OLG Naumburg, Az.: 2 Wx 73/14, Beschluss vom 28.01.2016
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Magdeburg vom 6. Oktober 2014 aufgehoben.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, nach dem Eintritt der formellen Rechtskraft dieser Entscheidung der Beteiligten zu 1) einen gemeinschaftlichen Erbschein mit folgendem Inhalt zu erteilen:
…
geboren am … in … (heute: …),
verstorben am … in … ,
zuletzt wohnhaft in … ,
ist im Wege der testamentarischen Erbfolge beerbt worden von
1) I. B. geb. Ws. zu einem Anteil von 2/3 und
2) Ha. Ws. geb. F. zu einem Anteil von 1/3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der der Beteiligten zu 1) entstandenen außergerichtlichen Kosten sind von dem Beteiligten zu 3) zu ersetzen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf eine Gebührenstufe bis zu 125.000,00 € festgesetzt.
Gründe
A.
Die Erblasserin hatte keine eigenen Nachkommen. Sie war verheiratet, lebte jedoch seit Ende 1993 getrennt von ihrem Ehemann. Sie hinterließ drei Verfügungen von Todes wegen, ein Testament aus dem Jahr 1995, ein Testament vom 08.02.1997 und ein Testament vom 16.04.1999. Die Testamente wurden am 07.11.2011 vom Amtsgericht – Nachlassgericht – Magdeburg eröffnet (Az.: … ). In allen drei Testamenten verfügte die Erblasserin jeweils, dass ihr damaliger Ehemann nichts von ihr zu bekommen habe. Im Übrigen nahm sie jeweils eine Aufteilung von konkreten Vermögenswerten (Sparguthaben) auf bestimmte, jeweils mit Namen und Anschrift genannte Personen vor. Im Testament vom 16.04.1999 heißt es:
„Zu Erben erkläre ich:
1) H. F. … Sie soll das Postsparbuch – Festzins bis 27.1.2002 bekommen. … 13.617,50 DM …
2) S. G. … Sie soll von dem Postsparbuch Konto Nr. … … 20.348,21 DM …
3) Ha. K. … Sie soll das Postsparbuch Konto Nr. … … 14.002,76 DM haben.
4) I. B. … Sie soll Guthaben von dem Festzinssparbuch … haben … 30.000 DM
5) Hs. W. … Er soll 4.000 DM von dem Sparbuch Nr. … bekommen, wenn er sich zur Pflege der Grabstelle von Frau J. Kl. + Grabstelle von meinem Vater … bereit erklärt. Wenn er möchte kann er auch Sachen + Möbel haben.
6) Das Giro-Konto … und das Geld vom Sparbuch Nr. … soll für Begräbnis – Verbrennung ohne Grabstelle … verwendet werden. …“
Die vorzitierte Ziffer 2) des Testaments ist vollständig gestrichen worden, wobei die Beteiligten übereinstimmend davon ausgehen, dass die Erblasserin selbst diese Streichung nachträglich vorgenommen hat.
Im Jahre 2002 verstarb der Ehemann der Erblasserin. Beim Tode der Erblasserin hatte deren Vermögen einen Wert von etwa 127.000,00 €. Die Erblasserin hat alle drei Testamente selbst aufbewahrt; bis zu ihrem Tod hat sie kein weiteres Testament mehr verfasst.
Die Beteiligte zu 1) hat zu UR Nr. … des Notars Dr. J. F. in E. vom 31.03.2014 einen Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins des Inhalts beantragt, dass Erben der am 09.09.2011 verstorbenen Erblasserin sie selbst zu einem Anteil von zwei Dritteln und die Beteiligte zu 2) zu einem Anteil von einem Drittel seien. Sie hat sich insoweit auf testamentarische Erbfolge nach dem privatschriftlichen Testament der Erblasserin vom 16.04.1999 berufen und ausgeführt, dass die unter Ziffer 1) genannte H. F. aufgrund ihres Vorversterbens am 22.02.2011 als Erbin ausgeschieden sei, dass zu der unter Ziffer 2) genannten S. G. , der Stieftochter der Erblasserin, nie ein intensives Näheverhältnis bestanden habe und dass die Streichung von der Erblasserin selbst wohl im Hinblick auf den Verzicht auf Erbansprüche nach ihrem Ehemann – quasi als wechselseitiges Ausscheiden aus der Erbfolge nach dem jeweils anderen Ehepartner – vorgenommen worden sei, sowie dass der unter Ziffer 5) genannte Hs. W. kein Verwandter gewesen sei und für die Erblasserin Reparaturen im Haushalt ausgeführt habe, weshalb die Zuwendung an ihn als Vermächtnis aufzufassen sei. Ausgehend von den Geldbeträgen, die der Beteiligten zu 2) und der Beteiligten zu 1) zugewendet worden seien, sei von einer Erbquote von 1/3 zu 2/3 auszugehen.
Die Beteiligte zu 1) und die Beteiligten zu 3) bis zu 6) sind ausweislich des gemeinschaftlichen Erbscheins des Amtsgerichts – Nachlassgericht – E. vom 11.09.2013 (Az.: 3 VI 258/13) Erben der am 01.06.2012 nachverstorbenen Beteiligten zu 2) zu Anteilen von je einem Fünftel. H. F. hinterließ einen Sohn, D. F..
Die Beteiligten zu 3) und zu 4) haben am 31.03.2014 zur Niederschrift des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – E. einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, der sich auf eine gesetzliche Erbfolge nach der Erblasserin stützt. Sie haben die Auffassung vertreten, dass die im Testament vom 16.04.1999 enthaltenen Verfügungen als Vermächtnisse auszulegen seien, weshalb die gesetzliche Erbfolge zugunsten der überlebenden Erben der dritten Ordnung eingetreten sei.
Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 06.10.2014 den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Erbscheins zurückgewiesen. Die Entscheidung wird im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Auslegung des Testaments vom 16.04.1999 nicht mit hinreichender Sicherheit ergebe, dass die darin genannten Personen als Erben eingesetzt worden seien; nach der Auslegungsregel des § 2088 Abs. 2 BGB sei deswegen von der Errichtung von Vermächtnissen auszugehen.
Gegen diese, ihr am 16.10.2014 zugestellte Entscheidung hat die Beteiligte zu 1) mit einem am 03.11.2014 vorab per Fax beim Nachlassgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, mit der sie die Erteilung des beantragten Erbscheins weiter verfolgt. Sie meint, dass das Nachlassgericht versäumt habe, den wirklichen Willen der Erblasserin zu ermitteln. Der vom Nachlassgericht zutreffend festgestellte Wille der Erblasserin, mit den Testamenten ihren Ehemann von der Erbfolge auszuschließen, sei nur durch Vermeidung des Eintritts der gesetzlichen Erbfolge umzusetzen gewesen, was eine vollständige Aufteilung der Vermögenswerte erfordert habe. Wegen der Erwähnung ihres Rechtsbeistandes im Testament sei davon auszugehen, dass die Erblasserin juristisch beraten worden sei und deswegen den Begriff der Erbeinsetzung bewusst und gewollt verwendet habe. Die Änderung der Vermögenszusammensetzung müsse bei der Auslegung des Testaments von 1999 außer Acht bleiben. Die Streichung der S. G. aus dem Testament sei ein Beleg dafür, dass die Erblasserin eine Aktualisierung vorgenommen habe. Schließlich macht sie geltend, dass sie zur Erblasserin einen sehr engen Kontakt gepflegt habe und diese ihr zugeneigt gewesen sei, weswegen es auch keinen Anlass gegeben habe, die Erbeinsetzung zu verändern.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.
Im Beschwerdeverfahren haben sämtliche Beteiligte jeweils Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme erhalten.
B.
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist nach § 58 Abs. 1 FamFG zulässig, insbesondere ist die nach § 61 Abs. 1 FamFG notwendige Mindestbeschwer überschritten. Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt worden.
II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Nachlassgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Testament der Erblasserin vom 16.04.1999 der Auslegung bedarf. Nach §§ 133, 2084 BGB steht bei dieser einseitigen Willenserklärung die Erforschung des wirklichen Willens im Vordergrund. Die Auslegung darf deswegen nicht allein aus dem Wortlaut abgeleitet werden, sondern es sind auch außerhalb des Testaments liegende Umstände, so insbesondere die persönlichen Lebensumstände oder auch die Gesamtheit der vom Erblasser herrührenden letztwilligen Verfügungen in die Auslegung einzubeziehen. Das Auslegungsergebnis ist schließlich darauf zu überprüfen, ob es im maßgeblichen Testament selbst eine hinreichende Stütze findet (vgl. dazu Fleindel in: Anwaltskomm. BGB, 2004, § 2084 Rn. 3, 6, 8, 25 m.w.N.). Für den Fall, dass sich der wirkliche Wille des Erblassers nicht mehr zweifelsfrei ermitteln lässt – aber auch nur für diesen Fall – enthält das Bürgerliche Gesetzbuch eine Reihe von sog. Auslegungsregeln, wie die vom Nachlassgericht herangezogenen Vorschriften der §§ 2087 Abs. 2 und 2088 Abs. 1 BGB (vgl. nur Rudy in: MüKo-BGB, 6. Aufl. 2013, § 2087 Rn. 7). Im Rahmen der Auslegung eines Testaments mit Zuwendungen an mehrere Personen ist jede Anordnung für sich auszulegen, d.h. es kommt selbst bei einer übereinstimmenden Bezeichnung von mehreren Personen als „Erben“ im Einzelfall bei einigen eine Erbeinsetzung, bei anderen die Bestimmung eines Vermächtnisses in Betracht (vgl. Fleindel, a.a.O., § 2084 Rn. 30; Krafka in: Anwaltskomm. BGB, a.a.O., § 2087 Rn. 7; Rudy, a.a.O., § 2087 Rn. 7; auch Johannsen in: RGRK-BGB, 1974, § 2087 Rn. 14 m.w.N.; Weidlich in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2087 Rn. 3).
2. Die Beteiligten gehen zu Recht und übereinstimmend davon aus, dass die Erblasserin mit ihrem Testament vom 16.04.1999 zunächst ihren damaligen Ehemann von jeglicher Erbfolge, d.h. sowohl von einer testamentarischen als auch von einer gesetzlichen Erbfolge, ausschließen wollte. Diese Anordnung sollte für jeden Fall, auch bei teilweiser Unwirksamkeit der restlichen Anordnungen bzw. bei der Notwendigkeit einer ergänzenden Testamentsauslegung, gelten. Hierfür sprechen die Stellung dieser Anordnung jeweils am Anfang aller drei Testamente der Erblasserin, der klare, unmissverständliche Wortlaut – die Wortauswahl in „… hat nichts zu bekommen …“ weist auf eine emotionale Verletzung hin – und die ansatzweise gegebene Begründung für diese Anordnung aus den Lebensumständen der Erblasserin (Gewalt und Beschimpfungen in der Ehe, „Flucht“ der Erblasserin in ein Frauenhaus), d.h. aus Enttäuschung und persönlichen Vorwürfen.
3. Unter Anwendung der o.a. Beurteilungsmaßstäbe sind die hier zitierten Anordnungen unter Ziffern 1) bis 4) jeweils als Erbeinsetzungen i.S. von § 1937 BGB auszulegen.
a) Die Erblasserin leitet die Anordnungen damit ein, dass die nachfolgend bezeichneten Personen zu „Erben“ „erklärt“ werden. Allerdings kommt es auf die Verwendung des Wortes „Erben“ allein nicht an. Insoweit stellt die Auslegungsregel in § 2087 Abs. 2 BGB, dort im letzten Halbsatz, lediglich eine Konkretisierung des § 133 BGB dar (vgl. Otte in: Staudinger, BGB, 2013, § 2087 Rn. 8), wonach bei der Auslegung von einseitigen Willenserklärungen nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es auf die Verwendung des Wortes „Erben“ gar nicht ankäme und dass diese Wortwahl belanglos wäre (vgl. Otto, a.a.O., Rn. 9). Ergeben weitere Anhaltspunkte in dem Testament, dass der Bedachte als Erbe eingesetzt werden sollte, bzw. ist aus sonstigen Umständen auf eine bewusste Wortwahl bzw. auf ein zutreffendes Wortverständnis der Erblasserin zu schließen, so kommt auch dieser Bezeichnung Bedeutung zu.
b) Die Zuwendungen nach den Anordnungen zu Ziffern 1) bis 4) des Testaments vom 16.04.1999 betreffen den ganz wesentlichen Teil des Vermögens der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Wenn Einzelzuwendungen einen namhaften Anteil des Vermögens der Erblasser bzw. in ihrer Gesamtheit den ganz wesentlichen Teil dieses Vermögens betreffen, so ist regelmäßig eine Erbeinsetzung gewollt.
aa) Für die Auslegung des Testaments ist der wirkliche Wille des Erblassers zur Zeit der Abgabe seiner Willenserklärung, d.h. zur Zeit der Testamentserrichtung, maßgeblich (vgl. Fleindel, a.a.O., § 2084 Rn. 3, 5, 12; Rudy, a.a.O., § 2087 Rn. 9, 12; Johannsen, a.a.O., § 2087 Rn. 8 m.w.N.; Weidlich, a.a.O., § 2087 Rn. 7). Hieraus folgt, dass auch für die Beurteilung der Frage, ob ein Erblasser über einen namhaften bzw. über den wesentlichen Teil seines Vermögens verfügt hat, die subjektiven Vorstellungen des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung entscheidungserheblich sind. Abweichende objektive Umstände oder nachträgliche Änderungen der Wertigkeit der eigenen Vermögensgegenstände bzw. deren Wegfall, Ersetzung oder Veränderungen sind für die Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers unerheblich.
bb) Im Testament vom 16.04.1999 sind als Vermögensgegenstände aufgeführt ein Postsparbuch (Festzinssparen) in Ziffer 1) mit einem Guthaben von 13.617,50 DM, ein Betrag von 20.348,21 DM vom Postsparbuch Nr. … in Ziffer 2), ein Postsparbuch mit einem Guthaben von 14.002,76 DM in Ziffer 3) und ein Sparkassen-Sparbuch (Festzinssparen) mit einem Guthaben von 30.000,00 DM in Ziffer 4). Hieraus ergibt sich eine Vermögenssumme in Höhe von 77.968,47 DM. Mit Ziffer 5) wird ein weiterer Betrag in Höhe von 4.000,00 DM zugewendet, in Ziffer 6) zwei nicht bezifferte Beträge auf einem Girokonto und der Restbetrag auf dem in Ziffer 5) aufgeführten Konto. Die Formulierungen der Erblasserin lassen darauf schließen, dass es sich bei den in Ziffer 6) genannten Zuwendungen um betragsmäßig geringere Guthaben, wohl geringer als die in Ziffer 5) bezifferten 4.000,00 DM handelte. Das entspricht dem aus dem Testament erkennbaren Anlageverhalten der Erblasserin, die überschüssige, nicht für die Lebensführung benötigte Geldbeträge in Sparbüchern anlegte. Die Aufzählung erweckt den Eindruck, dass sie jedenfalls nach der damaligen Vorstellung der Testierenden alle Geldvermögenswerte vollständig umfasste. Auch aus den beiden vorangegangenen Testamenten von 1995 und 1997 ergeben sich keine Anhaltspunkte für weitere, im Testament vom 16.04.1999 unerwähnt gebliebene Vermögenswerte. Die mit Ziffern 1) bis 4) verteilten Zuwendungen betreffen mithin ca. 90 % des Geldvermögens der Testierenden z. Zt. der Testamentserrichtung.
cc) Anhaltspunkte dafür, dass die Testierende im April 1999 über weitere Vermögensgegenstände verfügt hätte, fehlen. Ihre „Sachen und Möbel“ erwähnte die Erblasserin eher beiläufig und in einer Weise, welche auf einen geringen Wert schließen lassen („… wenn er sie haben möchte …“). Ihre Lebenssituation, insbesondere das fluchtartige Verlassen der ehelichen Wohnung und die vorübergehende Unterkunft im Frauenhaus, lassen darauf schließen, dass zu ihrem Hab und Gut weder ein Immobiliarvermögen noch ein besonders werthaltiger Hausrat bzw. anderes Sachvermögen gehörte. Anhaltspunkte für solche Vermögenswerte hat auch keiner der Verfahrensbeteiligten vorgetragen.
c) Jede der vier Personen, die in den Ziffern 1) bis 4) mit Zuwendungen für den Todesfall bedacht wurden, sollte einen Vermögensgegenstand mit einem namhaften Teilwert des Gesamtvermögens der Testierenden erhalten. Bei zwei Personen, H. F. und der Beteiligten zu 2), handelte es sich um ca. 15 % bzw. 16 % des Gesamtvermögens, bei einer Person, S. G. , um ca. 24 % und bei einer Person, der Beteiligten zu 1), um ca. 35 % des Gesamtvermögens.
d) Für eine Erbeinsetzung durch die Testierende in ihren Anordnungen zu Ziffern 1) bis 4) spricht weiter, dass sie – anders als in Ziffer 5) – die Zuwendungen nicht vordergründig betragsmäßig, dann auch naheliegend in einer jeweils gerundeten Bezifferung, sondern nach den einzelnen Sparbüchern verteilt hat. Sie hat also die ihres Erachtens besonders wichtigen Vermögensobjekte benannt (vgl. Johannsen, a.a.O., § 2087 Rn. 7) und zugleich eine Teilungsanordnung für den Nachlass i.S. von § 2048 BGB getroffen. Es ist anerkannt, dass in Fällen, in denen der Erblasser ohne ausdrückliche Erbeinsetzung sein gesamtes Vermögen auf verschiedene Personen verteilt, in der Regel anzunehmen ist, dass der Erblasser Erbeinsetzungen vornehmen wollte und die Erbquote aus dem Verhältnis der Wertanteile der Vermögensgegenstände zu ermitteln ist (vgl. BGH, Beschluss v. 17.02.1960, V ZR 144/58, MDR 1960, 484, in juris Tz. 16 ff.; Beschluss v. 16.10.1997, IV ZR 349/95, FamRZ 1997, 349, in juris Tz. 13; Rudy, a.a.O., § 2087 Rn. 7, 10; Johannsen, a.a.O., § 2087, 10, 11, 13; Otte, a.a.O., § 2087 Rn. 10, 19, 24).
e) Der Auslegung der Anordnungen zu Ziffern 1) bis 4) steht nicht entgegen, dass die Vermögenswerte zugewendet werden ohne Verbindlichkeiten (vgl. Weidlich, a.a.O., § 2087 Rn. 4). Für einen eingesetzten Erben ist es gesetzlich angeordnet, dass er die Gesamtrechtsnachfolge antritt, d.h. den Nachlass einschließlich der Nachlassverbindlichkeiten übernimmt. Die Erblasserin ist bei der Testamentserrichtung jedoch hinreichend erkennbar davon ausgegangen, dass sie „ohne eigene Schulden“ bleiben wird und dass sie die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten durch die Anordnung unter Ziffer 6) vollständig gewährleistet hat.
f) Hinsichtlich aller vier Personen ist eine Erbeinsetzung auch jeweils nach den persönlichen Lebensumständen der Erblasserin im April 1999 nachvollziehbar. Es handelte sich um ihre Haupt-Kontaktpersonen. Die Hauptbedachte, die Beteiligte zu 1), war das Kind des befreundeten Ehepaars Ws. und zugleich das Patenkind der Erblasserin. Die Beteiligte zu 2) war die Mutter der Beteiligten zu 1); ihr Ehemann war zur Zeit der Testamentserrichtung bereits verstorben. Die in Ziffer 2) bedachte S. G. war die Stieftochter der Erblasserin, die in Ziffer 1) bedachte H. F. eine Cousine väterlicherseits, mit der die Erblasserin in Kontakt stand.
g) Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die Erblasserin noch weiteren Personen, als den von ihr bezeichneten, Anteile an ihrem Vermögen von Todes wegen zuwenden wollte. Eigene Nachkommen hatte die Erblasserin nicht. Der vom Nachlassgericht in Erwägung gezogene Umstand, dass noch gesetzliche Erben der dritten Erbordnung existierten, hat für die Erblasserin ersichtlich keine Bedeutung erlangt, denn zu keiner dieser Personen hatte sie nach den Angaben der Verfahrensbeteiligten damals einen Kontakt. Die Erblasserin hat in allen drei von ihr errichteten Testamenten keine weiteren Personen erwähnt oder gar bedacht.
4. Die Anordnung in Ziffer 5), betreffend die Zuwendung von 4.000,00 DM an Herrn W., ist als Vermächtnis auszulegen. Hierfür spricht vor allem die Art der Beziehung zwischen der Erblasserin und dem Bedachten: Herr W. führte einfache Reparaturen im Haushalt der Erblasserin aus und war ihr auch sonst im Alltag behilflich. Es bestand nach den Angaben der Beteiligten zu 1), denen keiner der Verfahrensbeteiligten widersprochen hat, weder eine verwandtschaftliche noch eine nähere freundschaftliche Beziehung. Damit steht im Einklang, dass die Zuwendung unter der Bedingung einer geldwerten Gegenleistung und damit letztlich wiederum im Zusammenhang mit einer Hilfeleistung des Herrn W. steht, nämlich der Übernahme der derzeit von der Erblasserin vorgenommenen Pflege zweier Grabstellen. Einer Anwendung der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB bedarf es insoweit nicht, weil es trotz der Aufführung des Herrn W. unter der Einleitung „Zu Erben erkläre ich: …“ keinen Zweifel daran gibt, dass diese Zuwendung ein Vermächtnis, d.h. eine Zuwendung ohne Belastung mit Nachlassverbindlichkeiten, sein soll (vgl. Rudy, a.a.O., § 2087 Rn. 7 f.).
5. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts sind nachträgliche, d.h. in der Zeit zwischen der Testamentserrichtung und dem Eintritt des Erbfalls eintretende Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse nicht bereits bei der Testamentsauslegung selbst zu berücksichtigen, sondern erst im Rahmen einer etwaigen ergänzenden Testamentsauslegung (vgl. Fleindel, a.a.O., § 2084 Rn. 38, 41). Dies betrifft hier das Vorversterben der H. F. am 22.02.2011, die nachträgliche Streichung der S. G. und die Veränderung der Vermögensverhältnisse der Erblasserin im Sinne eines Wertzuwachses einerseits und einer teilweisen Änderung der Vermögensanlageobjekte andererseits.
a) Das Vorversterben der H. F. führt hier zu einem Wegfall ihrer Miterbenstellung. Ein bereits vor Eintritt des Erbfalls versterbender Erbe ist nicht mehr erbfähig (§ 1923 Abs. 1 BGB). Dem Testament vom 16.04.1999 sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, ob die Erblasserin an den Fall des Vorversterbens einer der von ihr eingesetzten Miterbinnen gedacht hat; sie hat jedenfalls ausdrücklich keine Regelung hierfür getroffen, etwa die Einsetzung von Ersatzerben vorgesehen. Es kann offen bleiben, ob im April 1999 ein mutmaßlicher Wille der Erblasserin zur Einsetzung von Ersatzerben bestand, dieser hat im Testament jedenfalls keinen Niederschlag gefunden. Da die vorverstorbene H. F. kein Abkömmling der Erblasserin war, ist auch die Auslegungsregel des § 2069 BGB, wonach im Zweifel die Erbeinsetzung zugleich für die Abkömmlinge des Erben gelten soll, hier also zugunsten des D. F. , nicht anwendbar. Der Wegfall eines vorgesehenen Miterben führt nach § 2089 BGB zu einer verhältnismäßigen Erhöhung der Erbanteile der verbleibenden Miterben.
b) Die Streichung der S. G. ist, da deren Urheberschaft von der Erblasserin nicht in Zweifel steht – eine gleichartige Streichung wurde auch im Testament von 1997 vorgenommen, dort mit einer handschriftlichen Anmerkung der Erblasserin, keiner der Beteiligten hat Zweifel geäußert – und da für die Streichung in den Lebensumständen der Erblasserin eine nachvollziehbare Erklärung zu finden ist, als Teilwiderruf des Testaments i.S. von § 2255 S. 1 Alt. 2 BGB zu bewerten. Die Veränderung wurde an der Testamentsurkunde selbst vorgenommen, verschaffte dem geänderten Willen hinreichend eindeutig Ausdruck (vgl. zum Durchstreichen Weidlich, a.a.O., § 225 Rn. 1 und 5 m.N.) und ist eindeutig beschränkt auf die Anordnung zu Ziffer 2)).
Die weiteren durch die Streichung veranlassten Änderungen des Inhalts der letztwilligen Verfügung der Erblasserin sind im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung zu ermitteln. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts liegt hier kein Anwendungsfall des § 2088 Abs. 2 BGB vor, denn die Erblasserin hat nicht etwa eine von Anfang an den Nachlass nicht erschöpfende Erbeinsetzung vorgenommen, sondern die Zahl der ursprünglich zu alleinigen Erben eingesetzten Personen hat sich verringert, so dass nach § 2089 BGB eine verhältnismäßige Erhöhung der Erbanteile der verbleibenden Erben eintritt.
c) Die Veränderung der Vermögensverhältnisse der Erblasserin im Zeitraum zwischen der Testamentserrichtung am 16.04.1999 und dem Erbfall machen ebenfalls eine ergänzende Testamentsauslegung erforderlich.
Hinsichtlich der Zuwendung von Guthaben aus Sparbüchern, die nicht bzw. nicht mehr so bestehen wie zur Zeit der Testamentserrichtung, ist der Abfolge der drei Testamente der Erblasserin zu entnehmen, dass die an ihre Stelle getretenen Surrogate einschließlich des Wertzuwachses dieser Vermögensgegenstände an den jeweils Bedachten zugewendet bleiben sollen. Mit anderen Worten: Sowohl die Änderung des Anlageobjekts als auch der (erwünschte) Wertzuwachs sollten ohne Einfluss auf die Erbeinsetzung und die Erbquoten bleiben.
Anhaltspunkte dafür, dass ein etwaiger Wertzuwachs des Gesamtvermögens der Erblasserin, wie das Nachlassgericht gemeint hat, zu einer Miterbenstellung weiterer, im Testament nicht genannter Personen, etwa der gesetzlichen Erben dritter Ordnung, führen sollte (vgl. Fleindel, a.a.O., § 2084 Rn. 49; Rudy, a.a.O., § 2087 Rn. 12), sind dem Testament vom 16.04.1999 nicht zu entnehmen. Hierfür genügt es nicht, dass die Erblasserin trotz verbleibender Möglichkeiten im genannten Zeitraum keine weiteren, aktualisierten letztwilligen Verfügungen errichtet hat. Selbst wenn der Senat, dem Nachlassgericht insoweit ohne ausreichende Anhaltspunkte folgend, unterstellte, dass nach der Vorstellung der Erblasserin nach dem Versterben ihres (enterbten) Ehemanns die Notwendigkeit der Aktualisierung der Testamente entfallen gewesen wäre, ließe dies keinen eindeutigen Rückschluss darauf zu, dass sie mit der unterlassenen Fortschreibung der Testamente den anteiligen Eintritt der gesetzlichen Erbfolge bewirken wollte. Aus ihrer Sicht hatte die Erblasserin ein ihren Nachlass erschöpfend erfassendes Testament errichtet und damit ihre Erbangelegenheiten abschließend geregelt. In dieser Situation spricht der Umstand der Untätigkeit eher gegen eine Willensänderung, was aber offen bleiben kann, weil jedenfalls für eine solche Änderung im Testament vom 16.04.1999 kein Anhaltspunkt zu finden ist und ein später errichtetes Testament nicht existiert.
6. Unter Berücksichtigung der Vorausführungen sind die Erbanteile der beiden bei Eintritt des Erbfalls verbliebenen Miterbinnen, der Beteiligten zu 1) und der Beteiligten zu 2), annähernd aus den ihnen zugewandten Beträgen zu ermitteln; eine Scheingenauigkeit ist zu vermeiden (vgl. BayObLG, Beschluss v. 22.03.2000, 1Z BR 178/99, FamRZ 2000, 1610, in juris Tz. 38). Die nach § 2089 BGB vorzunehmende Erhöhung der Erbanteile hat im Verhältnis der ursprünglichen Erbquoten zueinander zu erfolgen. Legt man rechnerisch einen fiktiven Nachlass, nur bestehend aus den Vermögenswerten der Anordnungen in den Ziffern 2) und 4) des Testaments vom 16.04.1999 zugrunde, so ergibt sich aus dem Verhältnis von 30.000,00 DM zugunsten der Beteiligten zu 1) und 14.002,76 DM zugunsten der Beteiligten zu 2) näherungsweise ein Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel, welches als testamentarisch verfügte Erbquote auszulegen ist.
7. Der Antrag der Beteiligten zu 1) vom 31.03.2014 ist auf die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins mit eben diesem Inhalt gerichtet. Ihm ist stattzugeben.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 S. 1, 82 und 84 FamFG.
Die Festsetzung des Kostenwerts des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 61 i.V.m. 36 Abs. 1, 40 Abs. 1 GNotKG.