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Befreiung des Testamentsvollstreckers vom Verbot des Selbstkontrahierens

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 2 W 95/18 – Beschluss vom 05.12.2018

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg – Nachlassgericht – vom 6.11.2018 geändert. Das Nachlassgericht wird angewiesen, dem Beteiligten zu 2) ein Testamentsvollstreckerzeugnis entsprechend dessen Antrag vom 28.8.2018 mit der Modifikation gemäß Ziff. 2 des Schreibens vom 20.9.2018 zu erteilen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Beschwerdeverfahren findet nicht statt.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Erblasser hat durch notarielles Testament vom 19.10.2009 seine Ehefrau, die Beteiligte zu 1), als seine alleinige Erbin eingesetzt. Gemäß § 3 des Testaments hat er, beschränkt auf Immobilien, Gesellschaftsvermögen und Unternehmensbeteiligungen, Testamentsvollstreckung in Form der Dauervollstreckung bis 30 Jahre nach dem Erbfall angeordnet und den Beteiligten zu 2) zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Weiter heißt es in § 3 Abs. 5 des Testaments:

„Über den gesetzlichen Umfang hinaus wird der Testamentsvollstrecker ermächtigt,

  • Verbindlichkeiten für den Nachlass einzugehen,
  • die Nachlassauseinandersetzung nach billigem Ermessen zu bewirken, wenn und soweit keine Teilungsanordnung der Erben vorliegt,
  • bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unter entsprechender Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB Insichgeschäfte (1. Altern.) und Geschäfte mit Mehrfachvertretung (2. Altern.) vorzunehmen.

Er ist berechtigt, Vollmachten zu erteilen, nicht jedoch als Generalvollmacht.“

Der Beteiligte zu 2) hat mit notarieller Urkunde vom 28.8.2018 das Amt des Testamentsvollstreckers angenommen und die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses mit folgenden Maßgaben beantragt:

„Es handelt sich um eine Abwicklungs- und Dauerverwaltungsvollstreckung nach §§ 2203 ff., 2209 BGB.

Die Testamentsvollstreckung gilt nur für Immobilien, Gesellschaftsvermögen, Unternehmensbeteiligungen.

Sie endet 30 Jahre nach dem Erbfall.

Über den gesetzlichen Umfang hinaus ist der Testamentsvollstrecker ermächtigt,

  • Verbindlichkeiten für den Nachlass einzugehen,
  • die Nachlassauseinandersetzung nach billigem Ermessen zu bewirken, wenn und soweit keine Teilungsanordnung der Erben vorliegt,
  • bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB Insichgeschäfte vorzunehmen.

Der Testamentsvollstrecker ist berechtigt, Vollmachten zu erteilen, nicht jedoch als Generalvollmacht.“

Nachdem das Nachlassgericht mit Verfügung vom 11.9.2018 Zweifel hinsichtlich der beantragten Zusätze bezüglich der Befreiung von § 181 BGB und bezüglich der Berechtigung des Testamentsvollstreckers zur Nachlassauseinandersetzung nach billigem Ermessen geäußert hatte, hat der Beteiligte zu 2) seinen Antrag, den letztgenannten Zusatz in das Zeugnis aufzunehmen, mit Schreiben vom 20.9.2018 zurückgenommen, seinen Antrag auf Aufnahme eines Zusatzes hinsichtlich der Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens jedoch aufrechterhalten. Er führt aus, dass die Aufnahme entsprechender Zusätze der ständigen Rechtsprechung der Hamburger Nachlassgerichte entspreche.

Mit Beschluss vom 6.11.2018 hat das Nachlassgericht den Antrag des Beteiligten zu 2) auf Erlass des von ihm beantragten Testamentsvollstreckerzeugnisses unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Hamm, B. v. 23.3.2004 – 15 W 75/04 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Testamentsvollstreckerzeugnis dem Ausweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers im Rechtsverkehr mit Dritten diene. Für Rechtsgeschäfte des Testamentsvollstreckers mit ihm selbst könne das Zeugnis demgegenüber keine Wirkung entfalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 9.11.2018. Der Beschwerdeführer trägt vor, dass die Argumentation des Nachlassgerichts wegen des Nachweiserfordernisses gegenüber dem Grundbuchamt und dem Handelsregister nicht überzeuge.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Beteiligte zu 2) kann die Aufnahme eines Zusatzes in das ihm zu erteilende Testamentsvollstreckerzeugnis verlangen, wonach er – entsprechend der Regelung im Testament des Erblassers – von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist.

Gemäß § 2368 BGB ist dem Testamentsvollstrecker auf Antrag ein Zeugnis über die Ernennung zu erteilen. § 354 Abs. 2 FamFG sieht vor, dass Beschränkungen des Testamentsvollstreckers in der Verwaltung des Nachlasses sowie eine Anordnung des Erblassers, wonach der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt sein soll, in das Zeugnis aufzunehmen sind. Weitere Vorgaben hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung des Testamentsvollstreckerzeugnisses enthält das Gesetz nicht. Aus der zweiten Alternative des § 354 Abs. 2 FamFG lässt sich allerdings ableiten, dass grundsätzlich auch die Aufnahme von Befugniserweiterungen des Testamentsvollstreckers (konkret: gemäß § 2207 BGB) in das Zeugnis in Betracht kommt.

Mit dem BGH und der h.M. (BGH, B. v. 28.1.1972, V ZB 29/71, Rn. 8 (juris) m.w.N.; OLG Hamm, B. v. 9.5.1977, 15 W 473/76, Rn. 21 (juris); KG, NJW 1964, 1905; MüKo-Grziwotz, § 2368 BGB, Rn. 32, 39; Mayer-Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., S. 55; Praxiskommentar Erbrecht – Uricher, 2. Aufl., § 2368 B. m.w.N.; Firsching-Graf, Nachlassrecht, 9. Aufl., Rn. 4.462) ist davon auszugehen, dass im Testamentsvollstreckerzeugnis nicht nur Beschränkungen, sondern auch Erweiterungen der Befugnisse des Testamentsvollstreckers anzugeben sind, sofern sie für den Rechtsverkehr von Bedeutung sind und sich nicht in bloßen Verwaltungsanordnungen für das Innenverhältnis zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben erschöpfen. Dies ergibt sich aus dem Zweck des Testamentsvollstreckerzeugnisses, dem Testamentsvollstrecker den Nachweis seiner Kompetenzen im Rechtsverkehr zu ermöglichen (KG, a.a.O.). Im Zeugnis eingetragene Erweiterung der Befugnisse des Testamentsvollstreckers nehmen auch an der Vermutungswirkung des Zeugnisses teil (KG, NJW-RR 1991, 836; MüKo-Grziwotz, § 2368 BGB, Rn. 39 m.w.N.).

Entgegen der vom OLG Hamm in der Entscheidung vom 23.3.2004 – obiter dictum – vertretenen Rechtsauffassung ist nach diesen Kriterien auch die Befreiung des Testamentsvollstreckers vom Verbot des Selbstkontrahierens im Testamentsvollstreckerzeugnis anzugeben. Das OLG Hamm führt aus, dass das Zeugnis, weil es nur dem Ausweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers im Rechtsverkehr mit Dritten diene, in den Fällen des Selbstkontrahierens keine Wirkung entfalten könne. Demgegenüber weist der Beschwerdeführer zu Recht darauf hin, dass das Zeugnis auch bei Insichgeschäften deshalb von Bedeutung sei, weil es dem Nachweis der Verfügungsbefugnis gegenüber dem Grundbuchamt und dem Handelsregister diene (so auch Letzel, ZEV 2004, 289, 290). Eine Beschränkung der Ausweisfunktion des Zeugnisses auf den für einen Gutglaubensschutz im Sinne von §§ 2368 S. 2, 2366 BGB in Betracht kommenden Adressatenkreis lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Vielmehr gilt die Vermutung der Richtigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses und seine Nachweisfunktion gemäß §§ 2368 S. 2, 2365 BGB generell und gemäß § 35 Abs. 2 GBO auch und gerade gegenüber dem Grundbuchamt.

Soweit das OLG Hamm weiter darauf hinweist, dass eine Befreiung des Testamentsvollstreckers vom Verbot des Selbstkontrahierens davon abhängig sei, dass das abzuschließende Geschäft ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche, was ohnehin individuell geprüft werden müsse, trifft dies zu (BGHZ 30, 67). Ein Argument gegen die Aufnahme der Befreiung von § 181 BGB in das Zeugnis ergibt sich daraus jedoch nicht, weil die Verpflichtungsbefugnis des Testamentsvollstreckers auch im Übrigen im Regelfall davon abhängig ist, dass die Geschäfte ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen (§ 2206 BGB), ohne dass dies die Erteilung von Testamentsvollstreckerzeugnissen ausschließen würde (Letzel, a.a.O.).

Zwar nehmen verschiedene obergerichtliche Entscheidungen zustimmend auf den Beschluss des OLG Hamm Bezug (OLG Köln, B.v. 21.11.2012, 2 Wx 214/12; OLG Düsseldorf, B. v. 14.8.2013, 3 Wx 41/13; OLG München, B. v. 16.11.2017, 34 Wx 266/17). In den genannten Entscheidungen wird die Rechtsprechung des OLG Hamm jedoch primär als Ausgangslage mit der Zielsetzung referiert, die sich daraus ergebenden Nachteile für den Nachweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers gegenüber dem Grundbuchamt durch Absenkung der Nachweisanforderungen zu „reparieren“. Eine weitergehende Begründung für die Beschränkung des Zeugnisinhalts ist diesen Entscheidungen ebensowenig zu entnehmen wie den dem OLG Hamm folgenden Literaturstimmen (MüKo-Grziwotz, § 2368, Rn. 37; Palandt-Weidlich, § 2368, Rn. 2; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 18. Auflage, Rn. 691).

Für die Aufnahme der Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens in das Testamentsvollstreckerzeugnis spricht vielmehr weiter, dass sich diese Sichtweise mit ähnlichen Wertungen in anderen vergleichbaren Bereichen der Rechtsordnung deckt (Letzel, a.a.O.). Beispielsweise ist anerkannt, dass entsprechende Befreiungen von Vereinsvorständen, GmbH-Geschäftsführern oder Prokuristen in das Handelsregister einzutragen sind (Nachweise bei Palandt-Ellenberger, § 181 BGB, Rn. 21).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Eine Entscheidung hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wurde nicht getroffen, diese sind nach dem GNotKG zu erheben.

Die Entscheidung hinsichtlich des Gegenstandswerts folgt aus § 61 GNotKG. Für den Gegenstandswert wurde ein Bruchteil von 10% des Geschäftswerts des auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses gerichteten Verfahrens zugrundegelegt. Letzterer Wert bemisst sich gemäß § 40 Abs. 5 GNotKG mit 20% des Nachlasswerts. Der Wert des Nachlasses beläuft sich aufgrund der Angaben in der notariellen Urkunde auf 1.000.000 €.

 

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