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Auslegung Gemeinschaftstestament bei Erbeinsetzung sonstiger Familienangehöriger

OLG München – Az.: 31 Wx 294/16 – Beschluss vom 11.06.2018

1. Der Beschluss des Amtsgerichts München – Nachlassgericht – vom 7.6.2016 bleibt mit der Maßgabe aufrechterhalten, als festgestellt ist, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Teil-Erbscheins, der die Beteiligte … als Erbin zu 1/3 entsprechend dem Hilfsantrag vom 3.8.2015 ausweist, vorliegen.

2. Auf die Beschwerden und die Anschlussbeschwerden wird der Beschluss des Amtsgerichts München – Nachlassgericht – vom 7.6.2016 in Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 1 und 4 und 5 zurückgewiesen worden sind.

3. Im Übrigen werden die Beschwerden und die Anschlussbeschwerden zurückgewiesen.

4. Die Beschwerdeführer und die Anschlussbeschwerdeführer tragen die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens wie folgt:

a) die Beschwerdeführerin zu 1 zu 44 %

b) die Anschlussbeschwerdeführerinnen zu 3 und 6 zu 10 %

c) die Beschwerdeführer zu 4 und 5 zu 30 %.

5. Außergerichtliche Kosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

6. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.593.734 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der in zweiter Ehe verheirate Erblasser verstarb am 03.02.2015 ohne Hinterlassung von Angehörigen. Mit seiner ersten Ehefrau hatte er am 12.08.1977 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem es auszugsweise heißt:

„Gemeinschaftliches Testament, der Eheleute M. D. … und W.D. …

Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.

Nach unserem Tode soll der gemeinsame Nachlass unter der Treuhandverwaltung und evt. Vormundschaft durch Herrn K.-H. Z…. an folgende Erben übergehen.

1/3 Wohnhaus mit Inventar H-straße 23 + Rückgeb. an Frau L.S. geb. H…. und K.D. 2/3 Rest zu gemeinschaftlichen Teilen.

2/3 Erbengemeinschaftsanteil von H.-Straße 19 + 21 und K.-straße 30 an Frau R.S., 1/3 an Frau L.S.“

Unterschriften

Die auf dem Testament genannten Brüche stehen teilweise knapp vor den Zeilen und scheinen mit einem anderen (blauen) Kugelschreiber geschrieben zu sein als der Rest des Testaments.

Die erste Ehefrau des Erblassers (M.D.) ist am 14.12.1995 verstorben.

L.S. und R.S. sind Cousinen der vorverstorbenen ersten Ehefrau des Erblassers. R.S. ist ihrerseits am 19.5.2011 unter Hinterlassung der Beteiligten zu 4 und 5 vorverstorben. L.S. ist am 07.01.2016 unter Hinterlassung der Beteiligten zu 3 und 6 nachverstorben.

Die Beteiligte zu 2, im Testament mit ihrem Mädchennamen K.D. bezeichnet, ist eine Nichte des Erblassers.

Am 27.08.2014 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in dem er seine zweite Ehefrau, die Beteiligte zu 1, zur Alleinerbin einsetzte. Die Beteiligte zu 1 beantragte daraufhin, ihr einen Alleinerbschein zu erteilen. Nach der Entscheidung durch das Nachlassgericht beantragte sie, ihr hilfsweise einen Erbschein zu 1/2, weiter hilfsweise zu 1/3 zu erteilen.

Die Beteiligten zu 4 und 5 beantragten, ihnen einen Erbschein zu erteilen, der sie als Erben zu je ½ ausweist. Sie sind der Ansicht, das Testament sei in der Fassung ohne die aufgeführten Brüche maßgeblich. Danach sei ihrer Mutter wertmäßig der größte Vermögenswert zugewendet worden, so dass darin eine Einsetzung als Alleinerbe zu sehen sei. Nach dem Tod ihrer Mutter seien sie im Wege der Ersatzerbfolge an deren Stelle getreten.

Die Beteiligten zu 3 und 6 haben beantragt, ihnen einen Erbschein zu ½, hilfsweise zu 1/3 zu erteilen. Sie sind der Ansicht, hinsichtlich des Erbteils der vorverstorbenen R.S. sei keine Ersatzerbfolge, sondern Anwachsung eingetreten.

Das Nachlassgericht kündigte mit Beschluss vom 07.06.2016 die Erteilung eines Teilerbscheins an, der die – zwischenzeitlich verstorbene – L.S. als Erbin zu 1/3 ausweist, im Übrigen hat es die Erbscheinsanträge zurückgewiesen.

Es stützt sich im Wesentlichen darauf, dass das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1977 wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzungen zugunsten von L.S. und R.S. enthalte, so dass der Erblasser gehindert war, diese durch sein notarielles Testament zu beseitigen, sofern sie dazu im Widerspruch stehen. Soweit die Beteiligte zu 2 im Testament bedacht sei, läge lediglich ein Vermächtnis vor.

Hinsichtlich der Erbquoten hat das Nachlassgericht die Wertverhältnisse an den Immobilien nach dem Tod der vorverstorbenen Ehefrau zugrunde gelegt.

Mit ihrer Beschwerde rügt die Beteiligte zu 1 u.a. eine fehlerhafte Auslegung des Testaments aus dem Jahre 1977. Sie ist der Ansicht, es enthalte nur eine Regelung für den Fall des gleichzeitigen Ablebens der Eheleute. Sie hält es außerdem für verfehlt, eine Ersatzerbfolge zugunsten der Beteiligten zu 4 und 5 anzunehmen. Erstmals mit ihrer Beschwerde beantragte sie hilfsweise die Erteilung eines Erbscheins zu 2/3 bzw. (weiter hilfsweise) zu 1/3. Eine ausdrückliche Entscheidung des Nachlassgerichts über diese Anträge ist im Nichtabhilfebeschluss nicht erfolgt.

Die Beteiligten zu 4 und 5 stützten ihre Beschwerde im wesentlichen darauf, dass das Nachlassgericht zu Unrecht das Testament mit den später hinzugefügten Ergänzungen zugrunde gelegt habe.

Die Beteiligten zu 3 und 6 haben am 8.11.2016 Anschlussbeschwerde erhoben. Sie verfolgen den Antrag, einen Teilerbschein zu ½ zu erteilen, weiter.

In der mündlichen Verhandlung am 6.3.2018 vor dem Senat haben die Beteiligten einen Zwischenvergleich geschlossen, in dem sie sich für die Berechnung der Erbquoten auf zugrunde zu legende Werte der Grundstücke geeinigt haben.

II.

Auf die zulässigen Beschwerden, die eine umfassende Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ermöglicht, ohne an die Anträge der Beteiligten gebunden zu sein, war der Beschluss des Nachlassgerichts in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang aufzuheben.

1. Der Senat teilt zunächst die Ansicht des Nachlassgerichts, dass sich die Erbfolge nach dem gemeinschaftlichen Testament vom 12.08.1977 richtet. Maßgeblich ist dabei das Testament mit den (vermeintlich nachträglich angebrachten) Änderungen (Brüche).

a) Der Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten (§ 2247 Abs. 1 BGB). Die zwingend erforderliche Unterschrift muss grundsätzlich am Schluss des Textes stehen; Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die Identifikation des Erblassers zu ermöglichen, zu dokumentieren, dass der Erblasser sich zu dem über der Unterschrift befindlichen Text bekennt sowie den Urkundentext räumlich abzuschließen und damit vor nachträglichen Ergänzungen und Zusätzen zu sichern (BayObLGZ 2004, 215 ff. OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 400). Ein gemeinschaftliches Testament muss von beiden Ehegatten unterschrieben werden.

Es kann nach h.M. grundsätzlich auch dadurch geändert werden, dass die Testatoren Streichungen vornehmen oder Zusätze anbringen, solange diese ebenfalls von den ursprünglichen Unterschriften gedeckt sind und im Einvernehmen beider Ehegatten geschieht (Radlmayr in: NK/BGB 4. Auflage <2014> § 2267 Rn. 18; Musielak in: MüKoBGB 7. Auflage <2017> § 2267 Rn. 24; Staudinger/Kanzleiter Neubearbeitung <2014>, BGB § 2267 Rn. 18).

b) Unter Beachtung dieser Grundsätze teilt der Senat die Ansicht des Nachlassgerichts, dass das Testament in vorliegender Fassung, d.h. mit den Bruchteilsangaben, maßgeblich ist.

Soweit sich die Beschwerdeführer zu 4 und 5 darauf berufen, das Testament sei in der „ursprünglichen Form“ maßgeblich, tragen sie insoweit die Feststellungslast. Dieser konnten sie nicht nachkommen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass schon nicht zweifelsfrei feststeht, dass es sich um nachträgliche Änderungen handelt, ebenso wäre es denkbar, dass im Zuge der Errichtung zwei Stifte verwendet worden sind oder die Unterschriften erst zu einem Zeitpunkt geleistet worden sind, als die Brüche schon im Urkundstext angebracht waren. Allein aus dem Umstand, dass bei der Errichtung der Urkunde unterschiedliche Stifte verwendet worden sind, rechtfertigt nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht den Schluss, dass die Änderungen nicht mit gemeinschaftlichem Testierwillen vorgenommen worden sind.

2. Das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1977 enthält auch nicht nur die gegenseitige Einsetzung der Eheleute als Alleinerben, sondern darüber hinaus auch die – teilweise wechselbezügliche – Einsetzung der L.S., R.S. und der Beteiligten zu 2 als Schlusserben.

Das ergibt sich aus der Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments.

a) Bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung ist grundsätzlich vom Wortlaut auszugehen. Dieser ist jedoch nicht die Grenze der Auslegung. Vielmehr ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ BGB § 133 BGB). Es geht um die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Dabei ist zur Auslegung der einzelnen Verfügung der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände heranzuziehen und zu würdigen (vgl. BGH NJW 1993, 256; BayObLGZ 1997, 59/66; 1994, 313/318). Nach Testamentserrichtung liegende Umstände können insoweit Bedeutung erlangen, als sie Rückschlüsse auf den Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zulassen (BayObLG NJW 1996, 133/134, NJW-RR 2002, 1087). Der durch die Auslegung ermittelte Erblasserwille muss in der formwirksamen Erklärung wenigstens ansatzweise oder auch versteckt angedeutet sein (OLG Hamm ZEV 2011, 427).

b) Der Senat sieht zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich lediglich um ein sog. Anlasstestament handelt. Anhaltspunkte im Testament, die einen solchen Schluss begründen würden, sind nicht ersichtlich. Allein aus der Formulierung nach „unserem“ Tod lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass damit der „gleichzeitige gemeinsame“ Tod gemeint wäre. Dass der Erblasser im Rahmen der Beurkundung seines notariellen Testaments im Jahre 2014 erklärte, das Testament habe nur für den Fall des gemeinsamen Todes der Eheleute z.B. anlässlich einer bevorstehenden Flugreise gelten sollen, trägt nicht. Maßgeblich ist nicht, was der Erblasser im Jahre 2014 erklärt hat, sondern was die Eheleute 1977 vereinbaren wollten. Insofern hätte es nahe gelegen, den Bezug zur bevorstehenden Flugreise zu erwähnen oder später (gemeinschaftlich) erneut zu testieren.

c) Der Senat teilt ferner im Grundsatz die Annahme des Nachlassgerichts, wonach es sich bei den Zuwendungen in dem Testament um Erbeinsetzungen (und nicht bloße Vermächtnisse) zugunsten der Beteiligten handelt.

aa) Ein wesentliches Indiz dafür ist, dass die Eheleute im Wesentlichen über ihr gesamtes Vermögen verfügt haben; neben Grundstücken bzw. Erbengemeinschaftsanteilen an Grundstücken im Gesamtwert von 3.043.740 DM sind sonstige, erheblich ins Gewicht fallende Vermögenswerte nicht bekannt geworden. Allein der Umstand, dass der Erblasser zur fraglichen Zeit Einkünfte aus einer Zahnarztpraxis erzielte, lässt nicht den Schluss zu, dass die Eheleute diesen Einkünften einen über die Deckung des täglichen Lebensbedarfs hinausgehenden Vermögenswert beigemessen haben, so dass das Vermögen der Eheleute letztlich aus den Grundstücken H-Straße 19/21 samt K-Straße im Gesamtwert von DM 1.830.678 und dem Anwesen H-Straße 23 im Wert von DM 1.213.062, mithin insgesamt DM 3.043.740 bestand. Dieses Vermögen wurde im Testament gänzlich verteilt.

bb) Darüber hinaus haben die Eheleute angeordnet, dass das Vermögen auf die Begünstigten unter einer „Treuhandverwaltung und ggf. Vormundschaft“ übergehen soll. Das deutet darauf hin, dass die Erblasser die genannten Personen als ihre Rechtsnachfolger in wirtschaftlicher Hinsicht angesehen haben, denn es erscheint nicht naheliegend, dass zwar eine Treuhandverwaltung, wohl im Sinne einer Testamentsvollstreckung angeordnet sein sollte, aber die insoweit Begünstigten keine Erben sein sollen. Zwar kann auch eine Testamentsvollstreckung zur Erfüllung (nur) von Vermächtnissen angeordnet werden, dagegen spricht im vorliegenden Falle aber, dass die Erblasser für diesen Fall gar keine Erben eingesetzt hätten. Angesichts der Vermögenswerte, über die die Erblasser in ihrem Testament verfügt haben, erscheint es aber fernliegend, dass die Erblasser überhaupt keine Erben berufen wollten (BGH DNotZ 1972, 500; BayOblG DNotZ 2003, 870).

d) Gegen diese Auslegung spricht auch nicht, dass im nächsten Absatz des Testaments mit den zugewendeten Grundstücken lediglich Einzelgegenstände genannt sind. Zwar folgt aus § 2087 Abs. 2 BGB, dass eine Erbeinsetzung im Zweifel nicht vorliegt, wenn dem Begünstigten nur einzelne Gegenstände zugewendet werden. Das gilt aber dann nicht, wenn es sich bei den zugewendeten Gegenständen nach den Vorstellungen der Erblasser um ihr im wesentlichen gesamtes Vermögen handelt (BayObLG a.a.O.). Dieses bestand ausweislich des Nachlassverzeichnisses, dass nach dem Tod der vorverstorbenen Ehefrau erstellt wurde, aus den im Testament genannten Immobilien mit einem Gesamtwert von ca. DM 3.043.740,– DM. Das Bargeld in Höhe von ca. 15.000,– DM fiel demgegenüber kaum ins Gewicht. Das gilt auch für zwei weitere Wohnungen der Erblasser, die entweder noch vollständig finanziert bzw. im Rahmen des Bauherrenmodells angeschafft worden waren und deswegen wertmäßig vernachlässigbar waren.

e) Allerdings vermag der Senat die Ansicht des Nachlassgerichts, wonach lediglich die Verwandten der Ehefrau R.S. und L.S. als Erben berufen sind, der Nichte des Ehemanns R.D. aber nur eine Vermächtnis zugewendet wurde, nicht zu teilen.

aa) Der Wortlaut der Verfügung bietet für eine derartige Auslegung keine Grundlage, im Gegenteil: Die Formulierung „… soll auf folgende Erben übergehen.“ deutet darauf hin, dass alle nachfolgend genannten Begünstigten dieselbe rechtliche Stellung in Bezug auf den Nachlass erlangen sollten. Nach den oben genannten Erwägungen spricht das also dafür, dass sowohl R.S. und L.S. als auch R.D. als Erben berufen worden sind.

bb) Dieses Auslegungsergebnis wird auch gestützt dadurch, dass die Begünstigten jeweils erheblich am Nachlass beteiligt sind. Der Begünstigten L.S. werden (wirtschaftlich) 1.014.580 von 3.043.740 DM zugewendet, was einem Anteil von ca. 33,33 % entspricht, der Begünstigten R.S. werden (wirtschaftlich) 1.220.452 von DM 3.043.740 zugewendet, was einem Anteil von ca. 40,10 % entspricht und der Begünstigten R.D. werden (wirtschaftlich) 808.708 DM von DM 3.043.740 zugewendet, was einem Anteil von ca. 26,57 % entspricht. Angesichts dieser jeweils erheblichen und auch nicht erheblich zurückbleibenden Beteiligung am Nachlass handelte es sich nach Ansicht des Senats jeweils um Erbeinsetzungen der Begünstigten, zu den Anteilen, die dem Wert der Zuwendung im Zeitpunkt der Errichtung entsprachen.

3. Der Erblasser konnte die Schlusserbeneinsetzung der L.S. nicht nachträglich abändern, da diese wechselbezüglich zur Schlusserbeneinsetzung des Erblassers durch seine vorverstorbene Frau war. Damit konnte der Erblasser sie nicht nachträglich zum Nachteil der Schlusserbin abändern (Palandt/Weidlich BGB 77. Auflage <2018> § 2271 Rn. 14).

a) Nach § BGB § 2270 BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich und damit für den überlebenden Ehegatten bindend, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen oder fallen soll (BayObLG FGPrax 2005, 164; OLG München NJW-RR 2011, 227/228; OLG Hamm NJOZ 2004, 3846; Firsching/Graf Nachlassrecht 10. Auflage <2014> Rn. 1.191). Maßgeblich ist der übereinstimmende Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung (BGHZ 112, 229/233f.). Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, muss diese nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede Verfügung gesondert ermittelt werden (BGH NJW-RR 1987, 1410).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze spricht hier für die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzungen der nachverstorbenen L.S. mit der Einsetzung des Erblassers als Alleinerbe durch seine vorverstorbene Ehefrau, dass diese erkennbar ein erhebliches Interesse daran hatte, dass das in München belegene, umfangreiche Immobilienvermögen, das aus ihrer Familie stammt, nach ihrem Tod in dieser Familie verbleiben zu lassen. Deshalb liegt es nahe, dass die vorverstorbene Ehefrau des Erblassers zwar diesen zu ihrem Alleinerben einsetze, gleichzeitig aber sicherstellen wollte, dass nach dessen Tod das Vermögen überwiegend in ihrer Familie bleibt. Deshalb teilt der Senat die Ansicht des Nachlassgerichts, dass die Erbeinsetzung der L.S. wechselbezüglich zur Alleinerbeneinsetzung des Erblassers war. Dieser war deswegen gehindert, diese Verfügung nachträglich zu ändern in einer Art und Weise, die die Rechtsposition der Schlusserbin L.S. beeinträchtigt (Braun in: Burandt/Rojahn Erbrecht 2. Auflage <2014> § 2271 Rn. 37).

4. Darüber hinaus war der Erblasser ebenfalls an einer Abänderung des Testaments vom 12.08.1977 zum Nachteil der Beteiligten zu 4 und 5 gemäß § 2271 BGB gehindert, da diese im Wege der Ersatzerbfolge an die Stelle der im Testament Bedachten vorverstorbenen R.S. getreten sind und diese Ersatzerbfolge auch wechselbezüglich zur Schlusserbeneinsetzung des Erblassers durch seine vorverstorbene Ehefrau ist.

Soweit die ursprünglich im Testament bedachte R.S. vorverstorben ist, ist der Senat davon überzeugt, dass die Beteiligten zu 4 und 5 im Wege der Ersatzerbfolge (§ 2069 BGB) an deren Stelle getreten sind.

a) Eine ausdrückliche Ersatzerbeneinsetzung enthält das Testament aus dem Jahre 1977 nicht. Deshalb ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, was die Testierenden insoweit zum Zeitpunkt der Errichtung anordnen wollten.

Die Auslegungsregel des § 2069 BGB, wonach dann, wenn der Erblasser einen Abkömmling bedacht hat und dieser nach Errichtung des Testaments wegfällt, im Zweifel dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden, kann hier schon deshalb nicht angewendet werden, weil als Schlusserben zwei Cousinen der Erblasserin, und damit keine Abkömmlinge, bedacht wurden. Die Auslegungsregel kann aber auch nicht entsprechend angewandt werden, denn sie ist Ausprägung einer allgemeinen Lebenserfahrung. Bei einer nur in der Seitenlinie verwandten Person oder anderen nahen Verwandten fehlt es hingegen an dieser Erfahrungsgrundlage, so dass eine analoge Anwendung grundsätzlich ausscheidet. In diesen Fällen erfordert die Annahme einer Ersatzberufung der Abkömmlinge des Zuwendungsempfängers eine zusätzliche Begründung auf der Grundlage des durch ergänzende Auslegung zu ermittelnden Erblasserwillens (allg. Meinung vgl. nur OLG München, FamRZ 2016, 2154; OLG Düsseldorf NJW-RR 2014, 1287/1288).

b) Die ergänzende Testamentsauslegung setzt dabei zunächst voraus, dass eine planwidrige Regelungslücke im Testament vorliegt, die durch den festgestellten Willen des Erblassers zu schließen ist. Dabei muss aus dem Gesamtbild des Testaments selbst eine Willensrichtung des Erblassers erkennbar sein, die tatsächlich in Richtung der vorgesehenen Ergänzung geht. Durch ergänzende Testamentsauslegung kann also die durch den Wegfall des Bedachten entstandene Lücke nur dann geschlossen werden, wenn die für die Zeit der Testamentserrichtung anhand des Testaments oder unter Zuhilfenahme von Umständen außerhalb des Testaments oder der allgemeinen Lebenserfahrung festzustellende Willensrichtung des Erblassers dafür eine genügende Grundlage bietet (BGHZ 22, 357/360; FamRZ 1983, 380; MüKoBGB/Leipold 7. Auflage <2017> § 2084 Rn. 88 m. w. N.). Durch sie darf also kein Wille in das Testament hineingetragen werden, der darin nicht andeutungsweise ausgedrückt ist (vgl. Palandt/Weidlich BGB, 77. Auflage <2017> § 2084 Rn. 9).

aa) Es ist naheliegend, dass die Ehegatten im Hinblick auf ihr Alter bei Errichtung des Testaments im Jahre 1977 und das Alter der Begünstigten andererseits, deren Vorversterben nicht bedacht haben, so dass vorliegend eine planwidrige Regelungslücke in Bezug auf die nicht geregelte Ersatzerbenbestimmung gegeben ist.

bb) Der Senat ist der Ansicht, dass sich aus der Testamentsurkunde die Willenserrichtung der Erblasserin, dass die Beteiligten zu 4 und 5 als Abkömmlinge ihrer Mutter (R.S.) nach deren Wegfall an ihre Stelle treten sollen.

Insofern ist es zwar nicht maßgeblich, ob ihre Mutter ein enges Verhältnis zu der Erblasserin hatte bzw. ihr sehr nahe stand. Eine solche, einem Abkömmling im Sinne des § 2069 BGB vergleichbare Stellung des Weggefallenen ist allgemeine Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung zur Bestimmung von Ersatzerben, weil es andernfalls an dem zur Formwahrung erforderlichen Anhalt im Testament selbst fehlt (vgl. OLG München FamRZ 2014, 514; BayObLG FamRZ 1991, 865; KG FamRZ 1977, 344). Eine ergänzende Auslegung gemäß dem Rechtsgedanken des § 2069 BGB erfordert vielmehr zusätzlich, dass sich aus sonstigen letztwilligen Bestimmungen oder auch außerhalb des Testaments liegenden Umständen ergibt, dass die Zuwendung den Bedachten als Ersten ihres jeweiligen Stammes und nicht nur ihr persönlich gegolten hat (vgl. BGH NJW 1973, 240/ 242; BayObLGZ NJOZ 2005, 1070; OLG München ZEV 2017, 353; OLG Düsseldorf ZEV 2018, 140). Ein starkes Indiz dafür, dass weniger die Personen als solche als vielmehr die jeweiligen Stämme bedacht werden sollten, kann darin liegen, wenn die Verwandten – wie bei der gesetzlichen Erbfolge – gleichmäßig bedacht werden, der Erblasser sich also mehr vom formalen Kriterium der Gleichbehandlung leiten lässt, als davon, zu wem er ein gutes oder weniger gutes Verhältnis hat (OLG München FamRZ 2011, 1692/1693; NJW-RR 2007, 1162/1164). Maßgebend für die Feststellung dieser Willensrichtung ist allein der Zeitpunkt der Testamentserrichtung.

cc) Maßgeblich ist hier, dass aus dem Testament ersichtlich ist, dass das Vermögen der Ehefrau, das aus „ihrer Familie“ stammt, aufgeteilt auf die übrigen Stämme dieser Familie auch dort verbleibt. Mithin enthält das Testament die Willensrichtung der vorverstorbenen Ehefrau und des Erblassers, dass im Falle des Vorversterbens eines eingesetzten Erben aus der Linie der Ehefrau die jeweiligen Erben an die Stelle eines eingesetzten Erben im Wege der Ersatzerbfolge treten sollen.

Angesichts dessen spricht gegen eine Anwachsung zugunsten von L.S., dass es dann gerade zu einer Konzentration des Vermögens in diesem Stamm käme, was aber ausweislich des Testaments, wo die Gegenstände gar in Brüchen zugewendet worden sind, nicht gewollt war. Auf § 2099 BGB kommt es mithin nicht an.

dd) Die Einsetzung der Beteiligten zu 5 und 6 als Rechtsnachfolge der R.S. ist auch wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB, ohne dass auf die Auslegungsregel nach § 2270 Abs. 2 BGB zurückzugreifen wäre. Die Erblasser hatten bei Errichtung des Testaments im Jahre 1977 ersichtlich das Bestreben, dass der überwiegende Teil des Vermögens nach dem Tode der Eheleute in der Familie der Ehefrau verbleibt, so dass letztlich dieselben Erwägungen gelten, die für die Begründung der Wechselbezüglichkeit der Einsetzung der R.S. galten. Wenn das Vermögen, das aus der Familie der Ehefrau im weiteren Sinne stammt – aufgeteilt auf die jeweiligen Stämme – dort verbleiben soll und sich die Testatoren darüber einig waren, ist mithin auch die Ersatzerbenberufung der Beteiligten zu 5 und 6 wechselbezüglich angeordnet.

5. Die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 im Testament vom 12.08.1977 war hingegen nicht wechselbezüglich und konnte deswegen vom Erblasser durch sein nachfolgendes Testament beseitigt werden.

Maßgeblich ist insoweit, dass die Beteiligte zu 2 als Nichte selbst mit dem Erblasser verwandt ist und es nicht naheliegend erscheint, dass die vorverstorbene Ehefrau des Erblassers ein Interesse daran hatte, dass eine Verwandte ihres Mannes eine nicht mehr zu entziehende Rechtsposition an Grundvermögen erlangt, das aus der Familie der Ehefrau stammt (KG FamRZ 1993, 1251). Entsprechende Anhaltspunkte finden sich auch nicht in der Testamentsurkunde.

6. Die Ehegatten haben den Beteiligten durch das Testament Einzelgegenstände zugewendet, die im Wesentlichen das Gesamtvermögen der Ehegatten darstellten, so dass im Ergebnis Erbeinsetzungen vorliegen (siehe oben 2 c aa). Es ist daher davon auszugehen, dass die Bedachten in dem Verhältnis zu Erben berufen sind, der dem Anteil des einzelnen Vermögensgegenstands in Relation zum Gesamtnachlass entspricht.

a) Da die Erblasser ersichtlich ein Interesse daran hatten, dass ihr Immobilienvermögen weitgehend zusammengehalten wird, bestehen keine Bedenken gegen die Annahme, dass die Ehegatten wussten, dass sich der Wert des Grundvermögens in der Zeit zwischen der Errichtung des Testaments und den Erbfällen verändern kann. Da es sich jedoch um Grundvermögen handelt, das räumlich eng beieinander liegt, ist es naheliegend, dass die Testierenden davon ausgegangen sind, dass nachträgliche Wertveränderungen die Relation der Beteiligung am Nachlass nicht verändern würde, da bei Grundstücken, die eng beieinander liegen, grundsätzlich zu erwarten ist, dass deren Wertentwicklung parallel verläuft.

b) Hinsichtlich der Bestimmung der Quoten können die Werte zugrunde gelegt werden, die Beteiligten im Wege des Zwischenvergleichs vereinbar haben (siehe oben 2 e bb).

III.

Der Senat sieht davon ab, die Erbscheinsanträge der Beteiligten, soweit sie nicht mit den ermittelten Erbquoten übereinstimmen, zurückzuweisen. Er gibt die Akten an das Nachlassgericht zurück, so dass die Beteiligten Gelegenheit haben, entsprechende Erbscheinsanträge zu stellen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Danach tragen die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens die Beschwerdeführer und die Anschlussbeschwerdeführer in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang.

Für die Berechnung der Kostenquoten war auf den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens abzustellen, der sich aus der Addition der von den Beteiligten verfolgten wirtschaftlichen Interessen im Beschwerdeverfahren errechnet, denn die Beteiligte zu 1 erstrebte die Erteilung eines Alleinerbscheins, die Beteiligten zu 4 und 5 die Erteilung eines Erbscheins zu 1/2 und die Anschlussbeschwerdeführer erstrebten eine Verbesserung der ihnen vom Nachlassgericht zugesprochenen Erbquote von 1/3 zu 1/2. Unter Zugrundelegung des Nachlasswertes von 1.556.240 € ergab sich mithin der vom Senat festgesetzte Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens.

Für die Ermittlung der Kostenquoten war auf das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen bezogen auf den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens und das jeweilige wirtschaftliche Interesse der Beteiligten (§§ 61, 40, 36 GNotKG) abzustellen.

Für eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten sieht der Senat keine Veranlassung.

V.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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