Testamentsvollstreckung: Oberlandesgericht Saarbrücken klärt die Grenzen der Amtsführung
Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat in einem Beschluss vom 4. Mai 2021 (Az.: 5 W 52/20) ein wichtiges Urteil in Bezug auf die Testamentsvollstreckung und die Amtsführung von Testamentsvollstreckern gefällt. Im Kern ging es um die Frage, ob das Nachlassgericht einen weiteren Testamentsvollstrecker bestellen kann, wenn Zweifel an der Amtsführung des derzeitigen Amtsinhabers bestehen. Der Fall drehte sich um ein Ehepaar, das ein gemeinschaftliches Testament verfasst hatte. Die Tochter, die aufgrund einer Behinderung unter Betreuung steht, sollte durch eine Testamentsvollstreckung geschützt werden. Die Mutter, die bereits als Betreuerin und Testamentsvollstreckerin fungierte, wurde von der weiteren Betreuerin der Tochter kritisiert. Diese forderte die Bestellung eines weiteren Testamentsvollstreckers.
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Übersicht
Amtsgerichtsentscheidung und Beschwerde
Das Amtsgericht St. Ingbert hatte ursprünglich einen weiteren Testamentsvollstrecker bestellt, um potenziellen Schaden vom Nachlassvermögen abzuwenden. Die Mutter legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Sie argumentierte unter anderem, dass die Entscheidung nur durch einen Richter hätte getroffen werden dürfen und dass ihr rechtliches Gehör verletzt worden sei. Zudem betonte sie, dass das Testament klare Vorgaben zur Auswahl eines Testamentsvollstreckers enthalte und ein weiterer Testamentsvollstrecker nur auf Ersuchen des Erblassers bestellt werden könne.
OLG-Entscheidung: Kein weiterer Testamentsvollstrecker ohne Ersuchen des Erblassers
Das Oberlandesgericht Saarbrücken hob den Beschluss des Amtsgerichts auf. Es stellte klar, dass ein weiterer Testamentsvollstrecker nur dann bestellt werden kann, wenn ein wirksames Ersuchen des Erblassers vorliegt. Da ein solches Ersuchen im vorliegenden Fall nicht aus dem Testament hervorging, wurde die Bestellung des weiteren Testamentsvollstreckers als unzulässig erachtet.
Rechtliche Implikationen und Amtsführung
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hat weitreichende rechtliche Implikationen für die Amtsführung von Testamentsvollstreckern. Sie macht deutlich, dass das Nachlassgericht nicht einfach einen weiteren Testamentsvollstrecker bestellen kann, wenn Zweifel an der Amtsführung des derzeitigen Amtsinhabers bestehen. Vielmehr muss ein wirksames Ersuchen des Erblassers vorliegen, das sich aus dem Testament entnehmen lässt.
Bedeutung für die Praxis
Für die Praxis bedeutet dies, dass die Anforderungen an die Bestellung eines weiteren Testamentsvollstreckers sehr hoch sind. Das Testament muss klare Vorgaben enthalten, und ein weiterer Testamentsvollstrecker kann nur auf ausdrückliches Ersuchen des Erblassers bestellt werden. Dies schützt die Integrität des Testaments und sorgt für Rechtssicherheit in Nachlassangelegenheiten.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 52/20 – Beschluss vom 04.05.2021
Leitsatz
In Ermangelung eines wirksamen Ersuchens des Erblassers, das sich dem Testament – ggf. durch Auslegung – entnehmen lassen muss, kann das Nachlassgericht auch bei Zweifeln an der Amtsführung des derzeitigen Amtsinhabers nicht vorsorglich einen weiteren Testamentsvollstrecker bestellen.(Rn.19)
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 4. bzw. 5. Dezember 2019 wird der Beschluss des Amtsgerichts St. Ingbert vom 28. November 2019 – 7 VI 292/04 – aufgehoben.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der am 9. Mai 2001 verstorbene Erblasser, der zu Lebzeiten mit der Beteiligten zu 2) verheiratet war, hatte mit dieser am 8. Januar 2000 ein gemeinschaftliches Testament errichtet (Bl. 3 ff. in 7 IV 322/02); darin waren der überlebende Ehegatte zu ½ und die beiden Töchter, A. und C. M., zu je ¼ zu Miterben des Erstversterbenden eingesetzt worden, die als Miterbin eingesetzte Tochter C. jedoch nur als nicht befreite Vorerbin. Die Beteiligte zu 1), C. M., steht unter Betreuung, Betreuerin ist die Beteiligte zu 2), mit Beschluss des Amtsgerichts Sigmaringen vom 19. Juli 2019 wurde außerdem die Rechtsanwältin M. K., St. Ingbert, zur weiteren Betreuerin bestellt (Az. 17 XVII 479/18, Bl. 132 Sonderband; Bl. 29 d.A.). In Bezug auf den Erbanteil der C. M. ist in dem privatschriftlichen Testament Folgendes angeordnet:
In einseitiger, also jederzeit frei widerruflicher Weise, bestimmt ein jeder von uns beiden:
Mit Rücksicht darauf, dass unsere Tochter C. wegen ihrer Behinderung nicht in der Lage sein wird, ihre Angelegenheiten selbst zu versorgen, insbesondere ihren Erbteil selbst zu verwalten, wird sowohl für den Erbfall nach dem Erstversterbenden von uns beiden als auch für den Schlusserbfall jeweils hinsichtlich ihres Erbteiles Testamentsvollstreckung als Dauervollstreckung angeordnet.
Aufgabe des jeweiligen Testamentsvollstreckers ist die Verwaltung der Erbteile unserer Tochter C.. Der jeweilige Testamentsvollstrecker hat alle Verwaltungsrechte auszuüben, die der Vorerbin zustehen, insbesondere auch die Stimmrechte aus einer Gesellschaftsbeteiligung. Über den Erbteil darf der jeweilige Testamentsvollstrecker nicht verfügen.
Nach Teilung des Nachlasses setzt sich die Testamentsvollstreckung an den der Vorerbin zufallenden Vermögenswerten fort. Sowohl der Zuerstversterbende als auch der Überlebende von uns beiden trifft folgende, für den jeweiligen Testamentsvollstrecker verbindliche Verwaltungsanordnung: (…)
Im Übrigen gelten für die Testamentsvollstreckung die gesetzlichen Bestimmungen. Zum Testamentsvollstrecker über den Erbteil unserer Tochter C. beim Erbfall nach dem Erstversterbenden von uns beiden wird der Überlebende von uns beiden ernannt.
Testamentsvollstrecker für den Fall, dass der vorgenannte Testamentsvollstrecker vor oder nach Annahme des Amtes wegfällt, auch durch eigene Kündigung, soll unsere Tochter werden.
Testamentsvollstrecker über den Erbteil unserer Tochter C. beim Schlusserbfall soll unsere Tochter A. sein. Für den Fall, dass unsere Tochter A. vor oder nach Annahme des Amtes wegfällt, soll C.- M.- R. Testamentsvollstrecker werden.
Für die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker erhalten der Längstlebende bzw. unsere Tochter A. keine Vergütung. Ein anderer Testamentsvollstrecker erhält neben dem Ersatz für Auslagen und Spesen eine angemessene Vergütung.
Die Beteiligte zu 2) hat das Amt des Testamentsvollstreckers angenommen (Urkunde des Notars Dr. E. K. vom 15. November 2004, UR 2714/2004, Bl. 2 f.); auf ihren Antrag hin wurde ihr ein entsprechendes Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt. Mit Schreiben vom 14. Juni 2020 erklärte sie, dass sie „die testamentarische Einsetzung A. M.s als TV im Fall meiner Verhinderung aus welchem Grund auch immer“ widerrufe (Bl. 424 d.A.).
Mit Schreiben vom 6. September 2019 beantragte die weitere Betreuerin der Beteiligten zu 1), die Beteiligte zu 2) aus ihrem Amt als Testamentsvollstreckerin aus wichtigem Grund zu entlassen (Bl. 26 ff. GA). Zur Begründung wird angegeben, dass die Beteiligte zu 2) in ihrer Eigenschaft als Betreuerin der Beteiligten zu 1) in deren Namen zahlreiche gerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit der zum Erbe gehörenden M. GmbH erfolglos geführt und dabei vornehmlich ihre eigenen Interessen und nicht diejenigen als Testamentsvollstreckerin bzw. als Betreuerin ihrer Tochter vertreten habe. Auf einen gerichtlichen Hinweis ergänzte die weitere Betreuerin ihr diesbezügliches Vorbringen mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2019 (Bl. 237 ff. d.A.) und vom 11. November 2019 (Bl. 244 ff. d.A.); zugleich beantragte sie (wörtlich), „einen weiteren Testamentsvollstrecker zu bestellen, der gemeinsam mit der derzeit gegebenen Testamentsvollstreckerin die Entscheidungen betreffend die Nachlassangelegenheit nach dem Tode des K. M. bestimmen“ (Bl. 238 d.A.).
Mit Verfügung vom 15. November 2019 (Bl. 252 Rs. d.A.) teilte das Amtsgericht – Rechtspflegerin – den Beteiligten mit, dass es beabsichtige, den Rechtsanwalt A. A. zum weiteren Testamentsvollstrecker zu bestellen, und gab Gelegenheit, Bedenken binnen einer Woche vorzutragen. Nach Eingang der Rückäußerungen der weiteren Betreuerin der Beteiligten zu 1) und des anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) (Bl. 275, 279 ff. d.A.) ernannte das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 28. November 2019 den Rechtsanwalt A. A. zum weiteren Testamentsvollstrecker. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass ein Verfahren wegen evtl. Pflichtverletzungen anhängig sei und dem Antrag stattgegeben werde, um bis zur Entscheidung des Gerichts Schaden für das Nachlassvermögen abzuwenden (Bl. 285 ff. GA).
Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 2) sowohl durch ihren anwaltlichen Vertreter als auch, gesondert, durch ihren weiteren Verfahrensbevollmächtigten, Beschwerde eingelegt (Schreiben vom 4. und 5. Dezember 2019, Bl. 312 f., 314 f., 317 ff. d.A.). Sie beanstandet, dass der angefochtene Beschluss nicht durch den Rechtspfleger, sondern nur durch den Richter hätte erlassen werden dürfen (Bl. 312 ff., 318 d.A.). Auch sei das rechtliche Gehör der Beteiligten zu 2) verletzt worden, weil sie, auch mangels Akteneinsicht, keine Gelegenheit gehabt habe, zu dem Antrag Stellung zu nehmen, und das Verfahren mit Blick auf die vorgreifliche Frage der Wirksamkeit der Bestellung der weiteren Betreuerin auszusetzen gewesen sei. Letztlich fehle es aber auch in der Sache an einem für die Ernennung eines weiteren Testamentsvollstreckers notwendigen Ersuchen des Erblassers, nachdem das Testament eindeutige Vorgaben zur Auswahl und zu den Folgen des Wegfalls der namentlich benannten Testamentsvollstrecker enthalte (Bl. 318 f. d.A.).
Das Amtsgericht hat – nach Rücknahme eines von der Beteiligten zu 2) zunächst auch gegenüber der Abteilungsrichterin angebrachten Ablehnungsgesuchs (Bl. 288, 350 d.A.) und rechtskräftiger Zurückweisung ihres Ablehnungsantrages gegen die Rechtspflegerin gemäß Beschluss des erkennenden Senats vom 25. Mai 2020 – 5 W 17/20 (Bl. 387 ff. d.A., die hiergegen erhobene Gegenvorstellung wurde am 28. Juli 2020 zurückgenommen, Bl. 417 d.A.), der Beschwerde mit Beschluss vom 7. September 2020 nicht abgeholfen (Bl. 427 ff. GA) und – nach mehrfacher Inanspruchnahme eines Akteneinsichtsgesuchs des weiteren Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) – die Akten mit Verfügung vom 3. Dezember 2020 (Bl. 440 Rs. d.A.) dem Senat zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt. Gegenüber dem Senat hat der weitere Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 2) erneut um Akteneinsicht gebeten, er hatte nach dessen Inanspruchnahme am 19. März 2021 abschließend Gelegenheit zur Äußerung, wovon er mit Schreiben vom 19. April 2021 Gebrauch gemacht hat (Bl. 455 d.A.). Der Senat hat die Akten des Amtsgerichts St. Ingbert, Az. 47 IV 322/02 (Testamentssache) zu Informationszwecken beigezogen.
II.
Die am 4. Dezember 2019 fristgemäß eingelegte und auch im Übrigen zulässige (§§ 58 ff. FamFG) Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts St. Ingbert vom 28. November 2019 führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Für die Einsetzung des weiteren Testamentsvollstreckers besteht unter den gegebenen Umständen – derzeit – keine rechtliche Grundlage.
1.
Gemäß § 2200 Abs. 1 BGB kann das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker ernennen, wenn der Erblasser in seinem Testament darum ersucht hat. Auch die Ernennung eines weiteren Testamentsvollstreckers ist unter diesen Voraussetzungen möglich (OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 323; Staudinger/Reimann (2016) BGB § 2200, Rn. 3; Planck, BGB 1. und 2. Aufl., § 2200 Erl. 1). Ob ein solches Ersuchen vorliegt, ist von Amts wegen zu prüfen. Dieses muss vom Erblasser gestellt sein, das Ersuchen eines Erben oder eines anderen Nachlassbeteiligten genügt nicht (BayObLG, KGJ 49 A 249; KG, OLGE 42, 139; Staudinger/Reimann (2016) BGB § 2200, Rn. 5). Nach allgemeiner Meinung muss der Erblasser das Ersuchen gemäß § 2200 Abs. 1 BGB nicht ausdrücklich stellen; es genügt, dass sich durch Auslegung, gegebenenfalls durch ergänzende Auslegung der letztwilligen Verfügung (§§ 133, 2084 BGB) ein darauf gerichteter Wille des Erblassers feststellen lässt (BayObLG, NJW-RR 1988, 387; OLG Hamm, OLGZ 1976, 20; KG OLGE 42, 139; Staudinger/Reimann (2016) BGB § 2200, Rn. 7; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. April 2013 – IV ZB 42/12, NJW-RR 2013, 905). Die Einsetzung eines weiteren Testamentsvollstreckers kommt vornehmlich dann in Betracht, wenn das Testament in seiner Gesamtheit den Willen des Erblassers erkennen lässt, die Testamentsvollstreckung auch nach dem Wegfall der vom Erblasser benannten Person fortdauern zu lassen; insoweit ist von maßgeblicher Bedeutung, welche Gründe den Erblasser zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bestimmt haben und ob diese Gründe, von seinem Standpunkt aus, auch nach dem Wegfall der im Testament benannten Person fortbestehen, insbesondere ob noch Aufgaben des Testamentsvollstreckers zu erfüllen sind (BayObLG, NJW-RR 1988, 387; OLG Hamm OLGZ 1976, 20; OLG Düsseldorf, FamRZ 2018, 1863). Auch wenn der Erblasser dem Testamentsvollstrecker die Pflicht auferlegt, einen Nachfolger zu ernennen, enthält dies nicht ohne weiteres ein Ersuchen an das Nachlassgericht, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen (BayObLG, NJW-RR 1988, 387; KG, OLGE 42, 139; Weidlich, in: Palandt, BGB 80. Aufl., § 2200 Rn. 2). Welchen Willen der Erblasser hatte, muss vielmehr wenigstens andeutungsweise aus der letztwilligen Verfügung erkennbar sein. Zur Feststellung des Erblasserwillens sowie der Gründe, die ihn zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bewogen haben, muss der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, als Ganzes gewürdigt werden; auch die allgemeine Lebenserfahrung ist zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 86, 41/45 f.; BayObLGZ 1976, 67/75; 1982, 159/164).
2.
In Anwendung dieser Grundsätze kam die Ernennung eines weiteren Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gegenwärtig nicht in Betracht. Die Beteiligte zu 2) ist derzeit wirksam zur Testamentsvollstreckerin eingesetzt. Für die Bestellung eines Außenstehenden als weiteren Mitvollstrecker fehlt es an einem entsprechenden Ersuchen des Erblassers; dieses kann, entgegen der in dem Nichtabhilfebeschluss vertretenen Auffassung, dem gemeinschaftlichen Testament nicht, auch nicht durch ergänzende Auslegung gemäß §§ 133, 2084 BGB, entnommen werden.
Dagegen spricht schon entscheidend, dass das Testament in Bezug auf Art und Weise der Testamentsvollstreckung und insbesondere für Fälle eines (künftigen) Wegfalles der Beteiligten zu 2) dezidierte Regelungen enthält, die diese Möglichkeit regeln und die zu diesem Zweck konkrete weitere Personen ersatzweise als Testamentsvollstrecker benennen. Dies zeigt, dass die Testierenden bei der Frage der Testamentsvollstreckung eine umfängliche, möglichst alle Eventualitäten berücksichtigende Regelung treffen wollten. Dem Amtsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass der vorliegende Fall eines Interessenkonflikts von der testamentarischen Regelung nicht unmittelbar erfasst wird, weil der dort beschriebene „Wegfall“ des zunächst berufenen Testamentsvollstreckers noch nicht eingetreten ist. Doch selbst unter der Prämisse, dass bei Abfassung des Testaments dieser Fall nicht bedacht worden sein könnte, liegt jedenfalls die Annahme einer stillschweigenden Ermächtigung des Nachlassgerichts zur Ernennung eines Außenstehenden, d.h. einer Person außerhalb des im Testament aufgezählten Personenkreises, fern. Vielmehr zeigen die Vorgaben und insbesondere die Benennung mehrerer aufeinander folgender Ersatzpersonen, dass es den Verfassern der letztwilligen Verfügung vordringlich darauf ankam, in erster Linie die von ihnen dazu auserwählten Personen zu – ggf. weiteren – Testamentsvollstreckern zu berufen. Dieser erkennbar zum Ausdruck gebrachte Wille würde missachtet, wenn, hiervon abweichend, ein Außenstehender zum (auch: weiteren) Testamentsvollstrecker berufen würde, bevor nicht alle anderen, ausdrücklich genannten Personen weggefallen sind.
Doch auch die sonstigen Umstände und die Lebenserfahrung, die bei der Auslegung zu berücksichtigen sind, führen vorliegend zu keinem anderen Ergebnis; insbesondere bestand danach aus Sicht der Testierenden für die vom Amtsgericht in Anspruch genommene Befugnis zur Ernennung eines Mitvollstreckers keine Notwendigkeit. Dem hier in Rede stehenden, von der weiteren Betreuerin der Beteiligten zu 1) behaupteten Umstand, die Beteiligte zu 2) schädige das Nachlassvermögen und müsse deshalb entlassen werden, wird im Verfahren nach § 2227 BGB nachzugehen sein. Dort kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, insbesondere weil der Testamentsvollstrecker begründeten Anlass zu der Annahme gegeben hat, dass ein längeres Verbleiben im Amt der Ausführung des Erblasserwillens hinderlich sei oder die Interessen der am Nachlass Beteiligten schädigen oder erheblich gefährden werde (Senat, Beschluss vom 6. August 2018 – 5 W 2/18, ZEV 2019, 29; Beschluss vom 28. Juli 2020 – 5 W 26/20, ZEV 2020, 791, jew. m.w.N.). Einer zusätzlichen, vorsorglichen Ernennung eines weiteren Testamentsvollstreckers bedarf es insoweit nicht; dass dies hier gleichwohl gewollt war, müsste in dem Testament schon irgendeinen Anklang finden und ist hier nicht zu ersehen. Dazu kommt, dass die Auslegung letztwilliger Verfügungen im Zweifel stets darauf gerichtet sein muss, der Verfügung zum Erfolg zu verhelfen (§ 2084 BGB), eine testamentarische Regelung, die darauf abzielte, das Verfahren auf Entlassung des Testamentsvollstreckers mit vorläufigen Maßnahmen begleitend zu flankieren, jedoch dem Wesen der Testamentsvollstreckung widerspräche. Aus der Natur des Amtes folgt, dass eine Entlassung stets mit endgültiger Wirkung erfolgen muss (vgl. KG, OLGE 46, 231); eine nur vorläufige Entlassung des eingesetzten Testamentsvollstreckers scheidet dagegen aus, weil das Nachlassgericht nicht die Möglichkeit hat, während dieser Zeit anderweitig Vorsorge für den Nachlass zu treffen, etwa vorübergehend einen Dritten von Amts wegen zum Testamentsvollstrecker zu ernennen (OLG Köln, NJW-RR 1987, 71). Auch die – vorliegend in Rede stehende – Ernennung eines Außenstehenden zum Mitvollstrecker liefe darauf hinaus, vor der gebotenen Entscheidung über den Entlassungsantrag in die Amtsführung der Beteiligten zu 2) einzugreifen; eine solche Befugnis steht dem Nachlassgericht aber nicht zu (OLG Köln, NJW-RR 1987, 71). Dass die Beteiligten ihrer letztwilligen Verfügung stillschweigend einen solchen – rechtlich nicht umsetzbaren – Willen beimessen wollten, kann nicht angenommen werden.
Der Senat verkennt bei all dem nicht, dass die Entscheidung der Rechtspflegerin von dem ersichtlichen Bemühen getragen war, Schaden vom Nachlass abzuwenden. Auch sieht er durchaus Anhaltspunkte, die hier für eine pflichtwidrige Amtsführung der Beteiligten zu 2) sprechen könnten, wenngleich die zugrunde liegenden Vorgänge bislang noch nicht ausreichend aufgearbeitet sein dürften und vom Nachlassgericht in eigener Zuständigkeit aufzuklären sein werden (§ 26 FamFG). Indes geht es nicht an, die mit endgültiger Wirkung zu treffende Entscheidung über die beantragte Entlassung durch vorläufige Maßnahmen faktisch vorwegzunehmen; dafür besteht aber auch deshalb kein zwingendes Bedürfnis, weil der Erbe – ggf. durch seinen Betreuer – den in der Zwischenzeit notwendigen Schutz dadurch erreichen könnte, dass er seinen Rechtsanspruch gegen den Testamentsvollstrecker auf ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses im Zivilprozess durchsetzt (OLG Köln, NJW-RR 1987, 71).
3.
Der Senat sieht davon ab, eine vom gesetzlichen Regelfall abweichende Kostenentscheidung zu treffen, weil er dies unter den gegebenen Umständen für angemessen erachtet. Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), bestanden nicht.