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Beweiskraft eines notariellen Erbvertrages – Änderungen des Notars

OLG Düsseldorf, Az: 3 Wx 72/13, Beschluss vom 18.12.2013

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom 20. März 2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Grevenbroich vom 31. Jan. 2013 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) und 2) trägt die Beteiligte zu 3).

Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: bis zu 120.000 € (1/3 des geschätzten Nettonachlasswertes)

Gründe

I.

Beweiskraft eines notariellen Erbvertrages – Änderungen des NotarsDie Beteiligten zu 1) und zu 2) sind die Enkelkinder des Erblassers, die Beteiligte zu 3) ist seine Schwägerin.

Der Erblasser hatte mit seiner vorverstorbenen Ehefrau am 11. Okt. 1984 einen notariellen Erbvertrag geschlossen.

Darin hatten sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Als Erben des Längstlebenden hatten sie ihren einzigen, damals 14jährigen Sohn S. eingesetzt und bestimmt, dass dessen Abkömmlinge nach dem Verhältnis der gesetzlichen Erbfolge an seine Stelle treten sollten, falls er vor dem Tode des Längstlebenden als Erbe wegfallen sollte.

Die weiter in dem Erbvertrag enthaltene Pflichtteilsstrafklausel lautete ursprünglich: „Sollte einer unserer Abkömmlinge beim Tode des Erstversterbenden von uns den Pflichtteil fordern oder pflichtteilsähnliche Ansprüche irgendwelcher Art geltend machen, so soll er auch vom Längstlebenden von uns nur den Pflichtteil erhalten. Der Längstlebende von uns ist in diesem Fall in der Verfügung über seinen Nachlass vollständig und endgültig frei.“

Sie ist in der Notarurkunde handschriftlich wie folgt geändert: „Sollte (einer) lies unser (Abkömmlinge) lies Sohn S. beim Tode des Erstversterbenden von uns den Pflichtteil fordern oder pflichtteilsähnliche Ansprüche irgendwelcher Art geltend machen, so soll er auch vom Längstlebenden von uns nur den Pflichtteil erhalten. Der Längstlebende von uns ist in diesem Fall in der Verfügung über seinen Nachlass vollständig und endgültig frei.“

S. starb 2006 und hinterließ eine Lebensgefährtin und zwei Kinder, die Beteiligten zu 1) und 2). Seine Mutter/die Ehefrau des Erblassers starb am 11. Sept. 2007.

Die Lebensgefährtin des Sohnes S. machte nach dem Tode von dessen Mutter für die Beteiligten zu 1) und 2) Pflichtteilsansprüche geltend. Nach deren Abwicklung testierte der Erblasser am 30. Dez. 2007 handschriftlich, sein Nachlass werde zu gleichen Teilen unter den Beteiligten zu 1) bis 3) aufgeteilt.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben gestützt auf den Erbvertrag einen Erbschein als Erben nach dem Erblasser zu je ½ beantragt.

Die Beteiligte zu 3) ist dem unter Berufung auf dessen handschriftliches Testament vom 30. Dez. 2007 entgegengetreten.

Sie hat geltend gemacht, der Erblasser sei durch den Erbvertrag nicht gehindert gewesen, frei zu verfügen. Nach § 3 des Erbvertrages habe für den Fall, dass einer der Abkömmlinge den Pflichtteil forderte, dieser auch von dem Längstlebenden nur den Pflichtteil erhalten und der Längstlebende in der Verfügung über seinen Nachlass frei sein sollen. Diese Voraussetzung sei hier gegeben.

Zwar befinde sich im Testament ein handschriftlicher Zusatz, der darauf hindeute, dass insoweit der Sohn S. gemeint gewesen sei. Es sei jedoch (diesseits) nicht klar, wer diesen Hinweis vorgenommen habe. Es sei Absicht der Parteien des Erbvertrages gewesen, zu verhindern, dass pflichtteilsberechtigte Erben den Pflichtteil verlangten. Es bestehe kein Grund, die Ersatzerben von S. anders zu behandeln, als ihn selbst. In beiden Fällen sei der überlebende Ehegatte in gleichem Maße schutzwürdig.

Sie bestreite mit Nichtwissen, dass der handschriftliche Zusatz durch den Notar(vertreter) auf Anweisung der Testierenden erfolgt sei. Diese Handhabe sei völlig ungewöhnlich. Für diesen Fall wäre normalerweise die Urkunde in ihrem Text neu errichtet und vom Notar(vertreter) unterschrieben worden.

Das Nachlassgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss angekündigt, dass es beabsichtige, den von den Beteiligten zu 1) und 2) beantragten Erbschein zu erteilen.

Es hat näher dargelegt, aus welchen Gründen der Erblasser nicht berechtigt gewesen sei, abweichend vom Erbvertrag zu testieren.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 3). Sie meint, nicht sie müsse beweisen, dass der handschriftliche Zusatz im Erbvertrag auf Anweisung der Testierenden erfolgt sei. Vielmehr müssten die Antragssteller das beweisen, weil ihnen das zugute komme. Ihnen obliege es auch, zu beweisen, dass die Urkunde vor Unterzeichnung durch den Notar geändert worden sei.

Im übrigen deute der Umstand, dass die Eheleute ihren Erbvertrag nach dem Tode ihres Sohnes nicht angepasst hätten, darauf hin, dass beide davon ausgingen, die Bindungswirkung sei entfallen.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

II.

Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 3) ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht beabsichtigt das Nachlassgericht, den Beteiligten zu 1) und 2) den von ihnen beantragten Erbschein als Erben zu je ½ aufgrund des Erbvertrages vom 11. Okt. 1984 zu erteilen.

Nach dessen § 2 sind die Beteiligten zu 1) und 2) als Abkömmlinge des vorverstorbenen Sohnes S. nach dem Verhältnis der gesetzlichen Erbfolge, also zu je ½ als alleinige Erben des Erblassers als Längstlebenden berufen.

Es kann hingegen nicht festgestellt werden, dass der Erblasser nach § 3 des Erbvertrages berechtigt gewesen ist, anders zu testieren (wie im Testament vom 30. Dez. 2007 geschehen).

Nach der dort getroffenen Regelung sollte der Längstlebende ausdrücklich nur dann zur freien Verfügung über seinen Nachlass befugt sein, wenn der Sohn S. den Pflichtteil geltend machen würde. Die zuvor vorgesehene allgemeinere Regelung, dies gelte dann wenn „einer unserer Abkömmlinge … den Pflichtteil fordern“ sollte, ist so gerade nicht beurkundet, sondern dahin einschränkend geändert worden, dass dies nur dann gelte, wenn S. den Pflichtteil fordere.

Die Beteiligte zu 3) kann nicht mit Erfolg geltend machen, es sei nicht klar, wer diesen Hinweis/diese Änderung vorgenommen habe.

Richtig ist allerdings, dass für den handschriftlichen Zusatz/die handschriftliche Änderung im notariellen Erbvertrag nicht die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde gilt. Denn weil diese Änderungen sich auf den Inhalt der beurkundeten Erklärung auswirken, erforderten sie entweder einen Randvermerk mit gesonderter Unterschrift des Notars oder einen Vermerk am Schluss der Niederschrift vor der Unterschrift des Notars (vgl. BGH NJW 1994, 2768, Rdnr. 7; Staudinger/Hertel, BGB, Neubearbeitung 2012, §§ 127a und 128 BeurkG, Anm. 379). Fehlt bei Änderungen ein Vermerk oder die Unterschrift des Notars, so beeinträchtigt dies die Wirksamkeit der Beurkundung nicht. Jedoch werden die fehlerhaften Änderungen nicht von der Beweiskraft der Urkunde nach § 415 Abs. 1 ZPO erfasst (Staudinger, a.a.O.).

Fehlt der Urkunde mithin die Richtigkeitsvermutung, so ist sie insgesamt frei zu würdigen. Das hindert freilich nicht, ihr im Einzelfall die in den §§ 415 – 418 ZPO vorgeschriebene Beweiswirkung beizumessen. Jedoch unterliegt die Beweisführung hier keinen Einschränkungen. Der Gegenbeweis ist also zulässig, wenn das Gericht die Urkunde für beweiskräftig gehalten hat (MüKo/Schreiber, ZPO, 4. Aufl., 2012, § 419, 4 m.N.).

Allerdings lässt allein das Fehlen der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit noch nicht den Schluss zu, bei der Hinzufügung bzw. Änderung handele es sich um eine Fälschung der Urkunde (BGH, a.a.O., Rdnr. 8). Denn es fehlt bereits an einer plausiblen Erklärung für eine solche Fälschung der Urkunde durch den Notarvertreter und es bestehen keine nachvollziehbaren Gründe dafür, dass die vom Notarvertreter nicht unterschriebene Änderung erst nachträglich in die Urkunde aufgenommen worden ist. Auch die Beteiligte zu 3) kann insoweit keine handgreiflichen Anhaltspunkte anführen.

Mithin ist auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die in Rede stehende Änderung von den Parteien des Erbvertrages gewollt und veranlasst worden ist. Deshalb ist der Erblasser nicht dadurch von der Bindungswirkung befreit, dass die Beteiligten zu 1) und 2) nach dem Tode seiner Ehefrau ihren Pflichtteil geltend gemacht haben.

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 3) kann aus dem Umstand, dass die Eheleute ihren Erbvertrag nach dem Tode ihres Sohnes nicht angepasst haben, nicht geschlossen werden, beide seien davon ausgegangen, die Bindungswirkung sei entfallen. Denn der Erbvertrag regelt gerade diesen Fall dahin, dass die Abkömmlinge des Sohnes an seine Stelle treten sollten. Auch hierauf erstreckt sich die Bindungswirkung. Ob die Eheleute nach dem Tode ihres Sohnes sich die Frage der Bindungswirkung ihres Erbvertrages gestellt haben, ist rein spekulativ, kann aber dahinstehen, denn jedenfalls haben sie den Erbvertrag in diesem Punkt gerade nicht geändert.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 3) beruht auf § 84 FamFG.

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