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Ausschlagung Erbschaft in Polen durch in Deutschland lebendes minderjähriges Kind

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 6 UF 58/20 – Beschluss vom 08.05.2020

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Saarbrücken vom 18. März 2020 – 40 F 80/20 SO – aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht – Familiengericht – in Saarbrücken zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.

3. Der Antragstellerin wird die von ihr für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

Gründe

I.

Die Antragstellerin (fortan: Mutter) ist die Mutter des beteiligten Kindes N., mit dem sie in S. wohnt. Sie hat vorgetragen, mit N.s Vater nicht verheiratet und für N. alleinsorgeberechtigt zu sein. Sie sei Erbin nach ihrem Großvater M. K. geworden, der in Polen gelebt hat und dort am 26. November 2019 verstorben ist.

Am 5. März 2020 hat die Mutter beim Generalkonsulat der Republik Polen in Köln die ihr angefallene Erbschaft ausgeschlagen. Sie hat vorgebracht, dass infolgedessen die Erbschaft N. gefallen sei, sie – als seine gesetzliche Vertreterin – auch für diesen die Erbausschlagung erkläre wolle und sie hierfür nach polnischem Recht die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts brauche. Da für diese Genehmigung aufgrund des Wohnsitzes des Kindes in Deutschland die deutschen Gerichte zuständig seien, falle die Prüfung der Genehmigungserteilung in die Zuständigkeit des Familiengerichts.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 18. März 2020, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Erteilung der Genehmigung versagt, weil die Frage der Genehmigung der Erbausschlagung der Mutter für N., für welche die deutschen Gerichte wegen Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO international zuständig seien, gemäß Art. 21 EGBGB nach deutschem Sachrecht zu beurteilen sei. Nach dem danach einschlägigen § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB bedürfe indes die Erbausschlagung hier keiner familiengerichtlichen Genehmigung.

Mit ihrer Beschwerde, für die sie um Verfahrenskostenhilfe nachsucht, verfolgt die Mutter ihren erstinstanzlichen Genehmigungsantrag weiter.

II.

Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Mutter hat in der Sache vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht.

Das Familiengericht hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt unangegriffen und mit zutreffender Begründung seine internationale Zuständigkeit bejaht und im Ergebnis zutreffend seine Entscheidung im Ansatzpunkt entlang der deutschen kindschaftsrechtlichen Vorschriften getroffen, wenngleich sich dies nicht aus Art. 21 EGBGB, sondern aus der dieser Norm vorrangigen (Art. 3 Nr. 2 EGBGB) Vorschrift des Art. 15 Abs. 1 KSÜ ergibt.

Indessen greift die Rechtssicht, mit Blick darauf müsse die erstrebte Genehmigung versagt werden, weil § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB in der vorliegenden Fallkonstellation kein Genehmigungserfordernis aufstelle, zu kurz. Denn sie verkennt, dass nach Art. 15 Abs. 2 KSÜ das international zuständige Gericht ausnahmsweise das Recht eines anderen Staates, zu dem der Sachverhalt eine enge Verbindung hat, anwenden oder berücksichtigen kann, soweit es der Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes erfordert.

Letzteres ist hier der Fall. Denn die polnischen Gerichte verlangen für die Wirksamkeit der Ausschlagung einer Erbschaft für ein Kind durch seinen gesetzlichen Vertreter – wie im polnischen Recht in Art. 101 § 3 FVGG vorgesehen (Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand Juli 2019, Polen, S. 74) – die gerichtliche Genehmigung auch in solchen Konstellationen, in denen das fremde Recht diese nicht vorsieht. Dann aber kann ein wirksamer Schutz N.s Vermögens und damit seines Wohles – mit Rücksicht auf die von der Mutter behauptete Überschuldung des Nachlasses – nur erzielt werden, wenn dieses nach polnischem Recht bestehende Genehmigungserfordernis berücksichtigt wird (siehe zum Ganzen OLG Koblenz FamRZ 2019, 367 m.z.w.N.; vgl. auch Staudinger/Pirrung, BGB, Neubearbeitung 2009, Vorbem zu Art. 19 EGBGB, KSÜ, Rz. G 102 f.; BR-Drucks. 14/09, S. 56).

Da das Familiengericht mithin die – für die Wirksamkeit der Erbausschlagung der Mutter für N. fallentscheidende – Frage, ob die Genehmigung hierfür nach den von der deutschen Rechtsprechung hierzu entwickelten materiell-rechtlichen Grundsätzen zu erteilen ist, nicht geprüft hat, ist das beanstandete Erkenntnis entsprechend § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen. Denn in einer Konstellation wie der vorliegenden hat das Familiengericht in der Sache noch nicht entschieden; dies erfasst nämlich auch den Fall, in dem das Erstgericht sich infolge einer zwar zur Begründetheit des Antrags gehörenden, jedoch aus seiner Sicht vorrangigen Frage an einer näheren Befassung mit der Sache selbst gehindert gesehen hat (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2016, 2150; OLG Köln FamRZ 2011, 1164).

Eine eigene Sachentscheidung des Senats wäre auch nicht sachdienlich, weil hierfür weitere, u.U. aufwändigere Ermittlungen notwendig wären. Denn die Frage der Genehmigungsfähigkeit der Ausschlagungserklärung der Mutter für N. hängt u.a. davon ab, ob – wie von dieser behauptet – der Nachlass des Großvaters überschuldet ist. Hierzu sind bislang keine weiteren Anhaltspunkte aktenkundig. Auch der Umstand, dass die Mutter selbst ausgeschlagen hat, genügt hierfür ohne weitere Indizien (wie sie etwa in dem vom OLG Koblenz a.a.O. entschiedenen Falle letztlich vorgelegen haben) nicht.

Nach Maßgabe dessen wird das Familiengericht im weiteren Verfahren die Anforderungen zu berücksichtigen haben, die von der höchstrichterlichen und Senatsrechtsprechung in diesem Zusammenhang an die Prüfung der Genehmigung gestellt werden (siehe dazu Senatsbeschluss vom 24. April 2015 – 6 WF 42/15 –, FamRZ 2016, 260 m.z.w.N.).

Die Zurückverweisung gibt dem Familiengericht auch Gelegenheit, sich die Alleinsorgeberechtigung der Mutter für N. – der nicht ihren Nachnamen trägt – durch geeignete Unterlagen nachweisen zu lassen.

Die Niederschlagung der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 20 FamGKG.

Der Antragstellerin ist die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe zu verweigern; denn das Rechtsschutzbedürfnis für ihr Gesuch ist durch die Nichterhebung der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und der fehlenden anwaltlichen Vertretung der Mutter entfallen, da ihr folglich keine Kosten entstanden sind, von denen sie durch eine Verfahrenskostenhilfebewilligung freigestellt würde.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.

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