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Ehegattentestament mit Schlusserbeneinsetzung der Abkömmlinge – Bindungswirkung

Ehegattentestament: Schlusserbeneinsetzung bindet auch nach Zuwendungsverzicht

Das OLG Hamm bestätigte, dass aufgrund eines Ehegattentestaments und eines späteren Verzichts einer Erbin, der Beteiligte zu 1) als Alleinerbe nach der Erblasserin gilt. Trotz eines späteren handschriftlichen Testaments der Erblasserin sind die testamentarischen Verfügungen und deren Bindungswirkungen maßgeblich für die Erbfolge.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-15 W 503/14 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Ehegattentestament von 1980: Die Eheleute setzen sich gegenseitig als Erben ein und bestimmen ihre Kinder A und C als Nacherben, während Tochter B nur den gesetzlichen Pflichtteil erhalten soll.
  2. Verzichtserklärung von Tochter C: 2001 verzichtet C notariell auf ihr Erb- und Pflichtteilsrecht, wodurch ihr Erbteil an A anwächst.
  3. Keine Ersatzerben-Berufung für C’s Abkömmlinge: Der Verzicht von C erstreckt sich auch auf ihre Abkömmlinge, wodurch diese als Ersatzerben ausscheiden.
  4. Bindungswirkung des Ehegattentestaments: Nach dem Tod des Ehemannes konnte die Erblasserin nicht durch ein neues Testament die Erbfolge ändern, da das Ehegattentestament bindend war.
  5. Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzungen: Das Gericht erkennt eine gegenseitige Abhängigkeit der Verfügungen im Testament, wodurch die Bindungswirkung auch den durch Verzicht angewachsenen Erbteil umfasst.
  6. Anwachsung des Erbteils an A: Durch den Verzicht von C wächst ihr Erbteil A zu, der somit Alleinerbe wird.
  7. Ablehnung der Beschwerden von Beteiligten zu 2) und 3): Ihre Ansprüche auf den Erbteil werden zurückgewiesen, da die testamentarischen Verfügungen Vorrang haben.
  8. Kostenentscheidung und Nachlasswert: Die Kosten des Verfahrens werden anteilig den Beteiligten zu 2) und 3) auferlegt, und der Wert des Nachlasses wird auf 100.000 € festgesetzt.

Das Ehegattentestament: Ein Schlüsselinstrument im Erbrecht

Das Ehegattentestament spielt eine entscheidende Rolle im deutschen Erbrecht, insbesondere wenn es um die Schlusserbeneinsetzung der Abkömmlinge und die damit verbundene Bindungswirkung geht. Dieses juristische Instrument ermöglicht es Ehepartnern, ihre Nachlassangelegenheiten gemeinsam zu regeln, und bietet eine spezifische Form der Nachlassgestaltung, die in bestimmten Familienkonstellationen zum Tragen kommt. Die Regelungen eines solchen Testaments und ihre Auswirkungen auf die Erbfolge sind oft Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen und Interpretationen, insbesondere bei der Testamentsauslegung und in Bezug auf das Pflichtteilsrecht.

In unserem Fall geht es um die spezifische Anwendung und Konsequenzen eines solchen Testaments, einschließlich der Aspekte wie Zuwendungsverzicht und dessen Auswirkungen auf die Nachlassregelung. Die Komplexität solcher Fälle zeigt sich in der Vielschichtigkeit der beteiligten Interessen und rechtlichen Feinheiten, die sowohl das Familienvermögen als auch die Rechte einzelner Erben betreffen. Die Entscheidungen und Urteile in solchen Fällen können oft wegweisend für die Handhabung ähnlicher Situationen in der Zukunft sein und verdeutlichen die Bedeutung einer sorgfältigen und umsichtigen Testamentserstellung.

Das Ehegattentestament und seine Bindungskraft: Ein Fallbeispiel vom OLG Hamm

Das Oberlandesgericht Hamm hatte einen komplexen Fall zu entscheiden, der die Kernthemen Ehegattentestament, Schlusserbeneinsetzung und Bindungswirkung umfasste. Der Fall betraf eine Familie, in der aus der Ehe von E und dem vorverstorbenen M drei Kinder hervorgegangen waren: A, B und C. Ein wesentliches Element in diesem Fall war ein Ehegattentestament, das die Eheleute am 4. Januar 1980 errichtet hatten. In diesem Testament setzten sie sich gegenseitig als Erben ein und bestimmten ihre Kinder A und C als Nacherben, während Tochter B aufgrund ihres Verhaltens lediglich den gesetzlichen Pflichtteil erhielt.

Zuwendungsverzicht und seine Folgen im Erbrecht

Ein entscheidender Wendepunkt in der Erbfolge trat ein, als C im Jahr 2001 auf ihr Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtete. Sie tat dies in einem notariellen Vertrag,in dem sie erklärte, aufgrund von Zahlungen, die sie bereits von der Erblasserin erhalten hatte, aus der Erbfolge nach der Erblasserin ausscheiden zu wollen. Dieser Zuwendungsverzicht von C hatte weitreichende Folgen, da er sich nicht nur auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht bezog, sondern auch auf ihre testamentarische Einsetzung als hälftige Erbin im Ehegattentestament von 1980.

Die rechtliche Tragweite der Bindungswirkung im Ehegattentestament

Die rechtliche Tragweite dieses Falls ergibt sich aus der Bindungswirkung des Ehegattentestaments. Nach dem Tod ihres Ehemannes war die Erblasserin E durch die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments gehindert, durch eine einseitige letztwillige Verfügung die Rechtsstellung des Beteiligten zu 1) als Alleinerben zu beeinträchtigen. Diese Bindungswirkung erstreckte sich auf den gesamten Erbanteil des Beteiligten zu 1), einschließlich des ihm durch den Zuwendungsverzicht angewachsenen Erbanteils, der ursprünglich der Tochter C zugedacht war.

Die Entscheidung des OLG Hamm und ihre Begründung

Das OLG Hamm entschied, dass der Beteiligte zu 1), aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments und des Zuwendungsverzichts seiner Schwester C, Alleinerbe nach der Erblasserin wurde. Die Gerichtsentscheidung basierte auf der Auslegung des Testaments und des notariellen Vertrages von 2001. Besonders hervorzuheben ist, dass das Gericht die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeinsetzung des Beteiligten zu 1) anerkannte. Diese Wechselbezüglichkeit, ein zentrales Element im Erbrecht, bezieht sich darauf, dass die Verfügungen im Testament in einer gegenseitigen Abhängigkeit stehen. Im vorliegenden Fall bezog sich dies auf die Schlusserbeinsetzung des Beteiligten zu 1), einschließlich der Anwachsungswirkung, die aus dem Verzicht der Tochter C resultierte.

Der Fall zeigt deutlich die Komplexität von Erbangelegenheiten, insbesondere wenn Ehegattentestamente und Zuwendungsverzichte involviert sind. Es unterstreicht auch die Bedeutung einer sorgfältigen Testamentserstellung und Nachlassregelung, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Dieser Fall ist nicht nur für Juristen und Erbrechtsexperten von Bedeutung, sondern bietet auch wertvolle Einsichten für Laien, die sich mit der Planung ihres eigenen Nachlasses befassen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist die rechtliche Bedeutung eines Ehegattentestaments?

Ein Ehegattentestament, auch als gemeinschaftliches Testament bekannt, ist eine Verfügung von Todes wegen, die nur von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern erstellt werden kann. Es ermöglicht den Partnern, ihren Nachlass gemeinsam zu regeln und die Aufteilung ihres Vermögens zu bestimmen.

Erstellung und Form

Ein Ehegattentestament kann handschriftlich verfasst oder von einem Notar aufgesetzt werden. Bei der handschriftlichen Erstellung muss jeder Ehepartner die gesamte Verfügung eigenhändig schreiben und unterschreiben. Wird das Testament nur von einem Ehepartner geschrieben und unterschrieben und hat der andere Ehegatte nur unterschrieben, ist es nur für den Schreiber gültig.

Inhalte und Wirkung

Im Ehegattentestament können die Ehepartner sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen, was bedeutet, dass der überlebende Ehepartner das gesamte Vermögen des verstorbenen Ehepartners erbt. Darüber hinaus können sie bestimmen, was nach dem Tod des überlebenden Ehepartners mit ihrem Vermögen geschehen soll.

Eine Sonderform des Ehegattentestaments ist das Berliner Testament, bei dem sich die Ehepartner zunächst gegenseitig als Alleinerben einsetzen und festlegen, dass nach dem Tod des überlebenden Ehepartners das Vermögen an gemeinsame Kinder oder andere im Testament benannte Erben geht.

Vor- und Nachteile

Ein Vorteil des Ehegattentestaments ist, dass es die gegenseitige Absicherung der Ehepartner ermöglicht. Ohne eine gemeinsame Regelung erbt der Partner gemäß gesetzlicher Erbfolge nur einen Teil des Vermögens, wenn es noch andere Erben gibt.

Ein Nachteil kann sein, dass Pflichtteilsberechtigte, wie zum Beispiel die gemeinsamen Kinder, im ersten Erbfall keinen Anteil vom Nachlasswert erhalten. Sie haben jedoch einen Pflichtteilsanspruch, und wenn dieser eingefordert wird, muss der hinterbliebene Partner den Pflichtteil auszahlen, was ein finanzielles Risiko für den Längerlebenden darstellen kann.

Gültigkeit und Widerruf

Ein Ehegattentestament kann von jedem Ehepartner widerrufen werden. Eine Scheidung führt dazu, dass der letzte Wille der Ehegatten unwirksam wird, es sei denn, dies wird ausdrücklich formuliert oder kann als gewünscht angenommen werden, zum Beispiel bei gemeinsamen Kindern.

Es ist ratsam, einen Rechtsanwalt oder Notar zu konsultieren, der bei der Formulierung des Testaments behilflich sein kann. Dabei sollten insbesondere Aspekte wie der Pflichtteil von gesetzlichen Erben oder die steuerlichen Auswirkungen des Testaments berücksichtigt werden.

Wie wirkt sich die Schlusserbeneinsetzung auf die Erbfolge aus?

Die Schlusserbeneinsetzung hat erhebliche Auswirkungen auf die Erbfolge. Der Schlusserbe ist derjenige, der nach dem Tod des letzten Erblassers das Vermögen erbt. Dies ist typischerweise in einem Berliner Testament der Fall, in dem sich Ehepartner gegenseitig als Alleinerben einsetzen und die Kinder als Schlusserben bestimmen.

In einem gemeinschaftlichen Testament, wie dem Berliner Testament, setzen sich Ehepartner gegenseitig als Alleinerben ein und enterben damit ihre Kinder, um den länger lebenden Ehepartner finanziell abzusichern. Erst nach dessen Ableben haben die Kinder Anspruch auf das Erbe. Als sogenannte Schlusserben steht ihnen dann das gesamte Vermögen des Erblassers zu.

Die Schlusserbeneinsetzung hat eine Bindungswirkung für beide Ehegatten. Das bedeutet, dass der überlebende Ehegatte in der Regel daran gebunden ist, dass die gemeinsamen Kinder als Schlusserben eingesetzt sind. Der überlebende Ehegatte wird Alleinerbe, kann aber niemand anderen als Erben einsetzen oder die Kinder mit anderen Erbquoten bedenken.

Ein Schlusserbe hat, im Gegensatz zur gesetzlichen Erbfolge, keine Möglichkeit der Ausschlagung des Erbes. Der Schlusserbe ist in rechtlicher Hinsicht kein Erbe an sich, er ist vielmehr als Verfügungsberechtigter des gemeinschaftlichen Vermögens anzusehen. Ein Schlusserbe erlangt erst dann den Status eines Erben, wenn der länger lebende Ehepartner des gemeinschaftlichen Testaments bzw. Erbvertrages ebenfalls verstirbt.

Sollte ein Schlusserbe vor dem letzten Erblasser sterben, wird der überlebende Ehepartner für den frei werdenden Anteil am Erbe von der Bindungswirkung des Berliner Testaments frei.

Es ist auch möglich, dass der überlebende Ehegatte trotz vereinbarter Bindungswirkung wirksam testamentarische Verfügungen treffen kann, wenn ein Schlusserbe wegfällt. Entscheidend ist, ob für den Fall des Vorversterbens des Schlusserben Ersatzerben eingesetzt wurden und sich die Bindungswirkung aus § 2270 Abs. 2 BGB auf diese Verfügung erstreckt.

Die Schlusserbeneinsetzung ist ein komplexes Thema und sollte mit einem Anwalt oder Notar besprochen werden, um sicherzustellen, dass die Wünsche des Erblassers korrekt umgesetzt werden.

Inwiefern beeinflusst ein Zuwendungsverzicht die testamentarisch festgelegte Erbfolge?

Ein Zuwendungsverzicht ist ein Verzicht des durch Verfügung von Todes wegen bedachten Erben oder Vermächtnisnehmers auf die Zuwendung. Dieser Verzicht kann die Bindung an einen Erbvertrag oder an ein Ehegatten-Testament beseitigen und dem Erblasser ermöglichen, wieder frei zu testieren.

Im Kontext eines Berliner Testaments, bei dem sich Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und die Kinder als Schlusserben bestimmen, kann ein Zuwendungsverzicht sinnvoll sein. Wenn der überlebende Ehegatte nach dem Tod des anderen die Schlusserbfolge ändern möchte, kann ein Zuwendungsverzicht eine Möglichkeit sein, dies zu erreichen.

Ein Zuwendungsverzicht führt weder zum Verlust des Erb- noch des Pflichtteilsrechts und erstreckt sich auch nicht auf die Abkömmlinge. Dies bedeutet, dass der Verzichtende weiterhin Anspruch auf seinen gesetzlichen Pflichtteil hat und seine Kinder oder Enkelkinder nicht durch seinen Verzicht beeinträchtigt werden.

Ein Zuwendungsverzicht muss notariell beurkundet werden, um wirksam zu sein. Dies stellt sicher, dass die rechtlichen Konsequenzen des Verzichts vollständig verstanden werden und dass der Verzicht freiwillig erfolgt.

In Bezug auf die Auswirkungen auf Pflichtteilsansprüche ist zu beachten, dass ein Zuwendungsverzicht nicht dazu führt, dass sich die Pflichtteilsquoten der übrigen gesetzlichen Erben erhöhen. Dies kann mehr Freiräume bei der Nachlassplanung schaffen.

In Bezug auf die Verteilung des Nachlasses kann ein Zuwendungsverzicht dazu führen, dass der Erblasser trotz bindender testamentarischer Verfügungen die Testierfreiheit für den Erbteil, auf den sich der Verzicht bezieht, zurück erhält. Dies bedeutet, dass der Erblasser das Recht hat, in einem neuen Testament frei darüber zu entscheiden, wie sein Vermögen im Erbfall verteilt werden soll.

Im Kontext des Berliner Testaments kann ein Zuwendungsverzicht dazu beitragen, die Bindung zu entschärfen und dem überlebenden Ehegatten mehr Flexibilität in Bezug auf die Schlusserbfolge zu ermöglichen.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Beschluss vom 28.01.2015 – Az.: I-15 W 503/14

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Die dem Beteiligten zu 1) in der Beschwerdeinstanz entstandenen außergerichtlichen Kosten haben die Beteiligten zu 2) und 3) jeweils zu ½ zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auf 100.000 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Aus der Ehe E mit dem vorverstorbenen M sind drei Kinder hervorgegangen: der Beteiligte A und seine Schwestern B und C. Die Beteiligte Y ist eine Tochter von C.

Die Eheleute errichteten am 4.01.1980 ein formwirksames Ehegattentestament, in dem sie unter Ziffer 1 die folgende Verfügung getroffen haben:

„Wir, die Eheleute M und E setzen uns gegenseitig zum Erben ein.

Als Nacherben im Sinne von § 2100 BGB und Erben des Überlebenden von uns setzen wir unsere Kinder A und C. Unsere Tochter B soll auf Grund ihres antifamiliären Verhaltens nur das gesetzlich festgelegte Erbteil bekommen. Der überlebende Ehegatte ist befreiter Vorerbe.“

Unter Ziffer 5 ihres Ehegattentestaments ordneten die Eheleute an, dass ein Kind, dass nach dem Tode des zuerst Versterbenden seinen Pflichtteil verlange, auch nach dem Tode des zuletzt Versterbenden nur den Pflichtteil erhalten solle.

Am 24.01.1991 errichteten die Eheleute gemeinsam eine als „Ergänzung unseres gemeinschaftlichen Testaments vom vierten Januar eintausend-neunhundertachtzig“ bezeichnete letztwillige Verfügung, in der sie „vorsorglich“ klarstellten, dass es sich bei dem dort unter Ziffer 1 der Tochter B zugedachten gesetzlich festgelegten Erbteil um den Pflichtteil handele und B keine Miterbin werden solle.

Nach dem Tod ihres Ehemannes wurde der E auf ihren Antrag ein Erbschein als befreite Vorerbin erteilt (AG Dortmund 11 VI 167/99).

Am 26.03.2001 schloss die Erblasserin E mit ihren Kindern A und C einen notariellen Vertrag, in dem die Vertragsbeteiligten erklärten, dass C in der Vergangenheit von der Erblasserin Zahlungen von insgesamt 150.000,00 DM erhalten habe. C wolle daher ihr Nacherbenrecht auf den A übertragen und aus der gesetzlichen Erbfolge nach der Erblasserin insgesamt ausscheiden sowie auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht nach der Erblasserin verzichten. …

C verstarb im Februar 2002.

Am 15.08.2013 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament, in dem sie die Beteiligten zu 2) und 3) zu ihren Erben bestimmte.

Die Erblasserin verstarb im November 2013.

In der notariellen Urkunde vom 10.02.2014 hat A, der Beteiligte zu 1), beantragt, einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben nach der Erblasserin ausweist.

Die Beteiligten zu 2) und 3) sind der Erteilung des Erbscheins entgegen getreten. Sie vertreten die Ansicht, dass sie die Erben der Erblasserin sind.

Durch Beschluss vom 30.10.2014 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – in Bezug auf den Antrag des Beteiligten zu 1) die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

Gegen diesen ihnen jeweils am 5.11.2014 zugestellten Beschluss richten sich die frist- und formgerecht eingelegten Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3).

Das Amtsgericht hat den Beschwerden durch Beschluss vom 19.11.2014 nicht abgeholfen und selbige dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des übrigen Sachverhaltes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Der Beschwerdewert von 600 Euro gemäß § 61 Abs. 1 FamFG ist erreicht.

In der Sache haben die Beschwerden keinen Erfolg.

Der Beteiligte zu 1) ist auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute vom 4.01.1980 in Verbindung mit dem von seiner Schwester C in der notariellen Urkunde vom 26.03.2001 erklärten Zuwendungsverzicht Alleinerbe nach der Erblasserin geworden.

In ihrem gemeinschaftlichen Ehegattentestament vom 4.01.1980 haben die Eheleute ihre Kinder A, den Beteiligten zu 1), und C zu Erben des Letztversterbenden berufen. Die Erbeinsetzung der Tochter C ist dadurch weggefallen, dass diese in dem notariellen Vertrag vom 26.03.2001 auf diese testamentarische Berufung verzichtet hat. Die Auslegung dieses Vertrages ergibt, dass der dort vereinbarte entgeltliche Verzicht sich nicht lediglich auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht bezieht, sondern auch die testamentarische Erbeinsetzung in dem Testament vom 04.01.1980 umfasst.

C hat in dem mit der Erblasserin und dem Beteiligten zu 1) geschlossenen notariellen Vertrag vom 26.03.2001 erklärt, dass sie im Hinblick auf von der Erblasserin in der Vergangenheit erhaltene Zahlungen von 150.000 DM und weitere avisierte Zahlungen von 30.000 DM insgesamt aus der Erbfolge nach der Erblasserin ausscheiden will. Der von ihr unter Ziffer III dieser notariellen Urkunde erklärte Erbverzicht bezieht sich daher nicht nur auf ein etwaiges gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht, sondern auch auf die allen Vertragsbeteiligten bekannte Einsetzung als hälftige Erbin nach der Erblasserin in dem gemeinschaftlichen Ehegattentestament vom 4.1.1980. Mit dem von ihr erklärten Zuwendungsverzicht ist C als Erbin weggefallen (JurisPK-Ehm § 2094 Rn.6).

Die Abkömmlinge der Tochter C sind nicht testamentarisch als Ersatzerben berufen. Denn der Zuwendungsverzicht erstreckt sich auch auf die Abkömmlinge der Tochter C. Die Vorschrift des § 2352 BGB in ihrer seit 1. Januar 2010 geltenden neuen Fassung (Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts) verweist in ihrem Satz 3 auch auf § 2349 BGB, ordnet also dessen entsprechende Anwendung an. § 2349 BGB lautet: „Verzichtet ein Abkömmling oder ein Seitenverwandter des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, so erstreckt sich die Wirkung des Verzichts auf seine Abkömmlinge, sofern nicht ein anderes bestimmt ist“. Nach der neuen, ab 1. Januar 2010 geltenden Fassung des § 2352 BGB gilt (abweichend von der alten Rechtslage) mithin, dass sich ein Zuwendungsverzicht grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt, es sei denn, es ist von den Vertragsparteien des Verzichtsvertrages etwas anderes bestimmt. Die neue Fassung gilt für alle Erbfälle ab 1. Januar 2010 (Art. 229 § 23 Abs. 4 EGBGB) und damit. auch für den vorliegend zu beurteilenden Fall der Erbfolge nach der am 16.11.2013 verstorbenen Erblasserin (vgl. Staudinger-Schotten, BGB, Neubearbeitung 2010, § 2352 Rn.45 und Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, NJW-RR 2014, 1356).

Hier spricht alles dafür, dass eine Erstreckung jedenfalls nicht ausgeschlossen werden sollte, wie sich aus der ausdrücklichen Erwähnung der Erstreckungswirkung beim Verzicht auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht ergibt.

Der Wegfall der testamentarischen Erbeinsetzung der Tochter C mit Erstreckung auf ihre Abkömmlinge führt hier dazu, dass dieser Erbteil dem Beteiligten zu 1) gemäß § 2094 Abs. 1 BGB angewachsen ist. Für einen von den Ehegatten etwa gewollten Ausschluss der Anwachsung (§ 2094 Abs. 3 BGB), der hier nur durch Eintritt der gesetzlichen Erbfolge hinsichtlich dieses Erbteils denkbar wäre, ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Denn die Ehegatten haben ihre Erbfolge erkennbar abschließend durch testamentarische Erbeinsetzung unter Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge regeln wollen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass sie nur zwei ihrer drei Kinder zu Erben des Letztversterbenden berufen und darüber hinaus durch die Klarstellung in ihrem Testament vom 24.01.1991 ihre Tochter B ausdrücklich von der Erbfolge ausgeschlossen haben. Daraus folgt, dass es keinesfalls den Vorstellungen der testierenden Ehegatten entsprochen hätte, wenn hinsichtlich des der Tochter C zugedachten Erbteils infolge ihres Zuwendungsverzichtes gesetzliche Erbfolge eingetreten und auf diese Weise die Tochter B in die Erbengemeinschaft eingerückt wäre.

Die Erblasserin war nach dem Tod ihres Ehemannes durch die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments gehindert, durch eine einseitige letztwillige Verfügung die Rechtsstellung des Beteiligten zu 1) als Alleinerbe zu beeinträchtigen (§§ 2271 Abs. 2 S. 1, 2289 Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Bindungswirkung erstreckt sich auf den Erbanteil des Beteiligten zu 1) insgesamt einschließlich des ihm durch den Zuwendungsverzicht angewachsenen Erbanteils, der ursprünglich der Tochter C zugedacht war. Diese Bindungswirkung setzt voraus, dass die Einsetzung des Beteiligten zu 1) als Schlusserbe im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu der Einsetzung der Erblasserin als Vorerbin ihres erstverstorbenen Ehemannes steht (§ 2270 BGB). Die Testamentsauslegung führt hier zu dem Ergebnis, dass diese Wechselbezüglichkeit zu bejahen ist.

Die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeinsetzung des Beteiligten zu1) ergibt sich im Ausgangspunkt bereits aus der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB.

Nach § 2270 Abs. 2 BGB ist anzunehmen, dass M seine Ehefrau nur deshalb zur Vorerbin eingesetzt und damit seine Kinder enterbt hat, weil die Ehefrau/Erblasserin ihrerseits zwei der gemeinsamen Kinder zu ihren Erben berufen hat.

Nach dem Willen der testierenden Ehegatten erstreckt sich diese gegenseitige Abhängigkeit der Verfügungen nicht nur auf den dem Beteiligten zu 1) ursprünglich zugedachten, sondern auch auf den ihm infolge des Zuwendungsverzichtes zugewachsenen Erbanteil. Die Wechselbezüglichkeit bezieht sich auf die Schlusserbeinsetzung des Beteiligten zu 1) so wie sie in dem gemeinschaftlichen Testament vom 4.01.1980 verfügt worden ist und damit unter Einschluss der bereits dargestellten Anwachsungswirkung, die sich aus dem inneren Gefüge des Testaments insgesamt ergibt. Für den Fall, dass – wie auch hier – ein Ehegattentestament eine Pflichtteilsstrafklausel enthält und einer von mehreren Abkömmlingen durch ein Pflichtteilsverlangen die auflösende Bedingung seiner Schlusserbeinsetzung herbeiführt, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die auf diese Weise begründete Anwachsungswirkung bei den Erbanteilen der übrigen Abkömmlinge an der Bindungswirkung für den überlebende Ehegatten teilnimmt (BayObLG FGPrax 2004, 82, 84; Senat FGPrax 2011, 169, 170). Im vorliegenden Fall ist zwar die Anwachsungswirkung nicht durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung der Schlusserbeinsetzung entstanden, sondern durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zwischen der Erblasserin und der Tochter C. Die für den Zuwendungsverzicht vereinbarte Abfindung spricht jedoch maßgebend dafür, im Rahmen der Testamentsauslegung diese rechtsgeschäftliche Abwicklung mit den Rechtsfolgen eines Pflichtteilsverlangens gleich zu behandeln. Denn ein Abkömmling, der bereits zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten Vermögenswerte aus dem elterlichen Nachlass erhalten möchte, hat es bei bestehendem Einvernehmen in der Hand, den rechtsgeschäftlichen Weg zu wählen, der zu diesem Ergebnis führt. Für die Bewertung im Rahmen der Testamentsauslegung ist maßgebend, dass ein Ausgleich für die Wertminderung durch die zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten aus dem Nachlass abfließenden Vermögenswerte dadurch stattfindet, dass der weggefallene Erbanteil dem verbleibenden Schlusserben anwächst. Die in dem gemeinschaftlichen Testament angestrebte Verteilungsgerechtigkeit kann deshalb nur dadurch gewährleistet werden, dass der überlebende Ehegatte durch die Bindungswirkung gehindert ist, im Umfang des weggefallenen Erbanteils eine anderweitige letztwillige Verfügung zu errichten, insbesondere den durch Zuwendungsverzicht ausgeschiedenen Abkömmling selbst oder – wie hier – dessen weiteren Abkömmling oder Dritte testamentarisch zu bedenken.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 84 FamFG.

Mit ihren Beschwerden wollten die Beteiligten zu 2) und 3) jeweils einen hälftigen Erbanteil für sich beanspruchen. Sie haften mit diesem Anteil für die dem Beteiligten zu 1) in der Beschwerdeinstanz entstandenen außergerichtlichen Kosten.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 61 GNotKG.

Den Wert des Nachlasses der Erblasserin hat der Beteiligte zu 1) in seinem Erbscheinsantrag mit 100.000 € angegeben. Dieser Angabe ist kein Beteiligter entgegen getreten.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

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