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Beeinträchtigung Schlusserbeneinsetzung durch Austausch Testamentsvollstrecker

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 3 Wx 12/19 – Beschluss vom 04.11.2019

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Flensburg vom 13. November 2018 geändert. Der Antrag der Beteiligten zu 4 auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Gerichtskosten zu je 1/4. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Der Geschäftswert beträgt 20.000 €.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 1 – 3 sind die drei Kinder der Erblasserin. Die Erblasserin und ihr am 19. November 2012 vorverstorbener Ehemann Hans-Werner K1 errichteten am 29. Juni 2001 ein notariell beurkundetes gemeinschaftliches Testament, in dem sie ihre drei Kinder zu je 1/3 als Erben nach dem Tode eines jeden von ihnen einsetzten. Dem überlebenden Ehegatten vermachten sie alle zum ehelichen Haushalt gehörenden Sachen. Die Beteiligte zu 1 erhielt aus dem Vermögen jeden Elternteils je ein Vorausvermächtnis. Sämtliche Bestimmungen des Testaments sollten, soweit nicht anders bestimmt und soweit gesetzlich zulässig, wechselbezüglich sein. Das Testament schließt mit der Anordnung einer Testamentsvollstreckung. Der Ehemann benannte den Beteiligten zu 3 zum Testamentsvollstrecker, die Ehefrau für den Fall ihres Vorversterbens ihren Ehemann und ansonsten ebenfalls den Beteiligten zu 3. Der Testamentsvollstrecker sollte die Vorausvermächtnisse erfüllen und den Nachlass auseinandersetzen. Er sollte die Aufgabe unentgeltlich ausüben. Die Einzelheiten ergeben sich aus der Urkunde Bl. 46 – 48 d. BA.

Am 21. September 2007 schlossen die Eltern mit dem Beteiligten zu 3 einen Erbvertrag, in dem sie ein Vermächtnis zu Gunsten des Letzteren vereinbarten (Bl. 49 – 55 d. BA.). Am 9. April 2015 errichtete die Erblasserin ein notariell beurkundetes Testament, in dem sie die Einsetzung des Sohnes zum Testamentsvollstrecker in dem gemeinschaftlichen Testament widerrief und als neue Testamentsvollstreckerin die Beteiligte zu 4 bestimmte. Ersatzweise sollte das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker bestimmen, der allerdings nicht aus dem Kreis der Kinder und deren Angehöriger sein sollte; auch Rechtsanwältin C1 sollte nicht in Frage kommen. Die Erblasserin ordnete eine Testamentsvollstreckervergütung nach den Empfehlungen des Deutschen Notarvereins an. Für den Fall, dass die Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers unwirksam sein sollte, sollte die Anordnung der Testamentsvollstreckung vollumfänglich als aufgehoben gelten (Urkunde Bl. 60 – 63 d. BA.). Dieses Testament wiederholte die Erblasserin im Kern in einem handschriftlichen Testament vom 19. Oktober 2017 (Bl. 65 d. BA.).

Die Beteiligte zu 4 nahm das Amt an. Sie hat die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses für sich beantragt. Dem Antrag sind die Beteiligten zu 2 und 3 entgegengetreten. Sie sind der Auffassung, die Ernennung der Beteiligten zu 4 zur Testamentsvollstreckerin sei unwirksam. Sie diene allein dazu, den Nachlass zu ihren – der Beteiligten zu 2 und 3 – Lasten auszuhöhlen. Dieses Ziel habe die Erblasserin seit dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 2012 ganz offensichtlich in Absprache mit ihrer anwaltlichen Beraterin, Rechtsanwältin C1, verfolgt. Zur Sicherstellung der Aushöhlung des Nachlasses zu Gunsten der Beteiligten zu 1 habe die Erblasserin eine mit Rechtsanwältin C1 befreundete Kollegin als Testamentsvollstreckerin vorgeschlagen. Es lägen bereits jetzt Anhaltspunkte dafür vor, dass die Testamentsvollstreckerin ihr Amt tatsächlich mit diesem Ziel ausübe. Auch stelle die Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers eine beeinträchtigende Verfügung gegenüber den im gemeinschaftlichen Testament bedachten Erben dar (Verweis auf KG Berlin, Urteil vom 23.11.2009 – 8 U 144/89). Die Beteiligte zu 4 ist diesen Vorwürfen entgegengetreten.

Das Nachlassgericht hat die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses nach Antrag angekündigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Benennung der Beteiligten zu 4 in den einseitigen Testamenten vom 9. April 2015 und 19. Oktober 2017 keinen wechselbezüglichen Anordnungen im gemeinschaftlichen Testament vom 29. Juni 2001 widerspreche. Die Wechselbezüglichkeit beziehe sich nicht auf die Einsetzung der Person des Testamentsvollstreckers als solcher (§ 2270 Abs. 3 BGB). Der Sohn dürfte seiner beruflichen Qualifikation wegen als Rechtsanwalt und Steuerberater eingesetzt worden sein. Diese Qualifikation aber habe auch die Beteiligte zu 4. Es sei bei dem gemeinschaftlichen Testament nicht erkennbar, dass sich die Wechselbezüglichkeit auch auf die Person des eingesetzten Testamentsvollstreckers beziehen sollte. Schließlich hätten die Ehegatten auch unterschiedliche Personen eingesetzt, der Ehemann nämlich allein den Sohn und die Ehefrau zunächst den Ehemann und nur ersatzweise den Sohn. Es sei nicht erkennbar, dass diese Einzeleinsetzung nur aufgrund der gemeinsamen Entscheidung erfolgt sei. Vielmehr dürften die Ehegatten den gemeinsamen Willen gehabt haben, dass auf jeden Fall ein fachlich geeigneter Testamentsvollstrecker bestellt werden sollte. Eine Schlechterstellung der Erben durch den Wechsel der Person des Testamentsvollstreckers, dessen Befugnisse die Erblasserin nicht geändert habe, sei nicht erkennbar. Ein wichtiger Grund nach § 2227 BGB zur Entlassung der Testamentsvollstreckerin liege nicht vor. Diese sei zu einer ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte in der Lage und gewillt. Es spreche nicht gegen eine ordnungsgemäße Geschäftsführung, dass die Testamentsvollstreckerin bislang noch kein vollständiges Nachlassverzeichnis erstellt habe. Ihr fehlten noch die dafür erforderlichen vollständigen Bankauskünfte. Es sei zudem nicht erkennbar, dass die Testamentsvollstreckerin zu Lasten der Beteiligten zu 2 und 3 handele. Nach Inbesitznahme des Nachlasses müssten noch eine Vielzahl von Kontoauszügen ausgewertet werden. Vor Vervollständigung der Unterlagen, mit denen sich die Testamentsvollstreckerin umfassend einen Überblick verschaffen könne, müsse sie keine Gesamtprüfung vornehmen. Es sei nicht ihre Aufgabe, auf reine Vermutungen eines oder mehrerer Beteiligter übereilt tätig zu werden. Die Beteiligte zu 4 sei auch geeignet, dass Amt als Testamentsvollstreckerin zu übernehmen. Die pauschale Unterstellung einer bewussten Zusammenarbeit mit Rechtsanwältin C1 zur Aushöhlung des Nachlasses zu Lasten der Beteiligten zu 2 und 3 entbehre jeder Grundlage.

Die Beteiligte zu 2 hat Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdebegründung wiederholt sie zusammengefasst ihren bisherigen Vortrag.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat auf die im angefochtenen Beschluss genannten Gründe verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass ein Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 BGB durch die Einsetzung der Beteiligten zu 4 zur Testamentsvollstreckerin weiterhin nicht zu erkennen sei. Die immer wieder behauptete Zusammenarbeit der Testamentsvollstreckerin mit der Beteiligten zu 1 könne das Gericht nicht erkennen. Hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit der Anordnung der Testamentsvollstreckung habe das Gericht bereits dargelegt, dass es keine Wechselbezüglichkeit hinsichtlich der Bestimmung der Person des Testamentsvollstreckers sehe. Eine solche liege bereits bei der Anordnung der Testamentsvollstreckung als solcher nicht vor. Es gebe auch keine Entlassungsgründe nach § 2227 BGB. Weder bestünde der Verdacht der Bereicherung der Testamentsvollstreckerin noch habe diese die Erteilung von Auskünften und Einsichtnahme in die Belege verweigert.

Die Beteiligten zu 1 und 4 verteidigen den angefochtenen Beschluss.

Der Senat hat die Beteiligten vorab auf seine vorläufige rechtliche Bewertung der Sache hingewiesen (Bl. 368 – 370 d. A.).

Die Beteiligte zu 1 hat gemeint (Bl. 388 – 393 d. A.), dass höchstrichterliche Rechtsprechung zum nachträglichen Austausch eines in einem Erbvertrag eingesetzten Testamentsvollstreckers auf gemeinschaftliche Testamente nicht anwendbar sei. Abgesehen davon habe der BGH die nur wirtschaftliche Beeinträchtigung der Vertragserben durch den Austausch eines ehrenamtlichen Testamentsvollstreckers gegen einen vergütungspflichtig tätigen für zulässig erachtet. Die Zulässigkeit eines Austauschs der Person des Testamentsvollstreckers verbunden mit der Bestimmung eines Vergütungsanspruchs ergebe sich hier auch aus einer Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments. Die Eltern hätten den ursprünglich eingesetzten Beteiligten zu 3 nicht aus familiären Gründen gewählt, sondern weil sie davon ausgegangen seien, dass er als Rechtsanwalt und Steuerberater den Nachlass korrekt aufteilen werde. Da dies nicht geschehen sei, habe die Erblasserin einen neuen Testamentsvollstrecker einsetzen dürfen. Es handele sich auch nicht um eine jahrelange Dauertestamentsvollstreckung mit Einfluss auf familienbezogene Belange, sondern um eine reine Abwicklungsvollstreckung. Dabei solle keiner der drei gleichberechtigten Miterben bevorzugt werden. Die durch das Testament begünstigten Miterben genössen nicht in gleicher Weise Vertrauensschutz wie Vertragserben.

Die Beteiligte zu 4 verweist darauf (Bl. 388 – 393 d. A.), dass die Wirksamkeit der nachträglich getroffenen Regelung zur Testamentsvollstreckung nach dem Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments sowie danach zu beurteilen sei, ob eine Beeinträchtigung der Rechte der Schlusserben festzustellen sei. Im Hinblick auf die Beeinträchtigung komme es ausschließlich auf eine Einschränkung ihres Handlungsrahmens an; auf wirtschaftliche Aspekte sei nicht abzustellen. In Abschnitt 3 des Testaments werde verfügt, dass sämtliche Bestimmungen wechselbezüglich seien, soweit nichts anderes bestimmt und dies gesetzlich zulässig sei. Da die Regelung zur Testamentsvollstreckung erst im nachfolgenden Abschnitt 4 geregelt werde, ergebe schon die systematische Auslegung, dass die hier folgenden Regelungen nicht wechselbezüglich sein sollten. Deshalb komme es auf eine etwaige Rechtsbeeinträchtigung der Miterben nicht an. Die Erblasserin sei sowohl im Hinblick auf die Person des Testamentsvollstreckers als auch die Anordnung einer Vergütung frei gewesen. Wie die Beteiligte zu 1 so geht auch die Beteiligte zu 4 davon aus, dass der Beteiligte zu 3 nicht aus familiären Gründen, sondern aufgrund seiner Ausbildung ursprünglich zum Testamentsvollstrecker berufen worden sei. Im Rahmen einer ergänzenden Auslegung sei zu berücksichtigen, dass die Ehegatten, hätten sie bei der Errichtung des Testaments eine – wie geschehen – sachwidrige Ausübung des Amts durch den Beteiligten zu 3 bedacht, dem Längstlebenden die Befugnis eingeräumt hätten, eine familienfremde Person für die übliche Vergütung zum Testamentsvollstrecker zu bestimmen. Der Fall sei mit demjenigen vergleichbar, dass ein namentlich benannter Testamentsvollstrecker wegfalle, ein Ersatztestamentsvollstrecker aber nicht benannt sei. In einem solchen Fall entnehme die Rechtsprechung regelmäßig dem Testament ein stillschweigendes Ersuchen an das Amtsgericht, einen Ersatztestamentsvollstrecker zu bestimmen. Der Vergütungsanspruch sei entgegen der Rechtsauffassung des Senats auch nicht als Vermächtnis anzusehen.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg. Der Beteiligten zu 4 kann ein Testamentsvollstreckerzeugnis nicht erteilt werden. Maßgeblich hierfür sind nicht die Einwände des Beteiligten zu 3 gegen die Eignung der Beteiligten zu 4 zur ordnungsgemäßen Amtsführung und die von ihm erhobenen Vorwürfe der Parteilichkeit, die bereits das Amtsgericht für nicht durchgreifend erachtetet hat. Die Berufung der Beteiligten zu 4 zur Testamentsvollstreckung im Ergänzungstestament vom 9. April 2015 ist vielmehr wegen Verstoßes gegen die Schlusserbeneinsetzung im gemeinschaftlichen Testament unwirksam.

1.

In ihrem gemeinschaftlichen Testament hatten die Ehegatten die Kinder zu Erben eines jeden von ihnen bestimmt. Die Wechselbezüglichkeit dieser Bestimmung ergibt sich aus der ausdrücklichen Anordnung in Ziffer 3 des gemeinschaftlichen Testaments. Die Wechselbezüglichkeit hat zur Folge, dass die Erbeinsetzung für die Ehegatten bindend war. Sie konnte zu Lebzeiten des anderen Ehegatten nur formgebunden (§ 2296 BGB) und nach dessen Tod gar nicht mehr widerrufen werden (§ 2071 Abs. 2 BGB). Die Erblasserin durfte somit nach dem Tode ihres Ehemannes keine letztwilligen Verfügungen treffen, die die Erbeinsetzung der Kinder in irgendeiner Form beeinträchtigte, denn in jeder Beeinträchtigung läge der Sache nach ein teilweiser – unzulässiger – Widerruf der weitergehenden Schlusserbeneinsetzung.

2.

Eine derartige unzulässige Beeinträchtigung der Schlusserbeneinsetzung der Kinder im gemeinschaftlichen Testament stellt die nachträglich einseitig verfügte Berufung der Beteiligten zu 4 zur Testamentsvollstreckerin dar.

a)

Eine zweifellos unzulässige Beeinträchtigung läge in der erstmaligen Anordnung der Testamentsvollstreckung (s. nur Senat, Beschluss vom 13.05.2013 – 3 Wx 43/13 – SchlHAnz 2013, 480). Dies steht hier nicht in Rede. Die Testamentsvollstreckung war bereits im gemeinschaftlichen Testament angeordnet worden.

b)

In Rede steht vielmehr der Austausch der Person des Testamentsvollstreckers.

aa)

Die Zulässigkeit einer solchen Änderung des gemeinschaftlichen Testaments wird nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird die Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers ohne Weiteres für zulässig gehalten, weil sie nicht zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der wechselbezüglich eingesetzten Erben führe (jeweils zu § 2271 Braun in Beck-OGK, Stand 01.03.2019, Rn. 14 – anders ders. in Burandt/Rojahn, s.u.; Klessinger in Damrau, 2. Aufl. 2011, Rn. 25; Reymann in jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, Rn. 52; Musielak in MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, Rn. 17; Wolf in Soergel, 13. Aufl. 2003, Rn. 16; Kanzleiter in Staudinger, Bearb. 2019, Rn. 19). Nach anderer Auffassung ist die Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers grundsätzlich zulässig, ausnahmsweise aber dann nicht, wenn die Ehegatten an die Person des Testamentsvollstreckers bestimmte Vorstellungen geknüpft hatten (jeweils zu § 2271 Burandt/Rojahn/Braun, Rn. 40; Müßig in Kroiß/Ann/Meyer, 5. Aufl. 2018, Rn. 18).

Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage – soweit ersichtlich – bislang nur in Fällen befasst, die den Austausch der Person eines erbvertraglich benannten Testamentsvollstreckers betrafen. Er hat die Zulässigkeit offengelassen. Auf einseitige Verfügungen in Erbverträgen sei § 2289 BGB zwar nicht anwendbar. Grundsätzlich sei ein Erblasser damit weiterhin berechtigt, den von ihm für seinen Nachlass benannten Testamentsvollstrecker auszuwechseln. Gleichwohl könne eine Änderung der Person des Testamentsvollstreckers nach § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam sein. Dies sei der Fall, wenn die Auswechslung den Vertragserben beeinträchtige, was sich wiederum nur durch eine Auslegung des Vertragsinhalts ermitteln lasse (BGH ZEV 2013, 36, 38 Rn. 22; BGH ZEV 2011, 306, 308, Rnrn. 25 – 30).

Diese Betrachtung hält der Senat für richtig. Grundsätzlich besteht Testierfreiheit. Auch nach Abschluss eines Erbvertrags können die Beteiligten noch letztwillig verfügen. Daran gehindert sind sie nur, als sie mit dem späteren Testament in vertraglich begründete Rechte eingreifen (BGH ZEV 2011, 306, 308 Rn. 18). Dies gilt in gleicher Weise für die Beschränkung der Testierfreiheit aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments, denn § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB ist auf bindend gewordene wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten entsprechend anzuwenden (s. nur Beck-OGK/Müller-Engels, § 2289 Rn. 6). Die Beteiligte zu 1 zieht dies zu Unrecht in Zweifel. Sie meint, dass gemeinschaftlich getroffene Regelungen zur Testamentsvollstreckung nachträglich einseitig änderbar sein müssten, weil ansonsten die Bestimmung des § 2270 Abs. 3 BGB umgangen würde. Nach der im Jahr 2001 – dem Jahr der Testamentserrichtung – geltenden Fassung der Vorschrift konnten nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen wechselbezüglich sein; in heutiger Fassung ist die Vorschrift auf die Wahl des anzuwendenden Erbrechts erweitert. Die Testamentsvollstreckung betreffende Regelungen konnten und können somit nur einseitig getroffen werden und sind damit frei abänderbar. Dies gilt auch dann, wenn in einem gemeinschaftlichen Testament sämtliche darin getroffenen Bestimmungen als wechselbezüglich bezeichnet werden (OLG Hamm ZEV 2001, 271, 272 aaO; Staudinger/Kanzleiter § 2271 Rn. 19).

An diesem Grundsatz rührt die Übertragung der Rechtsprechung des BGH zu Erbverträgen auf gemeinschaftliche Testamente jedoch nicht. Der BGH ist in den beiden oben genannten Entscheidungen nicht von einer vertragsmäßig bindenden Benennung der Person des Testamentsvollstreckers ausgegangen (die in einem Erbvertrag allerdings zulässig wäre, BGH ZEV 2011, 306, 309 Rn. 30), sondern hat allgemein darauf abgestellt, ob sich aus der Änderung bei einem Blick auf den gesamten Vertragsinhalt eine Beeinträchtigung der Vertragserben ergibt. Bei dieser Fragestellung kann dem Grundsatz freier Widerruflichkeit der Testamentsvollstreckerbenennung ohne Weiteres Rechnung getragen werden. Bezeichnenderweise hat der BGH zum Beleg der auch von ihm vertretenen Auffassung u.a. auf obergerichtliche Entscheidungen Bezug genommen, die gemeinschaftliche Testamente betraf (BGH ZEV 2011, 306, 309 Rn. 28, dort u. a. OLG Hamm ZEV 2001, 271, 272; KG ZEV 2010, 40, 42; s. ebenso Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rnrn. 63 f).

Die Beteiligte zu 1 meint ferner, dass Miterben, die jeweils nur „Begünstigte“ aus dem gemeinschaftlichen Testament seien, nicht in gleicher Weise Vertrauensschutz verdienten wie Vertragserben. Dem ist schon deshalb nicht zu folgen, weil auch ein Vertragserbe begünstigt werden kann, ohne dass er eine Gegenleistung dafür zu erbringen hätte. Zudem berücksichtigt die Sichtweise der Beteiligten zu 1 nicht, dass die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen Vertrauensschutz vornehmlich nicht etwa zugunsten der Schlusserben – die möglicherweise von dem Testament nicht einmal wissen -, sondern zugunsten des zuerst versterbenden Ehegatten entfaltet. Er soll Gewissheit haben, dass nach seinem Tode von der gemeinsam getroffenen Regelung nicht mehr abgewichen wird.

bb)

Im vorliegenden Fall erweist sich der Austausch der Person des Testamentsvollstreckers als unzulässig. Sie ist mit einer Beeinträchtigung der Erben verbunden, zu der die Erblasserin nicht befugt war.

aaa)

Die Beeinträchtigung der Schlusserben ergibt sich aus der mit dem Austausch der Person verbundenen Vergütungsregelung. Im gemeinschaftlichen Testament war ausdrücklich verfügt, dass der Testamentsvollstrecker – sei es der überlebende Ehemann, sei es der Sohn – die Aufgabe unentgeltlich ausüben solle. Der in den späteren Testamenten der Erblasserin eingesetzten Testamentsvollstreckerin sollte jedoch eine Vergütung nach den Empfehlungen des Deutschen Notarvereins zustehen. Dies wäre für sich betrachtet unschädlich, weil, wie ausgeführt, auch gemeinschaftlich getroffene Regelungen zur Testamentsvollstreckung niemals wechselbezüglich sind und deshalb einseitig frei widerrufen werden können. Unzulässig ist aber, wie ebenfalls ausgeführt, eine damit einhergehende Beeinträchtigung der wechselbezüglichen Schlusserbeneinsetzung. Die Beeinträchtigung ergibt sich aus der Vergütungsanordnung. Mit dieser Anordnung wird ein Anspruch des Testamentsvollstreckers gegen den Nachlass begründet. Gegen diesen – und damit gegen die Erben als Gesamtschuldner – richtet sich sein Vergütungsanspruch (Winkler Rn. 639).

Darin liegt nicht etwa, wie die Beteiligten zu 1 und 4 meinen, eine rechtlich unbedenkliche rein wirtschaftliche Beeinträchtigung der Schlusserben. Sie beziehen sich hierzu auf eine Passage in der Entscheidung des BGH ZEV 2011, 306 (dort S. 309 Rn. 34), in der es heißt, dass in dem Umstand, dass von den neuen Testamentsvollstreckern eine ehrenamtliche Tätigkeit nicht zu erwarten sei, keine Beeinträchtigung der Rechte des Vertragserben lägen. Abgesehen davon, dass damit allenfalls wirtschaftliche Aspekte angesprochen würden, sehe der Erbvertrag die Bewilligung einer Testamentsvollstreckervergütung vor. Dies liest sich in der Tat so, als wäre eine rein wirtschaftliche Belastung der Schlusserben unschädlich. Gegenteiliges ergibt sich allerdings aus der in der Entscheidung BGH ZEV 2011, 306 an anderer Stelle (S. 308 Rn. 18) angeführten Entscheidung BGHZ 26, 204 (= NJW 1958, 498). Dort wird (NJW 1958, 498, 499) ausgeführt, dass aus der Verwendung des Begriffs „beeinträchtigen“ in § 2289 BGB einerseits und des Begriffs „in Widerspruch stehen” andererseits in § 2258 BGB (Testamentswiderruf) nicht folge, dass eine der vertragsmäßigen Verfügung widersprechende Verfügung das Recht des vertragsmäßig Bedachten an sich noch nicht beeinträchtige, sondern dass, um eine Beeinträchtigung festzustellen, immer ein Vergleich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten angestellt werden müsste. Im Gegenteil sei davon auszugehen, dass eine dem Recht des vertragsmäßig Bedachten widersprechende Verfügung dessen Recht notwendig auch beeinträchtige. Der Gesetzgeber habe in § 2289 Abs. 1 BGB nur deswegen nicht wie in § 2258 Abs. 1 BGB auf den einander widersprechenden Inhalt der Verfügungen abgestellt, sondern auf die Beeinträchtigung des Rechts des Bedachten, um die Unwirksamkeit früherer oder später errichteter letztwilliger Verfügungen in einem weiteren Umfang eintreten zu lassen, als es sich bei einer dem § 2258 Abs. 1 BGB entsprechenden Fassung des Gesetzes ergäbe. Auch die Verfügungen, die nicht in Widerspruch zu den vertragsmäßigen stünden, die aber dennoch das Recht des vertragsmäßig Bedachten wirtschaftlich beeinträchtigten, sollten unwirksam sein. § 2289 Abs. 1 S. 1 BGB lege dem Erbvertrag eine weitergehende Wirkung bei, als sie nach § 2258 Abs. 1 BGB einem (Anm. des Senats: einseitigen) Testament zukomme. Diesen Ausführungen zufolge wäre eben doch jede wirtschaftliche Beeinträchtigung des Rechts des Vertragserben nach § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unzulässig. Bei entsprechender Anwendung der Vorschrift auf gemeinschaftliche Testamente gälte dort Gleiches.

Der Senat braucht indes nicht zu entscheiden, welcher Auffassung zu folgen ist. Die hier zu beurteilende Beeinträchtigung ist nicht nur „rein wirtschaftlich“. Mit der testamentarischen Neuregelung der Testamentsvollstreckung hat die Erblasserin einen Vergütungsanspruch der Testamentsvollstreckerin gegen den Nachlass geschaffen (s. o.). Die Erben sind gesamtschuldnerisch zur Erfüllung des Anspruchs verpflichtet. Die Neuregelung führt damit auch zu einer rechtlichen Belastung. Vergleichbar ist dies mit der – nach § 2289 Abs. 1 S 2 BGB unzulässigen (s. nur Beck-OGK/Braun § 2271 Rn. 13) – nachträglichen Anordnung eines Vermächtnisses. Der Vergütungsanspruch des Testamentsvollstreckers ist freilich kein Vermächtnis; dies hat der Senat in seinem Hinweisschreiben vom 13.09.2019 aber auch nicht zum Ausdruck gebracht. Die unzulässige Belastung der Schlusserben folgt nicht aus der Rechtsnatur des Anspruchs, sondern aus der Begründung eines Anspruchs gegen die Schlusserben überhaupt, dem sie nach den Bestimmungen des gemeinschaftlichen Testaments nicht ausgesetzt gewesen wären.

bbb)

Die Beeinträchtigung der Erben führt nicht zwingend zur Unwirksamkeit der geänderten Regelung der Testamentsvollstreckung. Beeinträchtigende Verfügungen sind zulässig, soweit sie dem überlebenden Ehegatten gestattet sind. Auch wechselbezügliche Verfügungen können unter Änderungsvorbehalt stehen. Da es den Ehegatten freisteht, ihre Verfügungen wechselbezüglich zu gestalten, steht es ihnen auch frei, die aus der Wechselbezüglichkeit folgende Bindungswirkung aufzulockern.

Trotz der ausdrücklich angeordneten Wechselbezüglichkeit der getroffenen Bestimmungen könnte sich demnach auch aus dem vorliegenden gemeinschaftlichen Testament im Wege der Auslegung entnehmen lassen, dass der überlebende Ehegatte die Regelung zur Testamentsvollstreckung auch zu Lasten der Schlusserben ändern durfte. Eine solche Auslegung könnte an die Rechtsprechung zu § 2200 BGB anknüpfen, auf die die Beteiligte zu 4 verweist. Vielfach kann die Benennung eines Testamentsvollstreckers in einem Testament so ausgelegt werden, dass sie zugleich das Ersuchen an das Nachlassgericht nach § 2200 BGB enthält, bei Wegfall der benannten Person einen Ersatztestamentsvollstrecker zu bestimmen. Dem Testament muss sich nur wenigstens andeutungsweise entnehmen lassen, dass der Erblasser die Testamentsvollstreckung auch nach dem Wegfall der von ihm benannten Person fortdauern lassen wollte. An die Feststellung eines solchen Willens sind keine hohen Anforderungen zu stellen (Senat, B. v. 06.07.2015 – 3 Wx 41/15 -, FamRZ 2016, 667).

Auf diese Rechtsprechung lässt sich hier allerdings schon deshalb nicht recht zurückgreifen, weil die Erblasserin die Beteiligte zu 4 nicht ersatzweise zur Testamentsvollstreckerin bestimmt hat, nachdem der ursprünglich vorgesehene Testamentsvollstrecker – der Beteiligte zu 3 – weggefallen war. Sie hat den Austausch vorgenommen, obwohl der Beteiligte zu 3 noch zur Verfügung stünde. Doch auch wenn sie hierzu befugt gewesen sein sollte, wäre weiter danach zu fragen, ob sie auch befugt war, die Benennung mit der Anordnung einer Testamentsvollstreckervergütung zu verbinden. Beides lässt sich nicht voneinander trennen. Die Erblasserin hat mit der Beteiligten zu 4 eine Testamentsvollstreckerin ausgewählt, von der feststand, dass sie das Amt professionell und nur gegen Vergütung ausüben werde. Es war von vornherein auszuschließen, dass die Beteiligte zu 4 das Amt unentgeltlich übernehmen werde.

Die Befugnis der Erblasserin, den Beteiligten zu 3 gegen eine professionelle Testamentsvollstreckerin auszutauschen, ließe sich zwar damit rechtfertigen, dass der Beteiligte zu 3 im gemeinschaftlichen Testament offenkundig deshalb zum Testamentsvollstrecker vorgesehen war, weil die Eltern ihn aufgrund seiner Ausbildung für fachlich geeignet hielten. Dennoch kann das gemeinschaftliche Testament nicht dahin ausgelegt werden, dass es ihnen entscheidend auf die Durchführung der Testamentsvollstreckung durch eine dafür qualifizierte Person ankam, an die notfalls auch eine Vergütung zu entrichten wäre. Einer solchen Auslegung stünde die in dem gemeinschaftlichen Testament ausdrücklich angeordnete Unentgeltlichkeit der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers entgegen. Aus der Anordnung ergibt sich unmissverständlich die Vorstellung der Ehegatten, dass die Testamentsvollstreckung den Nachlass nichts kosten dürfe. Damit ist der Auswahl eines vergütungspflichtig tätigen Testamentsvollstreckers unvereinbar. Auch aus einer Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments ergibt sich damit keine Befugnis der Erblasserin, die Beteiligte zu 4 zur Testamentsvollstreckerin zu berufen.

c)

Aus dem Vorgenannten ergibt sich notwendig, dass auch die Bestimmung der Erblasserin in ihrem letzten Testament vom 19.10.2017, dass ersatzweise das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker bestimmen solle, unwirksam ist. Auch das Nachlassgericht müsste einen professionell tätigen Testamentsvollstrecker auswählen, der das Amt jedoch nur gegen Vergütung ausüben würde.

Unbedenklich wirksam ist hingegen die ersatzweise Anordnung des gänzlichen Wegfalls der Testamentsvollstreckung in Abschnitt III des notariellen Testaments vom 09.04.2015 (vgl. Burandt/Rojahn/Braun § 2271 Rn. 40).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG, der bei einem Erfolg der Beschwerde zur Anwendung kommt. Billigem Ermessen entsprach eine Aufteilung der Gerichtskosten auf die Beteiligten, die im Übrigen ihre Kosten jeweils selbst zu tragen haben. Maßstab der Kostenentscheidung im Erbscheinsverfahren ist nicht nur der Umfang des Obsiegens und Unterliegens, denn letztlich geht es nicht darum, der Auffassung eines Beteiligten zum Recht zu verhelfen, sondern den Willen des Erblassers zu ermitteln. Grundsätzlich sind deshalb die Gerichtskosten unter den am Verfahren Beteiligten aufzuteilen und von der Anordnung der Kostenerstattung ist abzusehen, sofern nicht Gründe dieser Art dafür sprechen, einen Beteiligten einseitig zu belasten. Besondere Umstände, die dies hier rechtfertigen könnten, liegen nicht vor (vgl. BGH FamRZ 2016, 218, 219 Rnrn. 14 – 16; Senat ZEV 2015, 635).

Der Geschäftswert war mit 20 % des Nachlasswertes anzusetzen (§§ 61, 40 Abs. 5 GNotKG). Den Wert des Nachlasses hat der Senat mit dem von der Beteiligten zu 4 im Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses angegebenen – vorläufig geschätzten – 100.000,00 € angesetzt. Sichere anderweitige Erkenntnisse liegen ansonsten nicht vor. Auch die von dem Beteiligten zu 3 erstellte Übersicht, die zu einem Nachlasswert von 195.000,00 führt (Schriftsatz vom 17.09.2019 mit Anlage, Bl. 395 – 397 d. A.), beruht teilweise auf Schätzungen und zwischen den Beteiligten offenbar umstrittenen Wertangaben.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Ein Zulassungsgrund nach § 70 Abs. 2 FamFG liegt nicht vor. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine höchstrichterliche Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die vorliegende Entscheidung beruht maßgeblich auf der individuellen Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments, bei der der Senat nicht von anerkannten Grundsätzen oder anderslautender Rechtsprechung oder Literatur abgewichen ist.

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