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Beerdigungskosten – Beschwerde gegen die Zahlungsanweisung der kontoführenden Bank

Oberlandesgericht Hamburg, Az.: 2 W 64/15, Beschluss vom 13.02.2017

Das Verfahren wird zur Entscheidung über das als Erinnerung zu behandelnde Rechtsmittel gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek vom 23.7.2015 an das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek verwiesen.

Gründe

I.

Die Erblasserin verstarb ohne bekannten Erben. Zu ihrem Nachlass gehört das Konto bei der Beschwerdeführerin mit der Nr. (…), das ein Guthaben in Höhe von 3.240,80 € aufweist. Ob weiterer Aktivnachlass vorhanden ist, ist nicht bekannt. Die Freie und Hansestadt Hamburg, Bezirksamt Hamburg-Mitte hat die gemäß Rechnungen der Hamburger Friedhöfe AöR und der Hamburger Krematorium GmbH angefallenen Bestattungs- und Friedhofskosten in Höhe von 1.776,90 € beglichen und beim Nachlassgericht um deren Erstattung nachgesucht. Der Nachlass ist nach Aktenlage weiter mit Mietrückständen in unbekannter Höhe und einer aus offenen Heimkosten resultierenden Verbindlichkeit in Höhe von 1.555,78 € belastet.

Beerdigungskosten - Beschwerde gegen die Zahlungsanweisung der kontoführenden Bank
Symbolfoto: nkm99/Bigstock

Mit Beschluss vom 23.7.2015 hat das Nachlassgericht die Beschwerdeführerin namens der unbekannten Erben angewiesen, das bei ihr bestehende Konto der Erblasserin Nr. (…) aufzulösen und das Guthaben (1) in Höhe von 1.776 € an die Freie und Hansestadt Hamburg zu zahlen, (2) das restliche Guthaben zugunsten der unbekannten Erben unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Hamburg-(Mitte) zu hinterlegen und dies dem Nachlassgericht nachzuweisen.

Gegen diesen Beschluss, der der Beschwerdeführerin am 27.7.2015 zugestellt wurde, richtet sich ihre am 7.8.2015 beim Amtsgericht Hamburg-Wandsbek eingegangene Beschwerde.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 19.8.2015 nicht abgeholfen und diese mit Verfügung von demselben Tag dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin leitet ihre Beschwerdebefugnis daraus her, dass der angegriffene Beschluss sie unmittelbar mit einer Handlungspflicht belaste und damit in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und 14 GG einschränke. Zudem belaste die Entscheidung sie mit einem Haftungsrisiko, da nur eine – im konkreten Fall nicht vorliegende – berechtigte Anweisung des Nachlassgerichts geeignet sei, sie im Verhältnis zu den Erben von ihrer Verpflichtung aus dem Sparvertrag mit der Erblasserin zu befreien. Auch mit Blick auf den zu hinterlegenden Teilbetrag bestehe für die Beschwerdeführerin ein wirtschaftliches Risiko, da die Verjährungsfrist des Zahlungsanspruches der Erben gegen die Hinterlegungsstelle kürzer sei als diejenige aus dem Sparvertrag gegen die Beschwerdeführerin. Für den Fall, dass das Beschwerdegericht ihre Auffassung nicht teile, sei ihre Beschwerde als Rechtspflegererinnerung zu verstehen.

Der Beschluss sei auch in der Sache nicht rechtmäßig. § 1960 BGB ermächtige das Nachlassgericht nicht zu entsprechenden Anordnungen, vielmehr sei ggf. ein Nachlasspfleger zu bestellen. Allenfalls besonders dringliche Maßnahmen, die hier nicht gegeben seien, könne das Nachlassgericht selbst veranlassen. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, könnten dem Nachlassgericht keine weitergehenden Rechte zustehen, als sie die Erben selbst hätten. Diesen gegenüber sei die Beschwerdeführerin nach ihren Geschäftsbedingungen jedoch nur gegen Vorlage der Sparurkunde zur Auszahlung des Guthabens verpflichtet. Zu bestreiten sei des weiteren, dass der angewiesenen Zahlung an die Freie und Hansestadt Hamburg eine berechtigte Forderung gegenüberstehe. Die angeordnete Hinterlegung sei im Vergleich zu einer alternativ denkbaren Kontensperrung als weniger mildes und deshalb nicht rechtmäßiges Mittel zur Sicherung des Nachlasses einzustufen.

II.

Die – fristgemäß eingelegte – Beschwerde ist unzulässig.

Zweifelhaft ist bereits, ob der Beschwerdeführerin eine Beschwerdebefugnis im Sinne von § 59 FamFG zusteht, da nicht ohne weiteres erkennbar ist, dass der angegriffene Beschluss sie – als Schuldnerin der streitgegenständlichen Nachlassforderung – in eigenen Rechten tangiert (so für vergleichbare Fälle OLG Hamm, FamRZ 2015, 316; OLG Rostock, B. v. 25.10.2012 – 3 W 155/12 (juris)). Indes ist die Argumentation der Beschwerdeführerin, ihr werde durch die Anordnung des Nachlassgerichts – d.h. durch einen staatlichen Hoheitsakt – unmittelbar eine Handlungspflicht auferlegt, weshalb sie sich auf Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) als subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffsmaßnahmen stützen könne, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.

Diese Frage kann jedoch im Ergebnis dahinstehen, da jedenfalls der Beschwerdewert von 600 € (§ 61 Abs. 1 FamFG) nicht erreicht wird. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist die Höhe des geldwerten Vor- oder Nachteils, dessen Zuerkennung oder Abwendung der Beschwerdeführer durch die von ihm im Beschwerdeverfahren gestellten Anträge erstrebt (Keidel/Meyer-Holz, § 61 FamFG, Rn. 7). Da die Beschwerdeführerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Sparforderung nicht materiell berechtigt ist, wird sie durch die ihr auferlegte Verpflichtung zur jeweils anteiligen Zahlung bzw. Hinterlegung des Betrages primär in Höhe des hierbei entstehenden Verwaltungsaufwandes tangiert. Die Situation ist insoweit ähnlich wie bei einer Verpflichtung zur Auskunftserteilung, für die anerkannt ist, dass auf den durch die Erteilung der Auskunft entstehenden Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen ist (BGH, NJW-RR 2013, 129). Der bei der Beschwerdeführerin für die Ausführung einer Überweisung und die Hinterlegung eines Geldbetrages entstehende Zeit- und Kostenaufwand ist gering und übersteigt 600 € eindeutig nicht.

Zu Unrecht macht die Beschwerdeführerin geltend, sie werde bei Ausführung der Anordnung des Nachlassgerichts im Verhältnis zu den Erben nicht von ihrer Verbindlichkeit aus dem Sparvertrag befreit, so dass sie der Gefahr ausgesetzt sei, von diesen nochmals in Anspruch genommen zu werden. Die Anordnung des Nachlassgerichts ist als wirksamer (nicht nichtiger) gerichtlicher Beschluss unabhängig von ihrer materiellen Richtigkeit sowohl für die unbekannten Erben wie auch für die Beschwerdeführerin verbindlich. Die in Beschlussform namens der unbekannten Erben getroffene Auszahlungsanweisung an die Beschwerdeführerin steht daher hinsichtlich der aus ihr abzuleitenden Rechtsfolgen einer von den Erben selbst erklärten Zahlungsanordnung gleich. Die Umsetzung der Anweisung durch den adressierten Schuldner führt mithin zur Erfüllung der der Anweisung zugrundeliegenden Forderung (OLG Dresden, B. v. 8.6.2010 – 17 W 510/10, Rn. 5 (juris); OLG Rostock, a.a.O., Rn. 16 (juris)). Diese Erfüllungswirkung tritt – wie auch sonst bei Verfügungen eines Bankkunden über sein Guthaben in seinem Verhältnis zur Bank – unabhängig davon ein, ob im Verhältnis zwischen dem Kunden und dem Zahlungsempfänger eine Forderung besteht und durch die Zahlung getilgt wird. Auch der Inhalt der Geschäftsbedingungen der Beschwerdeführerin ist für den Eintritt der Erfüllungswirkung nicht relevant, da die Beschwerdeführerin danach zur Zahlung auch ohne Sparurkunde berechtigt (wenn auch nicht verpflichtet) ist.

Auch die angeordnete Zahlung der Beschwerdeführerin an die Hinterlegungsstelle hat auf Basis der vorstehenden Überlegungen bereits deshalb Erfüllungswirkung, weil hiermit eine auch gegenüber den Erben wirksame, ihnen zuzurechnende Weisung umgesetzt wird. Unabhängig davon sind auch §§ 372 S. 2, 378 BGB anwendbar und führen ebenfalls zum Erlöschen der anteiligen Sparforderung. Diese lebt deshalb auch nicht wieder auf, wenn nach Ablauf von 30 Jahren der Zahlungsanspruch gegen die Hinterlegungsstelle verjährt.

Sonstige wirtschaftliche Nachteile der Beschwerdeführerin durch die angegriffene Entscheidung – etwa in Form des Wegfalls der Aussicht, die Sparforderung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit endgültig nicht befriedigen zu müssen, wenn sich keine Erben melden – hat diese nicht geltend gemacht; sie lassen sich auch nicht konkret beziffern.

Der Beschwerdewert überschreitet nach alledem nicht einen Betrag von 600 €, womit die Beschwerde unzulässig ist. Der Umstand, dass die Rechtsbehelfsbelehrung des angegriffenen Beschlusses keinen Hinweis darauf enthielt, dass die Beschwerde das Überschreiten eines Beschwerdewerts voraussetzt, ändert daran nichts. Denn eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung kann lediglich dazu führen, dass ein Wiedereinsetzungsgesuch begründet ist (§ 17 Abs. 2 FamFG), nicht aber dazu, dass ein gesetzlich nicht gegebenes Rechtsmittel zulässig wird.

Das Rechtsmittel ist gleichwohl nicht zu verwerfen. Gegen Entscheidungen des Rechtspflegers, gegen die ein Rechtsmittel nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften nicht gegeben ist, findet nämlich die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 S. 1 RpflG statt, über die gemäß § 11 Abs. 2 S. 6 RpflG der (Nachlass-) Richter zu entscheiden hat. Dieser der Beschwerdeführerin materiell zustehende Rechtsschutz, auf den sie sich – hilfsweise – auch bereits ausdrücklich berufen hat, darf ihr nicht durch Verwerfung der Beschwerde genommen werden. Vielmehr ist die Sache an das Amtsgericht zu verweisen und dort dem zuständigen Richter zur Entscheidung über die Erinnerung vorzulegen. Der Umstand, dass auch die Erinnerung entsprechend der Beschwerdebefugnis eine Erinnerungsbefugnis voraussetzt, ändert daran nichts, da die Entscheidung über die Beschwerde allein auf dem Nichterreichen des Beschwerdewerts beruht und die Anforderungen an die Erinnerungsbefugnis nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2013, 1060, Rn. 29) zudem niedriger sind als diejenigen an die Beschwerdebefugnis.

Im Rahmen der Entscheidung über die Erinnerung wird der Nachlassrichter auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden haben (vgl. Keidel-Zimmermann, § 84 FamFG, Rn. 9 zur entsprechenden Vorgehensweise bei Zurückverweisungen).

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