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Auslegung des Begriffes des „gewöhnlichen Aufenthalts“ eines Erblassers

Ein deutscher Rentner mit Demenz wird aus Kostengründen in einem polnischen Pflegeheim untergebracht und stirbt dort. Nach seinem Tod entbrennt ein Rechtsstreit um die Zuständigkeit für seinen Nachlass, denn sein letzter Wille ist unklar. Das Oberlandesgericht Karlsruhe musste nun entscheiden, ob deutsche oder polnische Gerichte für die Erteilung des Erbscheins zuständig sind.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Fall betrifft die Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für einen Erbschein, obwohl der Erblasser in einem Pflegeheim in Polen verstorben ist.
  • Der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger ohne Vermögen oder soziale Bindungen in Polen; sein gesamtes Vermögen befand sich in Deutschland.
  • Die Herausforderung bestand darin zu bestimmen, ob der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers nach europäischem Recht in Polen oder Deutschland lag.
  • Das Gericht entschied, dass der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland war, da der Erblasser gegen seinen Willen in Polen untergebracht wurde.
  • Da der Erblasser aufgrund seiner Demenz keinen festen Bleibewillen für Polen hatte, galt sein Gewöhnlicher Aufenthalt weiterhin als Deutschland.
  • Die deutsche Gerichtsbarkeit ist nach europäischem Erbrecht für die Erbsache zuständig und der Fall wurde an das Amtsgericht Singen zurückverwiesen.
  • Die Entscheidung hat zur Folge, dass auch in ähnlichen Fällen, in denen der Erblasser gegen seinen Willen im Ausland untergebracht wird, die deutsche Gerichtsbarkeit die Erbschaftsangelegenheiten regeln kann.

Erbrecht im Fokus: Bedeutung des gewöhnlichen Aufenthalts im Erbfall

Der Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“ eines Erblassers spielt im deutschen Erbrecht eine entscheidende Rolle, da er zur Bestimmung des Erbstatuts und des anzuwendenden Rechts beiträgt. Der rechtliche Aufenthaltsstatus beeinflusst nicht nur die Erbfolge und die Rechte der Erben, sondern auch die Besteuerung einer Erbschaft. Der Wohnsitzprinzip im Erbrecht besagt, dass das Erbrecht sich nach dem Wohnsitz des Erblassers richtet, was besondere Bedeutung für internationale Erbfälle hat.

Die genaue Auslegung des Begriffs kann jedoch komplex sein, insbesondere wenn es um die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts und die damit verbundenen rechtlichen Ansprüche geht. In der Folge wird ein konkreter Fall vorgestellt und analysiert, der diese Fragestellungen aufgreift und klärt.

Der Fall vor Gericht


Internationaler Erbfall: Deutscher Erblasser verstirbt in polnischem Pflegeheim

Ein demenzerkrankter deutscher Staatsangehöriger, der gegen seinen Willen in einem polnischen Pflegeheim untergebracht war, verstarb dort am 10. Oktober 2023.

Gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers in Deutschland
Der gewöhnliche Aufenthalt eines Erblassers bleibt entscheidend in Deutschland, trotz seiner Unterbringung in einem polnischen Pflegeheim. (Symbolfoto: Flux gen.)

Das Oberlandesgericht Karlsruhe musste nun klären, ob deutsche Gerichte für die Erteilung eines Erbscheins zuständig sind, nachdem das Amtsgericht Singen dies zunächst verneint hatte.

Pflegeunterbringung im Ausland aus finanziellen Gründen

Der 1955 geborene Mann lebte ursprünglich mit seiner zweiten Ehefrau in G. Ab Mai 2022 entwickelte er eine zunehmende Demenzerkrankung, die eine häusliche Pflege unmöglich machte. Nach vorübergehenden Aufenthalten in deutschen Pflegeheimen wurde er am 1. April 2023 in einem polnischen Pflegeheim untergebracht. Diese Entscheidung erfolgte aus rein finanziellen Erwägungen, da seine monatlichen Bezüge von etwa 2.050 Euro – bestehend aus einer Rente von 192 Euro und Pflegegeld von 1.861,92 Euro – für ein deutsches Pflegeheim nicht ausreichten.

Zentrale Frage des gewöhnlichen Aufenthalts

Das OLG Karlsruhe stellte klar, dass für die internationale Zuständigkeit der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Todeszeitpunkt entscheidend ist. Dieser Begriff muss nach der EU-Erbrechtsverordnung einheitlich ausgelegt werden und erfordert neben dem tatsächlichen Aufenthalt auch einen Bleibewillen. Bei der Beurteilung sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, darunter die Dauer des Aufenthalts, familiäre und soziale Bindungen sowie die Belegenheit des Vermögens.

Gewöhnlicher Aufenthalt bleibt in Deutschland

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers weiterhin in Deutschland lag. Maßgeblich war dabei, dass der Mann ohne eigenen Willen in Polen untergebracht wurde und keinerlei persönliche Bindung zu dem Land hatte. Er sprach kein Polnisch, sein gesamtes Vermögen – hauptsächlich ein Immobilien- und ein Gesellschaftsanteil – befand sich in Deutschland, und seine familiären sowie sozialen Beziehungen bestanden ausschließlich nach Deutschland. Die reine Unterbringung in einem ausländischen Pflegeheim aus Kostengründen reichte nach Ansicht des Gerichts nicht aus, um einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen.

Deutsche Gerichte für Erbschein zuständig

Das OLG Karlsruhe hob den ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts Singen auf und verwies die Sache dorthin zurück. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte wurde bejaht, da der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der EU-Erbrechtsverordnung in Deutschland hatte. Das Amtsgericht Singen muss nun über den von der Ehefrau beantragten Erbschein in der Sache entscheiden.


Die Schlüsselerkenntnisse


Die Unterbringung eines pflegebedürftigen Menschen in einem ausländischen Pflegeheim aus finanziellen Gründen ändert nicht automatisch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der EU-Erbrechtsverordnung. Entscheidend ist der Wille des Erblassers, einen neuen Lebensmittelpunkt zu begründen. Bei einer unfreiwilligen Unterbringung oder fehlender Willensfähigkeit bleibt der bisherige gewöhnliche Aufenthalt bestehen. Deutsche Gerichte bleiben in solchen Fällen für Erbangelegenheiten zuständig, wenn der Erblasser zuvor seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hatte.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie einen pflegebedürftigen Angehörigen aus Kostengründen in einem ausländischen Pflegeheim unterbringen müssen, können Sie weiterhin in Deutschland einen Erbschein beantragen, sofern der Verstorbene zuvor hier gelebt hat. Dies gilt besonders, wenn die Person nicht selbst entscheiden konnte oder wollte, ins Ausland zu gehen. Die deutschen Nachlassgerichte bleiben zuständig, wenn der Verstorbene seine sozialen Bindungen, sein Vermögen und seine Sprachkenntnisse überwiegend in Deutschland hatte. Sie müssen den Erbschein dann bei dem Nachlassgericht beantragen, in dessen Bezirk der Verstorbene vor der Auslandsunterbringung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann liegt der gewöhnliche Aufenthalt eines Erblassers in Deutschland vor?

Der gewöhnliche Aufenthalt eines Erblassers in Deutschland wird durch eine Gesamtbeurteilung seiner Lebensumstände in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes bestimmt.

Objektive Kriterien

Die Beurteilung erfolgt anhand der Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts sowie der damit zusammenhängenden Umstände. Eine feste Mindestaufenthaltsdauer ist nicht erforderlich, jedoch gilt ein beabsichtigter Aufenthalt von mehr als sechs Monaten von Beginn an als nicht nur vorübergehend.

Der Lebensmittelpunkt muss eine besonders enge und feste Bindung zu Deutschland erkennen lassen. Dabei spielen folgende Faktoren eine wichtige Rolle:

  • Familiäre und soziale Beziehungen
  • Berufliche Verbindungen
  • Sprachkenntnisse
  • Lage der wesentlichen Vermögensgegenstände

Besondere Fallkonstellationen

Bei Grenzpendlern kann der gewöhnliche Aufenthalt auch dann in Deutschland liegen, wenn die einzige Wohnung im Ausland ist. So wurde bei einem Grenzpendler, der in Polen wohnte aber in Deutschland arbeitete und kein Polnisch sprach, der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland festgestellt.

Ein beruflich bedingter Auslandsaufenthalt begründet nicht automatisch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, wenn eine enge Bindung zu Deutschland aufrechterhalten wird. Wenn Sie beispielsweise vier Monate im Jahr in Spanien und die übrige Zeit in Deutschland leben, liegt der gewöhnliche Aufenthalt in der Regel in Deutschland.

Bedeutung des Bleibewillens

Die Frage, ob ein Bleibewille für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts erforderlich ist, wird von den Gerichten unterschiedlich bewertet. Während einige Gerichte den Bleibewillen als Voraussetzung ansehen, betrachten andere ihn lediglich als zu berücksichtigendes Kriterium.


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Welche Rolle spielt die EU-Erbrechtsverordnung bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts?

Die EU-Erbrechtsverordnung macht den gewöhnlichen Aufenthalt zum zentralen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des anwendbaren Erbrechts und der gerichtlichen Zuständigkeit. Seit dem 17. August 2015 gilt grundsätzlich das Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts

Für die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod erforderlich. Dabei werden folgende Faktoren berücksichtigt:

  • Die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts
  • Die familiären und sozialen Bindungen
  • Die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit
  • Die Belegenheit der Vermögensgegenstände
  • Die Sprachkenntnisse

Besondere Fallkonstellationen

Bei komplexen Fällen, etwa wenn der Erblasser aus beruflichen Gründen in einem anderen Land lebte, sieht die EU-Erbrechtsverordnung eine Ausnahmeregelung vor. Wenn sich bei der Gesamtbeurteilung ergibt, dass der Erblasser eine engere Bindung zu einem anderen Staat hatte, kann vom Grundsatz des letzten gewöhnlichen Aufenthalts abgewichen werden.

Rechtliche Auswirkungen

Die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts hat weitreichende Konsequenzen: Das entsprechende nationale Erbrecht findet auf den gesamten Nachlass Anwendung, unabhängig davon, wo sich die Vermögensgegenstände befinden. Dies verhindert eine Nachlassspaltung und sorgt für eine einheitliche Behandlung des Nachlasses.

Wenn Sie beispielsweise als deutscher Staatsangehöriger Ihren Lebensabend in Südtirol verbringen und zusätzlich Immobilien in Paris und Köln besitzen, würde italienisches Erbrecht auf Ihren gesamten Nachlass Anwendung finden.


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Welche Auswirkungen hat der gewöhnliche Aufenthalt auf die Zuständigkeit deutscher Gerichte?

Der gewöhnliche Aufenthalt ist der zentrale Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit deutscher Gerichte in verschiedenen Rechtsgebieten.

Familienrechtliche Verfahren

In Kindschaftssachen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn Sie beispielsweise mit Ihrem Kind in München leben, ist das dortige Amtsgericht für Sorgerechts- und Umgangsverfahren zuständig. Bei einem rechtmäßigen Umzug des Kindes in einen anderen Staat wechselt die gerichtliche Zuständigkeit erst nach Ablauf von sechs Monaten.

Erbschaftsangelegenheiten

Bei Erbfällen bestimmt der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Verstorbenen die Zuständigkeit des Nachlassgerichts. Wenn ein Erblasser etwa die Hälfte des Jahres in Deutschland und die andere Hälfte in Spanien verbracht hat, muss das Nachlassgericht durch eine Gesamtbetrachtung ermitteln, wo der tatsächliche Lebensmittelpunkt lag. Die Entscheidung hat weitreichende praktische Folgen: Das zuständige Gericht wendet sein eigenes Erbrecht an und ist für den gesamten Nachlass zuständig – auch für Vermögen im Ausland.

Betreuungsrecht

In Betreuungssachen richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der zu betreuenden Person. Ein vorübergehender Krankenhausaufenthalt ändert den gewöhnlichen Aufenthalt nicht. Anders verhält es sich bei einer dauerhaften Unterbringung in einem Pflegeheim – hier kann ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt entstehen.

Besondere Konstellationen

Bei mehreren möglichen Aufenthaltsorten ist der Ort maßgeblich, zu dem die stärksten beruflichen, familiären und sozialen Bindungen bestehen. Die Staatsangehörigkeit oder die formelle Meldeanschrift sind dabei nicht entscheidend. Ausschlaggebend ist die tatsächliche Integration in das soziale und familiäre Umfeld.


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Wie wirkt sich ein unfreiwilliger Auslandsaufenthalt auf den gewöhnlichen Aufenthalt aus?

Ein unfreiwilliger Auslandsaufenthalt kann durchaus einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 9 AO begründen. Die Freiwilligkeit des Aufenthalts ist für die steuerrechtliche Beurteilung nicht entscheidend.

Dauerhafte freiheitsentziehende Unterbringung

Bei einer dauerhaften freiheitsentziehenden Unterbringung wird am Unterbringungsort ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet, auch wenn dies gegen den Willen der betroffenen Person geschieht. Dies gilt besonders in zwei Fällen:

  • Wenn nicht absehbar ist, ob und wann eine Entlassung möglich ist
  • Wenn kein anderer Lebensmittelpunkt mehr besteht

Zeitliche Komponente

Bei unfreiwilligen Aufenthalten reicht bereits ein kurzer Zeitraum aus, wenn der Aufenthalt auf Dauer angelegt ist. Die übliche Sechs-Monats-Frist des § 9 AO spielt hier eine untergeordnete Rolle.

Vorübergehende unfreiwillige Aufenthalte

Anders verhält es sich bei zeitlich begrenzten unfreiwilligen Aufenthalten. Ein Klinikaufenthalt begründet in der Regel keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt, selbst wenn dieser ein bis zwei Jahre dauert. Dies gilt allerdings nur, wenn:

  • Der Aufenthalt nicht dauerhaft sein soll
  • Eine konkrete Rückkehrabsicht besteht

Beurteilung des Lebensmittelpunkts

Bei der Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts sind die tatsächlichen Umstände entscheidend. Der Ort muss den Lebensmittelpunkt darstellen, also der Ort sein, zu dem die stärkeren beruflichen, familiären und sozialen Bindungen bestehen als zu jedem anderen Ort. Dies gilt auch bei unfreiwilligen Aufenthalten.


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Welche Bedeutung haben Vermögenswerte für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts?

Die Belegenheit wesentlicher Vermögenswerte kann bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ein wichtiger Entscheidungsfaktor sein, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt nicht eindeutig feststellen lässt.

Bedeutung bei mehreren Aufenthaltsorten

Wenn Sie zwischen mehreren Staaten pendeln, ohne sich in einem Staat für längere Zeit niederzulassen, kann der Ort Ihrer wesentlichen Vermögenswerte ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung sein. Dies gilt auch, wenn Sie sich aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen in einem anderen Staat aufhalten, aber eine enge Bindung zu Ihrem Herkunftsstaat aufrechterhalten haben.

Vermögenswerte als Teil der Gesamtbeurteilung

Die Lage der wesentlichen Vermögenswerte wird stets im Zusammenhang mit anderen Faktoren betrachtet. Zu diesen Faktoren gehören:

  • Die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts
  • Familiäre und soziale Bindungen
  • Sprachkenntnisse
  • Der nach außen erkennbare Bleibewille

Praktische Anwendung

Wenn Sie beispielsweise als deutscher Staatsangehöriger Ihr gesamtes Vermögen in Deutschland haben, kann dies bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts relevant werden. Dies ist besonders dann der Fall, wenn Sie sich zwar im Ausland aufhalten, aber eine enge und feste Bindung zu Deutschland aufrechterhalten.

Die Vermögenswerte allein sind jedoch nicht ausschlaggebend. So kann auch bei einem ausschließlich in Deutschland belegenen Vermögen der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland liegen, wenn andere Faktoren dafür sprechen.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Gewöhnlicher Aufenthalt

Der „gewöhnliche Aufenthalt“ ist ein zentraler Begriff im Erbrecht, insbesondere bei internationalen Erbfällen. Er bezieht sich auf den Ort, an dem eine Person ihren Lebensmittelpunkt hat, also wo sie sich tatsächlich und regelmäßig aufhält und wo ihre familiären und sozialen Beziehungen liegen. Im Rahmen der EU-Erbrechtsverordnung spielt der gewöhnliche Aufenthalt eine entscheidende Rolle, da er bestimmt, welches nationale Erbrecht zur Anwendung kommt. Im vorliegenden Fall stellte das Oberlandesgericht Karlsruhe fest, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers trotz seines Aufenthalts in einem polnischen Pflegeheim weiterhin in Deutschland lag, da er dort ohne eigenen Willen untergebracht wurde und keine Bindung zu Polen hatte. Ein Beispiel wäre eine Person, die beruflich in ein anderes Land zieht und dort langfristig lebt – dieser Ort wäre dann ihr gewöhnlicher Aufenthalt.


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Erbschein

Ein Erbschein ist ein amtliches Dokument, das die Erben legitimiert und ihnen das Recht gibt, den Nachlass eines Verstorbenen zu verwalten und darüber zu verfügen. Er wird von einem Nachlassgericht ausgestellt und bestätigt, wer Erbe ist und in welchem Umfang er erbt. Im Kontext des beschriebenen Falls war die Erteilung des Erbscheins ein zentraler Punkt, da um die Zuständigkeit für die Ausstellung gestritten wurde. Eine wichtige gesetzliche Grundlage ist § 2353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Ein anschauliches Beispiel: Stirbt eine Person, muss der Erbe oft einen Erbschein vorlegen, um Zugriff auf Konten des Verstorbenen zu erhalten oder Immobilien rechtlich zu übernehmen.


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Internationale Zuständigkeit

Unter der „internationalen Zuständigkeit“ versteht man die Frage, welches Land in einem grenzüberschreitenden Fall das Recht hat, bestimmte gerichtliche Entscheidungen zu treffen. Im beschriebenen Fall ging es darum, ob die deutschen oder die polnischen Gerichte für die Erteilung des Erbscheins zuständig sind. Die internationale Zuständigkeit wird oft durch Regelungen wie die EU-Erbrechtsverordnung bestimmt, die den gewöhnlichen Aufenthalt des Verstorbenen als Kriterium für die Zuständigkeit vorschreibt. Ein Beispiel wäre ein Deutscher, der in Frankreich lebt und stirbt – die internationalen Zuständigkeiten würden dann bestimmen, welches Land für die Erbschaftsabwicklung verantwortlich ist.


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Bleibewillen

Der „Bleibewillen“ ist ein rechtlicher Faktor, der bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts berücksichtigt wird. Er beschreibt, ob eine Person den festen Willen hat, sich dauerhaft an einem bestimmten Ort niederzulassen. Im Fall des deutschen Rentners, der in einem polnischen Pflegeheim untergebracht wurde, stellte das Gericht fest, dass kein Bleibewillen für Polen bestand, da er gegen seinen Willen dorthin gebracht wurde. Ein Beispiel wäre jemand, der aus beruflichen Gründen in einer Stadt arbeitet, sich aber entscheidet, seinen dauerhaften Wohnsitz in einer anderen Stadt zu behalten und dort sein soziales Leben führt.


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Erbstatut

Das Erbstatut bestimmt, welches Erbrecht auf einen Erbfall angewendet wird. In internationalen Fällen ist dabei entscheidend, welches nationale Recht maßgeblich ist. Der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers kann hier eine ausschlaggebende Rolle spielen. Das Erbstatut beeinflusst die Erbfolge, die Rechte der Erben und die Verwaltung des Nachlasses. Im vorliegenden Rechtsstreit ging es darum, ob das deutsche oder polnische Erbrecht zur Anwendung kommt. Ein einfaches Beispiel: Wenn ein deutscher Bürger in Frankreich stirbt, regelt das Erbstatut, ob deutsches oder französisches Erbrecht anzuwenden ist.


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Oberlandesgericht

Ein Oberlandesgericht (OLG) ist in Deutschland das zweitinstanzliche Gericht für Zivilsachen und strafrechtliche Berufungen. Es ist in der Regel für Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen von Landgerichten zuständig. Im Fall des deutschen Rentners entschied das OLG Karlsruhe über die internationale Zuständigkeit im Rechtsstreit um den Erbschein, nachdem das Amtsgericht zuvor eine andere Entscheidung getroffen hatte. Ein Beispiel: Wenn ein Landgericht ein Urteil gefällt hat, kann eine der Parteien das Urteil beim Oberlandesgericht anfechten, um eine Überprüfung oder Änderung zu erwirken.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) – Art. 4: Dieser Artikel regelt die internationale Zuständigkeit für Entscheidungen in Erbsachen. Gemäß Art. 4 sind die Gerichte des Mitgliedstaat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt des Todes hatte, für die Entscheidungen über den gesamten Nachlass zuständig. Das bedeutet, dass der gewöhnliche Aufenthalt entscheidend ist, um festzustellen, welches Gericht zuständig ist. In dem vorliegenden Fall wird diskutiert, ob der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in Deutschland war, was für die Zuständigkeit der deutschen Gerichte spricht.
  • Familienverfahrensgesetz (FamFG) – § 97: Dieser Paragraph bezieht sich auf die internationalen Zuständigkeitsregelungen für Nachlassverfahren. Gemäß § 97 FamFG finden die Vorschriften der EuErbVO Anwendung, was bedeutet, dass diese vorrangig zu beachten sind. Der Bezug zu diesem Paragraphen zeigt, dass der Erbscheinsantrag nach den Regeln der EuErbVO zu prüfen ist, insbesondere wenn es um die Zuständigkeit deutscher Gerichte im internationalen Kontext geht, wie es in diesem Fall der Fall ist.
  • Familienverfahrensgesetz (FamFG) – § 69 Abs. 1: In diesem Paragraphen wird beschrieben, dass ein Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen wird, wenn die Zuständigkeit anders zu bestimmen ist. Im aktuellen Fall läuft das Verfahren darauf hinaus, dass das Amtsgericht Singen aufgrund des festgestellten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers in Deutschland für die Erteilung des Erbscheins zuständig ist. Der richtige Verfahrensweg ist entscheidend, um die Rechte der Beteiligten zu wahren und eine klare gerichtliche Entscheidung zu erhalten.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – § 1922: Dieser Paragraph regelt den Erbfall und legt fest, dass mit dem Tod des Erblassers dessen Vermögen auf die Erben übergeht. Zudem wird hier die Erbfolge beschrieben, was für die Erbverhältnisse im vorliegenden Fall von Bedeutung ist, da die Beteiligte den Antrag auf einen Erbschein stellt. Die Klärung darüber, wer rechtlich als Erbe gilt, ist ein zentraler Punkt der Verhandlung und somit auch für die Rechtsprechung entscheidend.
  • Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) – Erwägungsgrund 22: Dieser Erwägungsgrund erläutert, dass der gewöhnliche Aufenthalt den Ort angibt, wo sich der Erblasser in der Zeit vor seinem Tod durchgängig aufgehalten hat. Er betont die Notwendigkeit der klassischen Definition des gewöhnlichen Aufenthalts im internationalem Erbrecht. Im vorliegenden Fall steht die Frage im Raum, wo der Erblasser tatsächlich gelebt hat, um seine internationalen Erbrechtsansprüche zu klären und die Zuständigkeit des Amtsgerichts festzustellen.

Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 14 W 50/24 (Wx) – Beschluss vom 22.07.2024


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