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Auskunftsanspruch gegenüber anderen Miterben bzgl. des Nachlassvermögens

LG Wiesbaden – Az.: 9 O 44/14 – Urteil vom 03.07.2014

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am 15.04.2011 in W. verstorbenen E. E. D., geborene Sch., und des am 06.09.2013 in T. verstorbenen G. E. A. D. zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses, das im Einzelnen umfaßt:

a) alle bei dem Ableben der E. E. D., geborene Sch., vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva)

b) alle bei dem Ableben der E. E. D., geborene Sch., bestehenden Nachlaßverbindlichkeiten (Passiva)

c) alle bei dem Ableben des G. E. A. D. vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva)

d) alle bei dem Ableben des G. E. A. D. bestehenden Nachlaßverbindlichkeiten (Passiva)

e) alle ergänzungspflichtigen Schenkungen, die die Erblasserin E. E. D., geborene Sch., zu ihren Lebzeiten getätigt hat

f) alle unter Abkömmlingen ausgleichspflichtigen Zuwendungen, die die Erblasserin E. E. D., geborene Sch., zu Lebzeiten an ihre Abkömmlinge getätigt hat

g) alle ergänzungspflichtigen Schenkungen, die der Erblasser G. E. A. D. zu seinen Lebzeiten getätigt hat

h) alle unter Abkömmlingen ausgleichspflichtigen Zuwendungen, die der Erblasser G. E. A. D. zu Lebzeiten an seine Abkömmlinge getätigt hat

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte nach dem Ableben seiner Mutter und nach dem Tod des Vaters der Beklagten auf Auskunft in Anspruch.

Auskunftsanspruch gegenüber anderen Miterben bzgl. des Nachlassvermögens
Symbolfoto: Von Africa Studio /Shutterstock.com

Der Kläger ist der leibliche Sohn der am 20.01.1938 geborenen und am 15.04.2011 verstorbenen E. E. D., geborene Sch., die Beklagte ist die leibliche Tochter des am 06.12.1939 geborenen und am 06.09.2013 verstorbenen G. E. A. D. Aus der ehe der E. E. D. mit G. E. A. D. gingen keine Abkömmlinge hervor. Das von E. E. D. und G. E. A. D. am 06.12.1993 errichtete gemeinschaftliche Testament wurde bereits nach dem Tod der E. E. D. im Jahre 2011 eröffnet. Wegen dessen Inhalts wird auf die Anlage K 2 verwiesen. Das an die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 06.11.2013 gerichtete Auskunftsverlangen des Klägers beantwortete die Beklagte durch ihre jetzige Prozeßbevollmächtigte unter dem 09.01.2014. Wegen des Wortlauts und Inhalts des Schreibens vom 06.11.2013 wird auf die Anlage K 4 verwiesen, wegen des Wortlauts und Inhalts des Schreibens vom 09.01.2014 wird auf die Anlage K 8 Bezug genommen. Die beiden anwaltlichen Aufforderungsschreiben des Klägers zu Händen der jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 10.01.2014 und vom 31.01.2014 – insoweit wird auf die Anlagen K 9 und K 10 verwiesen – blieben beklagtenseits unbeantwortet.

Der Kläger behauptet und ist der Auffassung, damit er seinen Pflichtteilsanspruch nach dem Ableben seiner Mutter berechnen und geltend machen könne, sei er zunächst einmal darauf angewiesen, von der Beklagten zu erfahren, wie sich denn der Nachlaß zum Todeszeitpunkt seiner Mutter dargestellt habe. Auskunft über den Bestand des Nachlasses nach dem Ableben des Vaters der Beklagten könne er, der Kläger, von der Beklagten daneben aber mit Rücksicht darauf verlangen, daß die Beklagte den Nachlaß ihres Vaters und damit auch denjenigen seiner Mutter nach dem Tod ihres Vaters in Besitz genommen und den Haushalt ihres verstorbenen Vaters aufgelöst habe. Insofern sei es unschädlich, daß er, der Kläger, von dem verstorbenen Vater der Beklagten neben dieser zum Miterben eingesetzt worden sei. Jedenfalls habe die Beklagte diverse Unterlagen ihres verstorbenen Vaters an sich genommen und habe Kenntnis von Bankkonten, in Bezug auf welche sie verfügungsbefugt sei. Da weder seine, des Klägers, Mutter noch der Vater der Beklagten unvermögend gewesen seien, sondern nach allem, was ihm, dem Kläger, bekannt sei, auch über Immobilien verfügt hätten, werde die Beklagte im Rahmen der geforderten Auskünfte auch über deren Verbleib sich zu erklären haben, zumal er, der Kläger, in Ermangelung eigener Kenntnis oder Zugriffsmöglichkeit auf den Nachlaß des Vaters der Beklagten ungeachtet seiner Stellung als Miterbe auf die entsprechenden Auskünfte der Beklagten angewiesen sei.

Der Kläger beantragt, wie tenoriert.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet und ist der Auffassung, es treffe nicht zu, daß sie den Nachlaß nach ihrem Vater erst nach dessen Ableben in Besitz genommen habe. Vielmehr sei ihr Vater am 08.08.2013 in eine Seniorenresidenz gezogen. In der Folgezeit habe sie, die Beklagte, auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin das Mietverhältnis über seine bisherige Wohnung gekündigt und den Haushalt aufgelöst. Unzutreffend sei deshalb, daß sie, die Beklagte, den Nachlaß erst nach dem Ableben ihres Vaters an sich genommen habe. Zutreffend sei vielmehr, daß sie bereits seit dem 08.08.2013 Besitzerin des Hausstandes ihres Vaters gewesen sei. Bezeichnenderweise habe der Kläger eben hiervon Kenntnis gehabt und trotz entsprechender Aufforderung davon abgesehen, in der Wohnung befindliche Gegenstände an sich zu nehmen. Auch habe er nach dem Ableben seiner Mutter lediglich ein Bild und ein Armband der Verstorbenen erbeten und auf weitere Gegenstände ausdrücklich keinen Wert gelegt. Soweit in dem Haushalt ihres Vaters sich Unterlagen befunden hätten, habe sie, die Beklagte, eben diese noch vor dem Tod ihres Vaters an sich genommen. In eben diese könne der Kläger jederzeit Einsicht nehmen. Desgleichen in den nach dem Tod ihres Vaters angelegten Ordner, weshalb das klageweise geltend gemachte Auskunftsverlangen des Klägers insgesamt unverständlich sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zugehörigen Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Auskunftsanspruch des tenorierten Inhalts zu (§§ 2028, 2027, 681, 666, 260, 242, 2314 BGB). Zwar lebte die Beklagte mit dem Erblasser bis zu dessen Tod nicht in häuslicher Gemeinschaft. Dennoch schuldet sie nach § 2028 Abs. 1 BGB dem Kläger Auskunft über die von ihr geführten erbschaftlichen Geschäfte sowie über den Verbleib von Erbschaftsgegenständen. Denn es entspricht ihrem Vortrag, daß sie seit dem Tod der Mutter des Klägers über einen Schlüssel zu der Wohnung ihres Vaters verfügt, aus eben diesem Grunde freien Zutritt zu dieser gehabt und am dem 08.08.2013 die Wohnung sogar in Besitz genommen habe. Ihre Stellung war derjenigen eines Hausgenossen des Erblassers allemal vergleichbar. Der hiernach anzunehmenden Verpflichtung der Beklagten aus § 2028 BGB steht nicht entgegen, daß die Parteien Miterben sind und als solche grundsätzlich untereinander regelmäßig keiner allgemeinen Auskunftspflicht unterworfen wären (vgl. BGH, FamRZ 1989, 377). Denn der Sinn und Zweck der Regelung des § 2028 BGB, einem schlechter informierten Erben den Zugriff auf die von ihm für die Geltendmachung seines Erbrechts benötigten Informationen zu ermöglichen, über die der Hausgenosse des Erblassers allein aufgrund seiner räumlichen Nähe zu diesem, zumindest potentiell, verfügt, greift nämlich auch im Verhältnis von Miterben zueinander. Auch für diese wird daher ausnahmsweise zur Behebung des bestehenden Informationsgefälles eine solche Auskunftspflicht begründet (vgl. RGZ 81, 30). Dabei umfaßt die Auskunftspflicht über den „Verbleib“ der Erbschaftsgegenstände auch solche, die seit Eintritt des Erbfalls keine Zustandsveränderung erfahren haben, so daß der Anspruchsberechtigte umfassend über den Nachlaßbestand in Kenntnis zu setzen ist. Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man unter den Voraussetzungen des § 2027 BGB beziehungsweise nach den Vorschriften der §§ 681, 666, 260 BGB. Daß die Beklagte den Nachlaß ihres Vaters in Besitz genommen hat, steht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts mit hinreichender Sicherheit fest. Jedenfalls kann aus dem Datum der Rechnung des an der Wohnungsauflösung beteiligten Unternehmens, welches auf den 31.10.2013 lautet, darauf geschlossen werden, daß die Wohnungsauflösung keineswegs vor dem Ableben des Vaters der Beklagten am 06.09.2013 abgeschlossen war. Zum anderen galt es auch einen zumindest bescheidenen Haushalt des Erblassers in der Seniorenresidenz aufzulösen, was selbst nach dem Vortrag der Beklagten erst nach dessen Ableben erfolgt sein kann. Hat die Beklagte hiernach den Nachlaß in Besitz genommen, so schuldet sie die entsprechende Auskunft und Rechenschaftslegung. Ohne Belang ist dabei, ob sie den Erbschaftsbesitz dabei für sich selbst ausgeübt oder aber den Nachlaß für die Erbengemeinschaft in Besitz genommen hat. Im erstgenannten Fall ist sie nach § 2027 BGB zur Auskunft verpflichtet, im letztgenannten Fall schuldet sie Auskunft nach den Vorschriften der §§ 681, 666, 260 BGB. Ein Auskunftsanspruch steht dem Kläger schließlich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch gemäß § 242 BGB zu. Voraussetzung hierfür ist, daß der Berechtigte entschuldbar über das Bestehen und den Umfang des Rechts im Unklaren und deshalb auf die Auskunft des Verpflichteten angewiesen ist, der seinerseits durch sie nicht unbillig belastet wird (vgl. BGH, Urteil vom 27.06.1973 zu IV ZR 50/72). Vorliegend hat der Kläger unwidersprochen vortragen lassen, daß er keinen Einblick in die Vermögensverhältnisse seiner Mutter oder seines Stiefvaters gehabt habe, wohl aber wisse, daß beide nicht gerade unvermögend gewesen seien. Auch hätten beide über Immobilien verfügt, über deren Verbleib ihm, dem Kläger, nichts bekannt sei, allerdings nicht auszuschließen sei, daß insoweit in bezug auf die Beklagte womöglich lebzeitige Schenkungen stattgefunden haben könnten, worüber nach dem Ableben seiner Mutter und des Vaters der Beklagten naturgemäß nur noch die Beklagte die von dem Kläger als Pflichtteilsberechtigtem nach seiner Mutter und als Miterben nach dem Vater der Beklagten unverzichtbaren Auskünfte erteilen könne. Es ist weder vorgetragen noch anderweit ersichtlich, daß die Beklagte die insoweit von ihr geforderten Auskünfte, insbesondere auch über tatsächlich oder vermeintlich stattgefundene Schenkungen, nicht erteilen könne oder aber durch eine solche Auskunftserteilung unbillig belastet werde. Es entspricht dem Vortrag der Beklagten, wonach die den Nachlaß betreffenden Unterlagen überschaubar seien.

Der Auskunftsanspruch des Klägers ist bisher auch noch nicht erfüllt (§ 362 BGB). Denn er umfaßt insbesondere auch Schenkungen, und zwar gegebenenfalls auch solche der beiden Erblasser untereinander beziehungsweise eines der beiden Erblasser an die Beklagte. Da die Beklagte unwidersprochenermaßen insbesondere auch die Bankunterlagen an sich genommen hat, kann ihr abverlangt werden, anhand eben dieser Unterlagen und erforderlichenfalls unter Zuziehung des Grundbuchamtes die von dem Kläger benötigten Informationen zu beschaffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Der Streitwert wird endgültig auf 10.000,00 EUR festgesetzt (§ 3 ZPO). Nach dem Vortrag des Klägers dient das Auskunftsverlangen insbesondere auch der Aufklärung von tatsächlich oder vermeintlich stattgefundenen schenkweisen Verfügungen über Grundstücke. Dies rechtfertigt es, den Streitwert nach billigem Ermessen auf die von dem Kläger vorgeschlagenen 10.000,00 EUR festzusetzen. Der Ansicht der Beklagten, wonach insoweit nur auf den Aufwand abzustellen sei, der bei der Erteilung der Auskunft notwendigerweise anfalle, dieser aber allenfalls mit 1.000,00 EUR zu bewerten sei, kann nicht nähergetreten werden. Die Ausführungen der Beklagten sind für die Bemessung der Sicherheitsleistung im Rahmen der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit von Relevanz. Das Auskunftsverlangen als solches ist hingegen, wie immer, mit einem Bruchteil dessen zu bewerten, worauf es sich im Einzelfall bezieht. Den hier angenommenen Betrag von 10.000,00 EUR mag die Beklagte als ein Zehntel des Wertes dessen ansehen, worauf sich das Auskunftsverlangen des Klägers seinem Vortrag zufolge womöglich tatsächlich bezieht.

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