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Begünstigenden Testament – Widerruf durch Zerreißen

Angebliches Zerreißen reicht nicht zum Testamentswiderruf

Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts, den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 zurückzuweisen und den Antrag des Beteiligten zu 1 zu akzeptieren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Erblasser den Beteiligten zu 1 durch ein Testament vom 16.09.2015 zum Alleinerben eingesetzt hatte. Ein späterer Widerruf dieses Testaments durch Zerreißen konnte nicht festgestellt werden, da keine ausreichenden Beweise für die Vernichtung des Testaments in Widerrufsabsicht vorlagen.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Zurückweisung der Beschwerde: Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts wurde zurückgewiesen.
  2. Bestätigung der Alleinerbschaft: Der Beteiligte zu 1 wird als Alleinerbe des Erblassers bestätigt.
  3. Testament von 2015: Das Testament vom 16.09.2015, welches den Beteiligten zu 1 als Alleinerben einsetzt, gilt als formwirksam.
  4. Kein Nachweis für Testamentvernichtung: Es gibt keine ausreichenden Beweise, dass der Erblasser das Testament in Widerrufsabsicht vernichtet hat.
  5. Streit um Erbfolge: Der Streit entstand durch unterschiedliche Angaben zur Existenz und Gültigkeit verschiedener Testamente.
  6. Feststellungslast: Die Feststellungslast für die Aufhebung des Testaments liegt bei der Beteiligten zu 2.
  7. Kein Ansatz für weitere Ermittlungen: Das Gericht sieht keine Anhaltspunkte für weiterführende Ermittlungen.
  8. Gerichtskosten: Die Beteiligte zu 2 trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens.

Erbfolge und Testamentswiderruf: Ein juristischer Überblick

Testament zerreissen
(Symbolfoto: mapo_japan /Shutterstock.com)

Das Erbrecht, ein zentraler Bestandteil des Zivilrechts, behandelt die Übertragung von Vermögen einer verstorbenen Person an ihre Erben. Ein spezieller Aspekt dieses Rechtsgebiets ist die Errichtung und der Widerruf von Testamenten. Insbesondere der Widerruf durch Zerreißen eines Testaments wirft in der Praxis oft komplexe rechtliche Fragen auf. Dieser Prozess involviert nicht nur die Interpretation des letzten Willens des Erblassers, sondern auch die Beurteilung der Gültigkeit und Wirksamkeit verschiedener testamentarischer Verfügungen.

In Fällen, wo mehrere Testamente existieren oder Zweifel an der Gültigkeit des letzten Willens bestehen, kann es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen. Hierbei spielt das Beschwerdeverfahren vor Gerichten, wie dem OLG Karlsruhe, eine entscheidende Rolle. Die Urteile in solchen Fällen basieren häufig auf detaillierten Beweisführungen und der sorgfältigen Abwägung aller vorliegenden Fakten und Zeugenaussagen. Tauchen Sie mit uns ein in die Welt des Erbrechts und erfahren Sie mehr über einen konkreten Fall, der die Herausforderungen und Komplexitäten dieser Materie verdeutlicht.

Streit um das begünstigende Testament vor dem OLG Karlsruhe

Der Fall, der vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe verhandelt wurde, dreht sich um die komplizierte Erbangelegenheit eines am 21.11.2018 verstorbenen Erblassers. Dieser hatte in der Vergangenheit mehrere Testamente errichtet, die zu einem erbitterten Rechtsstreit zwischen seinen Angehörigen führten. Zentraler Punkt der Auseinandersetzung war die Gültigkeit eines begünstigenden Testaments vom 16.09.2015, das den Enkel des Erblassers, Beteiligten zu 1, als Alleinerben einsetzte. Die Beteiligte zu 2, eine Tochter des Erblassers, behauptete, der Erblasser hätte dieses Testament später durch Zerreißen widerrufen.

Das Beschwerdeverfahren und die Suche nach der Wahrheit

Das Amtsgericht Karlsruhe hatte zuvor den Antrag der Beteiligten zu 2 auf Erteilung eines Alleinerbscheins zugunsten des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen, woraufhin sie Beschwerde beim OLG Karlsruhe einlegte. Der Kern ihrer Argumentation lag darin, dass der Erblasser das Testament von 2015 später vernichtet und somit widerrufen hätte. Sie führte an, dass der Erblasser ihr gegenüber geäußert habe, er hätte sie enterbt, und sie sollte das Testament aus seinem Safe holen und vernichten. Diese Behauptung konnte jedoch nicht schlüssig bewiesen werden.

Die Beweisaufnahme und Feststellungen des Gerichts

Das Gericht musste in diesem Beschwerdeverfahren eine umfassende Beweisaufnahme durchführen, um die Faktenlage zu klären. Zentrale Bedeutung kam hierbei der Kopie des Testaments von 2015 zu, das vom Rechtsanwalt des Erblassers aus dessen Handakten zur Verfügung gestellt wurde. Dieses Dokument zeigte, dass der Erblasser in vollem Besitz seiner geistigen Kräfte ein formgültiges Testament errichtet hatte. Die Zeugenaussagen und vorgelegten Beweise reichten nicht aus, um einen Widerruf des Testaments glaubhaft zu machen. Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass der Erblasser ein neues Testament errichtet oder das alte Testament in Widerrufsabsicht vernichtet hätte.

Schlussfolgerungen und Urteil des OLG Karlsruhe

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass es keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme gab, das Testament von 2015 sei wirksam widerrufen worden. Daher wurde die Beschwerde der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen und die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt, wonach der Beteiligte zu 1 als Alleinerbe des Erblassers anzusehen ist. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung klarer und unzweifelhafter Beweise in Erbschaftsangelegenheiten und die Rolle des Gerichts in der Auslegung testamentarischer Verfügungen. Der Fall zeigt deutlich, wie komplex und emotional aufgeladen Erbstreitigkeiten sein können, insbesondere wenn es um die Frage geht, ob ein Testament wirksam widerrufen wurde oder nicht.

Das vorliegende Urteil des OLG Karlsruhe stellt somit einen wichtigen Präzedenzfall im Bereich des Erbrechts dar, insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Beweisführung bei der Anfechtung der Gültigkeit von Testamenten.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist ein begünstigendes Testament und wie wirkt es sich auf die Erbfolge aus?

Ein begünstigendes Testament ist eine letztwillige Verfügung, in der der Erblasser eine oder mehrere Personen als Erben oder Vermächtnisnehmer einsetzt und somit die gesetzliche Erbfolge ändert. Durch ein Testament kann der Erblasser bestimmen, wer seinen Nachlass erhält und in welchem Umfang.

Die Wirkung eines begünstigenden Testaments auf die Erbfolge hängt von der Art der Verfügung ab. Wenn der Erblasser eine Person als Alleinerben einsetzt, erhält diese den gesamten Nachlass. Setzt der Erblasser mehrere Personen als Erben ein, teilen sie sich den Nachlass entsprechend den im Testament festgelegten Erbquoten.

Ein Testament muss bestimmte Formvorgaben erfüllen, um wirksam zu sein. Es muss entweder vom Notar erstellt oder vom Testierenden vollständig handschriftlich unter Angabe des vollen Namens, Zeit und Ort verfasst und unterschrieben werden. Bei einem gemeinschaftlichen Testament, wie dem Berliner Testament, müssen beide Ehegatten unterschreiben.

Ein begünstigendes Testament geht der gesetzlichen Erbfolge immer vor. Wenn der Erblasser ein Testament hinterlässt, bestimmt dieses die Erbfolge, und die gesetzliche Erbfolge tritt nicht in Kraft. Wenn jedoch ein Testament ungültig ist oder die gesetzliche Erbfolge per Testament bestimmt wurde, gilt die gesetzliche Erbfolge gemäß den §§ 1924 ff. BGB.

Wie kann ein Testament wirksam widerrufen werden?

In Deutschland kann ein Testament auf verschiedene Weisen wirksam widerrufen werden. Gemäß § 2253 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann der Erblasser ein Testament sowie eine einzelne in einem Testament enthaltene Verfügung jederzeit widerrufen. Es gibt mehrere Methoden, um ein Testament zu widerrufen:

  • Widerrufstestament: Der Erblasser kann sein Testament gemäß § 2254 BGB ausdrücklich widerrufen. Der Widerruf muss handschriftlich verfasst oder notariell beurkundet werden. Der Inhalt und Umfang des Widerrufs müssen im Widerrufstestament klar beschrieben werden.
  • Widersprechendes Testament: Gemäß §2258 BGB kann der Erblasser sein Testament auch widerrufen, indem er ein neues Testament verfasst, das inhaltlich dem alten Testament widerspricht. Beide Testamente müssen ein Datum haben. Wenn das zweite Testament nur ein Vermächtnis ändert, ist das erste Testament nicht automatisch unwirksam. Es muss ein klarer Widerspruch ersichtlich sein.
  • Vernichtung des Testaments: Gemäß § 2255 BGB kann der Erblasser ein Testament vernichten (zerreißen oder verbrennen), um das Testament zu widerrufen. Wichtig ist, dass der Erblasser beim Vernichten die Absicht eines Widerrufs hat. Wenn ein Testament versehentlich zerstört wird, bleibt es gültig.
  • Rücknahme bei amtlicher Verwahrung: Ein Testament gilt als widerrufen, wenn es aus der amtlichen Verwahrung zurückgenommen wird. Dies gilt insbesondere für notarielle Testamente.

Es ist zu betonen, dass ein Widerruf immer nur mit Testierfähigkeit möglich ist. Wer zum Beispiel aufgrund einer geistigen Krankheit nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern, kann kein Testament widerrufen.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 11 W 73/21 (Wx) – Beschluss vom 31.03.2023

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 27.04.2021, der Geschäftsstelle übergeben am 30.04.2021, Az. 2 VI 1068/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligte zu 2 trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: 150.200 EUR

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 2 wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Erbscheinsantrags und gegen die Erteilung des von dem Beteiligten zu 1 beantragten Alleinerbscheins. Die Beteiligten streiten um die wirksame Errichtung eines den Beteiligten zu 1 begünstigenden Testaments sowie dessen Widerruf durch Zerreißen.

Der am 21.11.2018 verstorbene Erblasser war mit der am 17.02.2009 vorverstorbenen Frau E. S. verheiratet. Kinder der Eheleute sind der am 23.01.2013 vorverstorbenen Hans-J. M. S., dessen Sohn der Beteiligte zu 1 ist, sowie die Beteiligte zu 2, welcher der Erblasser in den Jahren 2011, 2017 und 2018 mehrere Vollmachten (AS I, 269 ff.) erteilt hatte.

Mit gemeinschaftlichem privatschriftlichem Testament vom 18.05.2007 setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben sowie als Erben des Letztversterbenden die Beteiligte zu 2 und ihren Bruder ein und benannten den Sohn der Beteiligten zu 2, M. St., als Ersatzerben. Ferner bestimmten sie, dass der Überlebende von ihnen frei über den Nachlass verfügen und auch eine neue letztwillige Verfügung errichten könne. Zudem trafen sie Anordnungen, welcher der Erben bestimmte Nachlassgegenstände erhalten solle. In einem Zusatz zum Testament vom 06.08.2008 trafen die Eheleute ergänzende Bestimmungen in Bezug auf einen Grundschuldbrief und die Immobilie K. Straße … A in K.. Wegen der Einzelheiten wird auf die Originaldokumente Bezug genommen (AG Karlsruhe, Verwahrakte Az. 2 IV 1488/20, AS 25 ff.). Das Hausgrundstück K. Straße … A wurde im Jahr 2012 verkauft.

Der Beteiligte zu 1 und seine Schwester beantragten die Erteilung eines sie als Erben ausweisenden Erbscheins (AS I, 1). Der Antrag wurde nachfolgend dahingehend geändert, dass der Beteiligte zu 1 den Erblasser allein beerbt habe (AS I, 199). Der Beteiligte zu 1 stützte sein Erbrecht auf ein Testament, das der Erblasser zu seinen Gunsten mithilfe von Rechtsanwalt B. E., Karlsruhe, errichtet habe (AS I, 49 f.).

Die Beteiligte zu 2 trat dem Antrag entgegen und beantragte auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments vom 18.05.2007 die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins (AS I, 123).

Das Nachlassgericht holte zunächst eine schriftliche Zeugenaussage des Rechtsanwalts Ellenrieder vom 01.04.2020 ein. Der Zeuge übersandte in diesem Zusammenhang aus seiner Handakte die Kopie eines von dem Erblasser handschriftlich geschriebenen und unterschriebenen Schriftstückes vom 16.09.2015 sowie seinen Schriftsatz an den Erblasser vom 02.10.2015. Das kopierte Schriftstück vom 16.09.2015 lautet auszugsweise:

„Mein letzter Wille

Ich, W. G. S., geb. (…),

im Vollbesitz meiner

geistigen Kräfte, will ich, das meine nachfolgend

aufgeführte Hinterlassenschaft

vererbt wird.

Als Vollerbe setze ich meinen Enkel

Kai Sauer, geb. (…)

ein.

[Nummeriert mit Ziff. 1 bis Ziff. 9 folgt eine Auflistung von Vermögensgegenständen.]

10. Unser Sohn, H. S., ist

am 29.01.2013 gestorben.

11. Meine Tochter, A. St., geb. (…)

erbt einen Pflichtteil und

die Bilder aus ihrer Geburtsheimat.

Sie und ihre Kinder haben sich von mir

getrennt, nachdem ich keine finanzielle

Stütze, für die Bezahlung des Hauses, mehr

bezahlt habe. Ergo konnte ihr Haus auch

nicht mehr finanziert werden und

wurde verkauft.

12. Die Ereignisse der vergangenen

Jahre haben den Inhalt des

Testamentes vom 28.5.2007 und

den Zusatz zum Testament vom

6.8.2008 völlig verändert oder

erledigt.

[Unter Ziffn. 13 und 14 folgen Anordnungen für die Bestattung und Grabpflege.]

15. Als Vollerbe habe ich den Stand

der Dinge, wie geschrieben,

hiermit verfügt.

K., den 16.9.2015

G. S.“.

Der Schriftsatz vom 02.10.2015 enthält einen von dem Zeugen E. für den Erblasser gefertigten Entwurf eines Testamentes mit der Bitte um Rücksprache, sollten Fragen hierzu bestehen. Andernfalls könne das Testament handschriftlich verfasst werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die schriftliche Aussage des Zeugen E. (AS I, 181 ff.) sowie die als Testament eröffnete Kopie und den Schriftsatz vom 02.10.2015 Bezug genommen (AS I, 167 ff.; AG Karlsruhe, Verwahrakte Az. 2 IV 1488/20, AS 49 ff.).

Die Beteiligte zu 2 war der Auffassung, die Zeugenaussage belege lediglich die anwaltliche Beratung, nicht jedoch die Errichtung eines weiteren Testaments. Zudem habe sich bis zum Versterben des Erblassers die Situation geändert und die Familie ihres Bruders, die sich im Gegensatz zu ihr und ihrem Sohn nicht aktiv um den Erblasser gekümmert habe, habe nicht mit einem Erbe bedacht werden sollen. Nach einem Herzinfarkt im Februar 2018 habe ihr der Erblasser im Krankenhaus mitgeteilt, dass er sie zwischenzeitlich enterbt habe. Sie habe das sie enterbende Testament aus seinem Safe holen und vernichten sollen, habe den Erblasser jedoch gebeten, dies selbst zu tun. Die Vernichtung sei vom Erblasser vorgenommen worden; nach seinem Tod sei im Safe kein Testament aufzufinden gewesen. Zum Beweis benannte die Beteiligte zu 2 ihren Sohn M. St. (AS I, 239 f.).

Der Beteiligte zu 1 entgegnete, der Erblasser sei mit der Beteiligten zu 2 stark zerstritten gewesen und habe das ihn begünstigende Testament zu keinem Zeitpunkt vernichten wollen.

Das Nachlassgericht hörte die Beteiligten an und erhob Beweis durch mündliche Vernehmung der Zeugen E., M. St. und N. S. (Ehefrau des Beteiligten zu 1). Wegen des Ergebnisses der Anhörung und Beweisaufnahme wird auf die Protokolle vom 12.08.2020 (AS I, 291 ff.) und vom 27.01.2021 (AS I, 419 ff.) Bezug genommen.

Mit dem angegriffenen, auf den 27.04.2021 datierten Beschluss mit Erlassvermerk vom 30.04.2021 (AS I, 483 ff.) hat das Nachlassgericht die zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und den Antrag der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen. Der Erblasser habe den Beteiligten zu 1 mit Testament vom 16.09.2015 zu seinem Alleinerben eingesetzt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Erblasser das in Kopie vorliegende Schriftstück als Testament und nicht nur als Entwurf verfasst habe. Von einer späteren Vernichtung dieses Testaments habe sich das Gericht hingegen nicht überzeugen können. Unzweifelhaft stehe fest, dass der Erblasser mehrere – mindestens zwei – Testamente mit einer von dem Testament vom 18.05.2007 abweichenden Erbfolge erstellt habe. Inhaltlich sei nur die Kopie der letztwilligen Verfügung vom 16.09.2015 genau bekannt und eine Zerstörung des Originals nicht belegt. Dies gehe zulasten der Beteiligten zu 2.

Mit am 28.05.2021 in elektronischer Form über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingereichtem Anwaltsschriftsatz hat die Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt, mit der sie eine fehlerhafte bzw. fehlende Beweiswürdigung rügt (AS I, 551). Das Gericht habe die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben nicht gewürdigt. Die Annahme, der Erblasser habe nach dem gemeinschaftlichen Testament noch mehrere Testamente errichtet, sei reine Spekulation. Bei dem vom Erblasser vernichteten Testament habe es sich nur um das Schriftstück aus dem Jahr 2015 handeln können. Es gebe auch keinen Grund zu der Annahme, dass der Erblasser dem Beteiligten zu 1 und dessen Ehefrau ein anderes Testament vorgelegt habe. Es werde daher eine erneute Anhörung der Beteiligten beantragt.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (AS I, 559). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Original des in Kopie noch vorhandenen Testaments vernichtet und damit widerrufen wurde, seien nicht vorgetragen worden.

Der Beteiligte zu 1 ist der Beschwerde entgegengetreten (AS II, 14 ff.). Die Darstellung der Beteiligten zu 2 sei falsch. Der Erblasser habe ihm gegenüber niemals mitgeteilt, dass er sein Testament ändern wolle. Sollte der Erblasser tatsächlich ein Schriftstück zerrissen haben, werde es sich um etwas gehandelt haben, das nichts mit einem Testament zu gehabt habe oder um einen neuen Testamentsentwurf.

Die Akten AG Karlsruhe Az. 2 VI 1068/19 und Az. 2 IV 1488/20 sowie Notariat 1 Karlsruhe, 1 NG 86/2009 (Nachlasssache E. S.) lagen vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beteiligte zu 2 den Erblasser aufgrund letztwilliger Verfügung vom 16.09.2015 allein beerbt hat. Erfolgversprechende Ansätze für eine weitere Sachaufklärung sind nicht gegeben.

1. Es kann festgestellt werden, dass der Erblasser am 16.09.2015 ein formwirksames Testament mit dem aus der vorliegenden Kopie ersichtlichen Inhalt errichtet und hierdurch das Testament aus dem Jahr 2007 mit Zusatz aus dem Jahr 2008 aufgehoben hat.

a) Gemäß § 352 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 FamFG ist zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird. Ist diese Urkunde nicht auffindbar, kommt der allgemein anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist. In einem solchen Fall können Errichtung und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden. Dabei genügt eine Testamentskopie allein nicht, um daraus ein Erbrecht abzuleiten, denn die Fotokopie als solche erfüllt nicht die Anforderungen an ein formgültiges privatschriftliches Testament. Auch mit einer eidesstattlichen Versicherung darf sich das Nachlassgericht nicht begnügen. Erforderlich ist vielmehr eine im Strengbeweisverfahren durchgeführte förmliche Beweisaufnahme, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. zum Ganzen: Senat, B. v. 08.10.2015 – 11 Wx 78/14 -, juris Rn. 13 ff.; OLG München, B. v. 22.04.2010 – 31 Wx 11/10 -, juris Rn. 11). Zuverlässig nachgewiesen werden müssen sowohl die formgerechte Errichtung als auch der Gesamtinhalt der nicht mehr vorhandenen Testamentsurkunde. Über den Inhalt und die Form des Testaments muss in vergleichbarer Weise Gewissheit zu erlangen sein wie durch eine Vorlage der Urkunde im Original (vgl. OLG Frankfurt, B. v. 27.12.2018 – 20 W 250/17 -, juris Rn. 40).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen teilt der Senat die Überzeugung des Nachlassgerichts, dass der Erblasser am 16.09.2015 wirksam und mit Testierwillen ein fünf Seiten umfassendes, privatschriftliches Testament auf kariertem Papier niedergelegt hat, von dem der Zeuge E. eine Kopie aus seinen Handakten vorlegen konnte. Die Kopie dokumentiert einen vollständig und formgerecht abgefassten Text, dessen Überschrift „Mein letzter Wille“ in Verbindung mit der Unterschrift des Erblassers auf dessen Willen schließen lässt, rechtsverbindliche Anordnungen über sein Vermögen nach dem Tode zu treffen. Gestützt wird dieser Schluss durch die Aussage des Zeugen E., der sich erinnerte, „dass der Erblasser erklärte, er habe dieses Testament errichtet und wissen wollte, ob es Änderungsbedarf gebe. Es war also nicht ein Entwurf, bei dem er wissen wollte, ob dieser so in Ordnung sei, sondern es ging um die Kürzung“ (S. 9 des Protokolls v. 12.08.2020, AS I, 299).

Durch dieses Testament hat der Erblasser das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 2007 wirksam widerrufen.

2. Nicht festgestellt werden kann ferner, dass der Erblasser nachfolgend ein weiteres, die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 aufhebendes Testament errichtet hat.

a) Entgegen der Auffassung der Beschwerde gibt es allerdings mehrere Hinweise darauf, dass der Erblasser nach dem 16.09.2015 testiert hat.

Der Zeuge E. gab in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 01.04.202 (AS I, 181 ff.) an, aus seiner Handakte ergebe sich, dass der Erblasser zu einem späteren Zeitpunkt im Büro angerufen und mitgeteilt habe, seine letztwillige Verfügung geändert zu haben.

Der Beteiligte zu 1 berichtete, der Erblasser habe ihm anlässlich eines Besuchs Ende des Jahres 2017 ein im Safe verwahrtes Testament gezeigt, das vielleicht ein oder zwei Seiten gehabt habe (S. 7 des Protokolls v. 12.08.2020, AS I, 297; S. 2 des Protokolls v. 27.01.2021; AS I, 419 R).

Die Beteiligte zu 2 gab an, dass der Erblasser im Jahr 2018 ein Testament zerrissen habe, welches ca. zwei bis drei Seiten umfasst habe und nicht auf kariertem Papier geschrieben gewesen sei (S. 2 des Protokolls v. 27.01.2021; AS I, 419 R).

Die Ehefrau des Beteiligten zu 1 schilderte, dass der Erblasser dem Beteiligten zu 1 und ihr, mutmaßlich im Frühjahr 2018, ein relativ kurzes Testament von vielleicht einer Seite gezeigt habe, von dem sie noch grob wisse, dass der Beteiligte zu 1 zum Alleinerben eingesetzt worden sei. Der Erblasser habe ihnen mitgeteilt, dies sei sein Testament und er würde es im Safe hinterlegen (S. 3 des Protokolls v. 27.01.2021; AS I, 421).

b) Ein Widerruf des Testaments vom 16.09.2015 durch ein jüngeres Testament ergibt sich aus keiner dieser Aussagen. Ob das oder die von den Beteiligten und den Zeugen angesprochenen Schriftstück(e) der gesetzlich vorgeschriebenen Testamentsform genügte(n) und welchen Gesamtinhalt das oder die Schriftstück(e) hatten, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Zudem bieten die Aussagen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erbfolge in einem jüngeren Dokument abweichend zu dem Testament vom 16.09.2015 geregelt worden sein könnte (§ 2258 Abs. 1 BGB). Sollte der Erblasser die Empfehlungen des Zeugen E. für eine gekürzte Fassung seines Testaments vom 16.09.2015 umgesetzt haben, wäre die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 nicht aufgehoben, sondern bestätigt worden. Gleiches gilt für das oder die von dem Beteiligten zu 1 und seiner Ehefrau erinnerte(n) Schriftstück(e). Der von der Beteiligten zu 2 berichtete Inhalt des angeblich von dem Erblasser zerrissenen Dokumentes – „ich weiß noch, dass das eben mit der Enterbung drin stand und dann etwas mit einem Gabelstapler und dass ich wohl Bilder aus der Heimat bekommen sollte“ (S. 2 des Protokolls v. 27.01.2021, AS I, 419R) – lässt ebenfalls keinen Widerspruch zu dem Testament vom 16.09.2015 erkennen.

3. Ein Widerruf des Testaments vom 16.09.2015 durch eine von dem Erblasser in Widerrufsabsicht vorgenommene Vernichtung (§ 2255 Abs. 1 BGB) kann ebenfalls nicht festgestellt werden.

Eine Vernichtung wird nicht schon durch den Umstand belegt, dass das Originaltestament vom 16.09.2015 nicht vorliegt. § 2255 BGB setzt für die Aufhebung einer letztwilligen Verfügung deren bewusste Vernichtung voraus. Es müssen daher Tatsachen vorliegen, die in ihrer Gesamtheit den Schluss rechtfertigen, der Erblasser habe die Testamentsurkunde in der Absicht vernichtet, sie zu widerrufen (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 29.11.2018 – I-3 Wx 98/17 -, juris Rn. 28). Daran fehlt es hier.

a) Einen Anhaltspunkt dafür, dass der Erblasser ein Schriftstück vernichtet hat, bieten zunächst die Angaben der Beteiligten zu 2. Diese allein genügen jedoch nicht, um einen Widerruf des wirksam errichteten Testaments vom 16.09.2015 zu belegen.

aa) Zum einen ist selbst dann, wenn die Angaben der Beteiligten zu 2 gedanklich als zutreffend unterstellt werden, nicht zuverlässig festzustellen, dass es sich bei dem zerrissenen Schriftstück um ein formgerecht errichtetes Testament gehandelt hat. Die Beschreibung des zerrissenen Schriftstücks kann mit dem äußeren Erscheinungsbild des fünf Seiten umfassenden, auf kariertem Papier niedergelegten Testaments vom 16.09.2015 nicht in Einklang gebracht werden: „Das Testament, das in meiner Gegenwart vernichtet wurde, hatte auf jeden Fall mehrere Seiten, möglicherweise zwei bis drei Seiten. [Auf Nachfrage] Was ich noch weiß ist, dass das Papier nicht kariert gewesen ist“ (S. 2 des Protokolls v. 27.01.2021; AS I, 419 R). Form und Inhalt der von den Beteiligten und Zeugen im Übrigen beschriebenen Schriftstücke können, wie oben dargelegt, nicht mehr zuverlässig festgestellt werden.

bb) Zum anderen kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Beteiligte zu 2 die Begünstigte des streitigen Testamentswiderrufs wäre und eigenen Angaben zufolge das zerrissene Schriftstück geschreddert und damit der Wahrnehmung durch Dritte endgültig entzogen hat (S. 4 des Protokolls v. 12.08.2020; AS I, 293 R). Vor diesem Hintergrund können die Angaben der Beteiligten zu 2 als Antragstellerin allein keine hinreichende Grundlage für die richterliche Überzeugungsbildung sein (vgl. OLG Frankfurt, B. v. 27.12.2018 – 20 W 250/17 -, juris Rn. 47 f.).

b) Aus der Aussage des Zeugen St. ergeben sich keine weiterführenden Erkenntnisse. Dieser konnte lediglich von zwei Telefonaten berichten, in welchen ihm die Beteiligte zu 2 von dem beabsichtigten und nachfolgend durchgeführten Zerreißen eines von ihr als Testament bezeichneten Schriftstücks durch den Erblasser erzählt habe. Weiter sei ihm „über das Testament nichts mehr bekannt und auch nicht mehr gesprochen worden“ (S. 2 f. des Protokolls v. 27.01.2021; AS I, 419 R-421).

c) Die Beteiligten schildern ferner zwar übereinstimmend, dass der Erblasser sein Testament in einem Safe verwahrt habe. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, ein dort nicht vorhandenes Testament müsse von ihm in Widerrufsabsicht vernichtet worden sein. Zudem beruht die Annahme, dass sich ein Testament nach dem Tod des Erblassers nicht in dem Safe befunden habe, nach dem Ergebnis der Anhörung und Beweisaufnahme wiederum nur auf Angaben der Beteiligten zu 2 über den Inhalt des Safes (Zeugin N. S., S. 4 des Protokolls v. 27.01.2021, AS I, 421: „Wir waren nicht dabei, als sie die Sachen aus dem Safe genommen hat. [Auf Nachfrage] Bei den Dingen, die Frau St. aus dem Safe geholt hat, war kein Testament dabei.“).

d) Schließlich erscheint es angesichts der in den Jahren 2017 und 2018 erteilten Vollmachten plausibel, dass eine Aussöhnung des Erblassers mit der Beteiligten zu 2 stattgefunden hat. Auch dieser Umstand rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass die zwischenzeitliche Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 durch den Erblasser wieder aufgehoben worden ist.

4. Sachdienliche Ansätze für ergänzende Ermittlungen sind nicht zu erkennen (§ 26 FamFG). Weitere Zeugen und sonstige Beweismittel, die zu einer näheren Aufklärung beitragen könnten, sind weder angeboten noch sonst nicht ersichtlich. Eine nochmalige Anhörung der Beteiligten lässt keine weiterführenden Erkenntnisse erwarten. Den Inhalt der vom Nachlassgericht ausführlich protokollierten Angaben der Beteiligten und Zeugen versteht der Senat nicht anders als das Nachlassgericht. Eine Veränderung von tatsächlichen Umständen, die zum Zweck der Sachaufklärung eine nochmalige Anhörung der Beteiligten oder Vernehmung der Zeugen gebieten würden, zeigt die Beschwerde nicht auf.

Da die Feststellungslast trägt, wer die Aufhebung des Testaments behauptet (vgl. BayObLG, B. v. 18.03.1996 – 1Z BR 67/95 -, juris Rn. 19), geht die verbleibende Unsicherheit zu Lasten der Beteiligten zu 2. Deren Erbscheinsantrag ist mithin, wie vom Nachlassgericht entschieden, zurückzuweisen und der von dem Beteiligten zu 1 beantragte Erbschein zu erteilen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 Abs. 1 FamFG.

Nach § 84 FamFG soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Das Gericht kann jedoch in besonders gelagerten Fällen nach seinem Ermessen die Kosten des Rechtsmittels auch ganz oder teilweise dem obsiegenden Beteiligten auferlegen (Horn, in: Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht, 2 Aufl. 2019, FamFG § 84 Rn. 6 m.w.N.).

Abweichend zu der nicht zu beanstandenden Kostenentscheidung des Nachlassgerichts entspricht eine anteilige Tragung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren nicht der Billigkeit, sodass es insofern bei der Regelung des § 84 FamFG verbleibt. Den zutreffenden, auf einer fehlerfreien Verfahrensführung und sorgsamen Sachverhaltsermittlung beruhenden Ausführungen des Nachlassgerichts hat die Beschwerdebegründung im Ergebnis keine erfolgversprechenden Gesichtspunkte entgegengesetzt. Bezogen auf die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligte zu 2 nur aufgrund der sie treffenden Feststellungslast unterlegen ist, bei beiden Beteiligten Klärungsbedarf hinsichtlich der Erbfolge bestanden hat und die vorliegende Beschwerdeentscheidung dem Beteiligten zu 1 bei der Durchsetzung seines Erbrechts zugutekommt. Es entspricht daher abweichend zu § 84 FamFG billigem Ermessen, die Erstattung außergerichtlicher Kosten auszuschließen.

2. Die vorliegende, auf den Einzelfall bezogene Entscheidung erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG).

3. Der Senat schätzt den für die Festsetzung des Geschäftswertes maßgebenden Nachlasswert zum Zweck der Kostenfestsetzung nach den Angaben der Beteiligten (AS I, 507 f.) auf rund 150.200 EUR (§§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 61 Abs. 1 Satz 1 GNotKG).

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