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Auslegung mehrerer gleichzeitig erstellter Testamente

Erbstreit nach Doppel-Testament: Zwei handgeschriebene Testamente mit gleichem Datum sorgen für Verwirrung und Streit unter den Erben. Das Oberlandesgericht Rostock musste entscheiden, welches Testament gültig ist und wie der Nachlass aufgeteilt wird. Die Entscheidung hat weitreichende Folgen für die Erben und wirft grundsätzliche Fragen zur Auslegung von Testamenten auf.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Erblasser hinterließ zwei handschriftliche Testamente, eines auf kariertem und eines auf liniertem Papier.
  • Beide Testamente bestimmten dieselben Erben, enthielten jedoch unterschiedliche Vermächtnisse und Formulierungen.
  • Streitpunkt zwischen den Beteiligten war, welches Testament als das jüngere und damit maßgebliche zu betrachten ist.
  • Das Gericht entschied, dass das linierte Testament das maßgebliche Dokument ist.
  • Die Entscheidung basierte auf der Verwahrung des linierten Testaments in einem Umschlag mit der Aufschrift „Testament“, gefunden nach dem Erbfall.
  • Das Gericht wies den Erbscheinsantrag der Antragstellerin zurück und hob das vorherige Urteil des Amtsgerichts Stralsund auf.
  • Der Beteiligte, der die Erbschaft ausgeschlagen hatte, legte Einspruch ein, nachdem er vom linierten Testament Kenntnis erlangte.
  • Die Gerichts- und Anwaltskosten wurden der Beteiligten zu 1 auferlegt.
  • Die Entscheidung klärte die Rechtslage bezüglich der Testamentsgültigkeit und der Vermächtnisse.
  • Die Auswirkungen sind, dass das Testamentsrecht klarer definiert wurde, insbesondere bei mehreren hinterlassenen Dokumenten.

Mehrfach-Testamente: Richter klären Rechtsfragen rund um den Nachlass

Testamente, diese letztwilligen Verfügungen, sind eine wichtige rechtliche Grundlage für die Regelung des Nachlasses nach dem Tod eines Menschen. Doch was passiert, wenn ein Erblasser mehrere Testamente gleichzeitig erstellt? Wie verhält sich das Recht in solchen Situationen und welche Regeln gelten für die Auslegung dieser Dokumente?

Grundsätzlich gilt das Prinzip der letzten Willenserklärung, welches besagt, dass das zuletzt erstellte Testament das jüngste und somit gültige ist. Doch dieser Grundsatz kann durch verschiedene Faktoren, wie zum Beispiel die Absicht des Erblassers, die Art der Änderungen, oder den zeitlichen Abstand zwischen Erstellung der Testamente, komplexer werden. In der Rechtsprechung und in der Literatur wird dies seit jeher kontrovers diskutiert und sorgt für viele spannende und oft knifflige juristische Fragestellungen.

Im Folgenden wollen wir uns einen konkreten Fall ansehen, der diese Problematik eindrucksvoll illustriert und Einblicke in die komplizierte Welt der Testamentsauslegung bietet.

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Mehrere Testamente, widersprüchliche Angaben – wir verstehen die Unsicherheit, die solche Situationen auslösen. Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Erbrecht und verfügt über langjährige Erfahrung in der Klärung komplexer Nachlassangelegenheiten. Nutzen Sie unsere unverbindliche Ersteinschätzung, um Ihre Rechte zu verstehen und die nächsten Schritte zu planen. Ihr Erbe verdient Klarheit. Kontaktieren Sie uns noch heute.

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Der Fall vor Gericht


Streit um zwei Testamente: Erbrechtlicher Konflikt nach unklarer Nachlassregelung

In einem kürzlich ergangenen Urteil des Oberlandesgerichts Rostock (Az.: 3 W 52/21) wurde ein komplexer erbrechtlicher Fall verhandelt, der die Schwierigkeiten bei der Auslegung mehrerer Testamente verdeutlicht. Der Fall drehte sich um den Nachlass eines Erblassers, der zwei handschriftliche Testamente mit identischem Datum hinterlassen hatte. Diese Situation führte zu einem Rechtsstreit zwischen den potenziellen Erben über die Gültigkeit und Auslegung der Testamente.

Hintergründe des Erbstreits: Zwei Testamente mit widersprüchlichen Inhalten

Der Erblasser verstarb am 7. Oktober 2018 und hinterließ im Wesentlichen ein Hausgrundstück. Er hatte zwei Töchter und einen Sohn, sowie eine Enkelin und einen Enkel von einem bereits verstorbenen Sohn. Zudem hatte er eine Lebensgefährtin. Am 4. Juli 2012 verfasste der Erblasser zwei handschriftliche Testamente – eines auf kariertem und eines auf liniertem Papier. Beide Testamente bestimmten seine beiden Töchter als Erben, enthielten ein lebenslanges Wohnrecht für die Lebensgefährtin am Hausgrundstück und ein Vermächtnis für den Enkel. Der entscheidende Unterschied lag darin, dass das karierte Testament zusätzlich ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht für eine der Töchter am Hausgrundstück vorsah, während dieses im linierten Testament fehlte.

Gerichtliche Auseinandersetzung: Widersprüchliche Testamente führen zu Rechtsunsicherheit

Der Streit entbrannte darüber, welches der beiden Testamente als das maßgebliche anzusehen sei. Eine der Töchter beantragte einen Erbschein, der sie als Alleinerbin auswies, basierend auf dem karierten Testament. Der Sohn des Erblassers focht dies an und beantragte einen Erbschein, der beide Geschwister als Miterben zu gleichen Teilen auswies. Das Amtsgericht Stralsund entschied zunächst zugunsten der Tochter, da es das karierte Testament als das maßgebliche erachtete. Der Sohn legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, was zur Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Rostock führte.

Entscheidung des OLG Rostock: Gleichzeitigkeit der Testamente führt zur Teilunwirksamkeit

Das Oberlandesgericht Rostock kam zu dem Schluss, dass beide Testamente als gleichzeitig errichtet gelten müssen, da nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, welches zuerst geschrieben wurde. In solchen Fällen gilt der Rechtsgrundsatz, dass sich widersprechende Verfügungen in ihren unvereinbaren Teilen unwirksam sind. Das Gericht entschied daher, dass das Nießbrauchsrecht zugunsten der Tochter, welches nur im karierten Testament erwähnt wurde, unwirksam ist.

Die Ausschlagung der Erbschaft durch den Sohn wurde vom Gericht als unwirksam erachtet, da ihm zum Zeitpunkt der Ausschlagung nur das karierte Testament bekannt war. Das Gericht argumentierte, dass sich eine Ausschlagung im Zweifel nur auf die dem Erben bekannten Berufungsgründe erstreckt. Zudem wäre auch die Anfechtung der Ausschlagung durch den Sohn wirksam gewesen, da er sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses, nämlich die Belastung mit dem Nießbrauchsrecht, geirrt hatte.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung des OLG Rostock verdeutlicht, dass bei mehreren Testamenten mit identischem Datum, deren zeitliche Reihenfolge nicht eindeutig feststellbar ist, diese als gleichzeitig errichtet gelten. Sich widersprechende Verfügungen werden in ihren unvereinbaren Teilen als unwirksam erachtet. Dies unterstreicht die Bedeutung einer klaren und eindeutigen Testamentsgestaltung, um Rechtsunsicherheiten und Erbstreitigkeiten zu vermeiden.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Haben Sie oder ein Angehöriger mehrere Testamente hinterlassen, die sich möglicherweise widersprechen? Das Urteil des Oberlandesgerichts Rostock zeigt, dass in solchen Fällen nicht unbedingt das zuletzt verfasste Testament gilt. Entscheidend ist, ob die Testamente tatsächlich gleichzeitig erstellt wurden. Ist dies der Fall, werden widersprüchliche Regelungen ungültig.

Was können Sie tun?

  • Sorgfältige Testamentsgestaltung: Lassen Sie sich bei der Erstellung Ihres Testaments professionell beraten, um Unklarheiten und Widersprüche zu vermeiden.
  • Transparente Kommunikation: Informieren Sie Ihre Vertrauenspersonen über den Aufbewahrungsort Ihres Testaments und ob weitere Testamente existieren.
  • Rechtliche Beratung: Sind Sie unsicher über die Gültigkeit mehrerer Testamente, holen Sie frühzeitig juristischen Rat ein, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Dieses Urteil unterstreicht, wie wichtig eine klare und eindeutige Regelung des letzten Willens ist. Es zeigt auch, dass selbst kleine Unstimmigkeiten große Auswirkungen haben können. Lassen Sie sich daher rechtlich beraten, um sicherzustellen, dass Ihr letzter Wille Ihren tatsächlichen Vorstellungen entspricht.


FAQ – Häufige Fragen

Testamente sind oft komplex und bergen viele Fallstricke, insbesondere wenn es um Mehrfachverfügungen geht. Welche Regeln gelten bei widersprüchlichen Anweisungen? Was passiert, wenn ein Erbe ausgeschlagen wird? Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen rund um Testamente und deren Auslegung finden Sie in unseren FAQs.


Was ist ein Testament und warum ist es so wichtig?

Ein Testament ist eine rechtlich bindende Erklärung, in der eine Person ihren letzten Willen bezüglich der Verteilung ihres Vermögens nach dem Tod festlegt. Es handelt sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft, das nicht der Zustimmung anderer bedarf. Die Bedeutung eines Testaments liegt darin, dass es die gesetzliche Erbfolge außer Kraft setzt und dem Erblasser ermöglicht, sein Vermögen nach eigenen Vorstellungen zu verteilen.

Die Formvorschriften für ein Testament sind streng geregelt. Es muss entweder handschriftlich verfasst und unterschrieben oder notariell beurkundet werden. Ein handschriftliches Testament sollte Datum und Ort der Errichtung enthalten sowie mit Vor- und Nachnamen unterschrieben sein. Diese Formvorschriften dienen dazu, die Echtheit des Testaments sicherzustellen und Fälschungen zu verhindern.

Ein Testament bietet die Möglichkeit, vom gesetzlichen Erbrecht abzuweichen. So können beispielsweise nicht verheiratete Lebenspartner oder gemeinnützige Organisationen bedacht werden, die nach der gesetzlichen Erbfolge leer ausgehen würden. Auch können bestimmte Vermögensgegenstände gezielt einzelnen Personen zugewendet werden.

Die Testierfähigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für die Errichtung eines wirksamen Testaments. Der Erblasser muss volljährig und geistig in der Lage sein, die Bedeutung und Tragweite seiner Verfügungen zu erfassen. Bei Zweifeln an der Testierfähigkeit kann ein ärztliches Gutachten eingeholt werden.

Ein Testament kann zu Lebzeiten jederzeit widerrufen oder geändert werden. Dies geschieht entweder durch Vernichtung der Testamentsurkunde, durch Errichtung eines neuen Testaments oder durch eine ausdrückliche Widerrufserklärung. Bei mehreren Testamenten gilt grundsätzlich das jüngste Testament, sofern es nicht ausdrücklich nur als Ergänzung gedacht ist.

Die Auslegung eines Testaments kann in der Praxis zu Schwierigkeiten führen, insbesondere wenn mehrere Testamente vorliegen oder die Formulierungen unklar sind. In solchen Fällen muss der wahre Wille des Erblassers ermittelt werden, wobei auch Umstände außerhalb der Testamentsurkunde berücksichtigt werden können.

Ein Testament sollte sorgfältig aufbewahrt werden. Es kann beim Amtsgericht in amtliche Verwahrung gegeben werden, was die Auffindbarkeit im Erbfall sicherstellt. Alternativ kann es zu Hause aufbewahrt werden, wobei Vertrauenspersonen über den Aufbewahrungsort informiert werden sollten.

Die Errichtung eines Testaments ist besonders wichtig, wenn die gesetzliche Erbfolge nicht den Wünschen des Erblassers entspricht oder wenn das Vermögen auf eine bestimmte Weise verteilt werden soll. Es bietet die Möglichkeit, klare Regelungen zu treffen und potenzielle Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden.

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Was passiert, wenn mehrere Testamente hinterlassen wurden?

Ein Testament ist eine rechtlich bindende Erklärung, in der eine Person ihren letzten Willen bezüglich der Verteilung ihres Vermögens nach dem Tod festlegt. Es ermöglicht dem Erblasser, selbst zu bestimmen, wer sein Erbe antreten und welche Vermögenswerte an wen übergehen sollen. Die Bedeutung eines Testaments liegt darin, dass es die gesetzliche Erbfolge außer Kraft setzt und somit eine individuelle Nachlassregelung ermöglicht.

Durch ein Testament können Erblasser sicherstellen, dass ihr Vermögen nach ihren Wünschen verteilt wird. Dies ist besonders wichtig, wenn die gesetzliche Erbfolge nicht den persönlichen Vorstellungen entspricht. Ein Testament bietet die Möglichkeit, bestimmte Personen zu begünstigen oder auch vom Erbe auszuschließen. Zudem können spezielle Anordnungen getroffen werden, wie etwa die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers oder die Festlegung von Auflagen für die Erben.

Die rechtliche Wirksamkeit eines Testaments setzt voraus, dass es formgerecht errichtet wurde. Es muss entweder handschriftlich verfasst und unterschrieben oder notariell beurkundet sein. Ein formgültiges Testament hat Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge und ist für die Erben bindend. Dies unterstreicht die Wichtigkeit eines korrekt erstellten Testaments für die Umsetzung des letzten Willens.

Bei der Hinterlassung mehrerer Testamente können rechtliche Komplikationen auftreten. Grundsätzlich gilt das zuletzt errichtete Testament als maßgeblich. Existieren jedoch mehrere Testamente mit unterschiedlichen Inhalten, muss geklärt werden, welches die aktuellste und damit gültige Version ist. Dies kann zu Unsicherheiten und Streitigkeiten unter den potenziellen Erben führen.

Wenn mehrere Testamente vorliegen, die sich inhaltlich widersprechen, wird zunächst das Datum der Errichtung herangezogen. Das Testament mit dem jüngsten Datum setzt in der Regel frühere Versionen außer Kraft. Problematisch wird es, wenn die Testamente nicht datiert sind oder das gleiche Datum tragen. In solchen Fällen muss eine genaue Prüfung erfolgen, um den tatsächlichen letzten Willen des Erblassers zu ermitteln.

Bei undatierten oder gleich datierten, sich widersprechenden Testamenten kann es erforderlich sein, dass ein Gericht über die Gültigkeit entscheidet. Hierbei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt, wie etwa die Handschrift, das verwendete Papier oder mögliche Zeugenaussagen. Im Extremfall können sich widersprechende Testamente mit gleichem Datum als unwirksam betrachtet werden, was zur Anwendung der gesetzlichen Erbfolge führen kann.

Um Unklarheiten zu vermeiden, ist es ratsam, bei der Erstellung eines neuen Testaments ausdrücklich zu vermerken, dass alle früheren Versionen widerrufen werden. Eine klare und eindeutige Formulierung des letzten Willens hilft, spätere Auslegungsschwierigkeiten und mögliche Erbstreitigkeiten zu verhindern. Besondere Sorgfalt bei der Erstellung und regelmäßige Überprüfung des Testaments sind daher empfehlenswert.

Die Hinterlassung mehrerer Testamente kann also zu erheblichen rechtlichen Herausforderungen führen. Es ist daher von großer Bedeutung, bei der Erstellung eines Testaments Klarheit zu schaffen und frühere Versionen eindeutig zu widerrufen. Im Zweifelsfall ist es ratsam, sich bei der Testamentserstellung von einem Fachanwalt für Erbrecht oder einem Notar beraten zu lassen, um rechtssichere und eindeutige Regelungen zu treffen.

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Welche Kriterien entscheiden, welches Testament gültig ist?

Bei mehreren vorliegenden Testamenten entscheidet primär das Datum über deren Gültigkeit. Grundsätzlich gilt das zeitlich jüngste Testament als der letzte Wille des Erblassers und somit als gültig. Das Nachlassgericht prüft dazu alle eingereichten Testamente hinsichtlich ihres Erstellungsdatums. Ältere Testamente werden durch ein neueres Testament automatisch widerrufen, sofern der Erblasser keine anderslautenden Anordnungen getroffen hat.

Neben dem Datum spielen auch inhaltliche Aspekte eine wichtige Rolle. Das Nachlassgericht untersucht, ob sich die Testamente inhaltlich widersprechen oder ergänzen. Bei sich widersprechenden Regelungen hat die jüngere Verfügung Vorrang. Ergänzen sich die Testamente inhaltlich, können auch Teile aus älteren Testamenten weiterhin gültig sein. Entscheidend ist der erkennbare Wille des Erblassers.

Die Gültigkeit eines Testaments hängt zudem von formalen Kriterien ab. Ein handschriftliches Testament muss vollständig eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein. Notarielle Testamente müssen die gesetzlichen Formvorschriften erfüllen. Formungültige Testamente sind unwirksam, unabhängig von ihrem Datum.

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. War der Erblasser aufgrund einer psychischen Krankheit oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage, die Bedeutung seiner Erklärungen zu erkennen, ist das Testament ungültig. Das Nachlassgericht kann bei Zweifeln an der Testierfähigkeit ein medizinisches Gutachten einholen.

Der Testierwille des Erblassers muss ebenfalls erkennbar sein. Das Testament muss den ernsthaften Willen des Erblassers widerspiegeln, über seinen Nachlass zu verfügen. Entwürfe oder unfertige Testamente erfüllen dieses Kriterium in der Regel nicht.

Bei der Beurteilung der Gültigkeit berücksichtigt das Nachlassgericht auch die Umstände der Testamentserrichtung. Wurde das Testament unter Zwang oder aufgrund einer Täuschung erstellt, kann es für ungültig erklärt werden. Ebenso können Irrtümer des Erblassers zur Unwirksamkeit führen.

Das Nachlassgericht prüft die eingereichten Testamente von Amts wegen auf ihre Gültigkeit. Es hört dazu Beteiligte an, vernimmt Zeugen und holt bei Bedarf Sachverständigengutachten ein. Ziel ist es, den wahren letzten Willen des Erblassers zu ermitteln und umzusetzen.

Bei der Auslegung mehrerer Testamente berücksichtigt das Gericht auch die Gesamtumstände. Dazu gehören frühere Äußerungen des Erblassers, seine Lebensumstände und persönlichen Beziehungen. Lassen sich Widersprüche zwischen den Testamenten nicht auflösen, kann das Gericht eine ergänzende Auslegung vornehmen.

Liegen mehrere Testamente ohne Datum vor, versucht das Nachlassgericht, die zeitliche Reihenfolge anhand anderer Indizien zu rekonstruieren. Dazu können Schriftbild, verwendetes Papier oder inhaltliche Bezüge herangezogen werden. Ist eine zeitliche Einordnung nicht möglich, gelten grundsätzlich alle undatierten Testamente als gleichzeitig errichtet.

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Was passiert, wenn sich Klauseln in den Testamenten widersprechen?

Bei widersprüchlichen Klauseln in mehreren Testamenten eines Erblassers kommt es auf die genaue Auslegung der letztwilligen Verfügungen an. Das Gericht muss den wahren Willen des Erblassers ermitteln. Hierbei gilt grundsätzlich, dass ein später errichtetes Testament ein früheres aufhebt, soweit es ihm widerspricht. Dies ergibt sich aus § 2258 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Allerdings ist die Situation oft komplexer. Wenn mehrere Testamente gleichzeitig existieren oder nicht klar ist, welches Testament zuletzt errichtet wurde, muss eine sorgfältige Auslegung erfolgen. Das Gericht berücksichtigt dabei alle Umstände des Einzelfalls, um den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ergründen. Hierbei können auch Faktoren außerhalb des Testamentstextes eine Rolle spielen, wie die Lebensumstände des Erblassers oder seine Beziehungen zu den Begünstigten.

Die Auslegung von Testamenten folgt besonderen Regeln. Anders als bei Verträgen kommt es nicht auf den objektiven Empfängerhorizont an, sondern allein auf den subjektiven Willen des Erblassers. Das Gericht muss versuchen, sich in die Gedankenwelt des Verstorbenen hineinzuversetzen und zu ermitteln, was er mit seinen Anordnungen tatsächlich bezwecken wollte.

Lassen sich die Widersprüche durch Auslegung nicht auflösen, kann dies zur Unwirksamkeit der betroffenen Verfügungen führen. In einem solchen Fall greift für den betreffenden Teil des Nachlasses die gesetzliche Erbfolge ein. Dies kann bedeuten, dass Personen erben, die der Erblasser eigentlich nicht bedenken wollte.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass die widersprüchlichen Klauseln als Anfechtungsgrund herangezogen werden. Nach § 2078 BGB kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, wenn der Erblasser über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum war. Ein solcher Irrtum könnte vorliegen, wenn der Erblasser die Widersprüchlichkeit seiner Anordnungen nicht erkannt hat.

Die Anfechtung kann von denjenigen vorgenommen werden, denen die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten kommen würde. Dies sind in der Regel die gesetzlichen Erben oder in einem früheren Testament Bedachte. Die Anfechtungsfrist beträgt ein Jahr ab Kenntnis vom Anfechtungsgrund.

In der Praxis führen widersprüchliche Testamentsklauseln häufig zu Streitigkeiten zwischen den potenziellen Erben. Um solche Konflikte zu vermeiden, ist es ratsam, Testamente regelmäßig zu überprüfen und bei Änderungen alte Versionen eindeutig zu widerrufen. Besonders bei komplexen Nachlassregelungen kann die Hinzuziehung eines Fachanwalts für Erbrecht oder eines Notars sinnvoll sein, um klare und widerspruchsfreie Formulierungen zu gewährleisten.

Für den Fall, dass ein Erblasser mehrere Testamente hinterlässt, die sich widersprechen, kann dies zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Nachlassabwicklung führen. Die Erben müssen möglicherweise ein gerichtliches Verfahren zur Klärung der Erbfolge anstrengen. Dies kann zeit- und kostenintensiv sein und den Nachlass belasten.

Eine besondere Problematik ergibt sich bei gemeinschaftlichen Testamenten von Ehegatten. Hier können widersprüchliche Klauseln dazu führen, dass das gesamte Testament unwirksam wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich nicht mehr feststellen lässt, welcher Ehegatte welche Verfügung getroffen hat.

Um Unklarheiten und Widersprüche zu vermeiden, empfiehlt es sich, in Testamenten klare und eindeutige Formulierungen zu verwenden. Zudem sollte jedes neue Testament einen ausdrücklichen Widerruf aller früheren letztwilligen Verfügungen enthalten. Dies schafft Rechtssicherheit und erleichtert die spätere Auslegung des Erblasserwillens.

Bei der Errichtung eines Testaments ist es wichtig, sich der rechtlichen Tragweite bewusst zu sein. Jede Formulierung kann Auswirkungen auf die Verteilung des Nachlasses haben. Daher sollten Erblasser sorgfältig abwägen, welche Verfügungen sie treffen möchten und wie diese am besten zum Ausdruck gebracht werden können.

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Wie verläuft der rechtliche Prozess bei einem Erbstreit?

Der rechtliche Prozess bei einem Erbstreit beginnt häufig mit dem Versuch einer außergerichtlichen Einigung zwischen den Beteiligten. Sollte dies nicht gelingen, kann ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werden. Das zuständige Gericht für Erbstreitigkeiten ist in der Regel das Amtsgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers.

Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens wird zunächst die Erbfolge geklärt. Hierfür ist oft ein Erbschein erforderlich, der die Erbenstellung offiziell bestätigt. Das Erbscheinsverfahren wird beim Nachlassgericht beantragt und dient der Feststellung der rechtmäßigen Erben. Dabei prüft das Gericht die vorgelegten Dokumente wie Testamente oder Erbverträge und hört gegebenenfalls Zeugen an.

Sollten mehrere Testamente vorliegen, muss das Gericht diese auslegen und interpretieren. Dabei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt, wie der mutmaßliche Wille des Erblassers und die Gesamtumstände zum Zeitpunkt der Testamentserstellung.

Im Falle von Streitigkeiten über die Auslegung oder Gültigkeit eines Testaments kann eine Feststellungsklage erhoben werden. Diese zielt darauf ab, die rechtmäßige Erbfolge gerichtlich feststellen zu lassen. Während des Verfahrens haben alle Beteiligten die Möglichkeit, ihre Ansprüche und Argumente vorzubringen.

Das Gericht kann zur Klärung strittiger Fragen Beweise erheben, beispielsweise durch Zeugenvernehmungen oder Sachverständigengutachten. Nach Abschluss der Beweisaufnahme fällt das Gericht ein Urteil, das die Erbfolge und die Verteilung des Nachlasses festlegt.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts kann Berufung beim zuständigen Oberlandesgericht eingelegt werden. Die Berufungsfrist beträgt in der Regel einen Monat ab Zustellung des Urteils. Im Berufungsverfahren wird der Fall erneut geprüft, wobei neue Tatsachen und Beweismittel nur unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt werden.

In besonderen Fällen besteht die Möglichkeit, nach dem Berufungsverfahren Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen. Dies ist jedoch nur zulässig, wenn es um grundsätzliche Rechtsfragen geht oder zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist.

Neben dem streitigen Verfahren gibt es auch die Möglichkeit der Mediation oder des Schlichtungsverfahrens. Diese alternativen Streitbeilegungsmethoden können helfen, eine einvernehmliche Lösung zu finden und langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden.

Während des gesamten Prozesses ist es ratsam, sich von einem spezialisierten Fachanwalt für Erbrecht beraten und vertreten zu lassen. Dieser kann die rechtliche Situation einschätzen, die Erfolgsaussichten beurteilen und die Interessen des Mandanten bestmöglich vertreten.

Der rechtliche Prozess bei einem Erbstreit kann sich über mehrere Instanzen erstrecken und Jahre dauern. Die Kosten für ein solches Verfahren können erheblich sein und richten sich nach dem Streitwert, also dem Wert des Nachlasses oder des strittigen Teils davon.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Nießbrauchsrecht: Ein Nießbrauchsrecht ist ein dingliches Recht, das dem Berechtigten die volle Nutzung und den Fruchtgenuss einer Sache oder eines Rechts einräumt, ohne diese zu veräußern oder zu belasten. Im Erbrecht kann es als Vermächtnis eingesetzt werden, um einem Erben oder Dritten lebenslangen Nutzen am Nachlass zu gewähren. Es unterscheidet sich vom Wohnrecht, da es umfassendere Nutzungsmöglichkeiten bietet. Im vorliegenden Fall war das Nießbrauchsrecht Kern des Konflikts, da es nur in einem der Testamente erwähnt wurde.
  • Ausschlagung der Erbschaft: Die Ausschlagung ist die rechtliche Möglichkeit, eine Erbschaft abzulehnen. Sie muss innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall erfolgen. Eine Ausschlagung kann unter bestimmten Umständen angefochten werden, etwa bei Irrtum über wesentliche Eigenschaften des Nachlasses. Im Fall des OLG Rostock wurde die Ausschlagung des Sohnes für unwirksam erklärt, da er zum Zeitpunkt der Ausschlagung nicht alle relevanten Informationen hatte.
  • Erbschein: Der Erbschein ist ein amtliches Dokument, das vom Nachlassgericht ausgestellt wird und die Erbenstellung sowie den Erbanteil bescheinigt. Er dient als Nachweis der Erbberechtigung gegenüber Dritten, wie Banken oder Grundbuchämtern. Im vorliegenden Fall stritten die Erben um die Ausstellung des Erbscheins, da unklar war, welches Testament maßgeblich war und wer als Erbe eingesetzt wurde.
  • Testamentsauslegung: Die Testamentsauslegung ist der juristische Prozess, bei dem der wahre Wille des Erblassers aus dem Testamentstext ermittelt wird. Dabei werden nicht nur der Wortlaut, sondern auch die Umstände der Testamentserrichtung und der mutmaßliche Wille des Erblassers berücksichtigt. Im Fall des OLG Rostock musste das Gericht zwei widersprüchliche Testamente auslegen und entscheiden, welche Verfügungen gültig sind.
  • Teilunwirksamkeit: Die Teilunwirksamkeit bezeichnet im Erbrecht den Zustand, bei dem nur ein Teil einer letztwilligen Verfügung unwirksam ist, während der Rest bestehen bleibt. Dies kann eintreten, wenn sich Teile eines Testaments widersprechen oder gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen. Im vorliegenden Fall erklärte das Gericht das Nießbrauchsrecht für unwirksam, während die übrigen Verfügungen bestehen blieben.
  • Gleichzeitigkeit von Testamenten: Wenn mehrere Testamente mit identischem Datum vorliegen und die zeitliche Reihenfolge ihrer Errichtung nicht festgestellt werden kann, gelten sie rechtlich als gleichzeitig errichtet. In solchen Fällen werden widersprüchliche Verfügungen für unwirksam erklärt, während übereinstimmende Teile gültig bleiben. Diese Regelung dient dazu, den mutmaßlichen Willen des Erblassers bestmöglich umzusetzen und Rechtssicherheit zu schaffen.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 2247 BGB (Gleichzeitige Testamente): Wenn ein Erblasser mehrere Testamente zur gleichen Zeit errichtet hat und sich diese widersprechen, sind die widersprüchlichen Teile unwirksam. Im vorliegenden Fall hat das Gericht beide Testamente als gleichzeitig erachtet, da nicht festgestellt werden konnte, welches zuerst verfasst wurde. Der Widerspruch bestand im Nießbrauchrecht, das nur im karierten Testament enthalten war und somit für unwirksam erklärt wurde.
  • §§ 1954 ff. BGB (Anfechtung der Ausschlagung): Eine Erbausschlagung kann unter bestimmten Voraussetzungen angefochten werden, z.B. bei Irrtum über den Inhalt des Testaments. Im vorliegenden Fall wurde die Ausschlagung des Sohnes für unwirksam erklärt, da er zum Zeitpunkt der Ausschlagung nur das karierte Testament kannte und sich somit über eine wichtige Eigenschaft des Nachlasses irrte (das nicht existente Nießbrauchrecht).
  • § 2078 Abs. 2 BGB (Erbschein): Ein Erbschein dient als Nachweis der Erbenstellung und wird vom Nachlassgericht ausgestellt. Im vorliegenden Fall beantragte die Tochter einen Erbschein als Alleinerbin, während der Sohn einen Erbschein beantragte, der beide Geschwister als Miterben ausweist. Das Gericht entschied, dass der Erbscheinsantrag der Tochter zurückgewiesen wird, da beide Testamente gültig waren und das Nießbrauchrecht unwirksam war.
  • § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB (Ausschlagungsfrist): Die Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft beträgt grundsätzlich sechs Wochen und beginnt mit Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und dem Berufungsgrund. Im vorliegenden Fall hatte der Sohn die Erbschaft nach Kenntnisnahme des karierten Testaments ausgeschlagen. Diese Ausschlagung wurde jedoch für unwirksam erklärt, da er zum Zeitpunkt der Ausschlagung nicht über den tatsächlichen Berufungsgrund (das nicht existente Nießbrauchrecht) informiert war.
  • § 13 BGB (Auslegung von Willenserklärungen): Bei der Auslegung von Willenserklärungen, wie z.B. Testamenten, ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Im vorliegenden Fall musste das Gericht den Willen des Erblassers anhand zweier Testamente ermitteln, die widersprüchliche Angaben enthielten. Dabei wurde berücksichtigt, dass der Erblasser sich möglicherweise über die rechtliche Bedeutung des Nießbrauchrechts geirrt hatte.

Das vorliegende Urteil

OLG Rostock – Az.: 3 W 52/21 – Beschluss vom 30.11.2021

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 5) wird der Beschluss des Amtsgerichts Stralsund vom 03.11.2020, Az. 532 VI 168/19, aufgehoben. Der Erbscheinsantrag der Antragstellerin vom 21.02.2019 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligte zu 1) trägt die Gerichtskosten des Erbscheinsverfahrens beider Instanzen. Rechtsanwaltskosten der Beteiligten sind nicht zu erstatten.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 500.000,- €

Gründe

I. Der Erblasser verstarb am 7.10.2018 in Z. und hinterließ im wesentlichen sein Hausgrundstück R. im O. Z.. Seine Ehefrau war schon am 11.9.1998 vorverstorben. Die Beteiligten zu 1 und 3 sind die Töchter des Erblassers, der Beteiligte zu 5 ist sein Sohn. Der weitere Sohn des Erblassers, U. K., war schon am 7.8.2004 verstorben, die Beteiligte zu 2 ist dessen Tochter und der Beteiligte zu 4 dessen Sohn. Die Beteiligte zu 6 war bis zu seinem Ableben die Lebensgefährtin des Erblassers.

Der Erblasser ließ sich am 5.7.2011 durch Rechtsanwältin M.-H.

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aus R.-D. hinsichtlich der Regelung seines Nachlasses beraten. Diese übersandte dem Erblasser am 25.8.2011 seinen Vorstellungen entsprechend einen maschinenschriftlichen Testamentsentwurf, mit dem die Beteiligten zu 1 und 5 zu seinen Erben bestimmt werden sollten. Der Entwurf enthält zugunsten der Beteiligten zu 6 als Vermächtnis ein unentgeltliches lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Hausgrundstück des Erblassers, ferner wollte er ihr den gesamten beweglichen Nachlass vermachen. Der Beteiligte zu 4 sollte ein Vermächtnis in Höhe von 2.000 € erhalten. Rechtsanwältin M.-H. rechnete die Beratung am 19./20.6.2012 gegenüber dem Erblasser ab, dieser bezahlte mithilfe der Beteiligten zu 6 die Rechnung.

Der Erblasser verfasste sodann zwei handschriftliche unterschriebene Testamente mit Datum vom 4.7.2012, eines auf kariertem Papier (sog. kariertes Testament) und eines auf liniertem Papier (sog. liniertes Testament). In beiden Testamenten wurden die Beteiligten zu 1 und 5 als Erben bestimmt, sodass die Beteiligten zu 2, 3 und 4 enterbt sind. Beide Testamente enthalten als Vermächtnis ein lebenslanges Wohnrecht der Beteiligten zu 6 am Hausgrundstück. Beide Testamente enthalten ferner ein Vermächtnis zugunsten des Beteiligten zu 4 in Höhe von 2.000 €. Das Testament auf kariertem Papier enthält als Vermächtnis zudem ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht der Beteiligten zu 1 am Hausgrundstück, in dem Testament auf liniertem Papier fehlt dieser Passus.

Die Beteiligten streiten über die Frage, welches das maßgebliche jüngere Testament ist. Die Beteiligte zu 1 hält das karierte Testament für das maßgebliche jüngere, weil der Erblasser es in einem Hefter mit den wichtigen Dokumenten abgelegt habe. Das linierte Testament sei von dem maschinenschriftlichen Entwurf der Rechtsanwältin abgeschrieben worden, danach sei angesichts des Wortlautes das karierte Testament vom linierten Testament abgeschrieben worden. Das linierte Testament stelle nach allem nur einen Entwurf bzw. die Vorfassung dar. Der Beteiligte zu 5 ist der Auffassung, dass der Ort der Auffindung ohne Bedeutung sei. Ferner ergebe sich aus den Angaben der Lebensgefährtin des Erblassers, der Beteiligten zu 6, dass der Erblasser nach der Beratung durch die Rechtsanwältin das Testament auf liniertem Papier als maßgeblich angesehen und in einem weißen Umschlag mit der Aufschrift „Testament“ verwahrt habe, den die Beteiligte zu 6 erst nach dem Erbfall aufgefunden habe.

Das karierte Testament wurde am 2.11.2018 eröffnet, das linierte Testament erst am 21.3.2019.

Der Beteiligte zu 5 hat in Kenntnis des karierten Testaments am 26.11.2018 die Erbschaft ausgeschlagen. Nachdem er am 11.2.2019 Kenntnis vom linierten Testament erlangt hat, hat er am 26.2.2019 die Ausschlagung angefochten, da er sich über die Belastung des Nachlasses mit einem Nießbrauchsrecht, über die Pflicht zur persönlichen Erfüllung der Vermächtnisse und Pflichtteilsansprüche sowie über den Berufungsgrund geirrt habe.

Die Beteiligte zu 1 hat am 21.2.2019 einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Der Beteiligte zu 5 ist dem entgegengetreten und begehrt einen Erbschein, der die Beteiligten zu 1 und 5 als Miterben je zur Hälfte ausweist.

Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten zu 1 und 6 sowie Vernehmung der Zeugin M.-H. mit Beschluss vom 3.11.2020 die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1 vom 21.2.2019 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Das karierte Testament sei aufgrund des Ortes seine Auffindung das maßgebliche, während aufgrund der unglaubhaften Angaben der Beteiligten zu 6 unklar sei, wie sie in den Besitz des linierten Testaments gelangt sei. Die Anfechtung des Beteiligten zu 5 gehe ins Leere, da er sich nicht über den Berufungsgrund geirrt habe, weil er Kenntnis von dem allein maßgeblichen karierten Testament hatte. Dass der Beteiligte zu 5 das nicht maßgebliche linierte Testament bei Ausschlagung der Erbschaft nicht gekannt habe, sei damit unerheblich.

Über den – nicht formgerechten – Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 5, enthalten in der anwaltlichen Antragserwiderung vom 27.2.2019, hat das Amtsgericht nicht entschieden.

Gegen den am 7.12.2020 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 5 am 7.1.2021 Beschwerde eingelegt und diese am 15.4.2021 begründet. Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 21.4.2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt.

Der Beteiligte zu 5 beantragt, den Feststellungsbeschluss des Amtsgerichtes vom 3.11.2020 aufzuheben und den Antrag der Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Erbscheins abzuweisen. Den ursprünglichen Antrag, die zur Begründung des eigenen gegenläufigen Erbscheinsantrages vom 27.2.2019 erforderlichen Tatsachen für festgestellt zu erachten, verfolgt der Beteiligte zu 5 nicht weiter. Die Beteiligte zu 1 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Senat hat die Beteiligte zu 6 erneut angehört, die übrigen Beteiligten hatten ferner Gelegenheit zur mündlichen und schriftlichen Stellungnahme.

II. Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 vom 21.2.2019 ist unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts vom 3.11.2020 abzulehnen, weil die Beteiligte zu 1 nicht Alleinerbin geworden ist, vielmehr sind die Beteiligten zu 1 und 5 testamentarische Miterben jeweils zur Hälfte.

1. Beide Testamente, das karierte und das linierte, wurden mit dem gleichen Datum vom 4.7.2012 errichtet, ohne dass nach Auffassung des Senats mit der erforderlichen Sicherheit ermittelt werden kann, welches früher und welches später geschrieben wurde. Damit gelten beide Testamente als gleichzeitig errichtet mit der Folge, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Errichtung des späteren Testaments gemäß § 2258 Abs. 1 BGB zur Aufhebung des früheren Testaments führt, soweit das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Widersprechen sich – wie hier – gleichzeitig errichtete letztwillige Verfügungen, so sind sie in ihren unvereinbaren Teilen unwirksam (vgl. BayObLG, Beschl. v. 10.08.1990, Breg 1 a 7/84/88, FamRZ 1991, 237; KG, Beschl. v. 06.11.1990, 1 W 2992/90, NJW-RR 1991, 392; BeckOK/BGB-Litzenburger, Stand 1.5.2021, § 2258 Rn. 4; BeckOGK/BGB-Grziwotz, Stand 1.1.2021, § 2258 Rn. 9; Burandt/Rojahn-Lauck, Erbrecht, 3. Aufl., § 2258 Rn. 4).

Sowohl das karierte als auch das linierte Testament stellen formgültige letztwillige Verfügungen des Erblassers dar. Allein aus dem Ort der Auffindung beider Testamente, den ermittelten Umständen ihrer Errichtung im Anschluss an die Beratung durch Rechtsanwältin M.-H. und aus dem Wortlaut beider Testamente im Vergleich zum maschinenschriftlichen Entwurf lässt sich nicht ableiten, welches Testament zuerst geschrieben wurde und welches das maßgebliche jüngere ist. Die Testamente gelten deshalb entsprechend dem identischen Datum als gleichzeitig errichtet.

In Übereinstimmung mit dem Amtsgericht geht der Senat davon aus, dass der Erblasser anlässlich der anwaltlichen Beratung am 5.7.2011 keinen Testamentsentwurf erhalten und auch kein handschriftliches Testament verfasst hatte. Das ergibt sich aus der glaubhaften Aussage der Zeugin M.-H. und aus den eingereichten anwaltlichen Schriftstücken vom 25.8.2011 (nebst maschinenschriftlichem Testamentsentwurf) und 20.6.2012 (nebst Kostenrechnung vom 19.6.2012). Insoweit ist ferner davon auszugehen, das der Erblasser die beiden Testamente vom 4.7.2012 handschriftlich erstellt hat, nachdem er durch die Kostenrechnung erneut an die Angelegenheit erinnert wurde. Der Senat teilt auch die Auffassung des Amtsgerichts dahingehend, dass die Aussage der Beteiligten zu 6 insoweit nicht glaubhaft ist.

Allein der Ort der Auffindung des karierten Testaments sagt nichts darüber aus, ob es sich hierbei um das maßgebliche jüngere Testament handelt. Insoweit ist es zunächst möglich, dass der Erblasser auch einen Entwurf in den Hefter mit den wichtigen Familienunterlagen gelegt hat, zumal nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob das karierte Testament eingeheftet war oder lose in dem Hefter lag. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Erblasser das karierte Testament zunächst als maßgeblich angesehen hat, ist es ohne weiteres denkbar, dass der Erblasser das linierte Testament erst danach verfasst und an einem anderen Ort abgelegt hat. Allein aus der unterlassenen Ablage des linierten Testaments in den Hefter mit wichtigen Unterlagen lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass das linierte Testament nicht später geschrieben worden sein kann, denn hierfür kann es mannigfaltige Gründe geben. So spricht das Schriftbild beider Testamente eher dafür, dass es sich bei dem karierten Testament um einen Entwurf und bei dem linierten Testament um das maßgebliche Schriftstück gehandelt hat. Das karierte Testament ist in krakeliger Schrift geschrieben und enthält zahlreiche Rechtschreibfehler, das linierte Testament ist wesentlich schöner und sorgfältiger geschrieben worden.

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 lässt sich aus dem Inhalt beider Testamente nicht entnehmen, dass das linierte Testament unmittelbar vom maschinenschriftlichen Testamentsentwurf abgeschrieben worden sein müsse, während das karierte Testament seinerseits vom linierten Testament abgeschrieben worden sei. Ein derartiger Zusammenhang erschließt sich dem Senat nicht ansatzweise. Im Gegenteil entspricht das linierte Testament eher dem Entwurf, während das karierte Testament im entscheidenden Punkt erheblich vom Entwurf abweicht. Der Erblasser hat im linierten Testament den Entwurf lediglich insoweit abgeändert, als er der Beteiligten zu 6 nunmehr statt eines Nießbrauchsrechtes am Hausgrundstück nur ein lebenslanges Wohnrecht vermacht hat. Dies kann entsprechend der Aussage der Zeugin M.-H. zwanglos damit erklärt werden, dass der Erblasser mit einem Nießbrauchsrecht nichts anfangen konnte, mit einem lebenslangen Wohnrecht indes schon. Das karierte Testament weicht hingegen hinsichtlich des Nießbrauchsrechtes zugunsten der Beteiligten zu 1 im Wege des Vermächtnisses ohne nachvollziehbare Erklärung vom Testamentsentwurf ab, von einem Nießbrauchsvermächtnis zugunsten der Beteiligten zu 1 als Erbin in Konkurrenz zu dem Wohnrecht der Beteiligten zu 6 war in dem Entwurf nicht die Rede. Ohne nachvollziehbare Gründe für einen Sinneswandel des Erblassers ist es daher eher plausibel, dass es sich bei dem karierten Testament um ein Versehen oder ein in großer Eile geschriebenes Schriftstück gehandelt hat, das mit dem linierten Testament wieder korrigiert wurde.

Daraus, dass die Aussage der Beteiligten zu 6 hinsichtlich der Errichtung und der anschließenden Aufbewahrung des linierten Testaments nicht glaubhaft ist, folgt im Umkehrschluss nicht, dass es sich bei dem linierten Testament um einen Entwurf oder um die ältere Fassung des Testaments handeln muss. Die entsprechende Schlussfolgerung des Amtsgerichts erschließt sich dem Senat nicht.

Nach allem gelten die beiden mit gleichem Datum errichteten Testamente als gleichzeitig errichtet, sodass sie in ihren unvereinbaren Teilen unwirksam sind. Der Unterschied besteht hier in dem lebenslangen Nießbrauchsrecht der Beteiligten zu 1, das Vermächtnis ist daher insoweit unwirksam.

2. Die Ausschlagung der Erbschaft durch den Beteiligten zu 5 ist gemäß § 1949 BGB unwirksam.

Eine Ausschlagung erstreckt sich im Zweifel auf alle Berufungsgründe, die dem Erben zur Zeit der Erklärung bekannt sind. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass die dem Erben nicht bekannten Berufungsgründe von der Ausschlagung nicht erfasst sind. Dem Beteiligten zu 5 war bei Ausschlagung der Erbschaft am 26.11.2018 nur das karierte Testament bekannt, da ihm das abweichende linierte Testament erst am 11.2.2019 zur Kenntnis gelangt ist. Daher erstreckt sich die Ausschlagung nicht auf das linierte Testament.

Darüber hinaus wäre auch die fristgerecht binnen 6 Wochen ab Kenntnis (§ 1954 BGB) erklärte Anfechtung der Ausschlagung wirksam. Gemäß § 119 Abs. 2 BGB kann die Ausschlagung bei einem Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften des Nachlasses angefochten werden. Die Belastung des Nachlasses mit einem Vermächtnis ist eine derartige verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses. Der Beteiligten zu 5 irrte sich insoweit über die Belastung des Nachlasses mit einem Nießbrauchsrecht der Beteiligten zu 1, da sich nur aus dem ihm bekannten karierten Testament ein solches Vermächtnis ergibt, während die Unwirksamkeit dieses Vermächtnisses aus dem ihm nicht bekannten linierten Testament folgt.

Auf die übrigen Anfechtungsgründe und die behauptete unrichtige Rechtsberatung durch die früheren Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 5 kommt es nicht mehr an.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 FamFG.

Die Beteiligte zu 1 trägt als unterliegende Antragstellerin die Gerichtskosten des Erbscheinsverfahrens beider Instanzen. Nach billigem Ermessen tragen die Beteiligten ihre Rechtsanwaltskosten jeweils selbst. Zwar dürfte die Beteiligte zu 1 im Erbscheinsantrag vom 21.2.2019 falsche Angaben (§ 81 Abs. 2 Nr. 3 FamFG) dahingehend gemacht haben, dass es neben dem karierten Testament keine weitere Verfügung von Todes wegen gegeben habe. Hierdurch wurden indes keine Kosten verursacht, da das weitere linierte Testament alsbald aufgetaucht ist und sich die Parteien ohnehin durch Rechtsanwälte hätten vertreten lassen.

IV. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich gemäß §§ 40, 61 FamFG aus dem geschätzten Wert des Nachlasses.

 


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