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Ausschluss Ehegattenerbrecht bei Voraussetzungen der Scheidung im Todeszeitpunkt

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 182/19 – Beschluss vom 25.10.2019

Die Beschwerde der Beteiligten zu 4 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 4.

Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: bis 20.000 EUR

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 ist die Ehefrau des Erblassers, die Beteiligten zu 2 bis 4 sind die gemeinsamen Kinder.

Der Erblasser hat nicht testiert.

Er und die Beteiligte zu 1 trennten sich im Mai 2016, Ende 2017 beantragte der Erblasser die Scheidung.

Im Februar 2018 ließ die Beteiligte zu 1 über ihre Rechtsanwältin dem Rechtsanwalt des Erblassers folgendes mitteilen:

„Es ist in den letzten 22 Monaten fast alles zerstört worden, was eine Familie ausmacht. Unsere Kinder leiden sehr, sie sind enttäuscht und vieles erscheint aussichtslos.

Unsere Familie hat in der Vergangenheit schon sehr oft schwierige Situationen gemeistert. Gründe für eine Scheidung gab es schon vor genau 20 Jahren und später immer wieder, aber wir haben es geschafft und sind zusammen geblieben.

Vielleicht können wir uns noch einmal eine Chance geben, indem wir trotz räumlicher Trennung in Kontakt bleiben und uns bei Bedarf gegenseitig unterstützen.

Ein Zusammenleben – auch in getrennten Wohnungen innerhalb des Hauses – kommt für mich aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit zur Zeit nicht in Betracht.

Für meinen Ehemann fühle ich mich weiterhin verantwortlich, speziell im Hinblick auf seine Krankheit. Es ist mir auch sehr wichtig zu betonen, dass ich mich nicht scheiden lassen wollte, weil ich aus tiefster Überzeugung unsere Ehe eingegangen war – bis der Tod sie scheidet.

Ich wünsche mir, dass uns die Krankheit meines Ehemannes nicht zu Fremden machen wird.“

Als der Erblasser – kurz vor seinem Tod – einen Schlaganfall erlitt, kehrte die Beteiligte zu 1 von ihrer pflegebedürftigen Mutter in P. zurück und kümmerte sich um dessen Pflege. Sie verbrachte nach dem Vortrag der Beteiligten zu 2 und 3, dem die Beteiligte zu 4 nicht entgegengetreten ist, die letzten beiden Wochen seines Lebens mit dem Erblasser.

Die Beteiligte zu 1 hat mit notarieller Urkunde vom 31. Jan. 2019 einen Erbschein nach dem Erblasser gestützt auf gesetzliche Erbfolge beantragt, wonach sie selbst zu ½ und die drei gemeinsamen Kinder zu je 1/6 den Erblasser beerbt haben.

Das Nachlassgericht hat diesen Antrag zunächst mit Beschluss vom 22. Febr. 2019 zurückgewiesen. Das Ehegattenerbrecht der Beteiligten zu 1 sei gem. § 1933 BGB ausgeschlossen, weil im Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe mit der Beteiligten zu 1 gegeben gewesen seien.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Nachlassgericht den Prozessbevollmächtigten des Erblassers im Scheidungsverfahren um eine schriftliche Zeugenaussage gebeten, in der er u.a. bekundet hat, es sei schließlich am 21. Nov. 2018 zu einem persönlichen Gespräch zwischen den Prozessbevollmächtigten und dem Erblasser aber ohne die Beteiligte zu 1 gekommen. Man sei letztlich so verblieben, dass nur kleine Schritte aufeinander zu möglich waren. Man habe zunächst vereinbart, dass eine Hausbegehung der Ehefrau des Erblassers in Begleitung der Bevollmächtigten nach vorheriger Terminabsprache erfolgen solle. Dazu sei es dann aber nicht mehr gekommen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. Juli 2019 hat das Nachlassgericht sodann der Beschwerde der Beteiligten zu 1 abgeholfen und die zur Begründung des Antrages der Beteiligten zu 1 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 4 mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend, es habe nach Zustellung des Scheidungsantrages zwar Verhandlungen gegeben. Diese hätten jedoch nur eine mögliche wirtschaftliche Gesamtauseinandersetzung zum Gegenstand gehabt. Nur unter dieser Voraussetzung und wenn man zu einer für ihn angepassten Pflegesituation gelangen könne, habe der Erblasser über die Rücknahme des Scheidungsantrages nachdenken wollen. In Ermangelung jeglicher Einigung auch nur über kleinste Streitpunkte seien die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe am Todestag des Erblassers gegeben gewesen.

Mit weiterem Beschluss vom 9. Sept. 2019 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten verwiesen.

II.

Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 4 ist gemäß §§ 58 Abs. 1 i.V.m. 352 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 1 und Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde zulässig und nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen (§ 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG). In der Sache jedoch bleibt es ohne Erfolg.

Die Beschwerde wäre nur dann begründet, wenn das Ehegattenerbrecht der Beteiligten zu 1 ausgeschlossen wäre. Denkbar ist hier lediglich ein Ausschluss des Ehegattenerbrechts gem. § 1933 BGB. Danach ist das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt hatte. Zwar hatte der Erblasser die Scheidung beantragt, allerdings kann nicht festgestellt werden, dass bei seinem Tod die Voraussetzungen der Scheidung gegeben waren.

Das beurteilt sich nach § 1565 BGB. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Nach Satz 2 der Vorschrift ist die Ehe dann gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.

Zwar bestand die Lebensgemeinschaft zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 1 seit deren Trennung im Jahre 2016 nicht mehr. Jedoch ist nach der Überzeugung des Senates die Prognose nicht gerechtfertigt, die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft sei nicht zu erwarten gewesen.

Da die Vermutungen des § 1566 BGB – einjährige Trennung und beiderseitiger Scheidungsantrag bzw. Zustimmung des Antragsgegners; dreijährige Trennung – nicht eingreifen, hat der Tatrichter die Frage (es könne nicht erwartet werden, dass die Ehegatten ihre eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen) prognostisch unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (Unger/Hartmann/Franzius, in Gsell/Krüger/Lorens/Reymann, Beck-Online, Grosskommentar, Stand 1. Aug. 2019, § 1565 BGB, Rdnr. 74).

Hier war nach Überzeugung des Senates im Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, er und die Beteiligte zu 1 würden die eheliche Lebensgemeinschaft endgültig nicht wiederherstellen.

Die Beteiligte zu 1 hatte schon in ihrem Schreiben vom Februar 2018 ausdrücklich darum gebeten, die Eheleute sollten sich noch einmal eine Chance geben, indem sie trotz räumlicher Trennung in Kontakt blieben und sich bei Bedarf gegenseitig unterstützten. Nach dem Schlaganfall des Erblassers ist sie sofort von ihrer pflegebedürftigen Mutter in P. zurückgekehrt, um sich um den Erblasser zu kümmern, was sie – unwiderlegt – in den letzten Wochen seines Lebens bis zu seinem Tode getan hat. Damit haben beide Ehepartner durch ihr Verhalten, die Beteiligte zu 1 durch ihre Pflege, der Erblasser durch deren Annahme, zu erkennen gegeben, dass sie sich nicht endgültig von ihrer Ehe distanziert hatten.

III.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 84 FamFG.

Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1, 40 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG und bestimmt sich nach dem von der Beteiligten zu 4 mit ihrer Beschwerde verfolgten Ziel, die die Erhöhung ihres Erbteils um ein weiteres Sechstel zu erreichen.

 

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