Skip to content

Beeinträchtigende Schenkung des Erblassers – Beeinträchtigungsabsicht

Kontroverses Erbe: Ein Testament, eine Schenkung und ein unerwartetes Urteil

In einem komplexen Erbschaftsfall, in dem es um die Gültigkeit einer Schenkung und die Verbindlichkeit eines Testaments geht, hat das LG Koblenz eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen. Es ging um eine besondere Konstellation: Zwei Parteien, Geschwister, waren Miterben einer Frau, die während ihrer Lebzeiten eine Schenkung vornahm, die scheinbar im Widerspruch zu den Bestimmungen ihres Testaments stand. Die zentrale Frage war, ob diese Schenkung rechtmäßig war oder ob sie gegen das sogenannte Beeinträchtigungsverbot gemäß § 2287 Abs. 1 BGB verstieß.

Direkt zum Urteil Az: 1 O 222/18 springen.

Widersprüchliche Verfügungen: Schenkung gegen Testament?

Die Erblasserin und ihre beiden Kinder, die Parteien in diesem Rechtsstreit, waren Miterben. Ein privatschriftliches Testament aus dem Jahr 1969, das die Erblasserin und ihr verstorbener Ehemann aufgesetzt hatten, bestimmte, dass nach dem Tod des länger lebenden Ehepartners das gemeinsame Grundstück an einen der Kläger gehen sollte. Interessanterweise verstarb der Ehemann bereits 1973 und die Erblasserin wurde zur Vorerbin. Dennoch übertrug sie im Jahr 2014 einen Teil ihres Eigentums, darunter auch das fragliche Grundstück, per notariellem Vertrag auf die Beklagte, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Zudem räumte sie ihr ein lebenslanges Wohn- und Gartennutzungsrecht ein.

Die Kernfrage: Beeinträchtigungsabsicht oder lebzeitiges Eigeninteresse?

Der Kläger argumentierte, dass diese Schenkung gegen § 2287 Abs. 1 BGB verstoße, der auch für gemeinschaftliche Testamente gelten würde. Er vertrat die Ansicht, dass er aufgrund der Bestimmungen im Testament das Recht habe, die Herausgabe des Grundstücks an die Erbengemeinschaft zu verlangen. Darüber hinaus behauptete er, dass die Erblasserin mit der Absicht gehandelt habe, seine Rechte als Vertragserbe zu beeinträchtigen. Seine Argumentation basierte auf der Annahme, dass die Erblasserin kein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung gehabt habe. Dies begründete er unter anderem damit, dass ein solches Eigeninteresse im Übertragungsvertrag nicht erwähnt sei, was eigentlich üblich sei, wenn eine Übertragung aufgrund eines lebzeitigen Eigeninteresses erfolge.

Die Entscheidung: Klage abgewiesen

Trotz der starken Argumente des Klägers entschied das LG Koblenz, die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung blieb der Schlussentscheidung vorbehalten. Dieses Urteil zeigt, dass die Interpretation von Testamenten und die Anwendung von Erbrecht eine komplexe Angelegenheit sein können, die von vielen Faktoren abhängt. In diesem Fall entschied das Gericht, dass die Schenkung trotz des scheinbaren Widerspruchs zum Testament gültig war.

Die Lehren aus dem Fall

Dieser Fall verdeutlicht die Komplexität und die potenziellen Fallstricke des Erbrechts. Trotz der scheinbaren Klarheit des Testaments und des Widerspruchs zwischen der testamentarischen Verfügung und der späteren Schenkung entschied das Gericht gegen den Kläger. Es ist daher unerlässlich, bei der Errichtung eines Testaments und bei allen darauf folgenden Verfügungen, einschließlich Schenkungen, eine sorgfältige rechtliche Beratung einzuholen, um sicherzustellen, dass die eigenen Wünsche und Absichten korrekt umgesetzt werden und Konflikte unter den Erben vermieden werden.

Dieser Fall unterstreicht auch die Wichtigkeit, bei der Auslegung von Testamenten und der Anwendung des Erbrechts alle Aspekte des Sachverhalts zu berücksichtigen. Hier hat das Gericht trotz der starken Argumente des Klägers und des scheinbaren Widerspruchs zur testamentarischen Verfügung eine Entscheidung getroffen, die die Gültigkeit der Schenkung bekräftigt.


Das vorliegende Urteil

LG Koblenz – Az.: 1 O 222/18 – Urteil vom 18.11.2021

1. Die Klage wird in den Klageanträgen Ziffern 1 – 3 – einschließlich des Hilfsantrages zu Ziffer 1 – sowie im Klageantrag Ziffer 1 der Stufenklage abgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

Die Parteien sind gemeinsam mit dem Bruder W.-P. R. Miterben zu gleichen Teilen nach der am 16.08.1923 geborenen und am 31.12.2017 mit letztem Wohnsitz „I. R. 00“ in 00000 K. verstorbenen M. R. (Erblasserin). Die Erblasserin war die Mutter der Parteien. Die Erblasserin errichtete gemeinsam mit ihrem Ehemann und Vater der Parteien, Herrn B. R., unter dem 01.04.1969 ein privatschriftliches Testament (Bl. 7 f. d. A.). Darin setzten sich die Erblasserin und Herr B. R. wechselseitig zu alleinigen Erben ein und bestimmten die ehegemeinschaftlichen Kinder als Schlusserben. Weiter verfügten sie u. a., dass nach dem Tod des Letztversterbenden der Nachlass dergestalt aufgeteilt werden sollte, dass der Kläger das Grundstück I. R. 00 in K. als alleiniger Erbe erhalten sollte. B. R. verstarb am 06.01.1973. Ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts Koblenz vom 07.02.1974 (Bl. 9 d. A.) wurde M. R. nicht befreite Vorerbin von B. R.. Die Parteien des Rechtsstreits sowie der Bruder W.-P. R. sind die Nacherben von B. R.

Mit notariellem Vertrag vom 14.08.2014 (Bl. 10 ff. d. A.) übertrug M. R. der Beklagten den in ihrem Alleineigentum stehenden Grundbesitz B. 0 in P. sowie ihren 2/3 Miteigentumsanteil am Grundbesitz I. R. 00 in K., wobei jeweils festgehalten wurde, dass die Beklagte eine Gegenleistung für die Übertragung nicht zu erbringen habe. Darüber hinaus räumte M. R. der Beklagten ein lebenslängliches Wohnungs- und Gartennutzungsrecht (beschränkte persönliche Dienstbarkeit) bezüglich des Grundbesitzes I. R. 00 in K. ein. Schuldrechtlich wurde insoweit vereinbart, dass das Wohnungsrecht unentgeltlich sei.

Im Jahr 2015 erteilte Frau M. R. der Beklagten zudem eine notarielle Vollmacht (Bl. 56 ff. d. A.).

Der Kläger bringt vor:

Zur Klage:

Die Übertragung des Grundbesitzes und die Einräumung des Wohnungs- und Gartennutzungsrechtes verstießen gegen § 2287 Abs. 1 BGB, der auch für gemeinschaftliche Testamente gelte. Der Kläger könne in entsprechender Anwendung von § 2287 Abs. 1 BGB die Herausgabe des Grundbesitzes an die Erbengemeinschaft verlangen, weil diese Übertragung gegen die Bindungswirkung aus dem privatschriftlichen Ehegattentestament verstoße. Der Grundbesitz I. R. 00 in K. sei sogar direkt an den Kläger zu alleinigem Eigentum zu übertragen, und zwar im Hinblick auf die Verfügung im privatschriftlichen Testament vom 01.04.1969, ungeachtet der Frage, ob es sich dabei um ein Vorausvermächtnis oder eine Teilungsanordnung handele. Für den Fall, dass das Gericht der Auffassung sei, es bedürfe des „Umwegs“ der Übertragung dieses Grundbesitzes zuerst an die Erbengemeinschaft, werde diesbezüglich der Hilfsantrag gestellt.

Die Erblasserin habe mit Beeinträchtigungsabsicht zu Lasten des Klägers als Vertragserben im Sinne des § 2287 BGB gehandelt. Die Erblasserin habe kein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung gehabt. Dies zeige sich bereits daran, dass ein solches Eigeninteresse im Übertragungsvertrag vom 14.08.2014 nicht erwähnt sei, was eigentlich üblich sei, wenn eine Übertragung wegen lebzeitigem Eigeninteresse erfolge. Auch habe die Beklagte weder eine Betreuungs- noch eine Pflegeverpflichtung übernommen. Es gebe keinen objektiven Anhaltspunkt dafür, dass der Wille der Erblasserin im Hinblick auf die Übertragung des Grundbesitzes von einem lebzeitigen Eigeninteresse geleitet gewesen sei.

Der Sachverhalt, den die Beklagte schildere, um das Konstrukt des lebzeitigen Eigeninteresses zu untermauern, entspreche in weiten Teilen nicht den Tatsachen bzw. sei „geschönt“. Dass die Beklagte nahezu jeden Abend bei der Mutter verbracht habe, habe nicht dazu gedient, die Mutter zu betreuen. Vielmehr sei es für die Beklagte praktisch gewesen, sich abends nach der Arbeit von der Mutter verköstigen zu lassen. Die Beklagte habe faktisch auf Kosten der Mutter gelebt. Maßgebliche Arbeiten für die Mutter seien von einer ganzen Reihe anderer Personen aus dem familiären und erweiterten Umfeld der Mutter erbracht worden. Die Erblasserin habe bis ca. ein Jahr vor ihrem Tod nicht einmal Hilfe beim Waschen bzw. Ankleiden benötigt. Die Erblasserin sei in dem Zeitraum 2004 bis in das Jahr 2016 hinein nahezu autark gewesen. Noch bis ins Jahr 2015 hinein habe sie Einkäufe im näheren Umfeld selbständig erledigt. In dieser ganzen Zeit habe sie noch rege am „kulturellen“ Leben teilgenommen, beispielsweise in Form von diversen Theaterbesuchen. Der 85. und auch der 90. Geburtstag der Mutter seien jeweils groß in der K. Brauerei in K. gefeiert worden. Die umfangreiche Betreuung, die die Beklagte geleistet haben wolle, sei tatsächlich von anderen Personen erbracht worden. So seien alle regelmäßigen Instandhaltungs- und Renovierungsarbeiten in der Wohnung der Erblasserin, in den Mietwohnungen sowie am Haus und im Hof und Garten von dem Zeugen L. erbracht worden, ebenso der Winterdienst. Die Beklagte habe sich weder im Haushalt der Erblasserin betätigt, noch gekocht oder geputzt (für letzteres habe es eine gesonderte Reinigungskraft gegeben). Die Erblasserin habe bei der Beklagten „unter der Knute“ gestanden. Als die Erblasserin einen Oberschenkelhalsbruch erlitten habe, seien der Kläger und seine Ehefrau nach Koblenz zur Erblasserin gefahren und hätten sie ins Krankenhaus verbracht, obwohl die Beklagte anwesend gewesen sei. Bis ins Jahr 2015 hinein seien die Botengänge (bspw. zur Sparkasse und Apotheke, Fahrdienste innerhalb von K., Arztbesuche) vom Zeugen L. für die Erblasserin ausgeführt worden bzw. er habe sie begleitet. Von vergleichbaren Leistungen der Beklagten in nennenswerter Form sei dem Zeugen nichts bekannt. Umfangreiche Gartenarbeiten seien von dem Kläger, seinem Bruder P. und dem Sohn F. durchgeführt worden. Nachdem der Zeuge L. im Jahr 2015 seine Tätigkeit für die Erblasserin eingestellt habe, seien alle Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten am und im Haus ebenfalls vom Kläger und seinem Bruder P. ausgeführt worden. Sofern darüber hinaus die Hilfe von Handwerkern ergänzend benötigt worden sei, hätten sich der Kläger und sein Bruder P. um die Beauftragung der Handwerker und die Überwachung derselben gekümmert und ergänzende Hilfsarbeiten geleistet.

Mit der getätigten Zuwendung von Grundbesitz in einem Gesamtwert von über 400.000,00 € (vgl. Bl. 381 f. d. A.) an die Beklagte habe die Erblasserin aus Sicht eines objektiven Betrachters jedenfalls jedes vernünftige Maß überschritten. Darüber hinaus sei zu beachten, dass die Beklagte von der Mutter bereits ganz erhebliche Leistungen bezogen habe. So habe die Beklagte in der Zeit von 2015 bis 2017 Geldzuwendungen von der Erblasserin in einer Größenordnung von gerundet 51.000,00 € erhalten (vgl. Bl. 412 d. A.), welche ausschließlich für die Belange der Beklagten verwendet worden seien. Ein Teil dieser Zuwendungen seien Beiträge zu einer Lebensversicherung gewesen, aus der Leistungen zugunsten der Beklagten in Höhe von mindestens 36.851,23 € entstanden seien (vgl. Bl. 411 d. A.). Es bestehe zudem die Vermutung, dass die Beklagte von einem im Namen der Mutter aufgenommenen Kredit in Höhe von rd. 15.000,00 € einen angeschafften Pkw bezahlt habe, der zwar auf den Namen der Mutter zugelassen, aber ausschließlich von der Beklagten genutzt worden sei.

Zur Stufenklage:

Die Beklagte sei der Erbengemeinschaft zur Auskunft und Rechenschaft über die aufgrund der von der Erblasserin erteilten Vollmacht vorgenommenen Rechtsgeschäfte verpflichtet. Erledige ein Familienangehöriger Geldgeschäfte für einen anderen Familienangehörigen, sei grundsätzlich von einem Auftragsverhältnis mit rechtlichen Verpflichtungen auszugehen. Dies beinhalte auch einen Anspruch auf Auskunft und Rechenschaftslegung nach § 666 BGB. Der Anspruch gehe mit dem Erbfall nach § 1922 BGB auf die Erbengemeinschaft über, wobei der Kläger als Miterbe diesen nach § 2039 BGB geltend machen könne. Art und Umfang der Tätigkeit, welche die Beklagte auf der Grundlage der ihr erteilten Vollmacht entfaltet habe, seien dem Kläger im Einzelnen nicht bekannt. Der Anspruch sei bislang nicht erfüllt.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Auflassung des 2/3-Miteigentumsanteils am Grundstück im Grundbuch von K. Blatt 0000, lfd. Nr. 1, Flur 5, Parzelle 00/00 (Gebäude- und Freifläche „I. R. 00“), Größe 265 qm, zu Alleineigentum des Klägers zu erklären sowie diese Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen und den Grundbesitz an den Kläger herauszugeben, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die Auflassung des 2/3 Miteigentumsanteils am Grundstück im Grundbuch von K. Blatt 0000, lfd. Nr. 1, Flur 5, Parzelle 00/00 (Gebäude- und Freifläche „I. R. 00“), Größe 265 qm, zu Eigentum des Klägers V. R., geb. am 01. April 1961, des W-P. R., geb. am 31. Juli 1952 und der Beklagten A. T., geb. R., geb. am 02. Juni 1951, als Erben zu je 1/3-Anteil in ungeteilte Erbengemeinschaft nach der am 31. Dezember 2017 verstorbenen M. R., geb. E., geb. am 16. August 1923, zu erklären sowie diese Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen und den vorbezeichneten Grundbesitz an die Erbengemeinschaft nach M. R. herauszugeben,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Auflassung des Grundstücks im Grundbuch von P. (Amtsgericht Mayen) Blatt 0000, lfd. Nr. 2, Flur 78, Parzelle 0/0 (Freifläche „I. B. 0“), Größe 724 qm zu Eigentum des Klägers V.R., geb. am 01. April 1961, des W-P. R., geb. am 31. Juli 1952 und der Beklagten A. T., geb. R., geb. am 02. Juni 1951, als Erben zu je 1/3-Anteil in ungeteilte Erbengemeinschaft nach der am 31. Dezember 2017 verstorbenen M. R., geb. E., geb. am 16. August 1923, zu erklären sowie diese Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen und den vorbezeichneten Grundbesitz an die Erbengemeinschaft nach M. R. herauszugeben,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Bewilligung zur Löschung der für sie im Grundbuch von K. Blatt 0000, lfd. Nr. 1, Flur 5, Parzelle 00/00 (Gebäude- und Freifläche „I. R. 00“) in der zweiten Abteilung unter lfd. Nr. 9 eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (Wohnungs- und Gartennutzungsrecht) zu erteilen.

Weiter beantragt der Kläger im Wege der Stufenklage,

1. die Beklagte zu verurteilen, den Miterben der am 31. Dezember 2017 mit letztem Wohnsitz „I. R. 00“ in 00000 K. verstorbenen Frau M. R., geb. E., geb. am 16. August 1923, Auskunft über den Bestand der Rechtsgeschäfte zu erteilen, welche die Beklagte in Ausübung der ihr von der Erblasserin erteilten Vollmacht getätigt hat sowie eine geordnete und vollständige Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben unter Beifügung der hierzu einschlägigen Belege bezüglich derjenigen Verfügungen vorzulegen, welche die Beklagte in Ausübung der ihr von der Erblasserin erteilten Vollmacht getätigt hat,

2. die Beklagte zu verurteilen, für den Fall, dass das Verzeichnis oder die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden sein sollten, an Eides statt zu versichern, dass sie die Auskunft und Rechenschaft so vollständig erteilt habe, wie sie dazu im Stande war,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Miterben der vorstehend unter Ziffer 1. näher bezeichneten Erblasserin M. R. nach Erteilung von Auskunft und Rechenschaft einen noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bringt vor:

Zur Klage:

§ 2287 Abs. 1 BGB sei nicht einschlägig, weil die streitgegenständlichen Zuwendungen jedenfalls durch ein evidentes lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin gerechtfertigt seien. Die Beklagte habe seit ihrem Umzug in die Nachbarschaft der Erblasserin 2004 den Haushalt der Erblasserin geführt, ihr Gesellschaft geleistet, ihre geschäftlichen Belange erledigt und im weiteren Verlauf auch ihre Pflege übernommen. Seit dem Jahr 2004 sei die Beklagte, die bis zum Jahre 2016 noch berufstätig gewesen sei, nach der Rückkehr von der Arbeit zur Erblasserin gegangen und habe den Abend mit ihr verbracht. Wenn die Beklagte nicht arbeiten gegangen sei, sei sie bereits früher – zwischen 13 und 14 Uhr – zur Erblasserin gegangen und habe den gesamten Nachmittag und Abend mit ihr verbracht. Die Beklagte habe ihr Leben aufgegeben und sich neben ihren beruflichen Belangen nahezu ausschließlich um ihre Mutter gekümmert. Die Beklagte habe seit dem Jahr 2004 für die Erblasserin eingekauft und ihren Haushalt geführt, wobei nur zweimal im Monat eine Haushaltshilfe gekommen sei, die die Treppe geputzt habe und Gartenarbeiten erledigt habe bzw. der Beklagten dabei geholfen habe. Alle anderen im Haushalt der Erblasserin anfallenden Tätigkeiten habe die Beklagte erledigt. Die Dienstleistungen der Beklagten für die Erblasserin hätten sich auf täglich etwa 4 Stunden belaufen (Kochen, Spülen, Putzen, Einkaufen, Gartenarbeiten etc.). Ab dem Jahr 2004 habe sich die Beklagte zudem um die Mietangelegenheiten der Erblasserin und die Verkehrssicherungspflichten einschließlich des Winterdienstes gekümmert. Ab etwa dem Jahr 2007/2008 seien der Erblasserin Arztbesuche, zu denen die Beklagte sie zuvor etwa ein- bis zweimal monatlich begleitet habe, nicht mehr möglich gewesen. Die Erblasserin sei auf Hausbesuche ihres Arztes angewiesen gewesen. In ihren letzten Lebensjahren sei die Erblasserin ein Pflegefall gewesen. Die intensive Pflege habe der Beklagten oblegen.

Das Darlehen über 15.000,00 € habe der Umschuldung des aufgrund einer Vielzahl von Handwerkerrechnungen überzogenen Kontos der Erblasserin gedient. Die Beklagte habe auch nicht auf Kosten der Erblasserin ein Fahrzeug angeschafft. Das Fahrzeug sei vielmehr von der Beklagten bezahlt worden. Die Beklagte habe sich auch nicht durch Zahlungen der Erblasserin bereichert. Der Beklagten seien lediglich die von ihr selbst aufgewandten Beträge erstattet worden. Die Zuwendungen der Erblasserin hätten sich auf Daueraufträge beschränkt, die die Erblasserin zugunsten der Beklagten und ihrer Enkelin J. eingerichtet habe. Ein weiterer Dauerauftrag habe zugunsten des Klägers bestanden, der 150,00 € im Monat von der Erblasserin erhalten habe. Die Erblasserin habe erhebliche Beträge bar bezahlt. Die Barabhebungen der Erblasserin seien stets bestimmungsgemäß verwendet worden. Der Kläger habe zudem erhebliche weitere Zuwendungen der Erblasserin erhalten. So seien ihm im Jahr 2009 zwei Wertpapierdepots übertragen worden, zudem eine kapitalbildende Lebensversicherung. Der Kläger sei auch Versicherungsnehmer und Versicherter einer weiteren Lebensversicherung gewesen, deren monatliche Prämien die Erblasserin zeitlebens gezahlt habe. Gleiches gelte für eine weitere Lebensversicherung, die die Erblasserin ebenfalls zugunsten des Klägers angespart habe. Der Kläger und seine Ehefrau hätten die in den bei ihnen eingegangenen Kondolenzbriefen eingelegten Bargelder vereinnahmt, anstatt sie bestimmungsgemäß für die Beerdigungskosten einzusetzen.

Es liege auf der Hand, dass die Erblasserin mit den hier streitgegenständlichen Grundstücksübertragungen zum einen die aufopferungsvolle Betreuung und Pflege durch die Beklagte in der Vergangenheit und zum anderen die von ihr gewünschte und von der Beklagten auch zugesagte Pflege und Betreuung durch die Beklagte in der Zukunft habe entgelten wollen. Die umfassende Sorge der Beklagten um das alltägliche Wohlergehen ihrer Mutter, die zugleich damit korrespondiert habe, der Mutter mit zunehmender Betreuungsbedürftigkeit den Aufenthalt in einem (von der Erblasserin kategorisch abgelehnten) Pflegeheim zu ersparen, sei der ausschlaggebende Grund für den Übertragungsakt gewesen. Auf die fehlende Erwähnung dieser Beweggründe in dem notariellen Übertragungsvertrag komme es nicht an. Hier gebe es auch keine Üblichkeiten. Es habe völlig außerhalb des Handlungswillens der Erblasserin gelegen, den Kläger sowie seinen Bruder zu benachteiligen. Von einem groben Missverhältnis des übertragenen Vermögens zu einem ermittelten Geldwert der Leistungen der Beklagten könne keine Rede sein. Im Übrigen wäre es dann Sache des Klägers, ein etwaiges Missverhältnis der insoweit relevanten Leistung dezidiert aufzuzeigen und einen entsprechenden Antrag zu verfolgen. Den Übertragungsakt als solchen, d. h. die Eigentumsstellung der Beklagten, könne der Kläger mit seinen Anträgen nicht beseitigen.

Zur Stufenklage:

Die Auskunft sei bereits erteilt und der Anspruch damit erfüllt. Die im Jahr 2015 ausgestellte Vollmacht habe die Beklagte nach dem Sturz der Erblasserin, zu dem es am 13.11.2016 gekommen sei, dem aufgesuchten Arzt vorlegen müssen. Außerdem habe die Vollmacht in der Seniorenresidenz, in der die Erblasserin vorübergehend untergebracht worden sei, vorgelegt werden müssen. Eine weitere Vorlage der Vollmacht sei erforderlich gewesen zur Aufnahme des Kredites, damit verschiedene Rechnungen, insbesondere aus Reparaturleistungen hätten bezahlt werden können. Des Weiteren sei die Vorlage der Vollmacht erforderlich gewesen bei der Einlieferung in ein Krankenhaus, nachdem sich die Erblasserin am 31.03.2017 den Arm gebrochen gehabt habe. Ansonsten habe die Beklagte von der Vollmacht keinen Gebrauch gemacht. Zu berücksichtigen sei zudem, dass die Erblasserin zwar wegen physischer Gebrechen pflegebedürftig gewesen sei, ansonsten jedoch bis zuletzt im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gewesen sei. Minutiöse Rechenschaftsberichte habe die Erblasserin nicht gefordert, was angesichts der vertrauensvollen Mutter-Tochter-Beziehung nicht ungewöhnlich sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 10.05.2021 (Bl. 288 ff. d. A.) und 11.05.2021 (Bl. 316 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die zulässige Stufenklage ist in der aktuell zur Entscheidung stehenden ersten Stufe ebenfalls unbegründet.

I.

Die Beklagte ist nicht entsprechend § 2287 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 818 ff. BGB zur Herausgabe der ihr mit notariellem Vertrag vom 14.08.2014 von der Erblasserin M. R. übertragenen Vermögensgegenstände verpflichtet.

Nach § 2287 Abs. 1 BGB kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, für den Fall, dass der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Diese Regelung ist auf wechselbezügliche letztwillige Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments, das nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegattens unwiderruflich geworden ist, entsprechend anzuwenden (vgl. BGH NJW-RR 2012, 207 f. und NJW 2017, 329 f.).

An die Beeinträchtigungsabsicht sind dabei nur geringe Anforderungen zu stellen. Hierfür genügt es bereits, wenn – was praktisch immer der Fall sein wird – der Erblasser weiß, dass er durch die unentgeltliche Weitergabe das Erbe schmälert. Dennoch greift die Vorschrift nicht zwangsläufig bei jeder Schenkung ein. Stattdessen erfolgt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Missbrauchsprüfung. Erforderlich für die Anwendung des § 2287 Abs. 1 BGB ist, dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat. Ein solcher Missbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte. Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Ein derartiges Interesse kommt etwa dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und ggf. auch Pflege geht oder wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will. Beweispflichtig für die Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe (vgl. BGH NJW-RR 2012, 207 f. und NJW 2017, 329 f.).

Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an einer Schenkung kann dabei auch dann vorliegen, wenn der Beschenkte ohne rechtliche Bindung Leistungen etwa zur Betreuung im weiteren Sinne übernimmt, tatsächlich erbringt und auch in der Zukunft vornehmen will. Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers kann insbesondere in Betracht kommen, wenn der Beschenkte sich um Haus, Garten, Einkäufe, Reinigung etc. kümmert, zumal wenn der Erblasser ein Interesse daran hat, dass er in dem Haus wohnen bleiben kann und es als Familienbesitz erhalten wird (vgl. BGH NJW-RR 2012, 207 f.). Das Bedürfnis eines alleinstehenden Erblassers nach einer seinen persönlichen Vorstellungen entsprechenden Versorgung und Pflege im Alter ist auch dann ein vom Vertragserben anzuerkennendes lebzeitiges Eigeninteresse, wenn der Erblasser es dadurch zu verwirklichen sucht, dass er eine ihm nahestehende Person durch eine Schenkung an sich bindet. Anderes kommt in Betracht, wenn der darlegungs- und beweispflichtige Vertrags- oder Schlusserbe nachweist, dass entweder ein lebzeitiges Eigeninteresse überhaupt nicht bestand oder die vorgebrachten Gründe den Erblasser in Wahrheit nicht zu der benachteiligenden Schenkung bewogen haben (vgl. BGH NJW 2017, 329 f.).

Ein lebzeitiges Eigeninteresse muss dabei nicht zwingend für den gesamten Schenkungsgegenstand angenommen werden, sondern vermag auch lediglich einen Teil der Schenkung zu rechtfertigen und insoweit einen Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsmacht auszuschließen. Hierbei sind die Grundsätze der gemischten Schenkung entsprechend anzuwenden. Ein geschenktes Grundstück kann nur bei entsprechender Zug-um-Zug-Leistung herausverlangt werden, wenn die Schenkung überwiegend nicht anzuerkennen ist, wenn also derjenige Wertanteil der Schenkung, der hinzunehmen ist, geringer wiegt als der nach § 2287 BGB auszugleichende überschießende Anteil. Hierbei ist allerdings keine rein rechnerische Gegenüberstellung des Wertes der vom Beklagten erbrachten Leistungen mit dem Wert des Grundstücks vorzunehmen. Vielmehr hat auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Leistungen noch in Zukunft erfolgen sollten und der Erblasser sich ihm erbrachte oder zu erbringende Leistungen „etwas kosten lassen darf“, eine umfassende Gesamtabwägung zu erfolgen (vgl. BGH NJW-RR 2012, 207 f. und NJW 2017, 329 f.). Überwiegt dagegen der hinzunehmende Wertanteil der Schenkung, richtet sich der Anspruch nicht auf Herausgabe unter Erstattung der Gegenleistung, sondern auf Zahlung der Differenz zwischen dem Wert des Gegenstandes und dem der erbrachten Gegenleistung (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 80. Aufl. 2021, § 2287 Rn. 11).

Unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Grundsätze geht das Gericht nach Durchführung der Beweisaufnahme davon aus, dass die Erblasserin M. R. an den mit Notarvertrag vom 14.08.2014 erfolgten, hier streitgegenständlichen Vermögensübertragungen ein lebzeitiges Eigeninteresse gehabt hat, welches der Annahme eines Missbrauchs der Verfügungsgewalt entgegensteht. Nach dem Gesamtbild der Aussagen der in den Sitzungen vom 10. und 11.05.2021 hierzu vernommenen Zeugen, der Anhörung der Parteien und den zu den Akten gereichten Unterlagen hat die Erblasserin die Vermögensübertragungen im Jahr 2014 vor dem Hintergrund der von der Beklagten seit dem Jahr 2004 erbrachten, auch künftig erwarteten (und tatsächlich auch bis zum Tode der Erblasserin erfolgten) Leistungen der Beklagten getätigt. So besteht nach durchgeführter Beweisaufnahme für das Gericht kein Zweifel daran, dass die Beklagte von dem Zeitpunkt ihres Umzuges in die Straße.I R. in K. im Jahr 2004 bis zum Ableben der Erblasserin am 31.12.2017 in ganz erheblichem Umfang Betreuungs- und Versorgungsleistungen zugunsten der Frau M. R. erbracht hat. Die Beklagte hat in der ihr berufsbedingt zur Verfügung stehenden freien Zeit die Erblasserin im Alltag begleitet und betreut, ihr bei der Organisation (bspw. von Geburtstagsfesten) geholfen, Einkäufe und Erledigungen für sie besorgt bzw. die Erblasserin dabei begleitet, sie zu verschiedenen Orten (bspw. zu Ärzten und Veranstaltungen) gefahren, ihr bei der Verwaltung ihres Mietobjektes und dem Zusammensuchen von Steuerunterlagen zur Seite gestanden, für sie gekocht und (jedenfalls zum großen Teil) den Haushalt besorgt, teilweise auch Arbeiten im Garten verrichtet. Im Zuge der sich während der Jahre steigernden Gebrechlichkeit der Erblasserin hat die Beklagte zudem die Pflege übernommen. Auch wenn zum Zeitpunkt des Notarvertrages vom 14.08.2014 noch keine erhebliche Pflegebedürftigkeit der Erblasserin bestanden haben sollte, sondern diese sich erst in den Folgejahren verstärkt gezeigt haben sollte (insbesondere nach dem Oberschenkelhalsbruch im November 2016 und dem Handgelenksbruch im März 2017), so sind doch die Leistungen, die die Beklagte allein bis August 2014 erbracht hatte, bereits erheblich gewesen. Die Erblasserin dürfte bei der Vermögensübertragung davon ausgegangen sein, dass die Beklagte – wie tatsächlich auch der Fall – ihr auch weiterhin in allen Belangen unterstützend zur Seite stehen werde. Hierauf deuten insbesondere die von einigen Zeugen geschilderten Äußerungen der Erblasserin in Bezug auf die Beklagte hin. Hierfür spricht zudem die der Beklagten im Jahr 2015 umfassend erteilte notarielle Vollmacht, in der die Erblasserin ihren Wunsch zum Ausdruck gebracht hat, solange es zu verantworten ist eine Pflege in ihrer Wohnung zu erhalten und ihre bisherigen Lebensgewohnheiten fortsetzen zu können. Diesen Wunsch hat die Beklagte ihr denn auch bis zu ihrem Ableben durch ihren unermüdlichen Einsatz erfüllt. Dass hierbei bis zum Tod der Erblasserin – neben den bereits angeführten Leistungen – auch Pflegeleistungen von nicht unerheblichem Umfang anfielen, ergibt sich insbesondere aus den von Beklagtenseite vorgelegten Pflegegutachten zu den Zeitpunkten 12.04.2016 und 11.08.2016. So hat die Dauer der von der Beklagten allein erbrachten Pflege ausweislich der Gutachten zum 12.04.2016 bereits 14 bis unter 21 Stunden pro Woche umfasst, zum 11.08.2016 bereits 28 Stunden und mehr pro Woche. Dass für diese Pflegeleistungen, wenn sie von einem professionellen mobilen Pflegedienst oder gar stationär in einem Altenheim erbracht worden wären, ganz erhebliche Geldsummen hätten aufgewandt werden müssen, liegt auf der Hand. Aber auch die übrigen Leistungen außerhalb der eigentlichen Pflege, die der Erblasserin im hohen Alter ein weitgehend selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung ermöglicht haben, wären bei Beauftragung Dritter deutlich zu Buche geschlagen und hätten das Erbe entsprechend geschmälert.

Der Kläger hat somit den ihm als Anspruchsteller obliegenden Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2287 Abs. 1 BGB nicht erbracht. Dabei bedarf es letztlich keiner Klärung, welchen Wert die der Beklagten zugewandten Grundstücke tatsächlich gehabt haben. Zum einen stützt der Kläger sich bei seinen diesbezüglichen (bestrittenen) Wertangaben auf sachverständige Wertermittlungen, die sich zu den Stichtagen 01.09.2018 (I. R. 00 in K.) bzw. 03.09.2018 (B. 0 in P.) verhalten, wobei es jedoch hinsichtlich der Grundstückswerte allein auf die Wertverhältnisse zur Zeit der Zuwendung unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes ankommt (vgl. BGH NJW 2017, 329 f.). Zum anderen kann selbst dann, wenn man die klägerseits behaupteten Werte zugrundelegt, nicht davon gesprochen werden, dass die von der Erblasserin getätigten Zuwendungen im Hinblick auf die von der Beklagten über viele Jahre erbrachten Leistungen jedes vernünftige Maß überschreiten würden. Selbst wenn man zusätzlich die weiteren vom Kläger behaupteten Zuwendungen der Erblasserin an die Beklagte in Rechnung stellt, ist die Annahme, dass die Schenkungen ganz oder überwiegend nicht anerkennenswert sind, jedenfalls nicht zu halten. Ein Anspruch auf Herausgabe der zugewandten Grundstücke bzw. des Wohnungs- und Nutzungsrechts kommt daher nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch unter Einschränkungen nicht in Betracht. Einen Zahlungsantrag hat der Kläger nicht gestellt. Die zur Entscheidung stehenden Herausgabeanträge unterlagen somit der Abweisung.

II.

Der im Rahmen der Stufenklage gestellte Antrag auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung betreffend Rechtsgeschäfte, welche die Beklagte in Ausübung der ihr von der Erblasserin erteilten Vollmacht getätigt hat (§ 666 BGB), ist ebenfalls unbegründet.

Dieser Antrag bezieht sich – soweit für das Gericht ersichtlich – allein auf die mit Beklagtenschriftsatz vom 29.01.2019 vorgelegte notarielle Vollmacht aus dem Jahr 2015. Die Beklagte hat bereits im Rahmen ihrer Anhörung in der Sitzung vom 11.05.2021 ausgeführt, von der schriftlichen notariellen Vollmacht aus dem Jahr 2015 nur bei wenigen Gelegenheiten Gebrauch gemacht zu haben, insbesondere im Zusammenhang mit der Aufnahme des Konsumentenkredites von 15.000,00 € im Jahr 2017 (vgl. dazu bereits Anlage B 10 zum Beklagtenschriftsatz vom 01.10.2019), welcher nach Darstellung der Beklagten zur Begleichung diverser (Handwerker-)Rechnungen der Erblasserin gedient hat. Hierzu hat sich der Kläger in der Folgezeit ebenso wenig geäußert wie zu den diesbezüglichen ergänzenden Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 22.10.2021 (Bl. 399 ff. d. A.). Somit ist weder dargetan noch ersichtlich, welche weiteren Angaben und Belege der Kläger hierzu noch erwartet bzw. vermisst. Der Anspruch nach § 666 BGB dürfte daher durch Erfüllung erloschen sein (§ 362 Abs. 1 BGB).

Selbst wenn man dies anders sehen würde, so ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte in der Sitzung vom 11.05.2021 unwidersprochen angegeben hat, es habe keine Gelegenheit gegeben, bei der ihre Mutter sie aufgefordert habe, über ihre Tätigkeit Rechenschaft abzulegen oder ihr Belege in geordneter Form dazu vorzulegen. Vor diesem Hintergrund dürfte ein erstmals nach dem Tod der Erblasserin erfolgtes Verlangen eines Miterben nach schriftlicher Rechenschaft und Belegvorlage unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kritisch zu sehen sein.

III.

Eine Kostenentscheidung ist derzeit noch nicht möglich und bleibt einem Schlussurteil vorbehalten.

Mangels Kostenentscheidung gibt es auch keinen Anknüpfungspunkt für einen Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Erbrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Erbrecht. Vom rechtssicheren Testament über den Pflichtteilsanspruch bis hin zur Erbausschlagung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Erbrecht einfach erklärt

Erbrechtliche Urteile und Beiträge

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!