Ein erbitterter Nachlassstreit und der Weg zum Berufungsgericht
In dem vorliegenden Fall dreht sich alles um einen komplexen Streit um einen Nachlass, der sich zwischen den Kindern einer Erblasserin entwickelt hat. Der Sachverhalt ist verworren und in der Folge wird er sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor dem Landgericht verhandelt. Im Kern steht die Frage, ob die Kläger, nachdem sie die Erbschaft ausgeschlagen und angefochten haben, als Pflichtteilsberechtigte agieren und Auskunft von der Beklagten verlangen können. Ein handschriftliches Testament, welches die Beklagte als Alleinerbin ausweist, sowie dessen Anfechtung wegen vermuteter Testierunfähigkeit der Erblasserin, spielen eine zentrale Rolle in dieser Auseinandersetzung.
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Übersicht
Der Weg zur Berufung
Der Prozess begann mit dem Kläger, der einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragte. Die Beklagte präsentierte jedoch ein handschriftliches Testament, in dem sie als Alleinerbin eingesetzt wurde. Daraufhin hat der Kläger das Testament wegen vermuteter Testierunfähigkeit der Erblasserin angefochten. Dies führte zu einer Beweiserhebung zur Klärung der Testierfähigkeit. Trotz der Vermutung, dass das Testament gültig ist, deutete das Nachlassgericht darauf hin, dass lediglich von einem Vorausvermächtnis oder einer Teilungsanordnung ausgegangen werden könne und dass nur die gesetzliche Erbfolge in Betracht komme.
Ausschlagung und Anfechtung der Erbschaft
Die Kläger haben daraufhin die Annahme der Erbschaft gegenüber dem Nachlassgericht ausgeschlagen. Trotzdem wurde der Beklagten ein Erbschein als alleinige Erbin erteilt. Die zentrale Frage in diesem Verfahren ist nun, ob die Kläger nach der Ausschlagung und Anfechtung Pflichtteilsberechtigte geworden sind und somit die beantragte Auskunft von der Beklagten verlangen können.
Berufung und ihr möglicher Ausgang
Die Beklagte behauptet, dass die Kläger die gesetzlichen Anfechtungs- und Ausschlagungsfristen versäumt hätten, da sie bereits durch die Übersendung des Testaments Kenntnis von den Beschränkungen und Beschwerungen des Testaments erhalten hätten. Das Oberlandesgericht Koblenz beabsichtigt jedoch, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach zurückzuweisen, da es keine Aussicht auf Erfolg sieht und keine grundsätzliche Bedeutung oder Notwendigkeit zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung besteht.
Das vorliegende Urteil
OLG Koblenz – Az.: 12 U 50/21 – Beschluss vom 24.11.2021
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30.12.2020, Az.: 3 O 292/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14.12.2021.
Gründe
I.
Die Parteien, Kinder der Erblasserin, streiten um den Nachlass der am 29.05.2013 verstorbenen …[A]. Die Kläger machen zunächst in erster Stufe einen Auskunftsanspruch als Pflichtteilsberechtigte gegen die Beklagte geltend.
Nachdem der Kläger zu 1. zunächst vor dem Amtsgericht – Nachlassgericht – Bad Sobernheim einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt hatte, welcher die Parteien als Erben zu je 1/5 ausweisen sollte, beantragte die Beklagte ihrerseits unter Vorlage eines handschriftlichen Testaments der Erblasserin vom 29.12.2010 einen Erbschein für sich als Alleinerbin. Der Kläger zu 1. ergänzte am 20.09.2013 seinen ursprünglichen Erbscheinsantrag vom 10.08.2013 um die Angabe, dass entgegen seiner vorherigen Annahme ein Testament der Erblasserin vorhanden sei, welches jedoch lediglich eine Teilungsanordnung oder Vermächtnisanordnung enthalte. Nachdem er von dem Erbscheinsantrag der Beklagten Kenntnis erhalten hatte, erklärte der Kläger zu 1. mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.11.2013 gegenüber dem Amtsgericht Bad Sobernheim die Anfechtung des Testaments wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin. Das Nachlassgericht erhob im folgenden Beweis zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens. Durch Verfügung vom 05.09.2017 (Bl. 980 der beigezogenen Nachlassakte 7 VI 298/13 AG Bad Sobernheim) wies das Nachlassgericht die Beteiligten schließlich darauf hin, dass entgegen der aus dem Verfahrensablauf abzuleitenden Vermutung, dass es sich bei dem letzten Willen der Erblasserin um ein Testament und eine Alleinerbeneinsetzung der Beklagten handeln dürfte, vielmehr von einem Vorausvermächtnis oder einer Teilungsanordnung auszugehen sei. Daher komme nur die gesetzliche Erbfolge in Betracht. Es sei daher beabsichtigt, den Antrag der Beklagten auf Erbscheinserteilung zurückzuweisen und den Erbscheinsantrag wie von dem Kläger zu 1. beantragt aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen. Daraufhin fochten die Kläger durch Erklärung vom 29.09.2017 gegenüber dem Nachlassgericht die Annahme der Erbschaft an und schlugen die Erbschaft nach der Erblasserin aus. Das Nachlassgericht erteilte am 11.12.2017 der Beklagten einen Erbschein als alleinige Erbin.
Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien um die Frage, ob die Kläger aufgrund der am 29.09.2017 erklärten Ausschlagung und Anfechtung Pflichtteilsberechtigte geworden sind und daher die beantragte Auskunft von der Beklagten verlangen können. Die Beklagte ist der Auffassung, mit der Erklärung vom 29.09.2017 hätten die Kläger die gesetzlichen Anfechtungs- und Ausschlagungsfristen versäumt, da sie bereits durch die Übersendung des Testaments am 02.09.2013 Kenntnis von den Beschränkungen und Beschwerungen des Testaments erhalten hätten. Im Übrigen sei dem handschriftlichen Testament eine Einsetzung der Beklagten als Alleinerbin zu entnehmen, da das dort erwähnte Hausgrundstück den wesentlichen Vermögensbestandteil der Erblasserin dargestellt habe.
Das Landgericht hat dem Auskunftsantrag der Kläger (unter Abweisung eines von den Klägern zusätzlich bereits vorab gestellten Teilzahlungsantrags) stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Erbschaft sei von den Klägern wirksam ausgeschlagen, bzw., soweit eine Annahme erfolgt sei, die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten worden. Die Kläger seien ursprünglich Erben kraft gesetzlicher Erbfolge geworden, da das Testament vom 29.12.2010 keine Erbeinsetzung der Beklagten als Alleinerbin enthalte, sondern lediglich eine Teilungsanordnung oder ein Vorausvermächtnis. Durch die Erklärung vom 29.09.2017 sei eine fristgerechte Ausschlagung bzw. Anfechtung der Annahme der Erbschaft erklärt worden, da die sechswöchige Frist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen sei. Angesichts der Unsicherheit über die Testierfähigkeit der Erblasserin sei die für den Fristablauf der Anfechtungs-/Ausschlagungsfrist erforderliche Kenntnis von der Wirksamkeit des Testaments sowie von den in diesem enthaltenen Beschränkungen und Beschwerungen bei den Klägern nicht gegeben gewesen. Dementsprechend seien die von den Klägern nunmehr geltend gemachten Pflichtteilsansprüche auch nicht verjährt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit ihrer Berufung, insbesondere führt sie an, dass das Landgericht den geänderten Erbscheinsantrag des Klägers zu Ziffer 1. vom 20.09.2013 nicht mit in seine Überlegungen einbezogen habe. Wenn die Kenntnis der Kläger vom Testament zu diesem Zeitpunkt vorgelegen habe, könnten sie sich nicht nachträglich im Irrtum befunden haben.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, d. h. einer Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass den Klägern der geltend gemachte Auskunftsanspruch in der ersten Stufe der Stufenklage aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB zusteht, weil sie die Erbschaft nach der Erblasserin wirksam ausgeschlagen haben (§§ 1942 Abs. 1, 2306 Abs. 1 BGB) und, soweit sie diese angenommen hatten, die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten haben (§§ 1954 Abs. 1, 119 BGB).
1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht angenommen, dass die Kläger ursprünglich Erben kraft gesetzlicher Erbfolge geworden waren, weil das handschriftliche Testament der Erblasserin vom 29.12.2010 tatsächlich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht deren Einsetzung als Alleinerbin, sondern (nur) ein Vorausvermächtnis über das Hausgrundstück der Beklagten in …[Z] enthält. Der überzeugenden und erschöpfenden Begründung des Landgerichts auf Seiten 12 bis 16 des landgerichtlichen Urteils ist aus Sicht des Senats nichts hinzuzufügen; der Senat schließt sich vollumfänglich der landgerichtlichen Beurteilung an, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen vollständig auf die Ausführungen des Landgerichts zur Auslegung des Testaments Bezug genommen werden kann.
Die Ausführungen in der Berufungsbegründung unter Ziffer 1 (S. 1 bis 8 Mitte der Berufungsbegründung), die die bereits erstinstanzlich vorgebrachten Argumente wiederholen und vertiefen, führen zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Insbesondere vermag der Senat, ebenso wie das Landgericht, nicht der Auffassung der Beklagten zu folgen, die Erblasserin habe der Beklagten aufgrund der Zuwendung des Hauses mit Grundstück an sie „als alleinige Erbin“ ihr gesamtes Erbe als Alleinerbin zugewandt. Die Annahme, aus Sicht der Erblasserin sei das in der Schweiz vorhandene Barvermögen (in erheblicher Größenordnung) angesichts der Gefahr, „gesperrt“ zu werden, als „steuerlich verstrickt“, unsicher und letztlich mit Null zu bewerten gewesen, überzeugt nicht. Für diesen von der Beklagten unterstellten Fall hätte es auch aus Sicht des Senats nahe gelegen, die Beklagte ohne weitere Bezugnahme auf das Haus (und ohne Erwähnung des in der Schweiz befindlichen Barvermögens) schlicht als Alleinerbin einzusetzen, was gerade nicht geschehen ist.
2. Zutreffend hat das Landgericht darüber hinaus angenommen, dass die Kläger durch ihre Erklärung vom 29.09.2017 (Bl. 991 der beigezogenen Nachlassakte 7 VI 298/13 AG Bad Sobernheim) die Erbschaft nach der Erblasserin ausschlagen (§ 1942 Abs. 1 BGB) und – soweit sie die Erbschaft angenommen hatten – die Annahme anfechten konnten (§ 1954 Abs. 1 BGB), da die Ausschlagungs- und Anfechtungsfrist der § 1944 Abs. 1, 2 BGB und § 1954 Abs. 1 BGB zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war. Grundsätzlich richtet sich die Ausschlagungsfrist nach § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB. Ihr Beginn erfordert demnach die Kenntnis vom Erbfall sowie die Kenntnis vom Berufungsgrund. § 2306 Abs. 1 BGB erweitert diese allgemeinen Voraussetzungen für den Beginn der Ausschlagungsfrist, indem er zusätzlich fordert, dass der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung im Sinne von § 2306 Abs. 1 Kenntnis erlangt, so dass die Ausschlagungsfrist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen kann.
Die „Kenntnis“ des Betroffenen, die den Beginn der Ausschlagungsfrist in Lauf setzt, setzt ein zuverlässiges Erfahren der in Betracht kommenden Umstände voraus, aufgrund dessen ein Handeln von dem Betroffenen erwartet werden kann. Ein Irrtum im Bereich der Tatsachen kann Kenntnis in diesem Sinne ebenso verhindern wie eine irrige rechtliche Beurteilung, wenn deren Gründe nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind (BGH, Urteil vom 19.02.1968, III ZR 196/65, BeckRS 1968, 31172225 = LM Nr. 4 zu § 2306 BGB; BGH, Urteil vom 05.07.2000, IV ZR 180/99, NJW-RR 2000, 1530 = ZEV 2000, 401). Eine fahrlässige Unkenntnis steht dabei der Kenntnis nicht gleich; die Beweislast dafür, dass die Kläger die Wirksamkeit des angeordneten Vermächtnisses im Sinne von § 2306 gekannt haben, trägt die Beklagte (vgl. BGH NJW-RR 2000, 1530; BGH, BeckRS 1968, 31172225).
Bei der Beantragung des Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge durch den Kläger zu 1. am 10.08.2013 (Bl. 1 ff. der Nachlassakte) war den Klägern das handschriftliche Testament der Erblasserin vom 29.12.2010 noch nicht bekannt. Erhalten haben sie dieses – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – am 02.09.2013. Entgegen der auch in der Berufung weiterhin vertretenen Auffassung der Beklagten führte die bloße Kenntnis dieses Testaments indes noch nicht zum Beginn der sechswöchigen Ausschlagungs- und Anfechtungsfrist. Zutreffend weist zwar die Berufung darauf hin, dass sich das Landgericht in seinem Urteil insoweit nicht damit auseinandergesetzt hat, dass der Kläger den am 10.08.2013 gestellten Erbscheinsantrag durch Ergänzung vom 20.09.2013 (Bl. 20 ff. der Nachlassakte) um die Angabe ergänzt hat, dass ihm inzwischen bekannt geworden sei, dass es ein privatschriftliches Testament vom 29.12.2010, eröffnet von dem Nachlassgericht Frankfurt am Main, gebe. In dem ergänzten Erbscheinsantrag vom 20.09.2013 stützt der Kläger den Erbscheinsantrag weiterhin auf den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge, da das Testament lediglich eine Teilungsanordnung oder ein Vorausvermächtnis enthalte. Daraus wird deutlich, dass die Kläger zu diesem Zeitpunkt weiterhin vom Eintritt der gesetzlichen Erbfolge ausgingen. Erst mit Schreiben des Amtsgerichts Bad Sobernheim vom 23.10.2013 (Bl. 683 der Nachlassakte) wurden die Kläger von dem Erbscheinsantrag der Beklagten in Kenntnis gesetzt, die aus dem Testament vom 29.12.2010 ein alleiniges Erbrecht für sich ableitete. Bis zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Kläger in der – bei einer Zugrundelegung der als zutreffend unterstellten beklagtenseitigen Testamentsauslegung – unzutreffenden Annahme über die Bedeutung und Tragweite des handschriftlichen Testaments. Mit dem Erbscheinsantrag der Beklagten entstanden Zweifel an der bis dahin von ihnen angenommenen Rechtslage, jedenfalls als Kinder insgesamt aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu Erben berufen zu sein. Im Anschluss an diese Erkenntnis kam es am 11.11.2013 zur Anfechtung des Testaments durch den Kläger zu 1.. Aufgrund der widerstreitenden Erbscheinsanträge der Beteiligten schloss sich vor dem Nachlassgericht ein umfangreiches Verfahren mit Beweisaufnahme zur Klärung der Testierfähigkeit der Erblasserin an. Durch Verfügung vom 21.03.2014 (Bl. 108 der Nachlassakte) wies der damalige Abteilungsrichter die Beteiligten darauf hin, dass es darauf ankomme, „ob die letztwillige Verfügung als Teilungsanordnung auszulegen … (sei) oder als Einsetzung der Antragstellerin …[D] als Alleinerbin. In letzterem Falle soll ein Sachverständigengutachten eingeholt werden zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Erstellung der letztwilligen Verfügung vom 29.12.2010 im Hinblick auf die seitens des Antragstellers Herr …[B] (Kläger zu 1) sowie seitens Frau …[C] (Klägerin zu 2) geäußerten Bedenken“. Es schloss sich eine Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen und Einholung des angekündigten Sachverständigengutachtens an, wobei das Verfahren sich über drei Jahre hinzog. So wurde durch Beweisbeschluss vom 05.08.2014 (Bl. 178 d. Beiakten) die Vernehmung von Zeugen und durch Beschluss vom 24.03.2016 (Bl. 370 ff. d. Beiakten) die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Angesichts des Verlaufs des Verfahrens und des zitierten gerichtlichen Hinweises durften die Kläger während des gesamten Zeitraums der sich hinziehenden Beweisaufnahme annehmen, dass das Nachlassgericht die Testierfähigkeit der Erblasserin und damit die Wirksamkeit des Testamentes abschließend klären werde, so dass sich ihre erbrechtliche Stellung erst nach Abschluss dieser nachlassgerichtlichen Beweisaufnahme abschließend bestimmen lassen würde.
Mit Verfügung vom 04.09.2017 (Bl. 980 der Nachlassakte) wurden die Beteiligten des Erbscheinsverfahrens vom Nachlassgericht darauf hingewiesen, dass es „entgegen der aus dem Verfahrenslauf abzuleitenden Vermutung, dass es sich bei dem letzten Willen der Erblasserin um ein Testament und eine Alleinerben-Einsetzung der Frau …[D] (Beklagten) handeln dürfte, vielmehr von einem Vorausvermächtnis oder einer Teilungsanordnung“ ausgehe; es folgen nähere Ausführungen des Nachlassrichters zur Begründung. Weiter heißt es in der Verfügung:
„Mangels Vorliegen eines Testaments kommt daher nur die gesetzliche Erbfolge in Betracht. Insofern kam es vorliegend auch nicht auf die Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin an. Soweit in diesem Verfahren Beweise zur Testierfähigkeit der Erblasserin erhoben wurden, werden diese Kosten niedergeschlagen …. Das Gericht beabsichtigt daher den Antrag von Frau …[D] vom 16.09.2013 auf Ausstellung eines Erbscheins als Alleinerbin zurückzuweisen und den Erbschein wie von …[B] vom 24.09.2013 in Verbindung mit dem Erbscheinsantrag vom 13.08.2013, nach dem die fünf Kinder der Erblasserin zu je 1/5 erben, beantragt auszustellen“.
Erst aufgrund dieses gerichtlichen Hinweises hatte das Verfahren einen Stand erreicht, der den Klägern Gewissheit über die Auslegung des Testaments der Erblasserin durch das Nachlassgericht gab und ihnen die Gewissheit verschaffte, dass das Nachlassgericht die Testierfähigkeit der Erblasserin und die Wirksamkeit des Testamentes nicht abschließend klären werde (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.08.2006, ZEV 2006, 554, 555). Bis zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Kläger über das Bestehen und den Umfang ihres Erbrechts in Ungewissheit, §§ 1954, 119 Abs. 2, 2306 Abs. 1 BGB. Da sich nach dem Verlauf der Beweisaufnahme und vor dem Hintergrund der nunmehr angekündigten Entscheidung des Nachlassgerichts abzeichnete, dass der von ihnen zu führende Beweis einer Testierunfähigkeit der Erblasserin bei Testamentserrichtung kaum sicher zu führen sein werde, entschlossen sie sich angesichts der dann als wirksam anzusehenden Vermächtnisanordnung, die ihr gesetzliches Erbrecht erheblich beschwerte (§ 2306 Abs. 1 BGB), zur Ausschlagung des Erbes, um sodann gemäß § 2306 Abs. 1 den Pflichtteil geltend zu machen.
Dabei kann offen bleiben, inwieweit dieser gerichtliche Hinweis vom 05.09.2017 den Klägern Gewissheit über ihre erbrechtliche Stellung verschaffte, da das Nachlassgericht die Frage der Wirksamkeit des Testamentes gerade keiner abschließenden Klärung zuzuführen gedachte. In jedem Fall – und nur darauf kommt es an – bestand bis dahin aber noch keine hinreichende Klarheit, dass der Beklagten kein Erbschein als Alleinerbin zu erteilen war, sondern ihr nur ein Vermächtnis zustand, so dass seitens der Kläger auch die Fristen zur Anfechtung der Erbschaftsannahme und Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs noch nicht in Gang gesetzt worden waren. Frühestens durch die Verfügung vom 05.09.2017 erlangten die Kläger somit Kenntnis im Sinne des § 2306 Abs. 1 BGB und der eingangs dargelegten Rechtsprechung über die Beschwerung ihres Erbes mit einem Vermächtnis. Die bis dahin andauernden Zweifel, ob der Beklagten aufgrund des Testaments ein alleiniges Erbrecht zustand oder die Kläger (gemeinsam mit der Beklagten) aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu Erben berufen waren (und inwieweit dieses Erbe durch ein Vermächtnis zu Gunsten der Beklagten belastet sein könnte), ergaben sich gerade aufgrund des Verlaufs des Erbscheinsverfahrens, das gleichermaßen zu einem Schwebezustand nach dem Erbscheinsantrag der Beklagten und der Anfechtung des Testaments führte. Angesichts dieser Besonderheiten im zeitlichen Ablauf des Nachlassverfahrens war die sechswöchige Frist zur Erbausschlagung bzw. Anfechtung der Annahme der Erbschaft, wie das Landgericht zutreffend gesehen hat, noch nicht abgelaufen. Die am 29.09.2017 von den Klägern erklärte Anfechtung der Erbschaftsannahme und Ausschlagung wegen Irrtums über eine wesentliche Eigenschaft war daher wirksam. Die Beklagte ist, wie auch durch Erbschein vom 11.12.2017 bestätigt, Alleinerbin nach der Erblasserin geworden.
An dieser Stelle besteht Veranlassung, ergänzend darauf hinzuweisen, dass der an die Beklagte am 11.12.2017 erteilte Erbschein aus Sicht des Senats als falsch anzusehen und daher gemäß § 2561 BGB einzuziehen wäre, wenn die von den Klägern erklärte Erbausschlagung als nicht wirksam anzusehen wäre. Hiervon geht indes keine der Parteien aus, da auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Nachlassverfahren selbst ausdrücklich die Auffassung vertreten hat, die von den Klägern erklärten Anfechtungen/Ausschlagungen seien als wirksam anzusehen (Schriftsatz vom 17.11.2017, Bl. 1006 der Nachlassakte). Wie oben bereits angesprochen, teilt auch der Senat voll umfänglich die rechtliche Einschätzung des Landgerichts (und Nachlassgerichts), dass das Testament vom 29.12.2010 nicht als Alleinerbeneinsetzung der Beklagten anzusehen ist, so dass die Beklagte letztlich nicht aufgrund des Testaments, sondern aufgrund der Erbausschlagung der Kläger alleinige Erbin der Erblasserin geworden ist. Dann kann aber auch die Frist für die Geltendmachung der Pflichtteilansprüche nicht zu einem früheren Zeitpunkt in Gang gesetzt worden sein.
Die Beklagte ist den Klägern als Pflichtteilsberechtigten daher zur Auskunft verpflichtet.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme des Rechtsmittels nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 3.000,00 € festzusetzen.