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Beerdigungskostenerstattung durch ausschlagenden Erben aufgrund Totenfürsorgeberechtigung

Beerdigungskosten: Erbe haftet trotz Ausschlagung aufgrund Totenfürsorgepflicht

Das Gericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Beerdigungskosten für den Verstorbenen, trotz Ausschlagung des Erbes, aufgrund seiner Totenfürsorgepflicht. Die Klägerin, eine Klinik, hatte die Bestattungskosten vorfinanziert. Das Urteil basiert auf den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, da die Übernahme der Bestattungskosten im Interesse und mutmaßlichen Willen des Verstorbenen lag. Der Ausschluss der Erbfolge entbindet nicht von der Totenfürsorgepflicht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 C 319/21 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  • Das Gericht bestätigt die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der Beerdigungskosten trotz Erbausschlagung.
  • Die Klägerin hat die Bestattungskosten gemäß den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag vorfinanziert.
  • Die Totenfürsorgepflicht besteht unabhängig von der Erbausschlagung und richtet sich nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen.
  • Der Anspruch auf Aufwendungsersatz ergibt sich aus der Übernahme der Bestattungskosten, die im Interesse des Verstorbenen liegt.
  • Die Reihenfolge der Totenfürsorgeberechtigten ist flexibel und orientiert sich primär am Willen des Erblassers.
  • Die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht und die zivilrechtliche Totenfürsorgepflicht sind streng voneinander getrennt.
  • Die Höhe des Aufwendungsersatzanspruches entspricht den verauslagten Beerdigungskosten.
  • Der Zinsanspruch resultiert aus dem Verzug des Beklagten mit der Zahlung der Beerdigungskosten.

Bestattungskostenerstattung für ausschlagende Erben

Beerdigungskosten
(Symbolfoto: Pressmaster /Shutterstock.com)

Auch wenn ein Erbe ausgeschlagen wird, können unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Erstattung von Bestattungskosten gegen den ausschlagenden Erben bestehen. Nach deutschem Erbrecht sind in der Regel die Erben zur Tragung der Beerdigungskosten verpflichtet. Die Totenfürsorgeberechtigten haben jedoch das Recht, die Erstattung dieser Kosten zu verlangen. Diese Verpflichtungen können auch dann bestehen bleiben, wenn ein Erbe das Erbe ausschlägt. Die rechtlichen Grundlagen und Herausforderungen in diesem Zusammenhang sind Gegenstand zahlreicher Gerichtsverfahren und werden im Folgenden anhand eines aktuellen Urteils näher beleuchtet.

Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage der Beerdigungskostenerstattung durch einen ausschlagenden Erben, der aufgrund seiner Totenfürsorgeberechtigung in Anspruch genommen wurde. Der Fall wurde vor dem Amtsgericht Niebüll unter dem Aktenzeichen 10 C 319/21 verhandelt, wobei das Urteil am 14.09.2022 gefällt wurde.

Rechtsstreit um Beerdigungskosten

Die Auseinandersetzung entzündete sich, als der Beklagte, ein Bruder des Verstorbenen, die Erbschaft aufgrund einer angenommenen Überschuldung des Nachlasses ausschlug. Die Klägerin, eine Klinik, in der der Verstorbene zuletzt behandelt wurde, hatte die Bestattung organisiert und die damit verbundenen Kosten in Höhe von 2.246,61 Euro übernommen. Nachdem die Klinik vom Erbfall Kenntnis erlangte, forderte sie den Beklagten zur Erstattung der Beerdigungskosten auf. Der Beklagte lehnte dies ab, mit dem Verweis auf die Erbausschlagung.

Rechtliche Bewertung der Totenfürsorgepflicht

Das rechtliche Dilemma dieses Falles lag in der Frage, ob und inwieweit die Totenfürsorgepflicht unabhängig von der Erbfolge besteht. Die Totenfürsorgeberechtigung gibt den nächsten Angehörigen das Recht und die Pflicht, über die Bestattung zu entscheiden. Das Gericht stellte klar, dass die Totenfürsorgepflicht des Beklagten als Bruder des Verstorbenen unabhängig von der Erbausschlagung fortbesteht.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Niebüll

Das Amtsgericht Niebüll entschied, dass der Beklagte zur Zahlung der Beerdigungskosten verpflichtet ist. Die Begründung basierte auf den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683, 670 BGB. Demnach hat jemand, der ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne dazu beauftragt oder berechtigt zu sein, einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen, sofern die Übernahme dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherren entspricht. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Klägerin im Interesse des Verstorbenen gehandelt hat.

Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag

Die Anwendung der Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag erforderte die Prüfung, ob die Handlungen der Klägerin dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entsprachen. Obwohl der Beklagte das Erbe ausgeschlagen hatte, entband ihn dies nicht von der Totenfürsorgepflicht. Das Gericht betonte, dass die Totenfürsorge eine sittliche Verpflichtung darstellt, die über die reine Erbfolge hinausgeht. Zudem wurde klargestellt, dass die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht nicht zu einer zivilrechtlichen Totenfürsorgepflicht führt, diese aber dennoch im vorliegenden Fall auf den Beklagten zutraf.

Das Amtsgericht Niebüll hat entschieden, dass die Totenfürsorgepflicht unabhängig von der Erbausschlagung besteht und der Beklagte daher zur Übernahme der Beerdigungskosten verpflichtet ist.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird die Totenfürsorgeberechtigung rechtlich definiert?

Die Totenfürsorgeberechtigung wird rechtlich als das Recht und zugleich die Pflicht definiert, sich um den Leichnam eines Verstorbenen zu kümmern. Dieses Recht ist gewohnheitsrechtlich anerkannt und wird durch verschiedene Grundrechte des Grundgesetzes gestützt, wie Art. 1 Abs. 1, Art. 2, Art. 3 und Art. 6 GG. Die Totenfürsorge umfasst das Verfügungsrecht über den Leichnam und beinhaltet Entscheidungen über Ort und Art der Bestattung, die Auswahl und Beschriftung des Grabmals, eventuelle Umbettungen oder Exhumierungen sowie Obduktionen.

Der Wille des Verstorbenen ist dabei maßgeblich und hat Vorrang vor den Wünschen der Totenfürsorgeberechtigten. Ist der Wille des Verstorbenen nicht bekannt, so entscheiden die Totenfürsorgeberechtigten nach ihrem Ermessen. Diese Berechtigten sind in der Regel die nächsten Angehörigen des Verstorbenen, wie der Ehegatte oder die Verwandten in gerader Linie. Der Verstorbene kann jedoch auch durch eine wirksame postmortale Vollmacht, wie eine Bestattungsverfügung, eine andere Person mit der Totenfürsorge betrauen.

Die Totenfürsorgeberechtigung ist unabhängig vom Erbrecht und bleibt auch dann bestehen, wenn der Berechtigte das Erbe ausschlägt. Im Falle einer Rechtsverletzung im Zusammenhang mit der Totenfürsorge kann ein Anspruch auf Schadensersatz oder Unterlassung geltend gemacht werden.

Welche Pflichten entstehen aus der Totenfürsorgeberechtigung?

Aus der Totenfürsorgeberechtigung ergeben sich verschiedene Pflichten, die sich auf den Umgang mit dem Leichnam eines Verstorbenen beziehen. Diese Pflichten umfassen insbesondere die Organisation und Durchführung der Bestattung, die Entscheidung über die Art und den Ort der Bestattung, die Auswahl und Beschriftung des Grabmals, eventuelle Umbettungen oder Exhumierungen sowie Obduktionen, falls diese erforderlich sind.

Die Totenfürsorgepflicht ist eng mit der Bestattungspflicht verknüpft und beinhaltet das Recht und zugleich die Pflicht, sich um den Leichnam eines Verstorbenen zu kümmern. Dies schließt die Veranlassung der ärztlichen Leichenschau und die Wahrnehmung von Rechten im Strafrecht mit ein. Der Totenfürsorgeberechtigte hat zwar die Bestattung zu veranlassen, ist aber nicht automatisch verpflichtet, die Bestattungskosten zu tragen. Die Kostentragungspflicht muss in erster Linie der Erbe übernehmen (§ 1968 BGB), der vom Totenfürsorgeberechtigten abweichen kann.

Zudem ist der Totenfürsorgeberechtigte für die Pflege der Grabstätte und deren Erscheinungsbild verantwortlich. Bei einer Rechtsverletzung im Zusammenhang mit der Totenfürsorge kann ein Anspruch auf Schadensersatz oder Unterlassung geltend gemacht werden.

Es ist zu beachten, dass das Totenfürsorgerecht in der Regel auch die Pflicht zur Tragung der Bestattungskosten einschließt, jedoch können die Bestattungspflicht und die Pflicht zur Tragung der Bestattungskosten auseinanderfallen.

Grundsätzlich steht jedoch das Entscheidungsrecht hinsichtlich der Art und Weise einer Bestattung dem Verstorbenen zu. Hat der Verstorbene schriftlich oder mündlich Anweisungen hinterlassen, wie, wo und auf welche Weise er bestattet werden möchte, so ist dies für die Totenfürsorgeberechtigten bindend.

Die Totenfürsorgeberechtigung und die damit verbundenen Pflichten sind somit umfassend und beziehen sich auf alle Aspekte der Bestattung und der anschließenden Grabpflege.

Inwiefern beeinflusst die Erbausschlagung die Verpflichtung zur Beerdigungskostenerstattung?

Die Erbausschlagung beeinflusst die Verpflichtung zur Beerdigungskostenerstattung insofern, als dass die Ausschlagung des Erbes nicht automatisch von der Verantwortung für die Beerdigungskosten befreit. Die Beerdigungskosten gelten als Nachlassverbindlichkeiten, die unabhängig von der Annahme oder Ausschlagung des Erbes beglichen werden müssen. Wenn ein Erbe den Nachlass ausschlägt, wird dieser an die nächste Person in der Erbfolge übertragen, die dann auch die Verantwortung für die Nachlassverbindlichkeiten, einschließlich der Beerdigungskosten, übernimmt. Sollten jedoch alle potenziellen Erben das Erbe ausschlagen, wird ein Nachlasspfleger bestellt, der die Verwaltung des Nachlasses und die Begleichung der Verbindlichkeiten, einschließlich der Beerdigungskosten, übernimmt.

Die gesetzliche Verpflichtung zur Übernahme der Beerdigungskosten besteht primär gegenüber dem Verstorbenen selbst, was bedeutet, dass zunächst der Nachlass des Verstorbenen zur Begleichung herangezogen wird. Ist der Nachlass jedoch nicht ausreichend, können unter bestimmten Umständen auch andere Personen, wie die nächsten Angehörigen des Verstorbenen, zur Übernahme der Kosten verpflichtet sein. Diese Verpflichtung ist unabhängig von der Erbausschlagung zu sehen. Unterhaltspflichtige Personen, wie Ehegatten oder Kinder, können zur Tragung der Beerdigungskosten herangezogen werden, selbst wenn sie das Erbe ausgeschlagen haben.

Die Bestattungsgesetze der Bundesländer regeln, welche Personen in gesetzlich festgelegter Reihenfolge für die Beerdigungskosten aufkommen müssen, falls keine Erben vorhanden sind. In der Regel sind dies Ehepartner, Kinder, Eltern oder Geschwister des Verstorbenen. Schlagen alle Erbberechtigten das Erbe aus, geht die Erbschaft an den Staat, der jedoch nicht automatisch für die Beerdigungskosten aufkommt. Die Gemeinde kann die Kosten der Beerdigung mit der Erbschaft bezahlen, reicht diese jedoch nicht aus, können die potenziellen Erben zur Kostentragung herangezogen werden.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Ausschlagung des Erbes nicht von der Verpflichtung zur Übernahme der Beerdigungskosten befreit. Die Kosten müssen entweder aus dem Nachlass oder, falls dieser nicht ausreicht, von den Angehörigen oder anderen gesetzlich verpflichteten Personen getragen werden.


Das vorliegende Urteil

AG Niebüll – Az.: 10 C 319/21 – Urteil vom 14.09.2022

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.246,61 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.03.2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.251,61 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ersatz von Beerdigungskosten.

Die Klägerin betreibt eine Klinik …. Der Beklagte ist neben Herrn … …. und Herrn … … der Bruder des am 21.04.2020 im Hause der Klägerin verstorbenen …, der sich dort in stationärer Behandlung befand.

Die Klägerin führte die Bestattung durch und kam für die Kosten in Höhe von 2.246,61 € auf. Auf die Anlage 1 (Bl. 11 f. d.A.) wird Bezug genommen.

Nach Kenntnis vom Erbfall am 03.08.2020 schlug der Beklagte mit notariell beglaubigter Urkunde des Notars …. (Nr. … Urkundenrolle für das Jahr 2020) vom 25.08.2020 das Erbe wegen einer vermuteten Überschuldung des Nachlasses aus (Anlage K1; Bl. 21 f. d.A.).

Nach Aufenthaltsermittlungen (Anlage 2; Bl. 13 d.A.) verlangte die Klägerin vom Beklagten unter dem 24.09.2020 (Anlage 3; Bl. 14 d.A.), dem 07.01.2021 (Anlage 4; Bl. 15) und 12.02.2021 die Erstattung der Beerdigungskosten. Unter dem 21.02.2021(Anlage 5; Bl. 16 d.A.) verweigerte der Beklagte die Bezahlung, unter Verweis darauf, dass er das Erbe ausgeschlagen habe.

Die Klägerin bekam erst im Laufe des Verfahrens Kenntnis von den Brüdern des Beklagten.

Die Klägerin bestreitet die Einkommensverhältnisse des Beklagten mit Nichtwissen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.251,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.246,61 € seit dem 04.03.2020 zu zahlen, hilfsweise für den Fall der Klageabweisung beantragt sie, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, nur über eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 999,03 € (Anlage K4; Bl. 25 d.A.) zu verfügen.

Die Klägerin hat zunächst ein Mahnverfahren eingeleitet. Der Mahnbescheid ist dem Beklagten 17.05.2021 zugestellt worden.

Aufgrund der zustimmenden Schreiben vom 28.07.2022 (Bl. 65 d.A.) und 27.07.2022 (Bl. 67 d.A.) der Parteien hat das Gericht mit Beschluss vom 03.08.2022 (Bl. 68 d.A.) die Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

I. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 2.246,61 € nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677, 683, 670 BGB gegen den Beklagten.

Danach hat derjenige, der ein Geschäft für einen anderen mit Fremdgeschäftsführungswillen besorgt ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen, wenn die Übernahme dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherren entspricht Geschäftsführer gegen den Geschäftsherren einen Anspruch auf Aufwendungsersatzanspruch. Die Voraussetzungen liegen vor.

Die Klägerin hat für den Beklagten ein fremdes Geschäft geführt, indem sie die in der Pflicht des Beklagten als Totenfürsorgeberechtigtem für die Bestattung des Verstorbenen … Sorge zu tragen, übernahm. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die nächsten Angehörigen, wenn und soweit ein erkennbarer Wille des Verstorbenen hinsichtlich seiner Bestattung nicht vorliegt, das Recht und die Pflicht trifft, über den Leichnam zu bestimmen und über die Art der Bestattung sowie die letzte Ruhestätte zu entscheiden (RGZ 154, 269 [270 f.]; Senat, FamRZ 1978, 15 = BeckRS 1977, 31117013 [unter 1]; BGH, NJW-RR 1992, 834 [unter II 1]). Dabei steht die Reihenfolge der totenfürsorgeberechtigten und -verpflichteten Angehörigen nicht unabänderlich fest. Es geht nicht um die strikte Anwendung einer bestimmten Abfolge, wie sie öffentlich-rechtlich in den Bestattungsgesetzen der Länder niedergelegt ist. Vielmehr ist für das privatrechtliche Totenfürsorgerecht zunächst der Wille des Erblassers maßgebend. Dieser kann nicht nur die Art und Weise seiner Beerdigung, sondern auch diejenige Person, die er mit der Wahrnehmung dieser Belange betraut, bestimmen, selbst wenn sie nicht unmittelbar zum Kreis der sonst berufenen Angehörigen zählt (BGH, NJW-RR 1992, 834 [unter II 1]; Senat, FamRZ 1978, 15 = BeckRS 1977, 31117013 [unter 2]; RGZ 154, 269 [270 f.]; OLG Karlsruhe, NJW 2001, 2980 = ZEV 2001, 447; Lohmann, in: Bamberger/Roth, BeckOK-BGB, § 1968 Rdnr. 2). Bei der Ermittlung des für die Wahrnehmung der Totenfürsorge maßgebenden Willens des Verstorbenen kommt es nicht nur auf dessen ausdrückliche Willensbekundungen, etwa in einer letztwilligen Verfügung, an. Es genügt, wenn der Wille aus den Umständen mit Sicherheit geschlossen werden kann. Danach ist der Beklagte als Bruder und damit einer der nächsten Angehörigen des Verstorbenen totenfürsorgeberechtigt. Die Parteien legen das persönliche Verhältnis des Beklagten zum Verstorbenen nicht dar. Insbesondere legt aber auch der Beklagte nicht dar, dass abweichend vom vorgenannten Grundsatz es nicht dem wirklichen Willen des Verstorbenen entsprochen habe, dass er – oder einer der anderen Brüder – sich um die Totenfürsorge kümmern solle. Zudem spricht hierfür aber auch, dass der Verstorbene ihn nicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgenommen hat (Anmerkung von Prof. Dr. Zimmer zu BGH NJW 2012, 1651 -, beck-online). Auch lässt sich mangels Darlegungen kein anderer – nicht gleichrangiger – Totenfürsorgeberechtigter erkennen. Nicht maßgeblich sind dafür die – im übrigen spekulativen – Ausführungen zu Vermögensverhältnissen der anderen Brüder.

Der Beklagte ist auch nicht deswegen nicht totenfürsorgeberechtigt – und verpflichtet, weil er das Erbe ausgeschlagen hat. § 1968 BGB verpflichtet lediglich den Erben zur Kostentragungspflicht, regelt aber nicht die Totenfürsorgepflicht, sondern vermittelt ggf. einen Anspruch des Totenfürsorgeverpflichteten gegenüber den Erben (BGH, NJW 2012, 1651 Rn. 11, beck-online). Der Anspruch ist auch nicht nach Maßgabe von § 1968 BGB ausgeschlossen, denn diese stellt ebenfalls keine abschließende Regelung in Bezug auf die Kostentragungspflicht dar. Mithin kann ein Erbe, der zugleich totenfürsorgeverpflichtet ist, sich gerade nicht der Verpflichtung zur Zahlung der Bestattungskosten bloß durch Ausschlagung entziehen (BGH, NJW 2012, 1651 Rn. 11, beck-online).

Es liegt auch Fremdgeschäftsführungswille vor. Dieser wird bei einem hier vorliegenden auch-fremden Geschäft vermutet (Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl. 2022, § 677 Rn. 3, 6). Die Klägerin ist nämlich als den Verstorbenen behandelnde Klinik nicht selbst nach Maßgabe des Vorstehenden totenfürsorgeberechtigt, sondern nur auf Grund der besonderen öffentlich-rechtlichen Vorschrift gem. § 13 Abs. 3 FBG Hess. zur Übernahme der Bestattung verpflichtet. Dabei kann dahinstehen, ob sich aufgrund dieser Norm eine Reihenfolge der Verpflichtung ergibt (vgl. BGH NJW 2012, 1648, beck-online), wogegen aber bereits der Wortlaut der Norm „auch“ spricht, denn jedenfalls führt die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht nicht zu einer zivilrechtlichen Totenfürsorgepflicht, sondern ist streng davon zu trennen (vgl. BGH NJW 2012, 1651 Rn. 15, beck-online).

Auch ist die Klägerin nicht gegenüber dem Beklagten als Geschäftsherrn zur Geschäftsführung berechtigt oder verpflichtet, denn insofern besteht die nach § 13 Abs. 3 FBG vermittelte Pflicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung gegenüber dem Staat und nicht gegenüber den Totenfürsorgeberechtigten, (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl. 2020, § 677 Rn. 7).

Die Beerdigung in Erfüllung seiner Verpflichtung liegt regelmäßig auch im Interesse des Totenfürsorgepflichtigen, §§ 677, 683 S.1 BGB. Ob der Beklagte (nunmehr) einen entgegenstehenden Willen hat bzw. äußert, kann dahinstehen, denn er kann sich nicht auf einen entgegenstehenden Willen berufen. Bei der alsbaldigen Bestattung handelt es sich nämlich um eine Pflicht, die schon nach dem sittlichen Selbstverständnis im dringenden öffentlichen Interesse im Sinne von § 679 BGB liegt (BGH, NJW 2012, 1648 Rn. 18, beck-online).

Der Beklagte kann die Klägerin auch nicht auf andere vorhandene – vermeintlich liquidere – Brüder verweisen. Diese sind insofern zu ihm gleichrangig, was lediglich zu einer gesamtschuldnerischen Haftung im Innenverhältnis führt.

Die Höhe des Aufwendungsersatzanspruches gem. §§ 683, 670 BGB beläuft sich auf die verauslagten und unstreitigen Beerdigungskosten in Höhe von 2.246,61 €.

Soweit der Beklagte mangelnde Liquidität einwendet ist dies vorliegend irrelevant. Lediglich wenn dem Geschäftsführer bekannt ist oder er damit rechnen muss, dass der bestattungspflichtige Geschäftsherr nicht oder nur eingeschränkt leistungsfähig ist, beschränken sich die erforderlichen Kosten auf die Ausgaben, die nach § 74 SGB XII erstattungsfähig sind. Dies sind üblicherweise die Kosten, die für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende, einfache Beerdigung anfällt (sog. „Sozialbestattung“)(BGH, NJW 2012, 1648 Rn. 25, beck-online). Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin höhere Kosten als die objektiv Erforderlichen verauslagt hat, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen ist nicht dargelegt worden, dass die Klägerin Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Beklagten hatte.

Weitere beantragte 5,00 € sind nicht geschuldet. Zu diesen hat die Klägerin nichts dargelegt.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Jedenfalls mit der Verweigerung der Zahlung mit Schreiben vom 21.02.2021 war der Beklagte im Verzug.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Unterliegen mit 5,00 € ist verhältnismäßig geringfügig und verursacht keinen Gebührensprung. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

 

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