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Auskunftsklage über den Bestand des Nachlasses

LG Saarbrücken, Az.: 16 O 210/13, Urteil vom 15.02.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses der im Mai 2011 verstorbenen … .

Der Kläger und der Beklagte zu 1) sind Abkömmlinge der Erblasserin, die kurze Zeit nach ihrem Ehemann verstorben ist.

Der Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) sind testamentarische Miterben der Erblasserin zu je 1/3, wobei im Laufe des Rechtsstreits … im Wege der Gesamtrechtsnachfolge für den Beklagten zu 2) in den Rechtsstreit eingetreten ist.

Die Erblasserin hat ihren vorverstorbenen Ehemann … allein beerbt. Testamentarisch hatten die Eheleute … und … im Rahmen eines privatschriftlichen Testaments vom 13.1.2004 sich wechselseitig zu Alleinerben und die Beklagten zu Schlusserben eingesetzt.

Mit notarieller Urkunde vom 9.9.1991 (Urkundenrolle Nummer …) hat die Erblasserin den Kläger von der Erbfolge ausgeschlossen und ihm darüber hinaus den Pflichtteil entzogen. Zur Begründung wird in der Urkunde angeführt:

Auskunftsklage über den Bestand des Nachlasses
Symbolfoto: Elle Aon/Bigstock

„Seit 1987 habe ich meinen Sohn … regelmäßig finanziell unterstützt im allgemeinen waren das ca. 400 DM monatlich. Im Oktober 1990 kam … und wollte seinen Pflichtteil bzw. verlangte er von mir einen Erbverzichtsvertrag. Er sagte, dass dieser Vorschlag von seinem Vater stamme. Ich lehnte dieses Ansinnen ab, gab ihm aber auch an diesem Tag nochmals Geld. Wenig später rief er an und beschimpfte und bedrohte mich. Es kam so weit, dass ich nicht mehr an das Telefon ging. Frau … nahm mehrere dieser Anrufe entgegen. In der Nacht zum 7. März 1991 klingelte … gegen 1:20 Uhr hartnäckig. Er drohte mich umzubringen. Als er mit Gewalt in das Haus eindringen wollte, rief ich die Polizei zu Hilfe. Diese hatte den Vorfall unter der LBS NR. … bei der Polizeistation … aufgenommen. Am 21.8.1991 drang … bewaffnet bei Frau … in die Wohnung ein. Er sagte, dass er mich umbringen wolle. Erzwang Frau … mit der Waffe im Rücken die Treppe hinauf zu gehen. Er überfiel meinen Mann und schoss ihm ins Gesicht. Dieser Vorfall ist bei der Polizeistation … unter der Tagebuchnummer … aufgenommen.

Insoweit wird ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Als Zeugen benenne ich die vorbezeichnete Frau … geb. …, geb. am …, wohnhaft …,…, die ihre Aussage zu polizeilichem Protokoll gegeben hat.“

Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stünden dennoch als Abkömmling der Erblasserin gemäß § 2303 BGB Pflichtteilsansprüche zu. So seien die Angaben über die tätlichen Handlungen des Klägers in der notariellen Urkunde unwahr, insbesondere sei das eingeleitete Strafverfahren eingestellt worden. Darüber hinaus habe die Erblasserin nur vom Hörensagen bekunden können, da sie bei der in Bezug genommenen Auseinandersetzung zwischen dem Stiefvater des Klägers und dem Kläger selbst nicht anwesend war.

Unabhängig davon habe die Erblasserin dem Kläger gemäß § 2337 BGB schon vor mehr als 10 Jahren verziehen. Der Kläger behauptet, ab etwa dem Jahre 2001 sei die Verzeihung zwischen Mutter und Sohn realisiert worden. Zuvor sei die Mutter durch ihren neuen Ehemann in Hypnosesitzungen in eine persönliche Abhängigkeit geraten, was zu erheblichen Differenzen zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem Kläger geführt habe. Ab dem Jahr 2001 habe der Kläger der Erblasserin in einem freundlichen Brief vorgeschlagen, die Vorfälle mit ihrem Ehemann aus den neunziger Jahren auf sich beruhen zu lassen. Ab diesem Zeitpunkt habe die Erblasserin regelmäßig zu Geburtstagen, Weihnachten und Ostern brieflichen oder telefonischen Kontakt mit dem Kläger aufgenommen. Auch habe der Beklagte zu 1) bei Besuchen beim Kläger, der in der Schweiz wohnt, regelmäßig persönliche Grüße der Mutter und mehrfach auch Geschenke in Form von Präsentkörben mit Delikatessen und edlen Spirituosen mitgebracht. So habe die Erblasserin dem Kläger im Jahre 2009 anlässlich seines Geburtstags einen Präsentkorb mitbringen lassen, dem ein Geldbetrag in Höhe von 500 € beigefügt war. Im Jahre 2008 habe die Erblasserin dem Kläger eine Goldkette im Wert von mindestens 800 € als Geschenk geschickt. Für November 2010 sei sogar ein Besuch des Klägers in … geplant gewesen. Dieser sei aber dann wegen der schlechten Gesundheitssituation des Ehemanns der Erblasserin abgesagt worden.

Der Kläger beantragt, die Beklagten im Wege der Stufenklage als Gesamtschuldner zu verurteilen,

I.

1.

dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses der zwischen dem 16.5. und 17.5.2011 in … verstorbenen … durch Vorlage eines geordneten Nachlassverzeichnisses mit Unterscheidung in aktiver und passiver, insbesondere bei Nachlassaktiva Bankvermögen, Depots, Sparbücher, Aktienvermögen, Wertpapiere unter Einbeziehung des von … ererbten Nachlasses des am 16.5.2011 verstorbenen …, insbesondere Aufführung von werthaltigen Gegenständen, wie Edelmetalle, Münzsammlungen, Briefmarkensammlungen, Antiquitäten oder sonstige Gegenstände, die einen Verkehrswert besitzen, wie Kraftfahrzeuge, Edelsteine, Schmuck unter gleichzeitiger Wertangabe der einzelnen Gegenstände, Immobilienvermögen, im In- oder Ausland, Einbeziehung von Forderungen, Anwartschaftsrechten sowie auf der Passivseite unter Aufführung von Erbfallschulden und Erblast der Schulden, zum Beispiel Bestattungskosten, Grabkosten etc.;

2.

Auskunft zu erteilen über Schenkungen, die die Erblasserin an ihren Ehegatten seit Eheschließung, Schenkungen die die Erblasserin an Dritte innerhalb des Zeitraumes ab dem 17.5.2001 bis zum Todestag erbracht hat, soweit es sich nicht um geringfügige Anstands handelt;

3.

den Wert von Immobilien, Schmuck, Sammlungen, Kraftfahrzeugen durch ein Sachverständigengutachten zu belegen und diese dem Nachlassverzeichnis beizufügen;

II.

4.

für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden sein sollte, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie nach bestem Wissen den Bestand vollständig und wahrheitsgemäß angegeben haben, soweit sie dazu imstande sind;

III.

5.

nach Auskunftserteilung an den Kläger den Pflichtteil in Höhe von ¼ des Nachlasswertes zu zahlen, zuzüglich Zinsen hieraus seit 7.6.2013 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz;

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten machen geltend, dem Kläger sei aufgrund des notariellen Testamentes der Erblasserin vom 9.9.1991 der Pflichtteil gemäß § 2333 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB wirksam entzogen worden. Den detaillierten Ausführungen im Rahmen des notariellen Testamentes könne der Kläger auch nicht mit Erfolg durch die bloße Behauptung, diese seien unwahr, entgegentreten. Des Weiteren bestreiten die Beklagten, dass die Erblasserin dem Kläger zu Lebzeiten verziehen habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Befragung der Zeugen … und … sowie die informatorische Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 1). Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Sitzungsniederschriften vom 12.11.2015 (Blatt 293 ff. d. A.), vom 16.12.2015 (Blatt 328 ff. d. A.) sowie vom 23.11.2016 (Blatt 429 ff. d. A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Insbesondere war vorliegend durch Endurteil die gesamte Stufenklage abzuweisen, da sich bereits bei der Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (Zöller/Greger, ZPO, 30. Auflage, § 254, Rn. 9; Musielak/Voit, ZPO, 13. Auflage, § 254, Rn. 5; BGH Urteil vom 28.11.2001 – VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042).

1.

Dem Kläger steht gemäß §§ 2303 Abs. 1, 1924 Abs. 1, Abs. 4 kein Pflichtteil zu, da ihm dieser gemäß § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB wirksam entzogen wurde.

Nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Erblasser einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser, dessen Ehegatten, einen anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person schuldig macht. Dabei kommt nur schweres Fehlverhalten als Grund für die Entziehung des verfassungsrechtlich geschützten Pflichtteilsrechts in Betracht. Die Fehlverhaltensweise eines Pflichtteilsberechtigten muss schwerwiegend genug sein, dass es für den Erblasser unzumutbar ist, dessen Teilnahme an seinem Nachlass hinzunehmen (BVerfG NJW 2005, 1561). Ob ein vorsätzliches Vergehen ein schweres im Sinne von § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB darstellt, beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls.

a) Vorliegend ist davon auszugehen, dass sich der Kläger wenigstens am 21.08.1991 eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen seinen Stiefvater, den Ehegatten der Erblasserin, im Sinne von § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB schuldig gemacht, mithin einen Grund für die Pflichtteilsentziehung im notariellen Testament vom 9.9.1991 gesetzt hat.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger an diesem Tag seinem Stiefvater im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung mit einer Schreckschusswaffe ins Gesicht geschossen hat.

Ausgangspunkt stellt dabei die Urkunde vom 9.9.1991 dar, in welcher die Erblasserin und ihr Ehegatte den Kernsachverhalt einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB wiedergeben.

Dieser Kernsachverhalt wird auch durch die Einlassung des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Befragung vom 12.11.2015 (vgl. Sitzungsniederschrift vom 12.11.2015, Bl. 293 ff. d. A.) bestätigt; insofern ist es auch unschädlich, dass die Erblasserin den Vorfall vom 21.8.1991 nicht selbst miterlebt hat. So räumt der Kläger ein, im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung mit seinem Stiefvater mit einer Sportluftpistole geschossen zu haben (Seite 4 der Sitzungsniederschrift vom 12.11.2015, Bl. 296 d. A.). Zwar behauptet der Kläger, „nicht auf etwas gezielt zu haben“, jedoch steht aufgrund des in der notariellen Urkunde vom 9.9.1990 niedergelegten Sachverhaltes fest, dass der Stiefvater von dem Schuss im Gesicht getroffen wurde. Damit ist zwar der Entziehungsgrund des § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht gegeben, da der Schuss einer Sportluftpistole objektiv nicht geeignet ist, den Tod eines anderen Menschen zu verursachen. Jedoch ist der Schuss mit einer solchen Pistole, die nach Aussage des Klägers auch ein Geschoss abgibt, in das Gesicht des Opfers objektiv geeignet, dem Opfer erhebliche Verletzungen zuzuziehen (Schönke/Schröder, StGB, 29. A., 2014, § 224, Rn. 4). Dies hat der Kläger auch billigend in Kauf genommen, so dass der Kläger sich eines schweren vorsätzlichen Vergehens in Form einer gefährlichen Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges schuldig gemacht hat.

Hierbei verkennt das Gericht nicht, dass gemäß § 2336 Abs. 3 BGB die Beklagten das Vorliegen des Entziehungsgrundes zu beweisen haben und vorliegend aufgrund des Zeitablaufs weder der in der notariellen Urkunde angegebene Polizeibericht vorgelegt werden, noch eine Befragung der Zeugin … erfolgen konnte, da diese mittlerweile verstorben ist.

Jedoch steht aufgrund der notariellen Urkunde und aufgrund der eigenen Einlassung des Klägers, der als einziger Beteiligter Wahrnehmungen und Bekundungen zu dem in der Urkunde geschilderten Ereignissen machen kann, ein Kernsachverhalt fest, nach welchem der Kläger auf den Stiefvater mit einer Sportwaffe geschossen hat. Insofern bedurfte es auch nicht der Vernehmung der von der Beklagtenseite angebotenen weiteren Zeugen, die jeweils nur vom Hören-Sagen über den Sachverhalt hätten bekunden können.

Soweit der Kläger nunmehr vorträgt, nicht auf das Opfer gezielt haben zu wollen, muss er im Rahmen seiner sekundären Behauptungs- und Beweislast im Sinne des § 138 ZPO diese Umstände zumindest glaubhaft machen. Vorliegend steht schon aufgrund der eigenen Einlassung des Klägers, dass er in der räumlichen Enge eines körperlichen Gerangels in der Diele der elterlichen Wohnung eine Sportschusswaffe benutzte, fest, dass er eine Verletzung des Opfers zumindest billigend in Kauf nahm. Eine solche Behandlung des Stiefvaters stellt eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses auch in Bezug auf die Erblasserin dar, da hier eine schwere Verletzung der der Erblasserin geschuldeten familiären Achtung zu Tage tritt (MüKo-Lange, BGB, 7. Auflage 2017, § 2333, Rn. 12).

Der Kläger vermag sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ein gegen ihn wegen dieses Sachverhaltes eingeleitetes Strafverfahren eingestellt worden sei. Zum Einen untermauert gerade der Umstand, dass es vorliegend zu einem Strafverfahren nach Einleitung durch die Staatsanwaltschaft gekommen ist, dass es zu den in der Urkunde geschilderten Vorfällen gekommen ist. Zum anderen entlastet der Umstand, dass es nicht zu einer rechtskräftigen Verurteilung des Klägers gekommen ist, den Täter in Bezug auf das Vorliegen eines Entziehungsgrundes im Sinne des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht, da es einer strafrechtlichen Verurteilung nicht bedarf (MüKo-Lange, BGB, 7. Auflage 2017, § 2333, Rn. 26 mwN.)

Auch ergibt sich aus den Darlegungen des Klägers, die mangels gegenteiliger Angaben zugrunde zu legen sind, nicht das Vorliegen einer Notwehrlage für den Kläger, so dass es auf die grundsätzliche Pflicht der Erben, das Nichtvorliegen der Notwehrlage zu beweisen (vgl. MüKo-Lange, BGB, 7. Auflage 2017, § 2333, Rn. 28 mwN.), nicht mehr ankommt.

Denn nach eigenem Bekunden des Klägers dauerte der Angriff des Stiefvaters in dem Moment, in dem er zur Waffe griff, nicht mehr an. Vielmehr nutzte der Kläger den Moment des „sich Luft Verschaffens“ dazu, seine Pistole aus der mit einem Reißverschluss verschlossenen mitgeführten Sporttasche zu holen (vgl. Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 12.11.2015; Bl. 295 d. A.). Aufgrund der Zeit, die diese Handlung benötigt, hat der Angriff nach den eigenen Angaben des Klägers nicht mehr unmittelbar angedauert im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB und es wäre ebenso ein Rückzug aus der Diele des Stiefvaters möglich gewesen.

Nach alledem steht gemäß § 2336 Abs. 2 BGB fest, dass der Entziehungsgrund des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch den Kläger verwirklicht wurde.

b) Auch die Vorfälle vom Oktober 1990 sowie vom 7.3.1991 sind geeignet, einen Pflichtteilsentzug nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu begründen. So ergibt sich aus dem in der Urkunde niedergelten Sachverhalt, dass der Kläger die Mutter und Erblasserin beleidigt und ihr gedroht hat, sie umzubringen, sowie versuchte, sich mittels Gewalt Zutritt zum elterlichen Wohnanwesen zu verschaffen. Zwar sind auch hier die in der notariellen Urkunde angegebenen Beweismittel nicht mehr vorhanden, jedoch obliegt es gemäß § 138 Abs. 3 ZPO dem Kläger aufgrund des detailliert in der Urkunde geschilderten Sachverhaltes, diesen ausdrücklich und substantiiert zu bestreiten. Schriftsätzlich lässt der Kläger nur vortragen, bei dem Vorfall vom 7.3.1991 sei entgegen der Darstellung in der Urkunde auch der Stiefvater dabei gewesen. Der Kläger tritt der Schilderung in der notariellen Urkunde damit nur in einem Nebenpunkt entgegen.

Auch im Rahmen seiner informatorischen Anhörung bestreitet der Kläger den Kernsachverhalt vom 7.3.1990 nicht, sondern räumt ein, dass er sich gegen den Willen des Stiefvaters und der Mutter Zutritt zum Wohnanwesen verschaffen wollte, um den Bruder zu besuchen und der „Streit“ erst durch die herbeigerufene Polizei geschlichtet werden konnte. Dass er seine Mutter nicht bedroht oder beschimpft haben will, behauptet er nicht. Wenn aber „mehr nicht war“, wie vom Kläger dargetan (vgl. Seite 2 der Sitzungsniederschrift vom 12.11.2015; Bl. 294 d. A.), so stellt sich die Frage, warum die Polizei hinzugerufen werden musste und ein Tagebucheintrag über den Vorfall gefertigt wurde. Das Gericht sieht daher auch in dem Vorfall vom 7.3.1991 einen erwiesenen Pflichtteilsentziehungsgrund im Sinne des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

2.

Der Pflichtteilsentzug ist auch in der von § 2336 BGB normierten Form erfolgt. Er wurde im Rahmen einer letztwilligen Verfügung in notarieller Form erklärt und die Gründe für den Entzug sind detailliert in der Urkunde angegeben.

Es ergeben sich für das Gericht vorliegend auch keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der klägerseits aufgestellten Vermutung, dass die Erblasserin den Pflichtteilsverzicht nicht im Vollbesitz ihrer kognitiven und voluntativen Fähigkeiten erklärt hätte. So ist weder durch entsprechend substantiierten Vortrag des Klägers noch wissenschaftlich belegt, dass der Umstand, dass eine Person sich als Medium zur Hypnose zur Verfügung stellt, eine dauerhafte, die Geschäftsfähigkeit einschränkende Abhängigkeit bewirkt.

Insbesondere ist es gerichtsbekannt, dass ein Notar sich vor Aufnahme einer Urkunde davon überzeugt, dass der Mandant die Tragweite seiner Erklärungen in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht versteht. Es spricht nichts dafür, dass die Erblasserin in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand die notarielle Urkunde hat aufsetzen lassen. Daran vermag auch die vom Kläger zitierte Abhandlung zu „posthypnotischen Aufträgen“ (vgl. Anlage zum Schriftsatz vom 9.12.2015; Bl. 313 ff. d. A.) nichts zu ändern.

3.

Der Kläger hat auch nicht zur Überzeugung des Gerichts darzulegen vermocht, dass die Erblasserin ihm gemäß § 2337 BGB verziehen hätte, mit der Wirkung, dass die Pflichtteilsentziehung unwirksam geworden wäre.

Verzeihung im Sinne des § 2337 BGB ist anzunehmen, wenn der Erblasser zum Ausdruck gebracht hat, dass er das schwere Fehlverhalten – hier in Form des Schusses auf den Stiefvater und der Versuch des gewaltsamen Eindringens in das Hausanwesen der Erblasserin – als nicht mehr existent betrachtet. Erforderlich ist, dass der Erblasser nach außen hin kundtut, dass er das schwere Fehlverhalten nicht mehr als unzumutbar für eine Nachlassteilhabe empfindet (Palandt-Weidlich, 74. Aufl., § 2337, Rn. 1). Die Verzeihung kann formlos, auch durch schlüssige Handlungen erfolgen (vgl. Palandt-Weidlich, 74. Aufl., § 2337, Rn. 1).

Vorliegend hat der insoweit beweisbelastete Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können, dass die Erblasserin ihm verziehen hat.

a) Soweit der Kläger behauptet, die Erblasserin habe ihm durch den Beklagten zu 1) Geld und Präsentkörbe zukommen lassen, wird dies durch den Beklagten zu 1) nicht bestätigt (Seite 7 der Sitzungsniederschrift vom 16.12.2015; Bl. 334 d. A.). Anhaltspunkte dafür, dass der Aussage des Klägers mehr Glauben zu schenken wäre, als der des Beklagten zu 1) sind nicht ersichtlich. Insbesondere vermochte der Zeuge … lediglich als Zeuge vom Hören-Sagen bekunden, dass sein Sohn Geldgeschenke von der Erblasserin erhalten haben soll (vgl. Seite 4 der Sitzungsniederschrift vom 16.12.2015; Bl. 331 d. A.).

Darüber hinaus räumt der Kläger ein, dass die von ihm behaupteten Präsentkörbe durch den Beklagten zu 1) anlässlich von Besuchen beim Kläger von diesem übergeben wurden. Diesbezüglich ist die Behauptung des Beklagten zu 1), dass es sich dabei um ein Gastgeschenk seitens des Beklagten zu 1) als Dank für die Gastfreundschaft des Klägers handelte (vgl. Seite 6 der Sitzungsniederschrift vom 16.12.2015; Bl. 333 d. A.), wesentlich plausibler, als die Behauptung, der Korb sei auf Geheiß der Mutter übergeben worden.

b) Auch aus dem Umstand, dass die Mutter nach Angaben der Zeugen … und … zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen oder Weihnachten Grußkarten schickte oder mit dem Kläger telefoniert oder sich etwa nach dessen Herzinfarkt bei dessen Vater nach seinem gesundheitlichen Zustand erkundigt haben soll, reicht für eine Verzeihung im Sinnes des § 3337 BGB nicht aus. So mag es sein, dass bei der Erblasserin ab dem Jahr 2001, mithin 10 Jahre nach den in der notariellen Urkunde aufgeführten Vorfällen das Kränkungsempfinden nachgelassen hat und sie zu einem höflichen Verhalten unter Wahrung der äußeren Form gegenüber dem Kläger übergegangen war. Jedoch vermag es das Gericht nicht zu überzeugen, dass die Erblasserin nach diesen gravierenden Störungen im Eltern-Kind-Verhältnis ihre Verzeihung in Form unpersönlicher, in Floskeln gehaltener Postkarten und gelegentlichen Telefonaten zu besonderen Anlässen ausdrücken wollte. Die Zeugin … bestätigt in diesem Zusammenhang, dass etwa „schöne Weihnachtsgrüße“ und „was man halt so schreibt“ ausgetauscht wurden (vgl. Seite 6 der Sitzungsniederschrift vom 23.11.2016; Bl. 434 d. A.). Auch vermag die Zeugin allenfalls einzuräumen, dass „Kontakt“ zwischen dem Kläger und der Erblasserin in Form von gelegentlichen Telefonaten und Postkarten zu besonderen Anlässen bestand. Unstreitig ist es seit den Vorfällen in den 90er Jahren zu keinem persönlichen Treffen der Beteiligten gekommen, bei welchem die schwerwiegenden Differenzen hätten aufgearbeitet werden können. Zwar mag es sein, dass der Kläger beruflich eingespannt war und ein persönliches Treffen auch durch das schlechte Verhältnis zum Stiefvater erschwert war, jedoch ist es nicht nachvollziehbar, wie eine Verzeihung durch die Mutter ohne ein persönliches Aufeinandertreffen hätte erfolgen sollen. Auch der Umstand, dass der Kläger in der Schweiz lebt, steht einem Besuch des Klägers im Saarland oder einer Reise der Mutter in der Schweiz nicht entgegen.

ergibt sich vielmehr, dass die Erblasserin ohne Verzeihung zu einem die äußeren Grenzen der Höflichkeit wahrenden Kontakt zum Kläger übergegangen ist, ohne jedoch eine familiäre Beziehung zu ihm wiederherzustellen und ohne damit zum Ausdruck zu bringen, dass sie aus den Vorfällen nichts mehr herleiten möchte.

Zwar verkennt das Gericht nicht, dass eine Versöhnung in der Form, dass der Erblasser eine innige, liebevolle Beziehung zum Pflichtteilsberechtigten herstellen müsste, nicht erforderlich ist, jedoch muss die innere Überwindung der Kränkung nach außer erkennbar werden (Staudinger-Otte, BGB, 2015, § 2337, Rn. 2, zit. nach Juris). Aus höflichem Verhalten und Wahrung der äußeren Form – wie hier vorliegend – kann eine Verzeihung indes nicht abgeleitet werden (Staudinger-Otte, BGB, 2015, § 2337, Rn. 23; zit. nach Juris).

Nicht glaubhaft ist in diesem Zusammenhang die Behauptung des Zeugen … im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vom 16.12.2015, die Erblasserin habe ihm gegenüber bekundet, die „Sache sei beigelegt“ (Seite 4 der Sitzungsniederschrift vom 16.12.2015; Bl. 331 d. A.). In dieser eindeutigen Form wird eine Streitbeilegung nicht einmal vom Kläger behauptet. So kam es nach den eigenen Darlegungen des Klägers niemals zu einem offenen Gespräch über die Vorwürfe gegenüber dem Kläger. Die Äußerungen des Zeugen … sind daher erkennbar getragen von eigenen Interpretationen, Schlussfolgerungen und Angaben vom Hörensagen. Der Zeuge bekundete über weite Strecken von Umständen, die ihm seinen Sohn, der Kläger, erzählt hat. Der Zeuge berichtet über einen Scheck über 500 DM und mutmaßt über die Beweggründe der Erblasserin; der Zeuge bekundet über Geschenkkörbe, ein mit Geld gefülltes Osterei und Schmuck (vgl. Seite 4 der Sitzungsniederschrift vom 16.12.2015; Blatt 331 d. A.). Eigene Wahrnehmungen zu diesen Sachverhalten hat der Zeuge jedoch nicht gemacht. Der Zeuge steht hier als Vater des Klägers auch im Lager des Klägers und es verwundert nicht, dass dieser den möglichen Angaben des Klägers Glauben schenkte und sie zu Gunsten des Klägers interpretierte.

Der Zeuge räumt auch ein, dass er es als nicht richtig erachtet, dass seine Exfrau dem Sohn den Pflichtteil entzog. Darüber hinaus räumt der Zeuge ein, dass er den Stiefvater des Klägers und neuen Ehemann seiner Exfrau für deren Tod verantwortlich macht. All diese Umstände sind geeignet, eine Voreingenommenheit des Zeugen zu begründen und dessen objektive Sicht auf die Dinge zu trüben. Bezeichnend ist für das Gericht des Weiteren, dass der Zeuge einräumt, dass die Erblasserin ihm gegenüber „kein Wort“ über den Pflichtteilsentzug gesagt hat (vgl. Seite 4 der Sitzungsniederschrift vom 16.12.2015; Bl. 331 d. A.).

Dadurch wird deutlich, dass die Erblasserin dem Zeugen in diesem Zusammenhang gerade keine Offenheit und Vertrauen entgegenbrachte. Damit ist der Zeuge gerade nicht geeignet, zu den inneren Beweggründen einer etwaigen Verzeihung durch die Erblasserin zu bekunden.

Schließlich spricht gegen eine Verzeihung auch der Umstand, dass die Erblasserin im Rahmen des gemeinschaftlichen Testamentes vom 21.1.2004 und auch jederzeit davor oder danach die Möglichkeit gehabt hätte, die behauptete Verzeihung schriftlich niederzulegen oder den Kläger testamentarisch zu berücksichtigen.

c) Soweit der Kläger und die Zeugen … und … bekunden, dass ein Treffen zwischen der Mutter und dem Kläger für das Jahr 2010 geplant gewesen sei, reicht auch dieser Umstand nicht aus, um eine Verzeihung durch die Erblasserin hinreichend nachzuweisen.

Es mag sein, dass die Erblasserin und der Kläger für das Jahr 2010 tatsächlich ein persönliches Aufeinandertreffen geplant haben mögen. Dies stellt aber allenfalls die Anbahnung einer möglicherweise dann stattfindenden Verzeihung dar. Diese Inaussichtstellung einer Verzeihung ist aber nicht deren Kundgabe, sondern nur eine nicht ausreichende Vorstufe (BGH, Urteil vom 1. 3.1974 – IV ZR 58/72, NJW 1974, 1084; Staudinger-Otte, BGB, 2015, § 2337, Rn. 22, zit. nach Juris).

d) Soweit der Kläger behauptet, die Erblasserin habe ihm eine wertvolle Goldkette anlässlich seines Geburtstags im Jahr 2008 zukommen lassen und darin sei eine Verzeihung zu sehen, vermag auch dieser Vortrag das Gericht nicht zu überzeugen. Insbesondere stellen sich hierbei die gesamten Begleitumstände für das Gericht als wenig nachvollziehbar dar. Nach eigenen Angaben des Klägers hat während der gesamten Zeit kein persönlicher Kontakt zwischen der Mutter und dem Kläger stattgefunden. Nichtsdestotrotz soll die Mutter dem Kläger eine wertvolle Goldkette zum Geburtstag geschickt haben, diesem Präsent aber nicht einmal eine persönliche Grußkarte beigelegt haben, sondern einen simplen Notizhaftzettel. Die Kette ist auch nicht etwa als besondere Geschenk verpackt gewesen, sondern befand sich nach Angaben der Zeugin … lediglich in einem Briefumschlag (Seite 5 der Sitzungsniederschrift vom 23.11.2016; Blatt 433 d. A.).

Insgesamt war die Schilderung der Zeugin … auch wenig lebhaft, sondern beschränkte sich auf die bisher schriftsätzlich durch den Kläger vorgetragenen Umstände zur Verzeihung. Zu anderen Umständen befragt, vermochte die Zeugin weitaus weniger detaillierte Angaben zu machen. So vermochte die Zeugin lediglich widersprüchliche Angaben zur Vorgeschichte der Streitigkeiten des Klägers mit seiner Familie zu machen. Während die Zeugin zunächst ausführte, nicht gewusst zu haben, „was genau zu dem Zerwürfnis führte“ (Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 23 11. 2016; Blatt 431 d. A.), behauptet sie später, dass sie die Annäherung „nach dem, was war“ als schnell und herzlich erachtete. Insoweit widerspricht die Zeugin sich, denn entweder kann sie eine Annäherung beurteilen, weil sie die Vorgeschichte kennt, oder sie kennt die Vorgeschichte nicht und kann dementsprechend auch nicht beurteilen, in welcher Form und in welcher Geschwindigkeit eine Annäherung zwischen überworfenen Parteien stattfindet.

Doch selbst wenn vorliegend den Angaben der Zeugin, dass sie gesehen haben will, dass der Kläger eine Goldkette von der Mutter zugeschickt bekommen haben will, Glauben schenkt, reicht dies nicht zu einer Überzeugungsbildung des erkennenden Gerichts von einer vollzogenen Verzeihung seitens der Erblasserin. Das Verschicken der Kette kann verschiedene Gründe gehabt haben. Selbst der Kläger scheint eine besondere Affektion zu dem angeblich verzeihenden Geschenk der Mutter nicht gehabt zu haben, denn er hat das Schmuckstück nach eigenen Angaben veräußert.

e) Im Ergebnis verbleibt für das Gericht als nachvollziehbarer Anknüpfungspunkt für einen etwaigen Verzeihenstatbestand lediglich der Umstand, dass eine Wiederherstellung eines oberflächlichen Kontaktes zwischen Mutter und Sohn erfolgte, ohne dass es zu einem persönlichen Aufeinandertreffen oder einer Aussprache über die Geschehnisse, die zum Pflichtteilsentzug geführt hatten, gekommen ist. Nach alledem vermochte der Kläger eine Verzeihung durch die Erblasserin gemäß § 2337 BGB nicht nachzuweisen.

II.

Die Stufenklage unterlag damit mangels Bestehens eines Pflichtteilsanspruchs insgesamt der Abweisung mit der Kostenfolge des § 91 ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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