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Bestellung eines ungeeigneten Sachverständigen zur Beurteilung der Testierfähigkeit

OLG München – Az.: 31 Wx 466/19 – Beschluss vom 14.01.2020

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Freising – Nachlassgericht – vom 31.07.2019 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das Nachlassgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der verwitwete Erblasser ist am 1.1.2017 verstorben.

Er errichtete u.a. am 8.10.2004 ein notarielles Testament, in dem er seinen Sohn, den Beschwerdeführer, als Alleinerben einsetzte.

Am 1.10.2007 errichtete er ein weiteres, handschriftliches Testament, in dem er seine drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben einsetzte.

Sowohl der Beschwerdeführer als auch die beiden anderen Geschwister beantragten beim Nachlassgericht jeweils die Erteilung eines Erbscheins, der Beschwerdeführer einen Alleinerbschein, die Beteiligten zu 2 und 3 jeweils zu 1/3 neben dem Beschwerdeführer.

Das Nachlassgericht hat mit Beweisbeschluss vom 16.10.2018/17.5.2019 ein Gutachten über die Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 1.10.2007 in Auftrag gegeben und als Sachverständigen Prof. … (Hochschule …) beauftragt, nachdem der ursprünglich beauftragte Sachverständige Dr. … mitgeteilt hatte, dass er auf absehbare Zeit nicht dazu komme, das Gutachten zu erstatten.

Nachdem der Sachverständige am 20.6.2019 sein Gutachten erstattet hat und zu dem Ergebnis gelangte, eine Testierunfähigkeit des Erblassers im Errichtungszeitpunkt ließe sich nicht feststellen, kündigte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 31.7.2019 die Erteilung eines Erbscheins aufgrund des Testaments vom 1.10.2007 zugunsten der drei Kinder zu je 1/3 an.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1.

Er ist der Ansicht, dass das Nachlassgericht seine Entscheidung nicht auf das Gutachten Prof. … habe stützen dürfen, weil dieser nicht hinreichend qualifiziert für die Begutachtung im Hinblick auf die Testierunfähigkeit sei. Er hat sich insbesondere umfangreich mit der beruflichen Qualifikation des Sachverständigen in seiner Beschwerde auseinandergesetzt. Er trägt vor, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportmedizin sei, nicht aber Psychiater oder Nervenarzt.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 7.10.2019 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat im Schriftsatz vom 8.11.2019 auf Nachfrage des Senats erklärt, sein Antrag im Beschwerdeverfahren könne als Antrag nach § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG ausgelegt werden.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie des zugrunde liegenden Verfahrens und Zurückverweisung der Sache an das Nachlassgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

1. Das Verfahren leidet unter einem wesentlichen Verfahrensfehler (a), der eine umfangreiche Beweisaufnahme des Beschwerdegerichts erforderlich machen würde (b), § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG.

a) Das Nachlassgericht hat für die Klärung der Frage der Testierunfähigkeit auf einen Sachverständigen zurückgegriffen, der nicht über die dafür erforderliche Sachkunde verfügt. Dadurch wurde der entscheidungserhebliche Sachverhalt durch das Nachlassgericht nicht hinreichend aufgeklärt (vgl. OLG Naumburg BeckRS 2013, 14047).

Nach § 2229 Abs. 4 BGB muss bei Zweifeln an der Testierfähigkeit die Testierunfähigkeit positiv festgestellt werden, bloße Zweifel genügen insoweit nicht. Zwar handelt es sich bei der Frage der Testierfähigkeit um eine juristische Frage, gleichwohl bedürfen die Gerichte zu ihrer Beantwortung sachverständiger Hilfe (Krätzschel in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage <2019> § 8 Rn.10). Die Frage, ob ein Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war oder nicht, lässt sich nach ständiger Rechtsprechung in der Regel nur mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen beantworten (vgl. BayObLG FamRZ 1985, 742/743; BayObLGZ 1995, 383/391; BayObLG BeckRS 2000, 30108207; OLG Düsseldorf BeckRS 2015, 11433 Rz. 28; OLG Frankfurt/M. BeckRS 2017, 126066; Lauck in: Burandt/Rojahn Erbrecht 3. Auflage <2019> § 2229 Rn. 24; Krätzschel in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage <2019> § 8 Rn. 10).

Da der vom Nachlassgericht ausgewählte Sachverständige über diese Qualifikation nicht verfügt – weder gibt er sie selbst im Gutachten an, noch konnte sie der Senat im Rahmen einer Internetrecherche feststellen – kam die Erstellung eines Testierunfähigkeitsgutachtens durch ihn nicht in Betracht.

aa) Dabei kann dahinstehen, ob der vom Nachlassgericht ausgewählte Sachverständige aus Sicht des Nachlassgerichts für die Erstattung derartiger Gutachten geeignet war oder nicht und ob der Sachverständige in der Vergangenheit derartige Gutachten bereits erstattet hat.

bb) Aufgrund der mit der Feststellung der Frage der Testierfähigkeit verbundenen besonderen Schwierigkeiten (vgl. dazu Cording ZEV 2010, 23ff), kommt im Hinblick darauf von vornherein nur die Begutachtung durch einen Facharzt für Psychiatrie in Betracht.

Durch das Erfordernis des Vorliegens der entsprechenden fachärztlichen Qualifikation wird in abstrakt genereller Weise sichergestellt, dass der Sachverständige nach der ärztlichen Approbation ein mindestens 5-jähriges Weiterbildungscurriculum absolviert und durch das Bestehen der entsprechenden Facharztprüfung seine grundsätzliche Befähigung nachgewiesen hat (Cording a.a.O, S.<24, 28>).

Nachdem der gerichtlich ausgewählte Sachverständige nicht über die erforderliche Qualifikation verfügt, war er von vornherein nicht geeignet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt (Testierfähigkeit) zu beurteilen.

cc) Dass die von der Rechtsprechung geforderten Qualifikationen zu Recht gefordert werden, zeigt sich auch am vorliegenden Gutachten: Der von der Rechtsprechung entwickelte 2-stufige Krankheitsbegriff bei der Begutachtung im Hinblick auf die Klärung der Frage der Testierunfähigkeit taucht im Gutachten an keiner Stelle auf.

b) Die Auswahl des ungeeigneten Sachverständigen stellt auch einen erheblichen Verfahrensfehler dar. Ein solcher ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn durch den Verfahrensfehler der Anspruch eines Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise gravierend beeinträchtigt wird.

Das ist hier der Fall, denn durch die Auswahl eines ungeeigneten Sachverständigen durch das Nachlassgericht war es von Anfang an ausgeschlossen, dass die Beteiligten in der gebotenen Weise und im gebotenen Umfang rechtliches Gehör vor dem Nachlassgericht erhalten konnten; letzteres setzt voraus, dass das Gericht einen Sachverständigen bestellt, der zur Ermittlung bzw. Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts hinreichend qualifiziert ist.

c) Schließlich ist der Senat der Ansicht, dass es im vorliegenden Fall angemessen ist, die Sache unter Aufhebung des Verfahrens an das Nachlassgericht zurückzugeben.

Zwar verlängert sich das Verfahren vor dem Nachlassgericht und dadurch insgesamt unter Umständen nicht unwesentlich. Andererseits würde es dem Verlust einer Instanz nahe kommen, wenn das Beschwerdegericht seinerseits einen geeigneten Sachverständigen beauftragen würde. Die Beteiligten könnten sich mit dessen Gutachten dann faktisch nur in einer Instanz in tatsächlicher Hinsicht auseinander setzen.

2. Demzufolge waren die Entscheidung und das ihr zugrunde liegende Verfahren aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Nachlassgericht zurückzugeben. Dass auch die Nichtabhilfeentscheidung des Nachlassgerichts nicht den Anforderungen der Obergerichte einschließlich des Senats (vgl. OLG München FGPrax 2019, 96) spielte angesichts dessen keine Rolle mehr.

Im Rahmen seiner neuerlichen Entscheidung wird dem Nachlassgericht auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen (Keidel/Sternal FamFG 20. Auflage <2020> § 69 Rn. 39a). Das Nachlassgericht wird in diesem Zusammenhang auch zu prüfen haben, wie es die Kosten des Sachverständigen Prof. … behandelt, insbesondere, ob die Kosten insoweit niederzuschlagen sind (§ 21 GNotKG).

III.

Eine Kostenentscheidung durch den Senat ist daher nicht veranlasst.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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