Nach dem Tod eines Mannes forderten dessen Erbinnen eine an eine andere Frau ausgezahlte Lebensversicherungssumme von 11.418 Euro zurück, da sie die Schenkung widerrufen hatten. Trotz einer klaren Einsetzung als Begünstigte und erfolgter Auszahlung sah das Gericht keinen gültigen Schenkungsgrund für die Empfängerin.
Übersicht
- Das Urteil in 30 Sekunden
- Die Fakten im Blick
- Der Fall vor Gericht
- Worum ging es im Streit um die Lebensversicherung des Verstorbenen?
- Welche Forderungen stellten die Erbinnen der verstorbenen Versicherungsnehmerin?
- Wie argumentierte die Bezugsberechtigte vor Gericht?
- Wie entschied das Landgericht Frankenthal im Fall der Riester-Rentenversicherung?
- Welche rechtlichen Grundlagen sind für die Auszahlung einer Lebensversicherung entscheidend?
- Warum scheiterte ein Schenkungsvertrag nach dem Tod des Versicherungsnehmers?
- Warum gab es keinen gültigen Schenkungsvertrag zu Lebzeiten des Erblassers?
- Warum wurden die Anwaltskosten der Erben nicht erstattet?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was passiert mit meiner Lebensversicherung, wenn das Bezugsrecht widerrufen wird?
- Kann ich als Erbe eine ausgezahlte Lebensversicherung zurückfordern?
- Muss ein Schenkungsversprechen für meine Lebensversicherung notariell beurkundet werden?
- Wie können Erben eine Schenkung der Lebensversicherung verhindern?
- Wann werden meine Anwaltskosten bei einem Streit um die Lebensversicherung erstattet?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 O 165/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Urteil in 30 Sekunden
- Das Problem: Ein Mann hatte eine Lebensversicherung auf den Todesfall für eine Frau abgeschlossen. Seine Erben wollten das Geld nach seinem Tod für sich beanspruchen. Die Frau hatte die Versicherungsleistung jedoch bereits erhalten und wollte sie nicht zurückgeben.
- Die Rechtsfrage: Durfte die Frau das Geld aus der Lebensversicherung behalten, obwohl die Erben die Schenkung an sie widerrufen hatten?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht entschied, dass die Frau das Geld an die Erben zurückzahlen musste. Die Erben hatten den Auftrag zur Schenkung an den Versicherer vor der Auszahlung rechtzeitig widerrufen.
- Die Bedeutung: Wenn Erben eine Schenkung über eine Lebensversicherung vor der Auszahlung an den Begünstigten widerrufen, muss dieser das Geld zurückgeben. Ein vages Schenkungsversprechen zu Lebzeiten ist als Rechtsgrund oft nicht ausreichend.
Die Fakten im Blick
- Gericht: Landgericht Frankenthal
- Datum: 27.09.2022
- Aktenzeichen: 8 O 165/22
- Verfahren: Klageverfahren
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Schenkungsrecht, Bereicherungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Erbinnen eines Verstorbenen. Sie forderten von der Beklagten die Herausgabe einer ausgezahlten Lebensversicherungssumme.
- Beklagte: Eine Frau, die als Bezugsberechtigte einer Lebensversicherung des Verstorbenen eingetragen war. Sie weigerte sich, die erhaltene Versicherungssumme an die Erbinnen herauszugeben.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Der Erblasser hatte die Beklagte für den Todesfall als Bezugsberechtigte einer Riester-Rentenversicherung eingesetzt. Nach seinem Tod widerriefen die Erbinnen das Schenkungsangebot an die Versicherung, doch die Beklagte erhielt die Leistung ausgezahlt.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Durfte die eingetragene Bezugsberechtigte die Lebensversicherungsleistung behalten, obwohl die Erben das Schenkungsangebot des Verstorbenen an den Versicherer vor der Auszahlung widerrufen hatten und zu Lebzeiten des Verstorbenen kein eindeutiger Schenkungsvertrag zustande kam?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Die Beklagte wurde zur Zahlung der Versicherungssumme an die Klägerinnen verurteilt; die Forderung nach vorgerichtlichen Anwaltskosten wurde abgewiesen.
- Zentrale Begründung: Die Beklagte erhielt die Leistung ohne Rechtsgrund, da die Erben den Auftrag des Verstorbenen an den Versicherer, die Leistung als Schenkung zu überbringen, wirksam widerrufen hatten und ein Schenkungsvertrag zu Lebzeiten des Erblassers mangels Bestimmtheit nicht bestand.
- Konsequenzen für die Parteien: Die Beklagte muss die Versicherungsleistung nebst Zinsen an die Klägerinnen zahlen und die Kosten des Rechtsstreits tragen; die Klägerinnen erhalten keine Erstattung ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Der Fall vor Gericht
Worum ging es im Streit um die Lebensversicherung des Verstorbenen?
Ein Fall vor dem Landgericht Frankenthal (Az.: 8 O 165/22, Urteil vom 27.09.2022) beleuchtete eine wichtige Frage im Erbrecht und Versicherungsrecht: Was passiert mit einer Lebensversicherung, wenn der ursprünglich Begünstigte die Auszahlung erhält, die Erben des Verstorbenen aber meinen, das Geld stehe ihnen zu?

Im Zentrum des Streits stand eine Riester-Rentenversicherung, die ein unverheirateter und kinderloser Mann im Jahr 2015 abgeschlossen hatte. Für den Todesfall hatte der Versicherungsnehmer, also der Mann, eine bestimmte Frau als alleinige Empfängerin der Versicherungsleistung, die sogenannte Bezugsberechtigte, eingesetzt. Dieses Bezugsrecht war widerruflich, das heißt, der Mann hätte es jederzeit ändern können. Als der Versicherungsnehmer im Mai 2021 verstarb, traten seine Erbinnen, zwei Frauen, deren Vater der Alleinerbe gewesen wäre, ins Spiel. Der Vater hatte das Erbe ausgeschlagen, weshalb die beiden Frauen zu gleichen Teilen erbten.
Nachdem die Erbinnen die Erbschaft angetreten hatten, erklärten sie umgehend gegenüber dem Versicherer, der G. Lebensversicherung AG, den Widerruf des Schenkungsversprechens bezüglich aller vom verstorbenen Versicherungsnehmer abgeschlossenen Versicherungen. Sie handelten damit als seine Rechtsnachfolgerinnen. Dennoch erhielt die ursprünglich als Bezugsberechtigte eingesetzte Frau Ende Mai 2022 den Betrag von 11.418,40 € aus der Riester-Rentenversicherung ausgezahlt. Die Erbinnen forderten sie daraufhin zur Rückzahlung auf, doch die Frau lehnte dies ab. So landete der Fall vor Gericht, wo die Erbinnen die Auszahlung der Summe sowie die Erstattung ihrer Anwaltskosten forderten.
Welche Forderungen stellten die Erbinnen der verstorbenen Versicherungsnehmerin?
Die Erbinnen beantragten vor dem Landgericht Frankenthal die Rückzahlung der Lebensversicherungsleistung, die an die Frau ausgezahlt worden war. Sie verlangten konkret 11.418,40 Euro nebst Zinsen. Ihre Hauptargumentation war, dass die Frau diesen Betrag ohne einen gültigen rechtlichen Grund erhalten habe. Da sie als Erbinnen den Auftrag des Verstorbenen an den Versicherer, das Geld als Schenkung zu übermitteln, vor der tatsächlichen Auszahlung widerrufen hätten, sei kein wirksamer Schenkungsvertrag zustande gekommen. Daher sei die Frau zur Herausgabe des Geldes verpflichtet.
Zusätzlich zu der Versicherungsleistung forderten die Erbinnen auch die Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.085,60 Euro, ebenfalls mit Zinsen. Sie begründeten dies damit, dass das Verhalten der Frau, die Versicherungsleistung einzuziehen, als treuwidrig und schikanierend anzusehen sei und ihnen dadurch dieser Schaden entstanden sei. Kurz gesagt, die Erbinnen wollten das Geld, das sie als Teil des Erbes ansahen, zurück und zusätzlich die Kosten erstattet haben, die ihnen entstanden waren, um diesen Anspruch durchzusetzen.
Wie argumentierte die Bezugsberechtigte vor Gericht?
Die Frau, die die Versicherungsleistung erhalten hatte, forderte die Abweisung der Klage. Ihre Verteidigung baute auf mehreren Punkten auf: Sie führte an, dass sie in Bezug auf die Riester-Rentenversicherung von den Erbinnen nicht explizit zur Freigabe aufgefordert worden sei, bevor der Versicherer ihr die Summe auszahlte. Sie war der Ansicht, dass mit der Auszahlung der Versicherungsleistung ein gültiger Schenkungsvertrag zwischen ihr und dem verstorbenen Versicherungsnehmer zustande gekommen sei. Das würde bedeuten, sie hätte das Geld mit einem rechtlich anerkannten Grund erworben und sei daher nicht zur Herausgabe verpflichtet.
Um ihre Beziehung zum Verstorbenen und die mutmaßliche Schenkungsabsicht zu untermauern, schilderte die Frau, dass sie den Versicherungsnehmer bereits 2013 kennengelernt habe. Sie habe ihm häufig im Haushalt und bei täglichen Verrichtungen geholfen, wodurch sich eine Freundschaft entwickelt habe. Insbesondere trug sie vor, der Mann habe ihr gegenüber im Februar 2015 konkret geäußert, er werde sie im Falle seines Vorversterbens „mit der Auszahlung aus einer noch abzuschließenden Versicherung bedenken“, da sie viel für ihn getan habe und er keine näheren Verwandten besitze. Sie habe daraufhin ihre Freude über diese Zusage ausgedrückt, da sie selbst nur eine geringe Rente erwarte. Für dieses Gespräch benannte sie zwei Zeugen. Ihre Argumentation zielte also darauf ab, das Vorhandensein eines wirksamen Schenkungsvertrages zu beweisen, der ihr das Recht gab, das Geld zu behalten.
Wie entschied das Landgericht Frankenthal im Fall der Riester-Rentenversicherung?
Das Landgericht Frankenthal gab den Erbinnen in Bezug auf die Rückzahlung der Versicherungsleistung Recht. Es verurteilte die Frau, die den Betrag erhalten hatte, zur Zahlung von 11.418,40 Euro an die Erbinnen als Gesamtgläubigerinnen, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2022. Dies bedeutet, dass die Frau das Geld an die Erbinnen zurückzahlen musste.
Die Klage der Erbinnen auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wurde jedoch abgewiesen. Hier sah das Gericht keine Grundlage für eine Erstattung. Die Frau musste die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen. Das Urteil wurde als vorläufig vollstreckbar erklärt, was bedeutet, dass die Erbinnen es gegen eine Sicherheitsleistung durchsetzen könnten, auch wenn die Frau Berufung einlegen sollte. Der Streitwert des Verfahrens wurde auf 11.418,40 Euro festgesetzt.
Welche rechtlichen Grundlagen sind für die Auszahlung einer Lebensversicherung entscheidend?
Das Landgericht Frankenthal stützte seine Entscheidung auf die Rechtsgrundsätze der ungerechtfertigten Bereicherung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Eine Person ist ungerechtfertigt bereichert, wenn sie etwas erhält, für das es keinen gültigen rechtlichen Grund (sogenanntes Valutaverhältnis) gibt. In solchen Fällen muss das Erlangte zurückgegeben werden.
Das Gericht erklärte, dass derjenige, der im Todesfall als Bezugsberechtigter einer Lebensversicherung eingesetzt wurde, einen unmittelbaren Anspruch auf die Leistung des Versicherers erwirbt, sobald der Versicherungsfall (der Tod des Versicherungsnehmers) eintritt. Das ist in § 159 Absatz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) geregelt. Der Versicherer ist also zur Auszahlung an den Bezugsberechtigten verpflichtet, sobald der Versicherungsnehmer stirbt.
Doch selbst wenn der Bezugsberechtigte das Geld vom Versicherer erhält, muss für das Verhältnis zwischen dem Bezugsberechtigten und den Erben des Verstorbenen ein Rechtsgrund bestehen, der das Behalten des Geldes rechtfertigt. Dieser Rechtsgrund ist in der Regel eine Schenkung. Dabei unterscheidet das Gericht zwei Hauptszenarien, wie eine solche Schenkung wirksam werden kann:
- Prämortaler Schenkungsvertrag (Schenkung zu Lebzeiten): Hierbei schließt der Versicherungsnehmer zu seinen Lebzeiten einen Vertrag mit der begünstigten Person, dass diese die Versicherungsleistung im Todesfall als Geschenk erhalten soll. Eine solche Schenkung bedarf grundsätzlich der notariellen Beurkundung nach § 518 Absatz 1 Satz 1 BGB, um gültig zu sein. Fehlt diese Form, ist der Vertrag formnichtig, also unwirksam. Diese Formnichtigkeit kann jedoch unter bestimmten Umständen „geheilt“ werden: Wenn die Schenkung durch den Tod des Versicherungsnehmers und den bis dahin nicht erklärten Widerruf der Bezugsberechtigung tatsächlich bewirkt wird (§ 518 Absatz 2 BGB). In diesem Fall erwirbt der Bezugsberechtigte den Anspruch mit Rechtsgrund, und die Erben können dies nicht mehr verhindern. Die Auszahlung des Geldes ist dann nicht die Schenkung selbst, sondern die Erfüllung des bereits bestehenden Schenkungsvertrages.
- Postmortaler Schenkungsvertrag (Schenkung nach dem Tod): Wenn zu Lebzeiten kein wirksamer Schenkungsvertrag geschlossen wurde, dann ist die Bestimmung eines Bezugsberechtigten im Versicherungsvertrag als ein konkludenter Auftrag (juristisch: Botenauftrag) an den Versicherer zu verstehen. Der Versicherer soll dem Begünstigten nach dem Tod des Versicherungsnehmers das Schenkungsangebot des Verstorbenen überbringen. Ein solcher Botenauftrag erlischt nicht mit dem Tod des Auftraggebers (§ 672 Satz 1 BGB). Der Versicherer erfüllt diesen Auftrag meist, indem er die Versicherungssumme auszahlt. Diese Auszahlung stellt dann das Angebot des Schenkungsvertrages dar, das der Begünstigte durch Annahme des Geldes stillschweigend annehmen kann. Die Erben des Versicherungsnehmers können diesen Botenauftrag jedoch widerrufen, bevor der Versicherer das Schenkungsangebot an den Begünstigten überbracht hat (§§ 1922 Absatz 1, 671 Absatz 1 BGB). Geht dieser Widerruf dem Versicherer vor der Übermittlung des Schenkungsversprechens zu, kann danach kein wirksamer Schenkungsvertrag mehr zustande kommen.
Das Gericht betonte außerdem, dass ein Schenkungsversprechen bestimmt genug sein muss. Nach § 516 Absatz 1 BGB muss klar sein, was geschenkt werden soll. Fehlt es an dieser Bestimmtheit – also den „essentialia negotii“, den wesentlichen Vertragsbestandteilen –, ist der Vertrag von vornherein unwirksam. Die Heilungsvorschrift des § 518 Absatz 2 BGB behebt nur Formfehler, nicht aber das Fehlen einer klaren Bestimmung des Schenkungsgegenstandes.
Warum scheiterte ein Schenkungsvertrag nach dem Tod des Versicherungsnehmers?
Das Landgericht stellte fest, dass im vorliegenden Fall kein wirksamer postmortaler Schenkungsvertrag zustande gekommen war. Dies lag daran, dass die Erbinnen des verstorbenen Versicherungsnehmers den Botenauftrag, den der Mann dem Versicherer zur Übermittlung des Schenkungsangebots erteilt hatte, rechtzeitig widerrufen hatten.
Die Erbinnen hatten den Widerruf des Schenkungsversprechens durch ein Anwaltsschreiben vom 8. Juli 2021 direkt an den Versicherer, die G. Lebensversicherung AG, gerichtet. Dieses Schreiben bezog sich ausdrücklich auch auf die Riester-Rentenversicherung, um die es in diesem Rechtsstreit ging. Der Zugang dieses Widerrufes beim Versicherer wurde von der Beklagten nicht bestritten und in einem parallelen Gerichtsverfahren sogar durch eine Zeugin bestätigt.
Mit dem Zugang des Widerrufes beim Versicherer erlosch der Botenauftrag des verstorbenen Versicherungsnehmers endgültig (§ 671 Absatz 1 BGB). Das bedeutet, der Versicherer durfte das Angebot der Schenkung nicht mehr im Namen des Verstorbenen an die Frau übermitteln. Obwohl die Frau erst im Februar 2022 vom Versicherer über die Situation informiert und die Auszahlung der Versicherungsleistung an sie Ende Mai 2022 erfolgte, konnte zu diesem Zeitpunkt kein wirksamer Schenkungsvertrag mehr entstehen. Der „Überbringer der Schenkung“, also der Versicherer, war durch den Widerruf der Erbinnen gestoppt worden, bevor er das „Angebot“ an die Frau übermittelte. Somit fehlte ein Rechtsgrund für die Auszahlung der Lebensversicherung nach dem Tod des Versicherungsnehmers.
Warum gab es keinen gültigen Schenkungsvertrag zu Lebzeiten des Erblassers?
Die Frau konnte sich auch nicht erfolgreich auf einen Schenkungsvertrag berufen, der bereits zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers geschlossen worden wäre. Ein solcher Vertrag hätte durch den Tod des Mannes geheilt werden können, selbst wenn er nicht notariell beurkundet gewesen wäre. Das Gericht prüfte die von der Frau vorgetragene Äußerung des Versicherungsnehmers aus dem Februar 2015, dass er sie „bei seinem Vorversterben mit der Auszahlung aus einer noch abzuschließenden Versicherung bedenken werde.“
Das Landgericht kam zu dem Schluss, dass diese Äußerung nicht die wesentlichen Merkmale (essentialia negotii) eines Schenkungsversprechens erfüllte. Es fehlte an einer ausreichend bestimmten Angabe des Schenkungsgegenstandes. Der Mann hatte nicht konkret benannt, um welche Versicherung es sich handeln sollte oder welche genaue Summe sie erhalten würde. Er sprach lediglich von „einer noch abzuschließenden Versicherung“. Eine derart unbestimmte Ankündigung hätte selbst dann nicht wirksam notariell beurkundet werden können, wenn der Mann dies gewollt hätte (§ 518 Absatz 1 BGB).
Die Heilungsvorschrift des § 518 Absatz 2 BGB, die Formmängel behebt, kann nicht das grundlegende Fehlen einer Bestimmtheit des Schenkungsgegenstandes ausgleichen. Erst als der Versicherungsnehmer später die Versicherungen tatsächlich abschloss und die Frau als Bezugsberechtigte einsetzte, konkretisierte sich seine Absicht. Die Frau hatte jedoch nicht dargelegt, dass der Versicherungsnehmer sie nach dieser Konkretisierung nochmals über seine nun spezifische Entscheidung informiert und ihr ein konkretes Schenkungsversprechen unterbreitet hätte, das sie hätte annehmen können. Ohne diese Information und Annahme kam zu Lebzeiten kein wirksamer, heilungsfähiger Schenkungsvertrag zustande. Daher konnte sie sich nicht auf eine Schenkung berufen, die bereits vor dem Tod des Versicherungsnehmers wirksam geworden wäre.
Warum wurden die Anwaltskosten der Erben nicht erstattet?
Obwohl die Erbinnen mit ihrer Hauptforderung auf Rückzahlung der Versicherungsleistung Erfolg hatten, wies das Landgericht ihren Antrag auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ab. Das Gericht fand keine rechtliche Grundlage für diesen Anspruch.
Ein wichtiger Grund für die Ablehnung war, dass die Erbinnen nicht nachweisen konnten, dass sich die Frau, die das Geld erhalten hatte, bereits im Verzug befand, als die Anwälte der Erbinnen mandatiert wurden. Verzug tritt ein, wenn jemand eine fällige Leistung trotz Mahnung nicht erbringt oder wenn die Leistung zu einem bestimmten, kalendermäßig bestimmbaren Zeitpunkt fällig war und nicht erfolgte.
Die frühere Korrespondenz der Anwälte der Erbinnen, insbesondere ein Schreiben vom 24. Februar 2022, bezog sich ausschließlich auf einen anderen Versicherungsvertrag (Versicherungs-Nr. 49), hinsichtlich dessen die Frau dem Herausgabeverlangen auch nachgekommen war. Die bloße Beifügung des Widerrufsschreibens an den Versicherer (vom 8. Juli 2021) als Anlage zu einem Schreiben, das sich nur auf die andere Versicherung bezog, reichte nicht aus, um die Frau bezüglich der Riester-Rentenversicherung in Verzug zu setzen.
Das Gericht stellte auch fest, dass die Frau dem Versicherer gegenüber berechtigt war, die Versicherungsleistung einzuziehen. Ihr Verhalten war also gegenüber dem Versicherer nicht zu beanstanden. Schließlich waren die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nach dem Widerrufsschreiben vom 8. Juli 2021 an den Versicherer entstanden. Die Anwälte waren bereits zu diesem Zeitpunkt beauftragt worden, die Riester-Rentenversicherung zur Erbmasse zu ziehen. Die Kosten waren somit nicht die Folge eines angeblich treuwidrigen oder schikanierenden Verhaltens der Frau nach der Auszahlung des Geldes, sondern bereits auf die frühere Mandatierung zur Sicherung des Erbanspruchs zurückzuführen. Aus all diesen Gründen bestand kein Anspruch der Erbinnen auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Die Urteilslogik
Wenn ein Verstorbener eine Lebensversicherung hinterlässt, entscheidet ein klarer Rechtsgrund, ob der Begünstigte das Geld behalten darf oder die Erben es zurückfordern können.
- Rechtsgrund für Bezugsberechtigung: Eine Auszahlung aus einer Lebensversicherung an einen im Todesfall Begünstigten muss gegenüber den Erben immer einen wirksamen Rechtsgrund, wie eine vollzogene Schenkung, besitzen.
- Widerruf des Schenkungsangebots: Erben können den Botenauftrag, den der Verstorbene dem Versicherer zur Übermittlung eines Schenkungsangebots erteilt hat, wirksam widerrufen, bevor der Versicherer die Leistung an den Begünstigten auszahlt.
- Bestimmtheit von Schenkungsversprechen: Ein Schenkungsversprechen erfordert von Beginn an eine klare Benennung des Schenkungsgegenstandes; allgemeine oder unbestimmte Absichtserklärungen genügen dieser Anforderung nicht, selbst wenn die Leistung später erfolgt.
Das Zusammenspiel von Erbrecht und Schenkungsrecht fordert präzise Regelungen, um den Willen des Verstorbenen rechtssicher umzusetzen und die Ansprüche der Erben zu wahren.
Benötigen Sie Hilfe?
Stehen Sie vor Fragen zum Erbenanspruch auf Lebensversicherungsleistungen? Lassen Sie sich zu Ihrer rechtlichen Situation beraten.
Das Urteil in der Praxis
Für jeden, der Verträge aufsetzt, sollte dieses Urteil ab sofort zur Pflichtlektüre gehören. Es schlägt mit ernüchternder Klarheit eine Bresche in die vermeintliche Sicherheit eines bloßen Bezugsrechts bei einer Lebensversicherung und unterstreicht die gewaltige Macht der Erben. Wer als Erbe die Versicherungsleistung für die Erbmasse sichern will, muss blitzschnell und präzise handeln, indem er den „Botenauftrag“ gegenüber dem Versicherer widerruft. Dieses Urteil ist ein klares Signal: Eine einfache Begünstigung ist keine Garantie, wenn zu Lebzeiten keine wasserdichte Schenkung erfolgte und die Erben nach dem Tod des Erblassers entschlossen agieren.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was passiert mit meiner Lebensversicherung, wenn das Bezugsrecht widerrufen wird?
Wird bei einer Lebensversicherung das widerrufliche Bezugsrecht widerrufen, bevor die Versicherungssumme an den Begünstigten ausgezahlt wurde, fällt das Geld in den Nachlass des Verstorbenen. Juristen nennen dies den Entfall des Rechtsgrundes für die Auszahlung: Der Versicherer hatte keine Berechtigung mehr, die Summe an den ursprünglich Begünstigten zu leisten, sobald der Widerruf durch die Erben bei ihm einging. Eine einfache Stornierung.
Der Grund: Der verstorbene Versicherungsnehmer erteilt dem Versicherer mit der Benennung eines Bezugsberechtigten eine Art „Botenauftrag“. Der Versicherer soll nach dem Tod des Versicherungsnehmers ein Schenkungsangebot an den Begünstigten übermitteln. Doch als dessen Rechtsnachfolger können die Erben diesen „Botenauftrag“ jederzeit widerrufen. Stellen Sie sich vor, Sie beauftragen einen Lieferdienst, ein Geschenk zu überbringen. Stornieren Sie den Auftrag, bevor das Geschenk ausgeliefert wurde, darf der Lieferdienst es nicht mehr zustellen. Das Geschenk bleibt Ihr Eigentum.
Genau das erlebte das Landgericht Frankenthal. Erbinnen eines verstorbenen Mannes widerriefen den Botenauftrag bei dessen Riester-Rentenversicherung direkt beim Versicherer, noch bevor die Zahlung an die ursprünglich Begünstigte erfolgte. Obwohl die Begünstigte das Geld später erhielt, musste sie es vollständig zurückzahlen. Das Gericht sah die Auszahlung als ungerechtfertigte Bereicherung, da der Rechtsgrund durch den rechtzeitigen Widerruf der Erbinnen entfallen war.
Verstehen Sie die immense Tragweite eines widerruflichen Bezugsrechts und der Widerrufsmöglichkeit durch die Erben.
Kann ich als Erbe eine ausgezahlte Lebensversicherung zurückfordern?
Ja, als Erbe können Sie eine bereits ausgezahlte Lebensversicherung zurückfordern, wenn die Begünstigung ohne wirksamen Rechtsgrund erfolgte. Juristen nennen das ungerechtfertigte Bereicherung. Entscheidend ist, ob dem Begünstigten das Geld tatsächlich als Schenkung zustand oder ob die Auszahlung an ihn gestoppt werden konnte. Dies ist oft ein komplexes Zusammenspiel von Versicherungs- und Erbrecht.
Das Gesetz macht klare Vorgaben: Erhält jemand eine Leistung ohne Rechtsgrund, muss er sie zurückgeben. Dies nennen Juristen ungerechtfertigte Bereicherung. Bei Lebensversicherungen gibt es zwei Wege für eine Begünstigung: Entweder wurde der Vertrag mit dem Begünstigten zu Lebzeiten als Schenkung vereinbart, was notariell beurkundet sein muss. Oder der Verstorbene hat dem Versicherer einen „Botenauftrag“ erteilt.
Der Landgericht Frankenthal zeigte kürzlich, wie wichtig der Zeitpunkt ist. Erbinnen eines Verstorbenen widerriefen den „Botenauftrag“ an den Versicherer, das Geld auszuzahlen. Ihr Schreiben an die G. Lebensversicherung AG erreichte den Versicherer, bevor das Geld floss. Obwohl der ursprüngliche Wunsch des Verstorbenen bestand, die Frau zu bedenken, gab es keine formgültige Schenkung zu Lebzeiten – die Ankündigung war zu unbestimmt.
Prüfen Sie daher akribisch, ob ein gültiger Schenkungsvertrag existierte oder der Botenauftrag rechtzeitig von den Erben widerrufen wurde.
Muss ein Schenkungsversprechen für meine Lebensversicherung notariell beurkundet werden?
Ja, ein Schenkungsversprechen über eine Leistung aus Ihrer Lebensversicherung bedarf grundsätzlich der notariellen Beurkundung, um rechtlich bindend zu sein. Diese Formpflicht soll den Schenker vor übereilten Entscheidungen schützen und Rechtssicherheit schaffen. Allerdings kann ein Formfehler geheilt werden: Sobald die zugesagte Schenkung durch den Todesfall und die tatsächliche Auszahlung bewirkt ist, gilt das Versprechen auch ohne Notar als gültig, sofern es nicht zuvor widerrufen wurde.
Das Gesetz macht klare Vorgaben, wenn jemand etwas verspricht, das er ohne Gegenleistung geben will. Juristen nennen das ein Schenkungsversprechen (§ 518 Abs. 1 S. 1 BGB). Ohne notarielle Beurkundung ist so ein Versprechen zunächst unwirksam. Doch das deutsche Recht bietet eine Hintertür: Hat der Schenker die zugesagte Leistung erbracht, beispielsweise indem die Lebensversicherungsleistung nach seinem Tod an den Begünstigten ausgezahlt wird, dann ist der Formmangel nachträglich geheilt (§ 518 Abs. 2 BGB). Die Schenkung ist dann wirksam, und die Erben haben keine Chance mehr, sie zurückzufordern.
Gerichte prüfen sehr genau, ob eine solche Schenkung zu Lebzeiten überhaupt zustande kam. War die ursprüngliche Zusage zu unbestimmt – etwa nur die Rede von „einer noch abzuschließenden Versicherung“ ohne konkrete Summe oder Art – fehlt den Vertragswesentlichkeiten die notwendige Klarheit. Selbst eine spätere Auszahlung heilt diesen Mangel nicht. Andererseits können Erben ein Schenkungsangebot, das erst nach dem Tod des Versicherungsnehmers übermittelt werden soll (ein sogenannter Botenauftrag an den Versicherer), widerrufen. Geht der Widerruf beim Versicherer ein, bevor das Geld fließt, ist die Schenkung vom Tisch.
Planen Sie eine Schenkung über Ihre Lebensversicherung, lassen Sie sich beraten, um teure Formfehler und spätere Anfechtungen zu vermeiden.
Wie können Erben eine Schenkung der Lebensversicherung verhindern?
Erben verhindern eine Schenkung der Lebensversicherung, indem sie den „Botenauftrag“ des Verstorbenen an den Versicherer rechtzeitig widerrufen. Dieser Schritt muss erfolgen, bevor der Versicherer das Schenkungsangebot an den Bezugsberechtigten übermittelt oder die Versicherungsleistung auszahlt. Eine solche postmortale Schenkung lässt sich somit erfolgreich abwehren.
Juristen nennen die Bestimmung eines Bezugsberechtigten im Versicherungsvertrag einen „Botenauftrag“. Der Versicherer soll nach dem Tod des Versicherungsnehmers das Schenkungsangebot des Verstorbenen überbringen. Das Absurde: Dieses Angebot wird erst nach dem Tod des Erblassers wirksam übermittelt. Stell dir vor, du könntest eine Überweisung stoppen, bevor das Geld beim Empfänger ankommt – genau das ist hier die Chance der Erben.
Das Landgericht Frankenthal (Az.: 8 O 165/22) zeigte, wie entscheidend der Zeitpunkt ist. Die Erbinnen widerriefen den Botenauftrag der Riester-Rentenversicherung schriftlich beim Versicherer. Obwohl die Bezugsberechtigte später die Auszahlung erhielt, urteilte das Gericht: Die Auszahlung erfolgte ohne gültigen Rechtsgrund. Der Grund: Der Widerruf der Erbinnen kam vor der Übermittlung des Schenkungsangebots an die Begünstigte an. Die Begünstigte musste das Geld zurückzahlen, da kein wirksamer Schenkungsvertrag zustande gekommen war.
Erben müssen sofort nach Kenntnis des Todesfalls und der Bezugsberechtigung handeln. Ein schriftlicher Widerruf an den Versicherer ist entscheidend – idealerweise mit anwaltlicher Unterstützung.
Wann werden meine Anwaltskosten bei einem Streit um die Lebensversicherung erstattet?
Ihre Anwaltskosten bei einem Streit um die Lebensversicherung werden nur unter bestimmten Voraussetzungen von der Gegenseite erstattet. Eine Erstattung steht Ihnen in der Regel zu, sobald sich die Gegenseite bereits im Verzug befindet – also eine fällige Leistung trotz Mahnung nicht erbringt – oder wenn die Beauftragung Ihres Anwalts direkt durch schuldhaftes Verhalten der Gegenseite verursacht wurde. Ohne diese Bedingungen bleiben Sie auf Ihren Kosten sitzen.
Warum ist das so? Das Gesetz macht klare Vorgaben: Außergerichtliche Anwaltskosten sind ersatzfähig, wenn der Gegner zum Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts bereits in Verzug war oder seine Pflichtverletzung die Kosten unmittelbar ausgelöst hat. Stellen Sie sich vor, Sie mahnen eine fällige Rechnung an; erst wenn der Schuldner dann nicht zahlt, darf er die Kosten für Ihr anwaltliches Mahnschreiben tragen. Das Landgericht Frankenthal bestätigte dies kürzlich in einem Fall zur Lebensversicherung.
Dort scheiterte die Forderung der Erbinnen auf Erstattung ihrer Rechtsanwaltskosten. Der Grund: Die Begünstigte der Lebensversicherung befand sich zum Zeitpunkt der Beauftragung der Anwälte bezüglich dieser spezifischen Versicherung noch nicht in Verzug. Eine frühere Korrespondenz bezog sich auf einen anderen Vertrag. Die Kosten waren vielmehr Ausdruck einer früheren strategischen Mandatierung zur Sicherung des Erbanspruchs, nicht Folge eines treuwidrigen Verhaltens nach Erhalt der Zahlung.
Wer Anwaltskosten im Streit um die Lebensversicherung erstattet bekommen möchte, muss den Zeitpunkt und die klare Zuordnung der Pflichtverletzung exakt dokumentieren. Lassen Sie sich unbedingt beraten, wann eine Kostenübernahme realistisch ist.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Bezugsrecht
Bezugsrecht beschreibt im Versicherungsvertrag das Recht einer bestimmten Person, die Versicherungsleistung im Leistungsfall direkt vom Versicherer zu erhalten. Dieses Recht ist entweder widerruflich oder unwiderruflich festgelegt. Das Gesetz ermöglicht dem Versicherungsnehmer dadurch, über seinen Tod hinaus eine Person direkt zu begünstigen, ohne dass die Leistung Teil des Nachlasses wird. Es schafft damit eine klare und schnelle Auszahlungsmodalität für den Begünstigten.
Beispiel: Obwohl der Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall eine Frau als Bezugsberechtigte seiner Riester-Rentenversicherung eingesetzt hatte, konnte ihr das Geld wegen des Widerrufs der Erbinnen später wieder entzogen werden, da das Bezugsrecht widerruflich war.
Botenauftrag
Einen Botenauftrag nutzen Juristen, um zu erklären, wie ein Versicherungsnehmer dem Versicherer stillschweigend aufträgt, nach seinem Tod ein Schenkungsangebot an den Begünstigten der Lebensversicherung zu überbringen. Er funktioniert wie ein Nachrichtenübermittler für eine postmortale Schenkung. Diese Konstruktion ermöglicht es, dass Schenkungen auch über den Tod hinaus wirksam werden können, selbst wenn sie zu Lebzeiten nicht notariell beurkundet wurden. Erben haben aber die Möglichkeit, diesen Auftrag zu stoppen, bevor das Angebot den Begünstigten erreicht.
Beispiel: Die Erbinnen des verstorbenen Mannes konnten den Botenauftrag an die G. Lebensversicherung AG rechtzeitig widerrufen, wodurch das Schenkungsangebot die ursprünglich Bezugsberechtigte nicht mehr wirksam erreichte.
Essentialia negotii
Als Essentialia negotii bezeichnen Juristen die wesentlichen Vertragsbestandteile oder den Mindestinhalt eines Vertrages, ohne die kein wirksames Rechtsgeschäft zustande kommen kann. Diese Festlegung sorgt für Klarheit und verhindert, dass vage Absichtserklärungen als bindende Verträge gelten. Sie sichert die rechtliche Bestimmtheit von Vereinbarungen.
Beispiel: Dem Schenkungsversprechen zu Lebzeiten fehlten die Essentialia negotii, weil der Schenkungsgegenstand – welche Versicherung und welche Summe – nicht ausreichend bestimmt war.
Formnichtigkeit
Eine Formnichtigkeit liegt vor, wenn ein Rechtsgeschäft, das einer bestimmten Formvorschrift unterliegt, diese nicht einhält und deshalb unwirksam ist. Das Gesetz schreibt bestimmte Formen vor, etwa die notarielle Beurkundung bei Schenkungsversprechen, um die Beteiligten vor übereilten Entscheidungen zu schützen und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Eine solche Nichtigkeit kann in Ausnahmefällen jedoch geheilt werden, wenn die Leistung erbracht wird.
Beispiel: Die Schenkung der Lebensversicherungsleistung an die Begünstigte wäre zunächst formnichtig gewesen, weil die mündliche Zusage des Verstorbenen nicht notariell beurkundet wurde.
Ungerechtfertigte Bereicherung
Eine ungerechtfertigte Bereicherung liegt vor, wenn jemand auf Kosten eines anderen einen Vermögensvorteil erlangt hat, für den es keinen gültigen Rechtsgrund gibt. Das Gesetz will damit sicherstellen, dass niemand ohne rechtliche Grundlage auf Kosten eines anderen bereichert wird und ermöglicht die Rückforderung des Erlangten. Es stellt somit ein wichtiges Korrektiv im Rechtsverkehr dar.
Beispiel: Die Frau musste die Auszahlung der Lebensversicherungsleistung als ungerechtfertigte Bereicherung an die Erbinnen zurückzahlen, weil der Botenauftrag zuvor rechtzeitig widerrufen wurde und somit ein Rechtsgrund fehlte.
Verzug
Verzug ist ein Zustand im Schuldrecht, bei dem ein Schuldner eine fällige Leistung trotz Mahnung oder nach Eintritt eines kalendermäßig bestimmten Termins nicht erbringt. Diese Regelung dient dazu, Druck auf den Schuldner auszuüben und dem Gläubiger den Ersatz des durch die Verzögerung entstandenen Schadens zu ermöglichen, beispielsweise in Form von Anwaltskosten.
Beispiel: Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Erbinnen wurden nicht erstattet, weil die Gegenseite zum Zeitpunkt der Anwaltsbeauftragung hinsichtlich der Riester-Rentenversicherung noch nicht in Verzug war.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB)
Wenn jemand etwas ohne einen gültigen Rechtsgrund erhalten hat, muss er es an denjenigen zurückgeben, dem es eigentlich zusteht.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Erbinnen forderten die Rückzahlung der Versicherungsleistung, da die Empfängerin ihrer Ansicht nach keinen wirksamen Rechtsgrund, wie etwa eine gültige Schenkung, besaß, um das Geld zu behalten. - Schenkungsversprechen und Formerfordernis (§ 518 BGB)
Ein Versprechen, jemandem etwas zu schenken, bedarf grundsätzlich der notariellen Beurkundung, kann aber auch ohne diese Form gültig werden, wenn die Schenkung tatsächlich vollzogen wird.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht prüfte, ob eine Schenkung bereits zu Lebzeiten des Verstorbenen wirksam wurde und durch die spätere Auszahlung „geheilt“ werden konnte, verneinte dies aber aufgrund fehlender Bestimmtheit des Geschenks. - Widerruf eines Auftrags (§ 671 Abs. 1 BGB)
Ein Auftrag kann vom Auftraggeber jederzeit widerrufen werden, bevor der Auftrag vollständig ausgeführt wurde.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Da die Benennung der Bezugsberechtigten im Versicherungsvertrag als ein Auftrag des Verstorbenen an den Versicherer verstanden wurde, konnten die Erbinnen als seine Rechtsnachfolgerinnen diesen Auftrag wirksam widerrufen, bevor die Versicherungsleistung tatsächlich an die Frau ausgezahlt wurde. - Bestimmtheitsgrundsatz bei Rechtsgeschäften (Allgemeines Rechtsprinzip)
Der Inhalt eines Vertrags muss so präzise und eindeutig formuliert sein, dass die wesentlichen Bestandteile (wie der Gegenstand der Schenkung) klar ersichtlich sind.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Eine von der Beklagten behauptete Schenkungszusage des Verstorbenen zu seinen Lebzeiten wurde vom Gericht als unwirksam angesehen, weil der Schenkungsgegenstand – nämlich welche Versicherung und welche Summe – nicht ausreichend konkret benannt war. - Voraussetzungen des Schuldnerverzugs (§ 286 BGB)
Eine Person gerät in Verzug, wenn sie eine fällige Leistung nicht erbringt, obwohl sie gemahnt wurde oder die Leistung zu einem feststehenden Zeitpunkt fällig war.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht lehnte die Forderung der Erbinnen nach Erstattung ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten ab, da die Empfängerin des Geldes sich zum Zeitpunkt der Beauftragung der Anwälte noch nicht im Verzug befand und ihr Verhalten nicht als schuldhafte Pflichtverletzung gewertet werden konnte.
Das vorliegende Urteil
LG Frankenthal – Az.: 8 O 165/22 – Urteil vom 27.09.2022
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Dr. jur. Christian Gerd Kotz ist Notar in Kreuztal und seit 2003 Rechtsanwalt. Als versierter Erbrechtsexperte gestaltet er Testamente, Erbverträge und begleitet Erbstreitigkeiten. Zwei Fachanwaltschaften in Verkehrs‑ und Versicherungsrecht runden sein Profil ab – praxisnah, durchsetzungsstark und bundesweit für Mandanten im Einsatz.
