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Auslegung eines Vorausvermächtnisses – Verfehlung des Vermächtniszwecks

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 71/22 – Beschluss vom 12.08.2022

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 4. wird verworfen.

II. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 5. wird der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf – Nachlassgericht – vom 8. September 2021 abgeändert.

Auf den Antrag der Beteiligten zu 5. vom 24. Juni 2020 wird die Beteiligte zu 1. aus ihrem Amt als Testamentsvollstreckerin entlassen.

III. Die Beteiligte zu 1. hat die Gerichtskosten des ersten Rechtszuges zu tragen. Sie hat darüber hinaus der Beteiligten zu 5. die ihr im amtsgerichtlichen Verfahren sowie im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beteiligten zu 4. zur Last.

Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

V. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1. ist aufgrund gemeinschaftlichen Testaments vom 19. Juli 1991 (GA 12 ff.) zur Testamentsvollstreckerin nach dem Tod ihres vorverstorbenen Ehemannes berufen. In der letztwilligen Verfügung der Eheleute heißt es dazu:

„5. Abwicklungstestamentsvollstreckung

Der Zuerstversterbende von uns ordnet für seinen Nachlass Testamentsvollstreckung an und bestimmt den überlebenden Ehegatten zu seinem Testamentsvollstrecker. Der Testamentsvollstrecker hat den Nachlass abzuwickeln und die Vermächtnisse zu erfüllen. Er ist berechtigt, den Nachlass unter den Erben nach seinem billigen Ermessen zu teilen. Dem Testamentsvollstrecker stehen alle Rechte und Befreiungen zu, die nach dem Gesetz zulässig sind. Insbesondere ist er in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt und vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit.“

Die Beteiligte zu 1. hat das Amt der Testamentsvollstreckerin mit notarieller Urkunde vom 17. Januar 2019, beim Nachlassgericht eingegangen am 23. Januar 2019, angenommen (…); ihr ist am 12. November 2019 ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt worden (…).

Der Beteiligten zu 1. (und den Beteiligten zu 2. und zu 3.) ist darüber hinaus vom Erblasser durch notarielle Urkunde vom 16. Februar 2018 (…) Generalvollmacht in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten und über den Tod des Vollmachtgebers hinaus eingeräumt worden. In der Notarurkunde ist klargestellt, dass die Vollmacht im Innenverhältnis nur verwendet werden soll, wenn der Erblasser aufgrund einer körperlichen oder psychischen Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen oder wenn er den Bevollmächtigten ausdrücklich beauftragt.

Die Beteiligten zu 2. bis zu 5. sind die ehelichen Abkömmlinge der Eheleute. Sie sind neben der Beteiligten zu 1., auf die eine hälftige Erbquote entfällt, testamentarisch zu jeweils 1/8 als Erben des Erblassers eingesetzt. Ein gemeinschaftlicher Erbschein mit diesem Inhalt ist am 12. November 2019 erteilt worden (…).

Soweit vorliegend von Interesse, enthält das gemeinschaftliche Testament außerdem die folgenden Bestimmungen:

„2. Vorausvermächtnis zugunsten des überlebenden Ehegatten

Der Zuerstversterbende von uns wendet dem Überlebenden im Wege des Vorausvermächtnisses zu:

a) das von uns beim Erbfall bewohnte Wohnhaus oder die in diesem Zeitpunkt von uns bewohnte Eigentumswohnung, soweit diese Immobilie dem Zuerstversterbenden von uns gehört,

b) …

4. Übernahmerecht für den überlebenden Ehegatten

Der überlebende Ehegatte ist nach seinem freien Ermessen berechtigt, jederzeit den Nachlass oder einzelne Nachlassgegenstände in sein Alleineigentum gegen Vergütung des Verkehrswertes der übernommenen Vermögenswerte zu übernehmen. Kommt eine Einigung über den Verkehrswert nicht zustande, so wird dieser ermittelt

a) bei Immobilien

von dem örtlich zuständigen Gutachterausschuss nach dem Baugesetzbuch

b) bei anderen Gegenständen

von einem Sachverständigen, der auf Antrag eines Erben von der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf bestimmt wird.

Nutzen, Lasten und Gefahren für die übernommenen Gegenstände gehen mit der Ausübung des Übernahmerechts auf den überlebenden Ehegatten über. Der Übernahmepreis ist innerhalb von drei Monaten nach diesem Zeitpunkt in den Nachlass zu zahlen, und zwar ohne Verzinsung bis dahin, soweit keine Verrechnung im Rahmen einer ganzen oder teilweisen Erbauseinandersetzung erfolgt.“

Mit Schreiben vom 24. Juni 2020 hat die Beteiligte zu 5. die Entlassung der Beteiligten zu 1. als Testamentsvollstreckerin beantragt. Sie meint, diese sei aus gesundheitlichen Gründen zur Ausübung des Amtes nicht mehr in der Lage und habe überdies in mehrfacher Hinsicht ihre Pflichten als Testamentsvollstreckerin verletzt. Zu Unrecht habe die Beteiligte zu 1. in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin das Hausgrundstück „K… in D…“ als Vorausvermächtnis in Anspruch genommen und den auf den Erblasser entfallenden Miteigentumsanteil mit notariellem Vertrag vom 17. Januar 2019 (…) auf sich selbst übertragen. Bei Eintritt des Erbfalles im Dezember 2018 habe es sich nicht mehr um das vom Erblasser und seiner Ehefrau bewohnte Haus gehandelt, weil beide bereits viele Monate zuvor im September oder Oktober 2017 aufgrund der Pflegbedürftigkeit des Erblassers in das Haus der Beteiligten zu 2. und zu 3. in N…, P…, gezogen seien und die Beteiligte zu 1. dort bis heute lebe. Darüber hinaus habe die Beteiligte zu 1. die im Alleineigentum des Erblassers stehende Immobilie „B… in D…“ durch notariellen Vertrag vom 16. Juli 2019 in Ausübung der Generalvollmacht des Erblassers unter Wert und ohne die Einholung eines Wertgutachtens zu einem Kaufpreis von 850.000 Euro auf sich übertragen (…). Den Kaufpreis habe die Beteiligte zu 1. zwar auf ein neu errichtetes Konto bei der Commerzbank eingezahlt, den Betrag aber am 16. Juni 2020 auf ihr eigenes Konto zurücküberwiesen. Die Beteiligte zu 1. beanspruche vollkommen zu Unrecht ferner einen Zugewinnausgleich in Höhe von rund 500.000 Euro und habe ihre Testamentsvollstreckerleistungen ohne nähere Aufschlüsselung mit einem maßlos übersetzten Betrag von 50.000 Euro in Rechnung gestellt. Schließlich sei der Beteiligten zu 1. vorzuwerfen, weder ein ordnungsgemäßes Nachlassverzeichnis erstellt noch die Auseinandersetzung des Nachlasses betrieben zu haben.

Der Beteiligte zu 4. hat sich in der Sache dem Standpunkt der Beteiligten zu 5. angeschlossen, aber keinen eigenen Entlassungsantrag gestellt.

Durch die angefochtene Entscheidung hat das Nachlassgericht den Entlassungsantrag der Beteiligten zu 5. zurückgewiesen. Zwar hat es angenommen, dass die Beteiligte zu 1. ein unvollständiges Nachlassverzeichnis vorgelegt und die Erstellung des Verzeichnisses verzögert habe, zudem willkürlich einen Zugewinnanspruch reklamiere und die Vergütungsforderung mit 50.000 Euro weit übersetzt sei. Gleichwohl überwiege – so das Amtsgericht – das Fortführungsinteresse der Beteiligten zu 1. das Entlassungsinteresse der Beteiligten zu 5., weil das Verhältnis der Beteiligten untereinander noch nicht zerrüttet sei und trotz der zutage getretenen Meinungsverschiedenheiten eine Auseinandersetzung des Nachlasses innerhalb der Familie stattzufinden habe. Dem Interesse der Beteiligten zu 4. und zu 5. an der zeitnahen und vollständigen Errichtung eines Nachlassverzeichnisses sei dadurch Rechnung getragen, dass sie die Beteiligte zu 1. im Klagewege in Anspruch nehmen könnten.

Dagegen richten sich die Beteiligten zu 4. und zu 5. mit ihren Beschwerden. Sie wenden sich vor allem mit Rechtsausführungen gegen die Erwägungen des Amtsgerichts und wiederholen ihren Standpunkt, dass die Beteiligte zu 1. in mehrfacher Hinsicht Anlass zur Entlassung aus dem Amt der Testamentsvollstreckerin gegeben habe.

Die Beteiligten zu 1. bis zu 3. verteidigen demgegenüber die angefochtene Entscheidung und treten den Ausführungen der Beschwerde im Einzelnen entgegen.

Das Amtsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 26. April 2022 zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Nachlassakten 93a VI 52/19 und 93a IV 167/19, beide AG Düsseldorf, sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 4. ist unzulässig, während der Rechtsbehelf der Beteiligten zu 5. Erfolg hat und zur Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung führt.

A. Die Beschwerde des Beteiligten zu 4. ist zu verwerfen. Es fehlt an der erforderlichen Beschwerdeberechtigung. Zwar ist der Beteiligte zu 4. als Miterbe nach dem Tod des Erblassers durch die angefochtene Entscheidung im Sinne von § 59 Abs. 1 FamFG in eigenen Rechten – und nicht nur in wirtschaftlichen, moralischen, ideellen oder sonstigen Interessen – verletzt. Das alleine vermittelt ihm indes keine Beschwerdebefugnis. Gemäß § 59 Abs. 2 FamFG ist in Fällen, in denen – wie hier – der angefochtene Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, ausschließlich der in erster Instanz erfolglos gebliebene Antragsteller zur Beschwerde berechtigt. Das ist im Streitfall die Beteiligte zu 5. und nicht auch der Beteiligte zu 4.. Er hat sich zwar in der Sache dem Standpunkt der Beteiligten zu 5. angeschlossen und ihren Sachvortrag bestätigt, allerdings keinen eigenen Antrag auf Entlassung der Beteiligten zu 1. gestellt. Das hat das Amtsgericht zutreffend beurteilt und folgerichtig alleine den Entlassungsantrag der Beteiligten zu 5. zurückgewiesen. Die im Beschwerdeverfahren hinzugezogenen anwaltlichen Vertreter des Beteiligten zu 5. haben dies auch zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt oder als fehlerhaft gerügt.

B. Der Rechtsbehelf der Beteiligten zu 5. hat Erfolg. Die Beteiligte zu 1. ist aus dem Amt als Testamentsvollstreckerin zu entlassen, weil sie ihre Amtspflichten in schwerwiegender Weise und schuldhaft verletzt hat und das Entlassungsinteresse der Beteiligten zu 5. das Interesse der Beteiligten zu 1. bis zu 3. an der Fortsetzung der Testamentsvollstreckung durch die Beteiligte zu 1. deutlich überwiegt.

1. Nach § 2227 BGB kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker auf Antrag entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, wobei ein solcher Grund insbesondere eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung ist.

a) Ob ein wichtiger Grund in diesem Sinne vorliegt, beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalles. Dabei ist bereits bei der Prüfung eines wichtigen Grundes zwischen dem Interesse an der Beibehaltung im Amt und dem entgegengesetzten Interesse an der Entlassung des Testamentsvollstreckers abzuwägen mit der Folge, dass im Ergebnis nur Gründe eine Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers rechtfertigen, die ein solches Gewicht besitzen, dass sie sich gegenüber den für eine Fortführung des Amtes sprechenden Gründen durchsetzen. Bei der gebotenen Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Testamentsvollstrecker um die nach dem Willen des Erblassers amtierende Vertrauensperson handelt und deshalb Beachtung verdient, ob die in Rede stehenden Umstände den Erblasser, wenn er noch lebte, zum Widerruf der Ernennung des von ihm ausgewählten Testamentsvollstreckers veranlasst hätten. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass § 2227 BGB angesichts der beschränkten Funktionen des Nachlassgerichts bei einer Testamentsvollstreckung die einzige effektive Möglichkeit bietet, das Testamentsvollstreckerverfahren zu beeinflussen und die Nachlassbeteiligten nötigenfalls durch staatliche Gerichte zu schützen (Senat, FamRZ 2000, 191 f; BayObLG FamRZ 2000, 1055 f; KG FamRZ 2011, 1254 ff; SchlHOLG FamRZ 2016, 1705 ff). Durch diesen Gesichtspunkt ist gewährleistet, dass ein objektiv unvernünftiger mutmaßlicher Wille des Erblassers im Einzelfall überwunden werden kann.

b) Wird das Entlassungsgesuch – wie vorliegend – mit dem Vorwurf begründet, der Testamentsvollstrecker habe bei der Verwaltung oder Auseinandersetzung des Nachlasses seine Pflichten verletzt, setzt ein wichtiger Grund im Sinne von § 2227 BGB nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 7. 10. 2021, I-3 Wx 59/21 m.w.N.) Dreierlei voraus:

aa) Die zur Last gelegte Pflichtverletzung muss geeignet sein, die berechtigten Belange des antragstellenden Miterben, namentlich die mit seiner Miterbenstellung verbundenen Vermögensinteressen, zu beeinträchtigen.

bb) Die Pflichtverletzung muss zudem schuldhaft begangen worden sein (BGH, NJW 2017, 2112) und überdies ein solches Gewicht besitzen, dass sie nach den konkreten Umständen des Falles als eine grobe Verfehlung betrachtet und wertungsmäßig mit der Unfähigkeit des Testamentsvollstreckers zu einer ordnungsgemäßen Ausübung seines Amtes auf eine Stufe gestellt werden kann.

cc) Die Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens des Erblassers muss schließlich nach den jeweiligen Umständen des Falles zu dem Ergebnis führen, dass der Testamentsvollstrecker aus seinem Amt entfernt werden muss.

2. Im Streitfall führen die nachfolgend aufgeführten Gründe zu einer Entlassung der Beteiligten zu 1. aus dem Amt der Testamentsvollstreckerin.

a) Die Beteiligte zu 1. hat ihre Pflichten als Testamentsvollstreckerin in mehrfacher Hinsicht schuldhaft und schwerwiegend verletzt.

aa) Eine erhebliche und schuldhafte Pflichtverletzung liegt bereits darin, dass die Beteiligte zu 1. das Hausgrundstück „K … in D…“ als Vorausvermächtnis in Anspruch genommen und den auf den Erblasser entfallenden Miteigentumsanteil auf sich selbst übertragen hat. In Wahrheit stand der Grundbesitz nicht der Beteiligten zu 1. zu, sondern ist in den Nachlass gefallen.

(1) Nach Ziffer 2. a) des gemeinschaftlichen Testaments hat der Erblasser seiner Ehefrau als Vorausvermächtnis das von den Eheleuten „beim Erbfall bewohnte Wohnhaus“ zugewendet. Ziel dieses Vorausvermächtnisses war es, dem überlebenden Ehegatten die beim Tod des Erstversterbenden genutzte Wohnunterkunft zu sichern und sie dem Einfluss der Miterben zu entziehen. Für die Qualifizierung als von den Eheleuten bewohntes Wohnhaus kommt es vor diesem Hintergrund nicht – wie die Beteiligte zu 1. meint – darauf an, in welchem Wohnhaus die Eheleute vor ihrem Einzug in das Haus der Beteiligten zu 2. und zu 3. gemeinsam gelebt haben. Maßgeblich ist im Entscheidungsfall vielmehr, ob die Eheleute im September/Oktober 2017 nur vorübergehend zu ihren Töchtern, den Beteiligten zu 2. und zu 3., gezogen sind und ob die Beteiligte zu 1. noch im Zeitpunkt des Erbfalles am 27. Dezember 2018 die Absicht hatte, in ihr früheres Wohnhaus zurückzukehren. Nur in diesem Falle wäre die Immobilie „K… . in D…“ das „beim Erbfall bewohnte Wohnhaus“, das dem überlebenden Ehegatten durch Vorausvermächtnis gesichert werden soll. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts lassen sich diese Voraussetzungen nicht feststellen.

(1.1) Dabei kann auf sich beruhen, ob die Eheleute während des Aufenthalts bei den Beteiligten zu 2. und zu 3. die Absicht hatten, wieder zurück in ihr Wohnhaus „K… in D…“ zu ziehen, sobald der Gesundheitszustand des Erblassers dies zulassen würde. Zwar behauptet die Beteiligte zu 1. Entsprechendes; ihr diesbezüglicher Sachvortrag ist indes nicht nachvollziehbar. Wie die Beteiligte zu 1. selbst vorträgt, hat man das eigene Wohnhaus verlassen, weil der Erblasser nach einem Krankenhausaufenthalt pflegebedürftig war. Unter der neuen Anschrift haben die Eheleute sodann bis zum Tod des Ehemannes Ende Dezember 2018 mindestens vierzehn Monate gelebt. Dass sich der Pflegezustand des Erblassers während dieses Zeitraums in einem Maße gebessert hat, dass ein Rückzug in das eigene Wohnhaus in Betracht kommen konnte, oder dass bis zum Eintritt des Erbfalles zumindest mit einer solchen Besserung gerechnet werden konnte, legt die Beteiligte zu 1. nicht ansatzweise dar; dazu ist auch sonst nichts ersichtlich. Aus diesem Grund ist der reklamierte Rückzugswille der Eheleute nach dem vorgetragenen Sach- und Streitstand nicht glaubhaft vorgetragen.

(1.2) Letztlich muss dieser Frage allerdings nicht nachgegangen werden. Denn die weitere notwendige Feststellung für das Vorausvermächtnis, dass nämlich die Beteiligte zu 1. seit dem Tod ihres Mannes den Wunsch besitzt, in ihr Wohnhaus zurückzukehren, lässt sich nicht treffen.

Zwar hat die Beteiligte zu 1. das Hausgrundstück „K… in D…“ bis heute weder veräußert noch geräumt und ist unter der Anschrift postalisch erreichbar. Das rechtfertigt allerdings nicht die Annahme, die Beteiligte zu 1. sei nur vorübergehend zu ihren Töchtern nach N… gezogen und beabsichtige seit dem Tod ihres Ehemannes, in das frühere eheliche Wohnhaus zurückzukehren. Die Beteiligte zu 1. lebt seit September/Oktober 2017 – mithin seit nunmehr fast fünf Jahren – im Haushalt der Beteiligten zu 2. und zu 3.. Dass sie in diesem Zeitraum zu irgendeinem Zeitpunkt irgendwelche Anstrengungen für einen Rückzug in das eigene Wohnhaus unternommen hat, trägt die Beteiligte zu 1. nicht vor; dazu ist auch sonst nichts zu erkennen. Ebenso wenig sind Hinderungsgründe für einen Rückzug ersichtlich. Die Beteiligte zu 1. betont im Gegenteil ihre gute körperliche und geistige Verfassung und legt Wert auf die Feststellung, dass sie trotz ihres hohen Alters von mittlerweile fast 92 Jahren uneingeschränkt in der Lage ist, ein selbstbestimmtes Leben ohne jegliche Einflussnahme oder gar Kontrolle von außen zu führen (…). Bei dieser Ausgangslage lässt eine lebensnahe Betrachtung nur eine Schlussfolgerung zu: Die Beteiligte zu 1. hat ihren Lebensmittelpunkt im September/Oktober 2017 von Düsseldorf nach Neuss verlegt und spätestens seit dem Tod ihres Ehemannes den Wunsch aufgegeben, in das Wohnhaus „K… in D…“ zurückzukehren.

Das gilt umso mehr, als das Haus der Beteiligten zu 2. und zu 3. für die Beteiligte zu 1. weder von seinem Zuschnitt noch von seiner Ausstattung her eine bloß vor-übergehende Bleibe war und ist. Die Beteiligte zu 5. hat nämlich im Beschwerdeverfahren (….) unwidersprochen vorgetragen, dass der Erblasser und seine Ehefrau seit langer Zeit mit den Beteiligten zu 2. und zu 3. in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben, und zwar mit der gesamten Familie zunächst im Familienhaus „P… in N…“ und seit Anfang der 80er Jahre in dem neu errichteten Wohnhaus „“K… in D…“. Das Hausgrundstück „P… in N…“ sei – so die Beteiligte zu 5. unwiderlegt weiter – den Beteiligten zu 2. und zu 3. im Jahr 2007 im Wege vorweggenommener Erbfolge übertragen worden, ohne dass diese allerdings ihren Wohnsitz nach dort verlegt haben. Bis in das Jahr 2017 hätten der Erblasser, die Beteiligte zu 1. sowie die Beteiligten zu 2. und zu 3. vielmehr unverändert im Haus „K… in D…“ gewohnt. Erst im Herbst 2017 sei der Umzug zur Adresse „P… in N…“ erfolgt. Dass die Beteiligte zu 1. seither zusammen mit den Beteiligten zu 2. und zu 3. in N… wohnt, aber gleichwohl unverändert den Wunsch haben soll, in das Haus „K… in D…“ zurückzukehren, ist nicht glaubhaft.

Ob die Beteiligte zu 1. – wie das Amtsgericht erwogen hat – das Hausgrundstück „K… in D…“ ungenutzt vorhält, um bei einem etwaigen Zerwürfnis mit den Beteiligten zu 2. und zu 3. oder für den Fall, dass sie (die Beteiligte zu 1.) in einem Umfang Pflege benötigt, die die Beteiligten zu 2. und zu 3. nicht leisten können oder wollen, eine Unterkunft zu besitzen, kann dahin stehen. Daraus ergäbe sich jedenfalls nicht die Befugnis der Beteiligten zu 1., sich den Miteigentumsanteil des Erblassers als Vorausvermächtnis zu übertragen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der letztwilligen Verfügung erstreckt sich das Vorausvermächtnis auf das von den Eheleuten „beim Erbfall“ bewohnte Wohnhaus und dient alleine dem Ziel, dem überlebenden Ehepartner dieses als Wohnstätte zu sichern. Von dem Vermächtniszweck ist es nicht mehr gedeckt, wenn der überlebende Ehegatte im Zeitpunkt des Erbfalles eine andere Unterkunft gefunden hat und ein Rückgriff auf die ehemals eheliche Wohnung völlig ungewiss ist.

(2) Die Beteiligte zu 1. hat bei der unberechtigten Inanspruchnahme des Vorausvermächtnisses schuldhaft, d.h. zumindest fahrlässig gehandelt. Wortlaut und Regelungszweck der letztwilligen Verfügung legen es bei verständiger, ergebnisoffener Betrachtung nahe, dass das Vorausvermächtnis nach dem Willen des Erblassers alleine dem Ziel dient, dem überlebenden Ehegatten das beim Tod des Erstversterbenden bewohnte Haus als Wohnort zu sichern. Ebenso drängt sich auf, dass die Voraus-setzungen des Vorausvermächtnisses dann nicht vorliegen, wenn der letztversterbende Ehegatte nach dem Tod des Ehepartners seinen Lebensmittelpunkt nicht mehr im ehelichen Haus halten möchte und der Vermächtniszweck infolge dessen verfehlt würde. Beides hätte die Beteiligte zu 1. ohne weiteres erkennen können. Ihr hätte deshalb bei der gebotene Aufmerksamkeit auch bewusst sein können, durch die Inanspruchnahme des Vermächtnisses rechtswidrig zu handeln. Dass die Beteiligte zu 1. spätestens seit Ende Dezember 2018 im Haus der Beteiligten zu 2. und zu 3. wohnt und eine Rückkehr in das frühere eheliche Haus nicht beabsichtigt, steht zur Überzeugung des Senats fest.

bb) Die Beteiligte zu 1. hat ihre Pflichten als Testamentsvollstreckerin außerdem dadurch in gravierender Weise und schuldhaft verletzt, dass sie sich das im Alleineigentum des Erblassers stehende Hausgrundstück „B… in D…“ zu einem Kaufpreis von 850.000 Euro zu Eigentum übertragen hat.

(1) Ein Fehlverhalten scheidet nicht – wie das Amtsgericht meint – von vornherein deshalb aus, weil die Beteiligte zu 1. die Eigentumsübertragung im Juli 2019 nicht in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin, sondern unter Inanspruchnahme der ihr vom Erblasser über dessen Tod hinaus erteilten Generalvollmacht veranlasst hat. Von der Generalvollmacht des Erblassers hat die Beteiligte zu 1. Gebrauch gemacht, weil seinerzeit weder die Erbfolge geklärt noch ein Erbschein und das Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt waren. Die Inanspruchnahme der Generalvollmacht ändert indes nichts an der Tatsache, dass die Beteiligte zu 1. der Sache nach eine teilweise Auseinandersetzung des Nachlasses vorgenommen und damit de facto Aufgaben als Testamentsvollstreckerin des Erblassers erledigt hat. Denn dieser hat nach Ziffer 5. des gemeinschaftlichen Testaments den Nachlass abzuwickeln und ihn nach billigem Ermessen unter den Erben aufzuteilen.

Der erbrechtliche Bezug der Eigentumsübertragung wird zusätzlich dadurch deutlich, dass die Beteiligte zu 1. alleine aus dem Übernahmerecht des überlebenden Ehegatten in Ziffer 4. des gemeinschaftlichen Testaments berechtigt sein konnte, sich das Eigentum an der Immobilie „B… in D…“ zu übertragen. Die Generalvollmacht verschaffte der Beteiligten zu 1. nur nach außen hin die nachweisbare Rechtsmacht für die Eigentumsübertragung, ohne auf das Testamentsvollstreckerzeugnis warten zu müssen. Dessen ungeachtet ist das Verhalten, das die Beteiligte zu 1. vor der Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses zur Auseinandersetzung des Nachlasses an den Tag gelegt hat, selbstverständlich bei der Frage zu berücksichtigen, ob Anlass für eine Entlassung aus dem Amt besteht. Jede andere Betrachtung wäre eine rein formale Sichtweise, die den Zweck des § 2227 BGB verfehlen würde.

Dem lässt sich nicht entgegen halten, dass dann, wenn der Testamentsvollstrecker zugleich Generalbevollmächtigter des Erblassers über dessen Tod hinaus ist, dieser als Bevollmächtigter nicht den Beschränkungen unterliegt, denen er kraft Gesetzes als Testamentsvollstrecker unterworfen ist (BGH, NJW 1962, 1718). Mit dieser Erkenntnis ist lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Handlungs- und Vertretungsmacht aus einer Generalvollmacht und diejenige aus dem Amt des Testamentsvollstreckers unabhängig nebeneinander stehen. Folglich unterliegt der Generalbevollmächtigte nicht den Beschränkungen, die für ihn als Testamentsvollstrecker gelten, und seine Stellung ist auch durch die Anordnung der Testamentsvollstreckerschaft nicht beeinträchtigt, weshalb er, solange die Vollmacht nicht widerrufen ist, Verfügungen über Nachlassgegenstände vornehmen und Verpflichtungen mit Wirkung gegen den Nachlass eingehen kann. Das bedeutet indes nicht, dass Handlungen, die der Bevollmächtigte unter Ausnutzung der Generalvollmacht zur Verwaltung oder Auseinandersetzung des Nachlasses vornimmt, im Rahmen des § 2227 BGB nicht berücksichtigt werden dürfen. Das Gegenteil ist der Fall. Eine grobe Pflichtverletzung bei der Verwaltung oder Auseinandersetzung des Nachlasses ist nicht deshalb weniger schwerwiegend, weil der Testamentsvollstrecker zugleich Generalbevollmächtigter ist. Überdies bliebe der – ohnehin begrenzte – Schutz, den § 2227 BGB den Erben vor einer grob unzureichenden Testamentsvollstreckung bietet, lückenhaft und unzureichend, wenn man Handlungen im Aufgabenbereich der Testamentsvollstreckung nur deshalb außer Betracht ließe, weil der Testamentsvollstrecker zugleich Generalbevollmächtigter des Erblassers über dessen Tod hinaus ist und in Ausnutzung der Generalvollmacht gehandelt hat. Das schließt es selbstverständlich nicht aus, bei der Beurteilung möglicher Entlassungsgründe zu berücksichtigen, wenn die Generalvollmacht vom Erblasser mit Vorgaben zur Nachlassverwaltung oder Nachlassauseinandersetzung erteilt worden ist. Hält sich der Bevollmächtigte im Rahmen dieser Vorgaben, kann sein Verhalten im Allgemeinen nicht als pflichtwidrig im Sinne von § 2227 BGB beurteilt werden. Darum geht es vorliegend indes nicht. Denn Anordnungen des Erblassers zur Verwaltung und Auseinandersetzung des Nachlasses finden sich nicht in der Generalvollmacht, sondern ausschließlich in dem gemeinschaftlichen Testament. Die Generalvollmacht war vielmehr eine Vorsorgevollmacht und im Innenverhältnis ausdrücklich auf die Fälle beschränkt, dass der Erblasser aufgrund einer körperlichen oder psychischen Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, oder in denen er den Bevollmächtigten ausdrücklich beauftragt. Schon auf erste Sicht hat die Beteiligte zu 1. die ihr erteilte Generalvollmacht missbraucht, als sie mit ihrer Hilfe zum Zwecke der Erbauseinandersetzung die Immobilie „B… in D…“ in das eigene Vermögen übernahm.

(2) Die Vorgänge um die Übertragung des Hausgrundstücks „B… in D…“ im Juli 2019 müssen im Rahmen des § 2227 BGB auch nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil der Beteiligten zu 1. seinerzeit noch kein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt worden war. Gemäß § 2202 Abs. 1 und 2 BGB beginnt das Amt des Testamentsvollstreckers nicht erst mit der Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses, sondern bereits mit dem Zeitpunkt, in welchem der Ernannte das Amt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht annimmt. Das war am 23. Januar 2019 und damit rund fünf Monate vor Abschluss des in Rede stehenden Grundstücksgeschäfts.

(3) Die Beteiligte zu 1. hat ihre Pflichten als Testamentsvollstreckerin schuldhaft und in grober Weise missachtet, indem sie das Hausgrundstück „B… in D…“ zum Preis von 850.000 Euro auf sich übertragen hat.

(3.1) Zwar war sie nach dem Übernahmerecht in Ziffer 4. des gemeinschaftlichen Testaments berechtigt, das zum Nachlass gehörende Hausgrundstück ohne Angabe von Gründen in ihr eigenes Vermögen zu überführen. Denn als überlebendem Ehepartner stand es in ihrem freien Ermessen, einzelne Nachlassgegenstände zu übernehmen.

(3.2) Die Beteiligte zu 1. hat allerdings die Modalitäten, unter denen ihr die Ausübung des Übernahmerechts testamentarisch gestattet war, grob missachtet. Nach der letztwilligen Verfügung des Erblassers war die Übernahme einer Immobilie aus dem Nachlass ausdrücklich nur gegen Vergütung seines Verkehrswertes erlaubt, wobei entweder eine Einigung mit den Miterben über den Verkehrswert herbeizuführen oder der Verkehrswert durch den örtlich zuständigen Gutachterausschuss zu ermitteln war. Die Beteiligte zu 1. hat diesen Anordnungen bewusst zuwider gehandelt, indem sie ohne Rücksprache mit den Beteiligten zu 2. bis zu 5. als Miterben und ohne Einholung des für diesen Fall zwingend vorgeschriebenen Wertgutachtens einen Kaufpreis von 850.000 Euro veranschlagt und die Immobilie gegen Entrichtung dieses Preises in ihr Vermögen überführt hat.

Ob – wie die Beteiligte zu 1. ohne nähere Darlegungen behauptet – der angesetzte Kaufpreis dem Verkehrswert des Hausgrundstücks entsprach, spielt in diesem Zusammenhang keine entscheidende Rolle. Die Pflichtwidrigkeit der Erblasserin liegt nämlich in der Tatsache begründet, dass sie entgegen den klaren testamentarischen Vorgaben des Erblassers eigenmächtig einen Verkehrswert angesetzt hat, über den weder eine Einigung mit den Miterben erzielt noch der gutachtlich ermittelt worden war.

(3.3) Diesen Pflichtverstoß hat die Beteiligte zu 1. vorsätzlich begangen. Angesichts der eindeutigen Anweisungen des Erblassers in dem gemeinschaftlichen Testament ist auszuschließen, dass die Beteiligte zu 1. die Notwendigkeit des vorgeschriebenen Wertermittlungsverfahrens nur versehentlich unterlassen hat.

(3.4) Im Übrigen drängt sich nach Lage der Dinge geradezu der Verdacht auf, dass der Übernahmepreis von 850.000 Euro signifikant hinter dem Verkehrswert des Hausgrundstücks zurückbleibt. Es ist bemerkenswert, dass sich die Beteiligte zu 1. bis heute mit der bloß pauschalen – und infolge dessen nicht ansatzweise nachvollziehbaren – Behauptung begnügt, der angesetzte Preis sei angemessen. Sie legt dazu weder ein Wertermittlungsgutachten vor, das sie zwischenzeitlich hätte einholen können, noch trägt sie die Erwägungen und Vergleichspreise vor, die sie zu ihrer Einschätzung berechtigen sollen. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass ein derart nichtssagender Sachvortrag durchgreifende Zweifel an der Redlichkeit der Beteiligten zu 1. in dieser Angelegenheit weckt.

cc) Zu beanstanden ist darüber hinaus die von der Beteiligten zu 1. gewählte Weise der Kaufpreiszahlung. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat sie den Kaufpreis von 850.000 Euro auf ein Konto des Erblassers bei der Commerzbank eingezahlt (…). Schon damit hat die Beteiligte zu 1. den Vorgaben des Erblassers nicht Folge geleistet. Ziffer 4 des gemeinschaftlichen Testaments schreibt vor, dass der Übernahmepreis innerhalb von drei Monaten „in den Nachlass“ zu zahlen ist. Die Überweisung auf ein Konto des Erblassers, auf welches zwar der übernehmende Miterbe, nicht aber die anderen Miterben Zugriff haben, stellt keine Auskehrung des Übernahmepreises in den Nachlass, d.h. an die Miterbengemeinschaft, dar. Erst recht pflichtwidrig war es, dass die Beteiligte zu 1. – wie die Beschwerde unwidersprochen vorträgt – im Juni 2020 den Betrag von 850.000 Euro auf ein eigenes Konto weiterüberwiesen und dadurch vollends dem Zugriff der Miterben entzogen hat.

dd) Misstrauen in die ordnungsgemäße Amtsführung als Testamentsvollstreckerin begründet ebenso, dass die Beteiligte zu 1. haltlos einen Zugewinnausgleich in Höhe von knapp 500.000 Euro reklamiert sowie ihre erbrachten Testamentsvollstreckerleistungen ohne nähere Erläuterung mit pauschal 50.000 Euro veranschlagt. Zu Recht hat bereits das Amtsgericht die Vergütungsforderung als befremdlich und der Höhe nach nicht nachvollziehbar zurückgewiesen. Beide Gesichtspunkte verstärken den sich aus den Vorgängen um die Immobilien „K… in D…“ und „B… in D…“ aufdrängenden Eindruck, dass die Beteiligte zu 1. den Nachlass nicht unvoreingenommen und redlich auseinandersetzt. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Tatsache, dass die Beteiligte zu 1. – wie ausgeführt – im Juli 2019 das Hausgrundstück „B… in D…“ dadurch in das eigene Vermögen überführt hat, dass sie die ihr vom Erblasser erteilte Vorsorgevollmacht zweckwidrig verwendet hat.

b) Ohne dass es noch auf die weiteren von der Beschwerde reklamierten Pflichtverstöße ankommt, führen bereits die vorstehend erörterten Gründe zu der Feststellung, dass die Beteiligte zu 1. ihre Pflichten als Testamentsvollstreckerin in einem solchen Maße verletzt hat, dass sie bei Abwägung der widerstreitenden Interessen und unter Beachtung des Wunsches des Erblassers, dass seine Ehefrau als die von ihm ausgewählte Vertrauensperson seine letztwilligen Verfügungen umsetzen soll, aus dem Amt entlassen werden muss.

aa) Der Erblasser hat der Beteiligten zu 1. bei der Verwaltung und Auseinandersetzung einerseits einen weiten Handlungs- und Entscheidungsspielrum zugebilligt.

Die Beteiligte zu 1. ist im Rahmen der angeordneten Abwicklungstestamentsvollstreckung nach Ziffer 5 des gemeinschaftlichen Testaments berechtigt, den Nachlass unter den Erben nach ihrem billigen Ermessen zu teilen. Ihr sind zudem alle gesetzlich zulässigen Rechte und Befreiungen, insbesondere auch von dem Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB, eingeräumt sowie die Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass unbeschränkt gestattet worden. Die Beteiligte zu 1. ist aus dem Übernahmerecht nach Ziffer 4. des gemeinschaftlichen Testaments darüber hinaus nach ihrem freien Ermessen befugt, jederzeit den Nachlass oder einzelne Nachlassgegenstände in ihr Alleineigentum zu übernehmen.

In der Gesamtschau hat der Erblasser der Beteiligten zu 1. damit seinen Nachlass zu einer nahezu freien Verfügung überlassen, weshalb nur schwerwiegende Verfehlungen der Beteiligten zu 1., die das in sie gesetzte Vertrauen des Erblassers erschüttern, zu einer Entlassung aus dem Amt der Testamentsvollstreckerin führen können.

bb) Andererseits hat der Erblasser durch dezidierte Vorgaben zum Ausdruck gebracht, dass für ihn die wertmäßig exakte Aufteilung seines Nachlasses unter den Miterben von großer Bedeutung ist.

Das testamentarisch eingeräumte Übernahmerecht hat der Erblasser unter den ausdrücklichen Vorbehalt gestellt, dass eine Vergütung in Höhe des Verkehrswertes der übernommenen Vermögenswerte in den Nachlass gezahlt wird. Geregelt ist zudem die Ermittlung dieses Verkehrswertes. Das gemeinschaftliche Testament fordert dazu in Ziffer 4. in erster Linie die einvernehmliche Festlegung des Wertes durch die Miterben. Kommt eine solche Einigung nicht zustande, muss der Wert des übernommenen Nachlassgegenstandes durch Sachverständigengutachten ermittelt werden, und zwar bei Immobilien durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses und bei allen anderen Vermögensgegenständen durch einen Gutachter, der von der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf zu bestimmen ist. Das gemeinschaftliche Testament trifft überdies Regelungen zu den Nutzen, Lasten und Gefahren für die übernommenen Gegenstände. Sie gehen mit der Ausübung des Übernahmerechts auf den überlebenden Ehegatten über. Das Testament bestimmt schließlich, dass der Übernahmepreis innerhalb von drei Monaten nach Ausübung des Übernahmerechts in den Nachlass zu zahlen ist, und zwar grundsätzlich ohne Verzinsung bis dahin.

Die genannten Bestimmungen sollen sicherstellen, dass die Beteiligte zu 1. über die ihr eingeräumten Freiheiten bei der Auseinandersetzung des Nachlasses wertmäßig keinen Einfluss auf die angeordnete Erbfolge nehmen kann, sie insbesondere ihr Übernahmerecht nicht zum Nachteil der Miterben ausüben kann.

cc) Die von der Beteiligten zu 1. begangenen Pflichtverletzungen missachten diesen Wunsch des Erblassers. Sie wiegen schwer und erschüttern auch aus verständiger Sicht des Erblassers das in die Beteiligte zu 1. gesetzte Vertrauen für eine ordnungsgemäße Erbauseinandersetzung. Denn die Verfehlungen der Beteiligten zu 1. waren auf eine erhebliche Schädigung der Miterben gerichtet.

(1) Das zu Unrecht in Anspruch genommene Vorausvermächtnis hat zur Folge, dass das Hausgrundstück „K… in D…“ nicht, wie es rechtlich geboten ist, in den Nachlass fällt und der Wert der Immobilie infolge dessen den Beteiligten zu 2. bis zu 5. vorenthalten wird.

(2) Die Immobilie „B… in D…“ hat die Beteiligte zu 1. nicht nur unter Missbrauch ihrer Vorsorgevollmacht in das eigene Vermögen überführt, sondern auch zu einem weder einvernehmlich festgelegten noch sachverständig ermittelten Kaufpreis – und damit regelwidrig – aus dem Nachlass entnommen. Durch ihr Verhalten hat die Beteiligte zu 1. zudem den dringenden Verdacht begründet, dass der Nachlass zum finanziellen Schaden der Miterben geschmälert wird. Der eigenmächtig auf 850.000 Euro veranschlagte Kaufpreis ist bis heute weder als ein angemessener Verkehrswert belegt noch trägt die Beteiligte zu 1. auch nur ansatzweise plausibel vor, dass die Kaufsumme dem Immobilienwert entspricht. Ihre pauschale Behauptung, der genannte Preis sei angemessen, ist nichtssagend und offensichtlich unzureichend und legt es nahe, dass der Kaufpreis in Wahrheit signifikant hinter dem Verkehrswert zurückbleibt. Hinzu kommt, dass die Beteiligte zu 1. den Kaufpreis entgegen der testamentarischen Vorgabe auch nicht innerhalb von drei Monaten in den Nachlass gezahlt hat, sondern den Miterben bis heute vorenthält.

(3) Gegen die finanziellen Interessen der Beteiligten zu 2. bis zu 5. als Miterben des Erblassers richtet sich gleichermaßen die haltlose Forderung der Beteiligten zu 1. auf Zahlung eines Zugewinnausgleichs von knapp 500.000 Euro und einer Testamentsvollstreckervergütung von pauschal 50.000 Euro. Beide Ansprüche zielen darauf ab, den unter den Miterben zur Verteilung stehenden Nachlass erheblich zu schmälern.

dd) Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen entspricht es auch dem mutmaßlichen Willen des Erblassers, dass die Beteiligte zu 1. aus dem Amt der Testamentsvollstreckerin ausscheidet. Denn sie hat durch ihre zahlreichen Pflichtverletzungen gezeigt, dass sie nicht gewillt ist, den Nachlass nach den Regeln des gemeinschaftlichen Testaments und der vom Erblasser verfügten Erbfolge auseinander zu setzen.

Die Beteiligte zu 1. ist deshalb gemäß § 2227 BGB aus dem Amt der Testamentsvollstreckerin zu entlassen.

3. Ihr ist nicht zuvor Gelegenheit zu geben, einen Ersatz-Testamentsvollstrecker zu bestimmen.

a) Der Erblasser hat in dem Nachtrag zum gemeinschaftlichen Testament vom 26. Juni 2002 für den in Rede stehenden Fall, dass das Testamentsvollstreckeramt der Beteiligten zu 1. endet, bevor der Nachlass endgültig verteilt ist, als Ersatz-Testa-mentsvollstrecker … und hilfsweise … benannt, die jeweils befugt sein sollten, ihrerseits einen Ersatz-Testamentsvollstrecker zu benennen. Nachdem beide Herren zwischenzeitlich verstorben sind, sind diese Anordnungen des Erblassers zur Bestimmung eines Ersatz-Testamentsvollstreckers nach § 2198 Abs. 1 BGB und § 2199 Abs. 2 BGB hinfällig.

b) Der Erblasser hat die Beteiligte zu 1. nicht dazu ermächtigt, einen Nachfolger zu ernennen. Eine dahingehende ausdrückliche testamentarische Anordnung liegt nicht vor. Ob den letztwilligen Verfügungen durch Auslegung zu entnehmen ist, dass die Beteiligte zu 1. bei einer vorzeitigen Aufgabe ihres Amtes (etwa durch Niederlegung oder aus gesundheitlichen Gründen) befugt sein soll, einen Ersatz-Testamentsvoll-strecker zu benennen, kann dahinstehen. Keinesfalls entspricht es dem (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen des Erblassers, dass die Beteiligte zu 1. einen Nachfolger im Amt soll bestimmen können, obschon sie selbst aufgrund schwerwiegender Verfehlungen als Testamentsvollstreckerin entlassen werden muss.

III.

A. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG, § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG.

Es entspricht billigem Ermessen, dass die Beteiligte zu 1. als unterlegene Verfahrensbeteiligte die gerichtlichen Kosten erster Instanz zu tragen sowie der siegreichen Beteiligten zu 5. die ihr in beiden Instanzen angefallenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG).

Im Beschwerdeverfahren sind alleine durch die unzulässige Beschwerde des Beteiligten zu 4. und nicht auch durch den erfolgreichen Rechtsbehelf der Beteiligten zu 5. Gerichtskosten angefallen (§ 25 Abs. 1 GNotKG). Sie sind dem in dieser Instanz unterlegenen Beteiligten zu 4. aufzuerlegen (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Dieser hat überdies seine in der Beschwerdeinstanz angefallenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Anlass, zugunsten der Beteiligten zu 1. bis zu 3. eine Kostenerstattung anzuordnen, besteht nicht, weil sie mit ihrem Standpunkt unterlegen sind (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG).

B. Bezüglich der entscheidungstragenden Erwägungen des Senats liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht vor.

C. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 61 Abs. 1 und 2, 36 Abs. 1 GNotKG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Beschwerde des Beteiligten zu 4. schon auf erste Sicht unzulässig war.

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