

Durch notariell beglaubigte Erklärung vom 00.00.2020 hat der Kläger die Erbschaft „auf Grund der gewillkürten Erbfolge“ ausgeschlagen, weil sie ihn schlechter stelle, als wenn er gesetzlicher Erbe geworden wäre bzw. seinen Pflichtteil einfordern würde. Er macht im Wege der Pflichtteilsstufenklage Ansprüche auf Auskunft durch Vorlage eines notariell beurkundeten Nachlassverzeichnisses, Versicherung an Eides statt, Wertermittlung und Zahlung eines Pflichtteils geltend.

Er hat die Ansicht vertreten, der Erblasser habe seine Nichte als Testamentsvollstreckerin ernannt, weshalb eine Beschwerung im Sinne des § 2306 Abs. 1 BGB vorliege und er – der Kläger – den Erbteil ausschlagen und seinen Pflichtteil verlangen könne.

Das Landgericht hat die Stufenklage insgesamt abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Ausschlagung des unbelasteten Erbteils durch den Kläger zum Verlust des Pflichtteilsanspruchs geführt habe. Der Erblasser habe keine Testamentsvollstreckung angeordnet, sondern die Beklagte zu 1. als Totenfürsorgeberechtigte bestimmt, sodass die Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 BGB nicht vorliegen würden.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Duisburg erreichen will und hilfsweise seine erstinstanzlich gestellten Anträge auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses, eidesstattliche Versicherung, Wertermittlung und noch zu beziffernde Leistung weiterverfolgt. Er vertritt auch in zweiter Instanz die Ansicht, dass die Beklagte zu 1. als Testamentsvollstreckerin eingesetzt worden sei, weil der Erblasser Anordnungen getroffen habe, die über den Rahmen des § 1968 BGB hinausgingen und die Erben insoweit verbindlich belasteten. Im Übrigen habe das Landgericht übersehen, dass dem Kläger ein Anspruch auf seinen Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 BGB zustehe und er deshalb die Rechte aus § 2314 BGB geltend machen könne.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 08.06.2021 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Duisburg zurückzuverweisen; hilfsweise, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. dem Kläger ein notarielles Verzeichnis über den Bestand des Nachlasses nach dem am 00.00.2020 in G.-Stadt verstorbenen A. vorzulegen;

2. an Eides statt zu versichern, dass sie nach bestem Wissen den Bestand so vollständig angegeben haben, als sie dazu imstande seien;

3. den Wert der in diesem Verzeichnis aufgeführten Gegenstände zu ermitteln;

4. an den Kläger den sich aus den unter 1) – 3) begehrten Handlungen ergebenden Pflichtteil nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das zu ihren Gunsten ergangene Urteil und verweisen darauf, dass nichts für die Anordnung einer Testamentsvollstreckung spreche.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig und führt zur Verurteilung der Beklagten in der Auskunftsstufe sowie zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache, soweit das Landgericht die Klage durch das angefochtene Urteil auch in den übrigen Stufen abgewiesen hat.

Der Kläger, der das Erbe nach seinem Großvater A. ausgeschlagen hat und als Abkömmling des Erblassers zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehört (§§ 1924, 1930, 2303 BGB), kann nach § 2314 BGB von den verbleibenden Miterben Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariell aufgenommenen Verzeichnisses verlangen, weil er jedenfalls einen Anspruch aus § 2305 S. 1 BGB auf einen Zusatzpflichtteil hat. Hierbei handelt sich um einen der Höhe nach beschränkten ordentlichen Pflichtteilsanspruch (Hammann in Krug/Horn, Pflichtteilsprozess, 3. Aufl., Kap. 4, Rn. 207) und damit um ein Minus gegenüber dem vollen Pflichtteilsanspruch. Deshalb kann die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kläger die Beklagten in der Leistungsstufe auf Zahlung des vollen Pflichtteils von ¼ in Anspruch nehmen kann, für die Auskunftsstufe dahingestellt bleiben. Der nach § 2305 BGB unzureichend als Erbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte und der nach § 2306 Abs. 1 BGB belastet eingesetzte pflichtteilsberechtigte Erbe, der das ihm Zugewandte ausgeschlagen hat, sind gleichermaßen nach § 2314 BGB auskunftsberechtigt (Lange in Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 2314 Rn. 43; Blum/Heuser in beck-online. Großkommentar, Stand: 15.06.2021, § 2314 Rn. 20). Auch bleibt der Anspruch auf den Zusatzpflichtteil, der im Fall des Klägers 1/12 (Differenz zwischen dem ihm nach dem Testament des Erblassers hinterlassenen Erbteil von 1/6 und der Hälfte des gesetzlichen Erbteils) beträgt, von der Ausschlagung unberührt; ihn kann der Ausschlagende gleichwohl verlangen (Obergfell in beck-online. Großkommentar, Stand 01.12.2021, § 2305 Rn. 9).

Wegen der weiteren Klageanträge ist es geboten, den Rechtsstreit analog § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO auf den vom Kläger gestellten Antrag an das Landgericht, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat, zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 in Verbindung mit § 713 ZPO.

Ein Grund, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht.

Streitwert II. Instanz: 7.500,- EUR

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