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Auszahlung Bankguthaben an einen Nachlasspfleger

AG Essen – Az.: 15 C 29/19 – Urteil vom 18.04.2019

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.112,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.01.2019 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Zwischen dem 19.02.2018 und dem 09.03.2018 verstarb in Essen Herr O, geboren am ***. Der Erblasser schloss mit der Beklagten einen Vertrag über ein Konto mit der IBAN ####. Dieses weist ein Guthaben von 1.112,42 EUR aus.

Die Erben sind unbekannt. Mit Beschluss vom 18.06.2018 des Amtsgerichts Essen ist Rechtsanwalt C zum Nachlasspfleger und Vertreter der unbekannten Erben bestellt worden, um den Nachlass zu sichern und zu verwalten.

Er forderte die Beklagte zur Auszahlung des Betrages auf das für den Nachlass eingerichtete Treuhandkonto auf. Er übermittelte der Beklagte die Bestallungsurkunde des Amtsgerichts sowie eine notariell beglaubigte Kopie seines Personalausweises.

Die Beklagte verweigerte dies mit der Begründung, dass eine Auszahlung nur nach Zusendung einer von einem Q Filialcenter bestätigten Kopie des Personalausweises erfolgen könne. Sie übersandte dem Nachlasspfleger zunächst ein Formular, welches den Passus beinhaltete, dass „im eigenen wirtschaftlichen Interesse und nicht auf fremde Veranlassung (insbesondere nicht als Treuhänder)“ gehandelt werde. Dies verweigerte der Nachlasspfleger und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 04.01.2019 nochmalig zur Zahlung auf.

Die Kläger sind der Ansicht, dass der Nachlasspfleger sich gegenüber der Beklagten hinreichend legitimiert habe im Sinne der §§ 10 ff. GWG.

Sie beantragen,  die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 1.112,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.01.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf die notwendige vorige Identifizierung des Nachlasspflegers nach dem Geldwäschegesetz. Es sei erforderlich, dass dieser sich in einer Filiale der Beklagte unter Vorlage seines Personalausweises persönlich identifiziere. Die Übersendung der Bestallungsurkunde nebst notariell beglaubigter Kopie seines Ausweises genüge dem nicht. Jedenfalls stünde der Beklagten insoweit auch ein Ermessen zu.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig geführten Schriftsätze der Parteivertreter Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung aus der vertraglichen Kontobeziehung in Höhe des unstreitigen Guthabenbetrages. Der Nachlasspfleger ist aufgrund seiner Bestellung i.R. Aufgabenkreises „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses“ unbeschränkte Vertretungsmacht. Dies ist zwischen den Parteien auch nicht streitig.

Die Beklagte kann nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht die Auszahlung verweigern, weil sich der Nachlasspfleger sich ihr gegenüber nicht hinreichend identifiziert hat.

Die Beklagte ist nach dem Geldwäschegesetz dazu verpflichtet, Vertragspartner, gegebenenfalls für diese auftretende Personen und wirtschaftlich Berechtigte vor Begründung der Geschäftsbeziehung oder vor Durchführung der Transaktion zu identifizieren, §§ 11 ff. GWG. Dies ist zwischen den Parteien auch unstreitig.

Für die Identifizierung hat die Beklagte nach § 11 GWG vorliegend bei einer natürlichen Person folgende Angaben zu erheben: Vorname und Nachname, Geburtsort, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und eine Wohnanschrift. Dies hat der Kläger unstreitig erfüllt, insbesondere durch die Vorlage der notariell beglaubigten Kopie seines Personalausweises, welche alle Angaben beinhaltet.

Soweit die Beklagte zutreffend ausführt, dass ihr im Hinblick auf die Art der Identifizierung ein Ermessen zusteht, ist dies anhand der §§ 12 und 13 GWG zu prüfen. Denn diese Normen gewähren den Verpflichteten ein Ermessen, wobei zu beachten ist, dass dieses nicht willkürlich gebraucht werden darf. Nach Auffassung des Gerichts genügt das Vorgehen des Nachlasspflegers mittels Vorlage der Bestallungsurkunde nebst notariell beglaubigter Kopie des Personalausweises den Anforderungen der §§ 12 und 13 GWG, weil seitens der Beklagten insoweit eine Ermessenreduktion auf Null vorliegt. Im Einzelnen:

Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 GWG hat die Identitätsüberprüfung bei natürlichen Personen zu erfolgen anhand eines gültigen amtlichen Ausweises, der ein Lichtbild des Inhabers enthält und mit dem die Pass- und Ausweispflicht im Inland erfüllt wird, insbesondere anhand eines inländischen oder nach ausländerrechtlichen Bestimmungen anerkannten oder zugelassenen Passes, Personalausweises oder Pass- oder Ausweisersatzes zu erfolgen. Dies hat der Kläger vorliegend durch Vorlage der notariell beglaubigten Kopie seines Personalausweises erfüllt.

Nach § 13 GWG hat der Verpflichtete, also hier die Beklagte, die Identität der natürlichen Personen mit einem der folgenden Verfahren zu überprüfen

1. durch angemessene Prüfung des vor Ort vorgelegten Dokuments oder

2. mittels eines sonstigen Verfahrens, das zur geldwäscherechtlichen Überprüfung der Identität geeignet ist und ein Sicherheitsniveau aufweist, das dem in Nummer 1 genannten Verfahren gleichwertig ist.

Der Wortlaut der Norm lässt ausdrücklich unter Ziffer 2 sonstige Verfahren zu, welche dem Sicherheitsniveau der Ziffer 1 entspricht. Die Regelung ist daher nicht abschließend zu verstehen und gewährt den Verpflichteten einen Ermessensspielraum. § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG normiert insofern – wenn das Dokument vor Ort und damit unter Anwesenden vorgelegt wird – die Kontrolle des Dokuments in Form der Inaugenscheinnahme und gegebenenfalls die Überprüfung anhand einer haptischen Prüfung (so BT-Drs. 18/11555, S. 119). Sonstige Überprüfungsverfahren sind gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG zulässig, wenn sie ein gleichwertiges Sicherheitsniveau zum Verfahren nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG darstellen und sich hierfür auch eignen. Das Verfahren zur Identitätsprüfung gewährt damit eine Erweiterung im Hinblick auf den technischen Fortschritt (BT-Drs. 18/11555, S. 119). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine Überprüfung durch das Videoidentifizierungsverfahren durchzuführen (vgl. Figura in: Herzog, Geldwäschegesetz, 3. Aufl., § 13 Rn. 2). Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift müssen die geldwäscherechtlich Verpflichteten über ein ihrer Geschäftstätigkeit angemessenes Risikomanagement verfügen. Dies beinhaltet, dass die Verpflichteten ihr jeweiliges Risiko der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, vor allem unter Berücksichtigung der Kundenstruktur und der angebotenen Produkte und Dienstleistungen prüfen, und ihre Maßnahmen zur Minderung des Risikos danach ausrichten (vgl. BT Drucks. 18/11555).

Dabei ist daher vorliegend zu beachten, dass der Verpflichtete stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat. Dies kann dazu führen, dass in bestimmten Fallkonstellationen die Pflicht zur Nichtdurchführung einer Transaktion nicht zum Tragen kommt. „Dies ist dann gegeben, wenn sich unter Abwägung der Interessen des Verpflichteten sowie des Vertragspartners […] Durchführung einer Transaktion mit dem im Einzelfall konkret bestehenden Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungsrisiko […] oder Nichtdurchführung der jeweiligen Geschäftsbeziehung oder Transaktion als unangemessen darstellen würde“ (vgl. Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom Dezember 2018, Seite 58). Dies ist nach Auffassung des Gerichts der Fall.

Im Rahmen der Abwägung ist zunächst seitens der Kläger zu beachten, dass die Nachlassmasse geringfügig ist und ein persönliches Erscheinen des Nachlasspflegers bei der Beklagten mit – im Verhältnis zur Nachlassmasse – zu einer erheblichen Kostenbelastung führen würde. Die Übermittlung der notariell beglaubigten Kopie seines Personalausweises lässt hingegen lediglich Portokosten entstehen, da der Nachlasspfleger diese in einer Vielzahl bereits vorliegen hat. Ferner ist von Bedeutung, dass die Auszahlung des Betrages auf ein Treuhandkonto eines Rechtsanwalts erfolgen soll. Rechtsanwälte treffen einerseits nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 GWG die gleichen Verpflichtungen wie die Beklagte, andererseits ist bei Eröffnung des Treuhandkontos des Rechtsanwalts ebenfalls eine Prüfung des das Treuhandkonto unterhaltenden Geldinstituts erforderlich. Dies führt zu einer doppelten Prüfung. Darüber hinaus ermöglicht auch § 14 GWG die Anwendung vereinfachter Sorgfaltspflichten, soweit die Verpflichteten unter Berücksichtigung der Anlage zum Geldwäschegesetz genannten Risikofaktoren sowie der Leitlinien hierzu ein geringeres Risiko der Geldwäsche feststellen können. Anders als die bisherige Rechtslage ist die Anwendung vereinfachter Sorgfaltspflichten – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht mehr auf bestimmte Fallgruppen beschränkt. Hierzu erläutert die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in ihren Auslegungs- und Anwendungshinweisen zum Geldwäschegesetz (vom Dezember 2018, Seite 59), wenn im Einzelfall im Hinblick auf eine konkrete Transaktion keine Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen, dass das Risiko der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung nicht gering ist, aus aufsichtlicher Sicht keine Bedenken bestehen, wenn die Verpflichteten grundsätzlich von einem geringeren Risiko ausgehen. Konkrete Anhaltspunkte für ein erhöhtes Risiko sind h ier nicht vorgebracht worden. Daher ist seitens der Beklagten „bei der Feststellung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten bei Anderkonten von Verpflichteten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG [wie hier der Vertreter der Kläger], sofern das kontoführende Institut vom Inhaber des Anderkontos die Angaben über die Identität des wirtschaftlich Berechtigten auf Anfrage erhalten kann“.

Seitens der Beklagten ist zu beachten, dass sie die Überprüfung des Personalausweises in einer ihrer Filialen nicht bloß durch haptische Prüfung, sondern durch Zuhilfenahme von Geräten zur Überprüfung von Dokumentenfälschungen. Dieses Argument ist jedoch dadurch ausgeräumt, dass die Beklagte von dem Geldinstitut, welches das Treuhandkonto des Nachlasspflegers unterhält, einen entsprechenden Nachweis anfordern kann.

Dies führt vorliegend dazu, dass es unangemessen ist, ein persönliches Erscheinen des Nachlasspflegers zu verlangen. Die Beklagte ist verpflichtet, die Identifizierung mittels notariell beglaubigter Kopie des Personalausweises nebst Bestallungsurkunde und Unterschrift des Nachlasspflegers zu akzeptieren.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280, 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.112,42 EUR festgesetzt.

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