Eine Erblasserin verfügte eine bedingte Erbeinsetzung zugunsten ihrer Bekannten, doch das handschriftliche Original-Testament war unauffindbar. Obwohl die Testamentskopie als Nachweis akzeptiert wurde, scheiterte die Alleinerbin an einer einzigen, nicht eingetretenen Reise-Klausel.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Reicht die Kopie für das Erbe? Warum eine bedingte Erbeinsetzung im Testament oft unwirksam ist
- Was war genau geschehen?
- Welche Hürden muss eine Testamentskopie überwinden?
- Warum das Gericht der Kopie glaubte, dem Testament aber nicht folgte
- Was bedeutet das Urteil jetzt für Ihr eigenes Testament?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Kann ich mit einer Testamentskopie das Erbe antreten und einen Erbschein beantragen?
- Gilt ein handschriftliches Testament automatisch als widerrufen, wenn das Original unauffindbar ist?
- Wie beweise ich die Echtheit eines verschwundenen Testaments vor dem Nachlassgericht?
- Woran erkennt das Gericht, ob eine Formulierung im Testament eine Bedingung oder nur ein Motiv war?
- Wie sichere ich mein handschriftliches Testament am besten, um eine Anfechtung zu verhindern?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 33 Wx 25/25 e | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht München
- Datum: 07.10.2025
- Aktenzeichen: 33 Wx 25/25 e
- Verfahren: Beschluss in Nachlasssachen
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Testamentsauslegung, Beweisrecht
- Das Problem: Ein Bruder und eine Bekannte stritten um das Erbe einer kinderlosen Frau. Die Bekannte berief sich auf eine Fotokopie eines Testaments. Das Original war unauffindbar.
- Die Rechtsfrage: Kann eine Alleinerbin allein mit einer Kopie ein Testament beweisen, wenn das Original verschwunden ist? Gilt das Testament überhaupt, wenn die Bedingung („falls uns auf Reisen etwas passiert“) nicht eingetreten ist?
- Die Antwort: Die Gesetzliche Erbfolge tritt ein; der Bruder war der Alleinerbe. Das Gericht sah die Formulierung des Testaments als eine echte, nicht erfüllte Bedingung an. Die Bekannte sollte nur erben, falls die Erblasserin und der Bruder gleichzeitig auf Reisen sterben.
- Die Bedeutung: Eine Erbeinsetzung kann unwirksam sein, wenn sie an eine Bedingung geknüpft ist, die später nicht eintritt. Formulierungen, die einen möglichen Todesfall betreffen, sind oft als echte Bedingungen auszulegen. Selbst ein verschwundenes Testament muss bei Nutzung einer Kopie streng bewiesen werden.
Reicht die Kopie für das Erbe? Warum eine bedingte Erbeinsetzung im Testament oft unwirksam ist
Ein verschwundenes Original, eine überraschende Kopie und ein einziger Satz, der über ein ganzes Erbe entschied: Vor dem Oberlandesgericht München entfaltete sich am 07. Oktober 2025 ein Fall, der die fundamentalen Fragen des Erbrechts berührt (Az. 33 Wx 25/25 e). Er zeigt auf, wie Gerichte den wahren Willen eines Verstorbenen ermitteln, wenn nur noch Indizien und ein entscheidender Satz auf Papier existieren. Die zentrale Frage war, ob eine Frau zur Alleinerbin wird, obwohl sie nur eine Kopie des Testaments vorlegen konnte und ihre Einsetzung an eine Bedingung geknüpft schien, die nie eingetreten war.
Was war genau geschehen?

Im Jahr 2019 verstarb eine ledige und kinderlose Frau. Ihr einziger naher Verwandter war ihr neun Jahre jüngerer Bruder. Dieser nahm das Erbe zunächst formell an, verstarb jedoch selbst im Jahr 2020, bevor die Erbangelegenheiten geklärt waren. Für seine unbekannten Erben wurde ein Nachlasspfleger bestellt, der die Interessen des Bruders als gesetzlichen Alleinerben vertrat.
Die Situation verkomplizierte sich erheblich, als Anfang 2022 eine Frau auf den Plan trat, die nur eine entfernte Beziehung zur Verstorbenen hatte. Sie legte dem Nachlassgericht die Kopie eines handschriftlichen Testaments aus dem Jahr 2007 vor. Der Text war kurz und brisant: „Mein letzter Wille. Sollte mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passieren, ist Frau [Name] meine Alleinerbin.“
Die Frau behauptete, sie habe das Originaldokument im September 2020 an das Gericht geschickt, doch es sei dort nie angekommen. Als Beweis für die Existenz des Originals legte sie eine Fotografie des Dokuments auf ihrem Mobiltelefon vor. Das Nachlassgericht in München glaubte ihr und wies den Erbscheinsantrag des Nachlasspflegers für den Bruder zurück. Es sah die Frau als rechtmäßige Erbin an. Dagegen legte der Nachlasspfleger Beschwerde ein und der Fall landete beim Oberlandesgericht.
Welche Hürden muss eine Testamentskopie überwinden?
Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, müssen Sie drei zentrale Aspekte des deutschen Erbrechts verstehen, die in diesem Fall aufeinandertrafen.
- Die Form des Testaments: Ein privat erstelltes Testament ist nur dann gültig, wenn es der Erblasser vollständig von Hand geschrieben und unterschrieben hat (§ 2247 Abs. 1 BGB). Eine bloße Kopie oder ein Computerausdruck erfüllt diese strengen Formvorschriften nicht. Sie kann jedoch als Beweismittel dienen, um die Existenz und den Inhalt eines formgültigen Originals nachzuweisen.
- Der Widerruf durch Vernichtung: Ein Testament verliert seine Gültigkeit, wenn der Erblasser es in der Absicht, es aufzuheben, vernichtet oder verändert (§ 2255 BGB). Ist das Original unauffindbar, stellt sich die entscheidende Frage: Hat der Erblasser es bewusst zerstört, um es zu widerrufen, oder ist es schlicht verloren gegangen? Das Gesetz enthält hierzu eine Vermutung: Wenn feststeht, dass der Erblasser das Testament zerrissen oder verbrannt hat, wird angenommen, dass er es auch widerrufen wollte. Die bloße Unauffindbarkeit allein beweist aber noch keine Vernichtung in Widerrufsabsicht.
- Die Auslegung des wahren Willens: Die wichtigste Aufgabe des Gerichts ist es, den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ermitteln. Manchmal sind Formulierungen mehrdeutig. Eine entscheidende Frage ist oft, ob eine Formulierung wie „Sollte mir auf der Reise etwas passieren…“ eine echte rechtliche Bedingung darstellt oder ob die Reise nur der Anlass, also das Motiv, für die Testamentserrichtung war. Nur wenn es eine echte Bedingung ist, wird das Testament auch nur dann wirksam, wenn diese Bedingung eintritt.
Warum das Gericht der Kopie glaubte, dem Testament aber nicht folgte
Das Oberlandesgericht München hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies das Nachlassgericht an, den Erbschein für den verstorbenen Bruder auszustellen. Die Richter vollzogen dabei eine bemerkenswerte zweistufige Prüfung: Sie akzeptierten zwar die Existenz des Testaments, erklärten es aber im konkreten Fall für unwirksam.
Warum galt das Testament als echt, obwohl das Original fehlte?
Zunächst stand das Gericht vor der Frage, ob das Testament vom 12. November 2007 überhaupt formgültig errichtet worden war. Die Frau legte schließlich nur eine Kopie vor. Die Richter stellten klar, dass an den Nachweis durch eine Kopie strenge Anforderungen zu stellen sind. Doch hier überzeugte die Beweislage.
Mehrere Zeugen bestätigten, dass die Erblasserin von einem Testament zu Gunsten der Frau gesprochen hatte. Niemand bestritt, dass die Handschrift auf der Kopie die der Verstorbenen war. Besonders überzeugend war die Fotografie des Testaments auf dem Mobiltelefon. Darauf waren Knicke und Löcher im Originalpapier zu erkennen, was die Schilderung der Frau, sie habe das Dokument zufällig gefunden und später versandt, untermauerte.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass es ausreichend bewiesen war, dass die Erblasserin ein formgültiges, handschriftliches Testament (§ 2247 Abs. 1 BGB) verfasst hatte.
Doch war es auch widerrufen worden? Der Nachlasspfleger des Bruders argumentierte, die Unauffindbarkeit deute auf eine gezielte Vernichtung durch die Erblasserin hin. Diesem Argument folgte der Senat nicht. Er hielt es für ebenso plausibel, dass das Original auf dem Postweg zum Gericht verloren gegangen war. Wer sich auf einen Widerruf durch Vernichtung beruft, muss diesen auch beweisen (§ 2255 BGB). Da es hierfür keine konkreten Anhaltspunkte gab, ging das Gericht davon aus, dass das Testament nicht widerrufen wurde und somit grundsätzlich gültig war.
Warum war die Erbeinsetzung trotzdem unwirksam? Die entscheidende Auslegung der „Reise-Klausel“
Obwohl das Gericht von der Existenz eines gültigen Testaments ausging, erhielt die darin bedachte Frau das Erbe nicht. Der Grund lag in der entscheidenden Formulierung: „Sollte mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passieren…“ Das Gericht musste klären: War dies nur eine beiläufige Erwähnung des Anlasses oder eine knallharte Bedingung für die Erbschaft?
Die Richter entschieden sich für Letzteres. Ihre Auslegung stützte sich maßgeblich auf die Lebensumstände der Erblasserin:
- Die enge Beziehung zum Bruder: Die Verstorbene hatte einen engen Kontakt zu ihrem Bruder. Er kümmerte sich um sie und besaß sogar Bankvollmachten. Als ihr einziger naher Verwandter war er der natürliche gesetzliche Erbe.
- Die entfernte Beziehung zur eingesetzten Erbin: Die Verbindung zu der im Testament genannten Frau war hingegen nur sehr lose und indirekt.
- Die Logik der Risikovorsorge: Vor diesem Hintergrund erschien es dem Gericht logisch, dass die Erblasserin ihren Bruder nicht grundlos enterben wollte. Vielmehr wollte sie Vorsorge für einen außergewöhnlichen Fall treffen: den unwahrscheinlichen, aber denkbaren Fall, dass sie und ihr Bruder – der natürliche Erbe – gleichzeitig bei einem Unglück, etwa auf einer Reise, ums Leben kommen.
- Die exakte Wortwahl: Besonders aufschlussreich war die Formulierung „Sollte mir und meinem Bruder etwas passieren“. Sie hatte nicht geschrieben „Sollte mir etwas passieren“. Die explizite Nennung des Bruders machte deutlich, dass es ihr genau um das Szenario des gemeinsamen Versterbens ging, in dem die gesetzliche Erbfolge durchbrochen würde.
Da dieser Fall – der gleichzeitige Tod beider Geschwister auf einer Reise – nicht eingetreten war, trat die Bedingung für die Erbeinsetzung der Frau nicht ein. Das Testament wurde somit nicht wirksam. Infolgedessen griff die gesetzliche Erbfolge, nach der der Bruder zum Zeitpunkt des Todes seiner Schwester alleiniger Erbe war.
Weshalb scheiterten die Argumente der eingesetzten Erbin?
Die als Erbin eingesetzte Frau argumentierte, die Reise-Klausel sei lediglich die Angabe eines Motivs gewesen. Die Erblasserin habe sich wegen der allgemeinen Gefahren des Reisens Gedanken über ihren Nachlass gemacht und bei dieser Gelegenheit ihren letzten Willen grundsätzlich und unbedingt zugunsten der Frau regeln wollen.
Dieses Argument verwarf das Gericht. Es unterschied diesen Fall von anderen Konstellationen, in denen Gerichte eine solche Klausel tatsächlich nur als Motiv ansehen. Dies ist oft dann der Fall, wenn ein Testament unmittelbar vor einem konkreten, risikoreichen Ereignis wie einer schweren Operation verfasst wird. Hier gab es jedoch keine spezifische, bevorstehende Reise. Die Formulierung war allgemein gehalten. Die Gesamtbetrachtung der familiären Bindungen sprach nach Überzeugung des Senats eindeutig dagegen, dass die Erblasserin ihren Bruder als Erben generell ausschließen und durch eine entfernte Bekannte ersetzen wollte.
Was bedeutet das Urteil jetzt für Ihr eigenes Testament?
Die Entscheidung des OLG München ist eine wichtige Lektion für jeden, der ein Testament verfasst oder mit einem unklaren letzten Willen konfrontiert ist. Sie verdeutlicht, wie entscheidend klare Formulierungen sind und wie Gerichte versuchen, den wahren Willen hinter den Worten zu finden.
Checkliste für ein klares und sicheres Testament:
- Vermeiden Sie Mehrdeutigkeiten: Formulieren Sie Ihren Willen so präzise wie möglich. Wenn Sie eine Erbeinsetzung nur unter einer bestimmten Bedingung wünschen, formulieren Sie diese Bedingung klar und unmissverständlich. Beispiel: „Meine Nichte soll mein Haus nur erben, wenn sie zum Zeitpunkt meines Todes verheiratet ist.“
- Klären Sie Ihre Motive: Wenn eine Formulierung nur Ihren Beweggrund beschreiben soll und keine rechtliche Bedingung darstellt, machen Sie dies deutlich. Beispiel: „Weil ich demnächst eine lange Reise antrete, ordne ich an: Mein alleiniger Erbe ist mein Sohn.“
- Sichern Sie das Original: Der beste Weg, Probleme mit Kopien zu vermeiden, ist die sichere Aufbewahrung des Originals. Hinterlegen Sie es beim Nachlassgericht oder bei einem Notar. So ist sichergestellt, dass es im Erbfall gefunden und eröffnet wird.
- Informieren Sie eine Vertrauensperson: Teilen Sie mindestens einer Person Ihres Vertrauens mit, dass Sie ein Testament verfasst haben und wo es sich befindet. Nennen Sie jedoch nicht zwingend den Inhalt.
- Aktualisieren Sie Ihren Willen regelmäßig: Lebensumstände ändern sich. Überprüfen Sie Ihr Testament alle paar Jahre und passen Sie es an, wenn sich familiäre oder vermögensrechtliche Verhältnisse geändert haben. Ein veraltetes Testament kann zu Ergebnissen führen, die Sie nicht mehr gewollt hätten.
Die Urteilslogik
Ein Gericht setzt den Willen des Erblassers nur dann durch, wenn es klar zwischen dem bloßen Anlass und der rechtlich bindenden Bedingung einer Erbeinsetzung unterscheiden kann.
- Nachweis des Testamentsinhalts: Nur strenge Beweismittel wie Zeugenaussagen und eindeutige Indizien (z. B. Fotografien) belegen die Existenz und den formgerechten Inhalt eines verschwundenen Original-Testaments.
- Trennung von Bedingung und Motiv: Eine Formulierung im Testament gilt nur als rechtliche Bedingung, wenn der Erblasser die Erbeinsetzung tatsächlich vom Eintritt eines zukünftigen, ungewissen Ereignisses abhängig machen wollte, nicht, wenn das Ereignis lediglich der allgemeine Auslöser für die Testamentserrichtung war.
- Ermittlung des wahren Willens: Gerichte interpretieren mehrdeutige Klauseln stets anhand der gesamten Lebenssituation des Erblassers, wobei die enge Beziehung zum gesetzlichen Erben stark gegen dessen generelle Enterbung spricht.
Ein Erblasser muss seinen letzten Willen absolut präzise formulieren, um zu verhindern, dass die gesetzliche Erbfolge den mutmaßlichen Wunsch aushebelt.
Benötigen Sie Hilfe?
Stehen Sie vor Herausforderungen bei der Auslegung eines bedingten Testaments oder dessen Nachweis? Kontaktieren Sie uns für eine erste rechtliche Einschätzung Ihres Erbfalls.
Experten Kommentar
Ein verschwundenes Original zu beweisen, ist schwer, aber machbar – das OLG München zeigt jedoch, dass dies nur die halbe Miete ist. Die eigentliche Falle liegt in der Auslegung: Die Richter sahen die „Reise-Klausel“ nicht als allgemeines Motiv, sondern als konsequente Bedingung, die den gesetzlichen Erben schützen sollte. Weil die Erblasserin den Bruder explizit in die Bedingung einbezog, wurde die Alleinerbschaft an einen äußerst unwahrscheinlichen, gemeinsamen Todesfall geknüpft. Das ist eine klare rote Linie: Wer Motive und Bedingungen im Testament vermischt, riskiert, dass der gesamte Wille am Ende unwirksam bleibt und die gesetzliche Erbfolge greift.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Kann ich mit einer Testamentskopie das Erbe antreten und einen Erbschein beantragen?
Die Vorlage einer bloßen Kopie des letzten Willens ist für den Erbscheinsantrag formal nicht ausreichend. Das deutsche Erbrecht stellt strenge Anforderungen an die Form eines Testaments. Ein privat errichteter letzter Wille muss gemäß § 2247 BGB vollständig handschriftlich verfasst sein. Dennoch bedeutet der Verlust des Originals nicht automatisch, dass der Erbanspruch scheitert. Die Testamentskopie dient als wichtiges Indiz.
Die Kopie selbst besitzt keine rechtliche Gültigkeit, weil ihr die eigenhändige Unterschrift des Erblassers fehlt. Vor dem Nachlassgericht kann die Kopie jedoch als starkes Beweismittel genutzt werden. Sie muss die Existenz und den konkreten Inhalt des verschollenen Originaldokuments lückenlos beweisen. Entscheidend ist dabei, dass das Gericht keinerlei Zweifel an der ursprünglichen Formgültigkeit des Dokuments hat.
Die Nachweisanforderungen sind extrem hoch und erfordern zusätzliche Hilfsbeweismittel. Sie müssen dem Gericht plausible Beweise vorlegen, dass das Original existierte und nicht vom Erblasser absichtlich vernichtet wurde – was als Widerruf gilt. Konkret sind Fotografien des Originals, die idealerweise physische Details des Papiers zeigen, essenziell. Zeugen müssen zudem die Handschrift auf dem Original zweifelsfrei bestätigen, um die Echtheit zu untermauern.
Suchen Sie sofort nach Zeugen, die das Original gesehen haben, und dokumentieren Sie chronologisch, wann die Kopie erstellt wurde und wann das Original verschwunden ist.
Gilt ein handschriftliches Testament automatisch als widerrufen, wenn das Original unauffindbar ist?
Nein, die bloße Unauffindbarkeit des Originals führt nicht automatisch zum Widerruf des Testaments. Wer sich darauf beruft, dass der Erblasser seinen letzten Willen aufgehoben hat, trägt die volle Beweislast. Das Nachlassgericht prüft stets, ob eine bewusste Vernichtungsabsicht des Erblassers vorlag oder ob das Dokument nur unbeabsichtigt verloren gegangen ist.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 2255 BGB) regelt den Widerruf durch Vernichtung oder Veränderung eines Testaments. Das Gesetz vermutet eine Aufhebung lediglich dann, wenn feststeht, dass der Erblasser das Schriftstück gezielt beseitigt hat, beispielsweise durch Zerreißen oder Verbrennen. Gesetzliche Erben versuchen oft, die fehlende physische Präsenz als formales Argument für einen Widerruf zu nutzen. Sie müssen jedoch stichhaltige, konkrete Anhaltspunkte dafür vorlegen, dass der Erblasser das Dokument vernichten wollte.
Fehlen solche klaren Beweise, wird die Vernichtungsabsicht in Zweifel gezogen. Wenn der Verlust des Testaments ebenso plausibel erscheint wie eine gewollte Zerstörung, geht das Gericht vom Fortbestand der Gültigkeit aus. Konkret: Das Testament bleibt wirksam, wenn es etwa auf dem Postweg verloren ging oder schlicht verlegt wurde, sofern sein Inhalt anderweitig bewiesen werden kann. Entscheidend ist dabei die Feststellung des Gerichts, dass kein Anzeichen für eine Änderung des Erblasserwillens besteht.
Um einen unbeabsichtigten Verlust zu untermauern, sollten Sie dem Nachlassgericht alle Hinweise auf die nachlässigen Aufbewahrungsgewohnheiten des Erblassers vorlegen.
Wie beweise ich die Echtheit eines verschwundenen Testaments vor dem Nachlassgericht?
Ein verschwundenes Original-Testament ist juristisch kein Todesurteil für den letzten Willen. Der Nachweis der Echtheit erfolgt durch eine Kombination schlüssiger Hilfsbeweismittel. Das Nachlassgericht muss am Ende des Verfahrens von der ursprünglichen Formgültigkeit so überzeugt sein, als läge das Original physisch vor. Entscheidend ist dabei die lückenlose Dokumentation der Herkunft und des Inhalts der vorliegenden Kopie.
Um den hohen Beweisstandard zu erfüllen, benötigen Sie Zeugen, die das Originaldokument tatsächlich gesehen haben. Diese Zeugenaussagen dürfen nicht nur den Inhalt des Testaments bestätigen, sondern müssen vor allem die Handschrift des Erblassers zweifelsfrei identifizieren. Zusätzlich sind digitale Belege unerlässlich, um die Glaubwürdigkeit Ihrer Schilderung zu untermauern. Sie dienen dazu, die physische Existenz des Dokuments zu einem bestimmten Zeitpunkt zu belegen.
Fotografien des Testaments sind besonders aussagekräftig, wenn sie die physische Beschaffenheit des Originals zeigen. Konkret überzeugte ein Gericht, weil auf dem Handy-Foto Knicke oder Löcher im Originalpapier erkennbar waren. Solche Details belegen, dass es sich um eine Aufnahme eines tatsächlichen physischen Dokuments handelt. Vermeiden Sie es, digitale Beweismittel nachträglich zu bearbeiten. Sichern Sie stattdessen die Original-Bilddateien, da deren Metadaten das genaue Erstellungsdatum und die Uhrzeit der Aufnahme belegen.
Sichern Sie umgehend alle Original-Bilddateien von Mobiltelefonen oder Speicherkarten und ziehen Sie bei komplexen Fällen einen Notar oder Sachverständigen zur Prüfung der Echtheit der Metadaten hinzu.
Woran erkennt das Gericht, ob eine Formulierung im Testament eine Bedingung oder nur ein Motiv war?
Gerichte legen Testamente stets nach dem wahren Willen des Erblassers aus. Sie untersuchen dafür die gesamten Lebensumstände der verstorbenen Person und ihre Beziehungen zu den Begünstigten. Die entscheidende Unterscheidung liegt darin, ob die Formulierung nur den Anlass (das Motiv) beschreibt oder eine echte, rechtliche Bedingung darstellt, von deren Eintritt die Wirksamkeit der Erbeinsetzung abhängt. Eine unklare Formulierung kann dazu führen, dass das gesamte Testament unwirksam wird.
Wenn ein Testament scheinbar die gesetzliche Erbfolge durchbricht, prüft das Gericht die familiären Bindungen intensiv. Im Fall des OLG München sprach der enge Kontakt zum gesetzlichen Erben (dem Bruder) stark dagegen, dass dieser grundlos enterbt werden sollte. Die Richter folgerten, die Erblasserin wollte lediglich eine Vorsorge für einen extrem unwahrscheinlichen Fall treffen. Es handelte sich um eine Bedingung für eine Notfall-Vorsorge, nicht um eine generelle Enterbung des nächsten Verwandten.
Die genaue Wortwahl spielte bei der juristischen Auslegung eine zentrale Rolle. Die Erblasserin schrieb ausdrücklich: „Sollte mir und meinem Bruder etwas passieren.“ Hätte sie nur den eigenen Tod benannt, hätte dies eher für ein Motiv sprechen können. Die explizite Nennung beider Personen bewies jedoch, dass nur das Szenario des gemeinsamen Todes als Notfall-Bedingung gemeint war. Da dieser Fall nie eingetreten ist, wurde die Erbeinsetzung der entfernten Bekannten unwirksam.
Wenn Sie ein Testament verfassen, fügen Sie nach der Angabe eines Anlasses immer den präzisierenden Satz hinzu: „Diese Formulierung ist lediglich mein Motiv und stellt keine rechtliche Bedingung für die Erbeinsetzung dar.“
Wie sichere ich mein handschriftliches Testament am besten, um eine Anfechtung zu verhindern?
Die größte Sicherheit für Ihren letzten Willen bietet die amtliche Verwahrung. Hinterlegen Sie das handschriftliche Testament beim zuständigen Nachlassgericht oder einem Notar. Dieser Schritt verhindert nicht nur den Verlust des Originals, sondern schließt auch den juristischen Vorwurf des Widerrufs durch Vernichtung aus. Die garantierte Auffindbarkeit im Sterbefall beseitigt somit einen zentralen Konfliktpunkt für die späteren Erben.
Nur ein aufgefundenes Originaldokument kann eröffnet werden und seine Wirkung entfalten. Bei einer privaten Aufbewahrung in der Wohnung oder einem Bankschließfach besteht immer das Risiko, dass das Testament unauffindbar ist. Ohne amtliche Hinterlegung müssten Ihre Erben im Streitfall mühsam beweisen, dass das Original existierte und nicht absichtlich zerstört wurde. Die gerichtliche Verwahrung garantiert hingegen, dass Ihr Wille automatisch eröffnet wird.
Neben der sicheren Aufbewahrung schützen Sie Ihr handschriftliches Testament durch absolute Formulierungsklarheit vor Anfechtungen. Trennen Sie Ihre persönlichen Beweggründe strikt von den rechtlichen Verfügungen. Schreiben Sie niemals mehrdeutige Bedingungen wie „wegen der Reise“ in den Text, ohne deren Geltung explizit zu regeln. Kontrollieren Sie den Inhalt alle paar Jahre, um sicherzustellen, dass er nach einschneidenden Lebensereignissen noch Ihrem aktuellen Willen entspricht.
Vereinbaren Sie zeitnah einen Termin beim örtlichen Amtsgericht, um das Originaldokument unter Vorlage Ihres Personalausweises sicher zu hinterlegen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Bedingte Erbeinsetzung
Eine Bedingte Erbeinsetzung liegt vor, wenn der Erblasser die Wirksamkeit seines letzten Willens vom Eintritt eines zukünftigen, ungewissen Ereignisses abhängig macht. Juristen nutzen dieses Instrument, um die Vermögensnachfolge präzise zu steuern und sicherzustellen, dass bestimmte Auflagen oder Notfallszenarien erfüllt sind, bevor eine Person das Erbe antritt.
Beispiel: Das Oberlandesgericht München musste im Fall der Testamentskopie prüfen, ob die Klausel vom gemeinsamen Tod auf Reisen eine echte bedingte Erbeinsetzung oder nur ein bloßes Motiv darstellte.
Erbscheinsantrag
Der Erbscheinsantrag ist das formelle Gesuch, das beim Nachlassgericht eingereicht wird, um einen Erbschein – das amtliche Dokument zum Nachweis der Erbenstellung – ausgestellt zu bekommen. Wer das Erbe verwalten, auf Konten zugreifen oder Immobilien umschreiben lassen will, benötigt diesen Nachweis, da er als öffentlicher Glaube die Rechtmäßigkeit der Erbenstellung bestätigt.
Beispiel: Der Nachlasspfleger stellte für die unbekannten Erben des Bruders einen Erbscheinsantrag, da diese als gesetzliche Erben galten, sofern das gefundene Testament unwirksam war.
Formvorschriften
Formvorschriften sind die zwingenden rechtlichen Anforderungen, die ein Dokument erfüllen muss, damit es als rechtsgültiges Testament anerkannt wird, beispielsweise die Pflicht zur vollständigen Handschriftlichkeit nach § 2247 BGB. Diese strengen Regeln garantieren die Echtheit des letzten Willens und sollen den Erblasser vor übereilten oder fremdbestimmten Entscheidungen schützen; nur die Einhaltung der Formvorschriften schafft die nötige Rechtssicherheit im Erbfall.
Beispiel: Obwohl die eingesetzte Erbin nur eine Fotokopie vorlegte, musste sie beweisen, dass das verschwundene Original alle Formvorschriften des eigenhändigen Schreibens und der Unterschrift erfüllt hatte.
Gesetzliche Erbfolge
Die Gesetzliche Erbfolge regelt die Vermögensverteilung immer dann, wenn der Verstorbene kein wirksames Testament hinterlassen hat, wobei die Verwandten in einem fest definierten System von Ordnungen zum Zuge kommen. Dieses System stellt sicher, dass in jedem Fall eine klare Zuweisung des Nachlasses erfolgt und verhindert, dass Vermögen herrenlos wird; vorrangig erben stets die nächsten Familienangehörigen (Kinder, Eltern, Geschwister).
Beispiel: Da die Bedingung der Erbeinsetzung nicht eintrat und das Testament unwirksam blieb, griff die gesetzliche Erbfolge, wodurch der Bruder die Position des alleinigen Erben einnahm.
Nachlasspfleger
Ein Nachlasspfleger ist eine vom Gericht bestellte neutrale Vertrauensperson, die den Nachlass sichert und verwaltet, solange die Erben unbekannt sind oder ihre Identität noch nicht zweifelsfrei feststeht. Diese gesetzliche Figur stellt sicher, dass die Interessen der potenziellen Erben geschützt werden, indem der Pfleger im bestmöglichen Interesse des späteren Rechtsnachfolgers agiert.
Beispiel: Nachdem der Bruder als gesetzlicher Erbe verstarb, wurde für seine unbekannten Erben ein Nachlasspfleger bestellt, der vor Gericht die Unwirksamkeit der bedingten Erbeinsetzung geltend machte.
Widerruf durch Vernichtung
Juristen sprechen vom Widerruf durch Vernichtung, wenn der Erblasser das Original seines Testaments in der festen Absicht zerstört hat, um dessen Gültigkeit gezielt aufzuheben (§ 2255 BGB). Das Gesetz vermutet bei einer zielgerichteten Beseitigung des Dokuments den Änderungswillen des Erblassers, doch die bloße Unauffindbarkeit des letzten Willens beweist diesen Vernichtungswillen noch nicht.
Beispiel: Der Nachlasspfleger argumentierte, die Unauffindbarkeit des Originaldokuments deute stark auf einen Widerruf durch Vernichtung hin, aber das OLG hielt auch einen einfachen Verlust auf dem Postweg für plausibel.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 33 Wx 25/25 e – Beschluss vom 07.10.2025
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Dr. jur. Christian Gerd Kotz ist Notar in Kreuztal und seit 2003 Rechtsanwalt. Als versierter Erbrechtsexperte gestaltet er Testamente, Erbverträge und begleitet Erbstreitigkeiten. Zwei Fachanwaltschaften in Verkehrs‑ und Versicherungsrecht runden sein Profil ab – praxisnah, durchsetzungsstark und bundesweit für Mandanten im Einsatz.
