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Ehegattentestament – Voraussetzungen für Annahme der Wechselbezüglichkeit

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 3 U 17/17 – Urteil vom 09.01.2018

Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 07.02.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Itzehoe sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Wege wechselseitiger Feststellungsanträge um das Erbrecht nach der am 11.2.2014 verstorbenen Frau E. E. (im Folgenden: Erblasserin). Die Erblasserin lebte in kinderloser Ehe mit ihren 2010 vorverstorbenen Ehemann U. E.. Die Erblasserin hatte 3 Geschwister, nämlich Frau I. H. und Herrn M. He. sowie einen weiteren bereits 2009 vorverstorbenen Bruder. Die Klägerinnen sind die Schwestern des Herrn U. E..

Die Erblasserin und ihr Ehemann errichteten unter dem 25.5.1994 ein handschriftliches Testament in dem es heißt:

„Wir, U. und E. E., setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.“

Sie verfassten zudem unter dem 06.02.1996 ein weiteres von ihnen unterzeichnetes handschriftliches Schriftstück mit folgendem Inhalt:

„Nachtrag

Nach dem Ableben des zuletzt verstorbenen Ehegatten geht das Vermögen je zur Hälfte an die Geschwister

Gertrud K. geb. E.

Frauke J. geb. E.

I. H. geb. H.

M. H.“

Nach dem Tod ihres Ehemannes ließ die Erblasserin zur UR-Nr. 1383/2011 des Notars D. B. in H. am 15.11.2011 ein Testament beurkunden lassen in dem es heißt:

㤠1

Ich widerrufe hiermit meine etwaigen früheren letztwilligen Verfügungen. Hierzu merke ich an, dass mein verstorbener Ehemann und ich uns darüber einig waren, dass der Testamentsnachtrag vom 6. Februar 1996 (AG Meldorf 44 IV 352/10) für den Längstlebenden von uns nicht verbindlich sein sollte. Der Längstlebende von uns sollte völlig frei sein, insbesondere auch von Todes wegen uneingeschränkt neu verfügen können.

§ 2

Zu meinen Erben setze ich zu gleichen Teilen ein: 1. Meinen Bruder M. H….

2. Meine Schwester I. H…..

3. Meine Cousine Ursel K….

4. Herrn Christian B….“

Frau K. verstarb 2015, die Beklagte zu 2 ist Ihre Alleinerbin.

Das Nachlassgericht erteilte auf Antrag der Klägerin zu 1 einen Erbschein, der die Klägerinnen gemeinsam zur Hälfte sowie Frau I. H. und Herrn M. H. gemeinsam zur Hälfte als Miterben der Erblasserin auswies. Der Beklagte zu 1 beantragte daraufhin unter Berufung auf das für wirksam gehaltene Testament der Erblasserin vom 15.11.2011, diesen Erbschein als unrichtig einzuziehen. Er hatte mit diesem Begehren im Beschwerdeverfahren vor dem Senat gemäß dessen Beschluss vom 11. Januar 2016, 3 Wx 95/15 (FamRZ 2016, 1306 ff) Erfolg. Auf die Bl. 55 ff d.A. enthaltene Kopie dieses Beschlusses wird Bezug genommen.

Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen erstinstanzlich beantragt, festzustellen, dass die Erblasserin von ihnen sowie von Frau I. H. und Herrn M. H. zu je ¼ auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute und dessen Nachtrag beerbt worden seien. Die Beklagten haben widerklagend beantragt, dass sie neben Frau I. H. und Herrn M. H. Miterben aufgrund der letztwilligen Verfügung der Erblasserin vom 15.11.2011 geworden seien.

Hinsichtlich der erstinstanzlichen Anträge der Parteien im Einzelnen und ihrem dortigen Vorbringen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unbegründet, weil die Erblasserin ihre letztwillige Verfügung vom 6.2.1996, nach der die Klägerinnen als Erben eingesetzt worden seien, mit ihrer Verfügung vom 15.11.2011 wirksam widerrufen habe. Der Widerruf sei möglich, weil es sich bei den hier maßgeblichen Verfügungen im Testament vom 6.2.1996 nicht um wechselbezügliche Verfügungen handele und diese auch nicht im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu einer Verfügung aus dem Testament vom 25.5.1994 stünden.

Es lasse sich auch im Wege der Auslegung nicht zweifelsfrei feststellen, dass die im Testament vom 6.2.1996 erklärten Erbeinsetzungen wechselbezüglich sein. Über ein unterstelltes gemeinsames Motiv der Eheleute hinaus – die hälftige Verteilung ihrer Vermögensmasse auf je einen Familienstamm – müssten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die eine Verfügung mit der Wirksamkeit der anderen Verfügung stehen und fallen solle. Solche Anhaltspunkte würden aber fehlen, zumal es keinen Erfahrungssatz gebe, dass die Einsetzung von Verwandten des anderen Ehegatten stets nur deshalb erfolge, weil umgekehrt der andere Ehegatte seinerseits Verwandte des testierenden Ehegatten als Schlusserben einsetze. Dabei könne dahinstehen, ob im konkreten Fall auch die Äußerungen der Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes als Auslegung relevanter Umstand berücksichtigt werden könne.

Auch eine Wechselbezüglichkeit zwischen der Schlusserbeneinsetzung der Klägerinnen durch die Erblasserin zu ihrer eigenen Einsetzung als Erbin des Ehemannes im Testament vom 25.5.1994 könne nicht eindeutig bejaht werden. Insoweit sei notwendig, dass dem späteren gemeinschaftlichen Testament ein Hinweis auf den Willen der Eheleute entnommen werden könne, dass das frühere gemeinschaftliche Testament im Sinne einer Wechselbezüglichkeit der seinerzeit angeordneten gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute mit der Einsetzung von Schlusserben ergänzt werden solle. Solches sei zwar auch denkbar, wenn die in Wechselbezüglichkeit zueinander stehenden Verfügungen in zeitlich nacheinander folgenden letztwilligen Verfügungen getroffen würden. Dann müsse aber dem späteren gemeinschaftlichen Testament ein Hinweis auf den Willen der Eheleute entnommen werden, dass das frühere gemeinschaftliche Testament im Sinne einer Wechselbezüglichkeit der seinerzeit angeordneten gegenseitigen Erbeinsetzung mit der Einsetzung von Schlusserben ergänzt werden solle. Das liege insbesondere dann nahe, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang der in verschiedenen Testamenten enthaltenen Verfügungen vorliege und das spätere Testament auch inhaltlich Bezug auf das frühere nehme. Ein solcher Wille der Erblasser sei vorliegend nicht mit ausreichender Deutlichkeit ersichtlich. Die Bezeichnung des späteren Testaments als Nachtrag genüge ebensowenig wie die Tatsache, dass sich beide Testamente möglicherweise inhaltlich ergänzten. Darüber hinausgehende Anhaltspunkte würden aber fehlen. Der Nachtrag enthalte bereits keinen ausdrücklichen Hinweis auf das Testament vom 25.5.1994. Zudem liege zwischen beiden Testamenten eine erhebliche Zeitspanne von mehr als 20 Monaten. Gleiches gelte für die Tatsache, dass der Nachtrag auf einem separaten Papier niedergeschrieben sei. Unabhängig von der späteren Äußerung der Erblasserin bei Errichtung ihres Testaments vom 15.11.2011 führe bereits eine Gesamtschau der Indizien dazu, dass von einer wechselbezüglichen Verknüpfung der Einsetzung der Erblasserin als Erbin ihres Ehemannes und der Schlusserbeneinsetzung der Geschwister des Ehemannes durch sie nicht zweifelsfrei ausgegangen werden könne.

Wechselbezüglichkeit ergebe sich auch nicht über die Zweifelsregel des § 2270 Abs. 2 BGB. Voraussetzung für die Anwendung der Norm bei verschiedenen, zeitlich und räumlich auseinanderliegenden Testamenten sei nämlich gerade, dass eine Wechselbezüglichkeit der Verfügungen im Rahmen der Auslegung ermittelt werden könne. Eine solche Auslegung sei vorliegend jedoch nicht möglich, sodass die Norm dann auch nicht zur Anwendung gelangen könne. Außerhalb der Zweifelsregel genügten bloße Wahrscheinlichkeiten nicht für die Annahme der Wechselbezüglichkeit.

Auch Frau H. und Herr H. könnten vor diesem Hintergrund nur auf der Grundlage der Verfügung vom 15.11.2011 Erben der Erblasserin geworden sein.

Die Widerklage sei zulässig weil die Feststellung, auf welcher Grundlage und zu welcher Quote die übrigen Miterben Erben geworden seien, die erbrechtliche Auseinandersetzung erleichtere und geeignet sei, weiteren Streit darüber zu vermeiden. Die Widerklage sei auch begründet, denn maßgebliche letztwillige Verfügung der Erblasserin sei deren Testament vom 15.11.2011.

Gegen diese Entscheidung des Landgerichts richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerinnen. Die Klägerinnen machen geltend:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei nicht die letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 15.11.2011 wirksam, sondern vielmehr die in der Gesamtschau als gemeinschaftliches Testament mit Bindungswirkung zu sehenden Testamente vom 25.5.1994 und 6.2.1996.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts könne im Wege der Auslegung schon der Verfügung vom 6.2.1996 Wechselbezüglichkeit zugerechnet werden und dies auch völlig eindeutig. Zu bedenken sei, dass zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments noch ein weiterer Bruder der Erblasserin, Herr A. H., gelebt habe, der erst 2009 verstorben sei. Damit sei das in 1. Instanz angeführte Argument, man habe lediglich alle Verwandten gleich bedacht, die einem alle gleich lieb wären, widerlegt. Die Ehegatten hätten hier formuliert, dass nach dem Ableben des zuletzt Verstorbenen von ihnen das Vermögen „je zur Hälfte“ an die Geschwister gehen sollten. Somit sei klar, dass nicht irgendwelche Personen nach Stämmen bedacht werden sollten. Nicht berücksichtigt werden könnten die Äußerungen der Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes in ihrem Testament vom 15.11.2011. Diese seien allein im Interesse der Erblasserin erfolgt. Ihnen dürfte gar kein Gewicht beigemessen werden. Der Ehemann der Erblasserin und Bruder der Klägerin U. E. sei Ende 1995 schwer erkrankt gewesen. In diesem Zusammenhang hätten die Eheleute darüber gesprochen, dass sie mit ihrem Testament vom 25.5.1994 ausreichend Vorsorge getroffen hätten. In dem Gespräch sei darauf hingewiesen worden, dass die Klägerin und ihr Ehemann ein sogenanntes Berliner Testament mit Schlusserbeneinsetzung der 3 Kinder vorgenommen hätten. Danach sei über diese Angelegenheit nicht mehr gesprochen worden. Der Nachtrag sei erstmals im Jahr 2010 bekannt geworden Herr U. E. sei erneut schwer am Herzen erkrankt gewesen. Die Erblasserin hätte dann der Klägerin zu 2 Testament und Nachtrag gezeigt. Umso erstaunter seien die Klägerinnen gewesen, als nach dem Tod des Herrn U. E. über das Amtsgericht mitgeteilt worden sei, dass die Erblasserin nur das Testament aus dem Jahr 1994 vorgelegt hätte. Ihre eidesstattliche Versicherung sei insoweit falsch gewesen. Es bedürfe nur geringer Fantasie, warum die Erblasserin dies getan habe. Der Notar B. habe dann mit Schreiben vom 11.10.2010 eine ergänzende eidesstattliche Erklärung der Erblasserin errichtet, in deren Folge auch der Nachtrag vom 6.2.1996 durch das Amtsgericht eröffnet worden sei. Der gleiche Notar habe dann für die Erblasserin das Testament vom 15.11.2011 errichtet. Zumindest indiziell könne festgehalten werden, dass die Erblasserin sich schon damals nicht mehr an die Verfügungen aus dem Jahr 1996 gebunden gefühlt habe. Daher sei in einer Gesamtschau aus der Verfügung vom 6.2.1996 schon Wechselbezüglichkeit zu entnehmen.

Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, müsse in jedem Fall die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung in Verbindung mit dem Testament vom 25.5.1994 gesehen werden. Die Wirkung des § 2270 Abs. 1 BGB könne auch nachträglich durch ein anderes gemeinschaftliches Testament herbeigeführt werden. Das Landgericht verweise auf einen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 26.1.1999 1Z BR 44/98. Die dortige Entscheidung beziehe sich aber auf einen Zeitraum von mehr als 2 Jahren und 9 Monaten zwischen den Verfügungen. Hier gehe es um einen Abstand von etwas mehr als einem Jahr und 8 Monaten. Das Landgericht begründe die Abweichung von der zeitlichen Grenze des Bayerischen Obersten Landesgerichts aber nicht. Die Bezugnahme auf jene Entscheidung sei wegen der Unterschiede unzulässig, denn in dem Leitsatz spreche das Bayerische Oberste Landesgericht eindeutig davon, dass ein solcher Zusammenhang des Motivs bei einem Abstand von mehr als 2 Jahren in Zweifel gezogen werden könne. Das liege hier nicht vor. Vor diesem Hintergrund sei in jedem Fall die Revision in dieser Angelegenheit zuzulassen.

Das Landgericht verweise dann darauf, dass ein nur wenige Tage oder Wochen nach Errichtung des 1. Testaments verfasster Nachtrag eher den Schluss auf die gewollte Wechselbezüglichkeit zulasse, als wenn das spätere Testament mehrere Monate danach errichtet worden sei. Warum dies so sein solle, begründe das Landgericht aber nicht.

Das Landgericht meine auch, es könne nicht mit Sicherheit geschlossen werden, ob sich der Nachtrag überhaupt auf das Testament vom 25.5.1994 beziehe, weil es weitere gemeinschaftliche eigene Testamente geben könne. Ein solcher Schluss verbiete sich aber, und zwar aufgrund der Ablieferungsverpflichtung des § 2259 BGB.

Letztlich spreche das Landgericht von den im Übrigen fehlenden Indizien für eine Wechselbezüglichkeit. Es meine, die Zeit von einem Jahr und 8 Monaten bei unzutreffendem Verweis auf die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und ebenso unzulässigem Hinweis auf weitere letztwilligen Verfügungen im Rahmen der Beurteilung des Begriffs „Nachtrag“ würde gegen eine Wechselbezüglichkeit sprechen. Das sei unrichtig. Im Ergebnis gebe es also keine vorhandenen Indizien gegen eine Wechselbezüglichkeit und diese sei damit anzunehmen. Somit liege ein Fall von § 2270 Abs. 1 BGB vor. Dies ergebe sich aus einer Gesamtschau der beiden Testamente.

Das Landgericht habe auch die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB fehlerhaft angewandt. Bei der Subsumtion hätte selbstverständlich das Testament vom 25.5.1994 mit heran gezogen werden müssen, was fehlerhaft unterlassen worden sei. Für den Zusammenhang des Motivs spreche gerade das Zusammenspiel der Verfügungen aus 1994 und 1996. Die Auslegung ergebe also die Abhängigkeit der 1. von der 2. Verfügung. Warum das nicht so sein solle, teile das Landgericht nicht mit. Der Begriff des Nachtrags sei insoweit eindeutig und verweise auf das Testament aus dem Jahre 1994.

Wenn das Landgericht die Klage auch deshalb für unbegründet halte, soweit Feststellung begehrt werde, dass Frau H. und Herr H. auf der Grundlage der Testamente von 1996 und 1994 Erben geworden seien, könne dies nicht nachvollzogen werden. Es sei schlicht falsch wenn das Landgericht meine, diese könnten nur auf der Grundlage der späteren Verfügung vom 15.11.2011 Erben geworden sein. Beide seien selbstverständlich auch im Testament von 1996 genannt und allein dieses Testament sei in Verbindung mit dem aus 1994 entscheidet. Das Landgericht habe keine Begründung für eine angebliche Unbegründetheit der Widerklage gegeben. Es werde auch wegen fehlerhafter Rechtsanwendung insbesondere des § 2270 Abs. 1 und 2 BGB beantragt, die Revision zuzulassen.

Die Klägerinnen beantragen, unter Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung festzustellen, dass die am 11.2.2014 in H. verstorbene Frau E. E., geborene H., von den Klägerinnen zu 1 und 2 aufgrund der Verfügung vom 6.2.1996 in Verbindung mit dem gemeinschaftlichen privatschriftlichen Testament vom 25.5.1994 zu je ¼ beerbt worden sind und Frau I. H. in B. und Herr M. H. inS., ebenfalls Erben zu ¼ nach der Erblasserin geworden sind;

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung lasse sich nicht erkennen.

Der Beklagte zu 1 macht zudem geltend:

Auch eine Klageabweisung als unzulässig mangels Feststellungsinteresses hätte erstinstanzlich schon nahe gelegen.

Die Berufung interpretiere den Beschluss des Senats im Erbscheinseinziehungsverfahren 3 Wx 95/15 fehl, der in der Literatur ausschließlich positive Bestätigung erfahren habe. Die Klägerinnen hätten nicht verstanden, dass es allein um die Frage gehe, ob der Testamentsnachtrag vom 6.2.1996 nach Auslegung unter Heranziehung auch äußerer und begleitender Umstände als wechselbezüglich und damit bindend anzusehen sei. Dies sei zu verneinen. Grundsätzlich verkenne die Berufung, dass nicht die Beklagten das Fehlen der Wechselbezüglichkeit belegen müssten. Durch die Wechselbezüglichkeit ergebe sich nämlich eine Einschränkung der Testierfreiheit, die angesichts der Grundgesetzgarantie nur in engen Grenzen zulässig sei. Zweifel an der Wechselbezüglichkeit, die verbleiben würden, gingen deshalb zulasten dessen, der sich auf Wechselbezüglichkeit stützen möchte. Gänzlich fehl gehe mithin die Einschätzung der Berufung, aus dem Fehlen von Indizien gegen die Wechselbezüglichkeit ergebe sich das Vorliegen der Wechselbezüglichkeit.

Was die Wechselbezüglichkeit der Berufung von Geschwistern der Erblasserin und ihres Ehemannes in dem Nachtrag angehe, ergebe sich aus dem Umstand, dass noch ein weiterer Bruder des Ehemannes existiert habe, der nicht als Schlusserbe eingesetzt worden sei, nur, dass die Erblasserin und ihr Ehemann eben die Verwandten eingesetzt hätten, die ihnen gleich lieb gewesen sein. Die Existenz eines weiteren Verwandten könne deshalb zur Frage der Wechselbezüglichkeit keinen Aufschluss geben. Es gebe auch keinen Erfahrungssatz, wonach die Einsetzung von Verwandten des jeweils anderen Ehegatten für eine Wechselbezüglichkeit spreche.

Entgegen der unzutreffenden Auffassung der Berufung komme für die notwendige Auslegung eines gemeinschaftlichen Testamentes späteren Erklärungen des überlebenden Partners durchaus ein gravierendes Gewicht zu. Es sei der Regelfall, dass Eheleute ihr Testament ohne Beteiligung weiterer Personen errichten würden, deshalb stelle der überlebende Ehegatte die einzige Person dar, die den gemeinsamen Willen noch bezeugen könne. In den Anmerkungen zum Senatsbeschluss gehe Litzenburger sogar so weit, daraus die allgemeingültige Empfehlung abzuleiten, dass jeder Notar bei Unklarheiten bezüglich früher errichteter Verfügungen von Todes wegen dies in der Vorbemerkung thematisieren solle, um bei der Auslegung unklarer Verfügungen zu helfen. Soweit in der Berufung nunmehr offenbar aus der Erinnerung einer der Klägerinnen ein Gespräch mit dem Bruder und Erblasser im Zusammenhang mit der Erkrankung des Erblassers vorgebracht werde, sei das gänzlich unsubstantiiert und auch als neuer Vortrag nach § 531 ZPO nicht zuzulassen. Offensichtlich sei aber die Frage der Wechselbezüglichkeit auch nicht Gegenstand des Gesprächs gewesen. Die Erblasserin habe auch nicht bewusst gegen ihre Pflicht aus § 2259 BGB verstoßen, vielmehr spreche einiges dafür, dass sie sich erst später an den Nachtrag erinnert habe, als es zu Begehrlichkeiten Dritter gekommen sei.

Der Umstand, dass die Eheleute eine Bindungswirkung in dem Testament nicht erwähnt hätten, würde gegen eine gewollte Bindung sprechen. Der Begriff Nachtrag habe keinerlei Aussagekraft, weil auch ein gemeinschaftliches Testament sowohl wechselbezügliche Verfügungen als auch Verfügungen ohne Wechselbezüglichkeit enthalten könne. Die Erheblichkeit der Zeitspanne zwischen den Verfügungen sei indes durchaus maßgeblich. Bei zeitlich auseinanderliegenden Verfügungen sei anhand des Willens der Testierenden zu ermitteln, ob eine Gesamtregelung vorliege. Dabei könne nicht auf die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden, weil das Ergebnis dieser Auslegung vorgreiflich sei. An die Begründung einer Abhängigkeit seien hohe Anforderungen zu stellen. Gerade bei zeitlichem Abstand sei größte Zurückhaltung geboten, denn selten sei den Verfassern eigenhändiger gemeinschaftlicher Testamente bewusst, dass derartige Testamente überhaupt erbrechtliche Bindungswirkung entfalten könnten. Es müsste festgestellt werden können, dass die zunächst ohne Rücksicht auf die spätere Verfügung getroffene gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute durch das spätere Testament in der Weise modifiziert werden sollte, dass diese gegenseitige Erbeinsetzung nur noch mit Rücksicht auf die Verfügung des jeweils anderen Ehegatten im späteren Testament gelten sollte. Das lasse sich hier aber nicht feststellen und dafür sei von den Klägerinnen auch nichts vorgetragen worden. Eine Verknüpfung sei umso unwahrscheinlicher, je größer der zeitliche Abstand zwischen den beiden Testamenten liege. Selbst dann, wenn man von einem einheitlichen Testament durch eine nachträgliche Verbindung ausgehe, komme aber § 2270 Abs. 2 BGB nicht zur Anwendung, weil es an der grundsätzlichen Auslegung fehle, dass die Wechselbezüglichkeit wahrscheinlich sei und nur verbleibende Zweifel beseitigt werden müssten. Denn diese Regelung könne nur nach Auslegung noch verbliebene Zweifel beseitigen, nicht aber die Auslegung selbst eher ersetzen.

Die abschließenden Ausführungen zur angeblichen Unbegründetheit der Widerklage seien kaum nachvollziehbar.

Die Klägerinnen replizieren: Das Feststellungsinteresse liege vor. Es gebe keinen einfacheren oder schnelleren Weg zu einer rechtskräftigen Entscheidung hinsichtlich des Erbrechts zu kommen.

Der Nachtrag von 1996 könne sich nur auf die privatschriftliche Verfügung aus dem Jahr 1994 beziehen. Insoweit sei von Bedeutung und im Nachlassverfahren auch vom Landgericht nicht gewürdigt worden, dass in dem Nachtrag ausgeführt werde, was „nach dem Ableben des zuletzt verstorbenen Ehegatten“ geschehen solle. Das könne sich nur auf das gemeinschaftliche Testament vom 25.5.1994 beziehen, wobei sich auch aus der eidesstattlichen Versicherung der Erblasserin vom 11.10.2010 ergebe, dass neben der Verfügung vom 1994 nur die weitere Verfügung aus dem Jahr 1996 vorhanden sei.

Zwar ergebe sich die Wechselbezüglichkeit allein schon aus den Verfügungen in dem Testament von 1996 zueinander. Erst recht bestehe aber auch eine Wechselbezüglichkeit zwischen den Verfügungen des Testaments von 1994 und denen des Nachtrags. Soweit das Landgericht Hinweise auf einen entsprechenden Willen der Eheleute nicht gefunden habe, sei – wie schon vom Senat – übersehen worden, dass das spätere Testament nicht nur mit „Nachtrag“ überschrieben worden sei, sondern auch davon spreche, dass nunmehr Verfügungen „nach dem Ableben des zuletzt verstorbenen Ehegatten“ getroffen würden. Das sei der auch vom Senat vermisste Hinweis auf die Wechselbezüglichkeit, der im Übrigen auch die Anwendung der Zweifelsregel des § 2270 Abs. 2 BGB ermögliche. Denn durch diese Formulierungen sei das 1. Testament insoweit modifiziert worden, dass diese gegenseitige Erbeinsetzung nunmehr nur noch mit Rücksicht auf die Verfügung des jeweils anderen Ehegatten in dem späteren Testament gesehen werden könne.

Die abweichende Einlassung der Erblasserin in deren Testament vom 15.11.2011 könne dagegen zu Auslegungszwecken gerade nicht herangezogen werden. Sie sei unerheblich.

Was den zeitlichen Abstand zwischen den beiden Testamenten angehe, sei zu berücksichtigen, dass es hier nur um einen Zeitraum deutlich unterhalb von 2 Jahren gehe und zwar um eine unerheblich kurze Zeitspanne, während der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts eine Distanz von 2 Jahren und 8 Monaten zugrunde liege. Wenn hier dennoch angenommen werde, dass die Wechselbezüglichkeit wegen des kurzen zeitlichen Abstands problematisch sei, müsse die Revision zugelassen werden. Aus dem Umstand, dass das Testament von 1996 auf einem eigenen Papier formuliert worden sei, könne überhaupt kein Rückschluss gezogen werden. Damit ergebe sich die Wechselbezüglichkeit aus der Erklärung des Nachtrags selbst und auch in der Gesamtschau der beiden Urkunden.

Die Klägerin zu 1 könne darüber hinaus aus eigener Erinnerung erklären, dass nach schwerer Erkrankung ihres Bruders im Jahr 1995 und vor dessen Herzoperation am 9.2.1996 darüber nachgedacht worden sei, ob das Testament vom 25.5.1994 ausreichende Verfügungen enthalte. In den Gesprächen mit der Klägerin zu 1 und deren Ehemann sei dann über eine über die wechselseitige Erbeinsetzung hinausgehende Schlusserbeneinsetzung gesprochen worden. Es werde angeregt, die Klägerinnen zu 1 und 2 informatorisch durch das Gericht anzuhören.

Auch ohne diesen Vortrag verbleibe es aber dabei, dass die Erbeinsetzungen der jeweiligen Verwandten des anderen Ehegatten wechselbezüglich seien.

Auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerinnen hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen und der Widerklage zu Recht stattgegeben.

1.

An der Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Insbesondere fehlt es auch nicht an dem Feststellungsinteresse, § 256 Abs. 1 ZPO.

Allerdings hat sich der Senat bereits im Erbscheinseinziehungsverfahren mit den hier fraglichen Testamenten und der Frage befasst, welches Testament für die Erbfolge nach der Erblasserin maßgeblich ist (Beschluss vom 11.1.2016, 3 Wx 95/15, FamRZ 2016, 1306 ff, mit zustimmenden Anm. bzw. Kommentierungen von Litzenburger, FD-ErbR 2016, 376793, Sarres FamRB 2016, 272 f, Linnartz in jurisPK-BGB 8. A. 2017, § 2084 Rn. 19, 41 und Reymann in jurisPK-BGB, 8. A. 2017, § 2270 Rn. 11-13; den Senatsbeschluss zustimmend zitierend auch OLG Hamm, B.v.12.9.2017, 10 U 75/16, juris Rn. 48, 56).

Nachlassgerichtliche Entscheidungen im Erbscheinsverfahren erwachsen aber nicht in (materieller) Rechtskraft und haben keine Bindungswirkung für ein späteres zivilrechtliches Streitverfahren. Deshalb ist anerkannt, dass nach dem Erbfall trotz vorliegender Entscheidungen in einem Erbscheinsverfahren ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage besteht, wenn die Parteien als Erbprätendenten etwa darüber streiten, welches Testament wirksam ist und wer Erbe nach dem Erblasser geworden ist (BGH FamRZ 2010, 1068 Rn. 8; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 14. A. 2017, § 256 Rn. 21 mwN).

2.

Die Berufung der Klägerinnen könnte nur Erfolg haben, wenn ihre Erbeinsetzung in dem Nachtrag vom 6.2.1996 bindend geworden wäre, entweder weil die dortigen Verfügungen zueinander wechselbezüglich und nach dem Tod des Erstversterbenden bindend geworden sind, oder weil eine Wechselbezüglichkeit der dortigen Erbeinsetzung der beiden Geschwister des Ehemannes der Erblasserin zu der Berufung der Erblasserin als Alleinerbin des Ehemannes im Testament vom 25.5.1994 besteht. Beides lässt sich jedoch nicht feststellen.

a.

Die Klägerinnen machen zunächst weiterhin geltend, bereits die Verfügungen des Nachtrags – nämlich Berufung der beiden Geschwister des Ehemannes der Erblasserin einerseits und die Berufung von zwei der drei im Testierzeitpunkt noch lebenden Geschwister der Erblasserin jeweils zur Hälfte als Schlusserben – seien zueinander wechselbezüglich. Das lässt sich indes nicht feststellen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

Verfügungen in einem von Ehegatten gemeinschaftlich errichteten Testament sind dann wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Es kommt nach § 2270 Abs. 1 BGB darauf an, dass die Verfügung des einen Ehegatten gerade deshalb getroffen wurde, weil auch der andere Ehegatte eine bestimmte andere Verfügung getroffen hat und deshalb nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll. Die Frage, ob ein Testament wechselbezügliche Verfügungen in diesem Sinne enthält, muss dabei für jede einzelne Verfügung gesondert im Verhältnis zu den jeweils anderen Verfügungen des Ehepartners untersucht werden. Findet sich in dem gemeinschaftlichen Testament keine ausdrückliche Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, muss diese Frage durch individuelle Auslegung nach den §§ 133, 2084 BGB beantwortet werden. Es kommt auf den überstimmenden Willen beider Ehegatten zur Zeit der Testamentserrichtung an. Verbleiben Zweifel, ob eine Verfügung zu einer anderen wechselbezüglich ist, enthält § 2270 Abs. 2 BGB für zwei dort konkret genannte Fallkonstellationen eine Zweifelsregel. Greift die Zweifelsregel aber nicht ein und verbleiben Zweifel an der Wechselbezüglichkeit, geht dies zu Lasten desjenigen, der sein Erbrecht auf die Wechselbezüglichkeit stützt, dieser trägt die Feststellungslast (vgl. zu diesen Grundsätzen nur Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2270 Rn. 4 m.w.N.). Wechselbezügliche Verfügungen können mithin nur angenommen werden, wenn der Wille der Erblasser, solche wechselbezüglichen Verfügungen zu treffen, auch festgestellt werden kann, ggf. unter Heranziehung der Zweifelsregel des § 2270 Abs. 2 BGB (vgl. OLG München ErbR 2009, 259 ff. Rn. 100 und BayObLG NJW-RR 1999, 878 ff. Rn. 35 – 40). Die Auffassung der Berufung, von Wechselbezüglichkeit sei auszugehen, wenn Anhaltspunkte gegen Wechselbezüglichkeit nicht bestünden, ist mithin nicht zutreffend.

Die Bestimmungen, die die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann am 06.02.1996 unter der Überschrift „Nachtrag“ getroffen haben, stellen sich als ein formwirksames handschriftliches gemeinschaftliches Testament nach den §§ 2265, 2247 BGB dar. Auch wenn das Schriftstück nicht das Wort „Testament“ aufweist, wird aus dem Inhalt deutlich, dass die Erblasser letztwillig verfügen wollten. In diesem Testamentsnachtrag haben die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann jeweils bestimmt, dass nach dem Ableben des zuletzt verstorbenen Ehegatten das Vermögen je zur Hälfte an die Geschwister Gertrud K. und Frauke J. – Schwestern des Ehemannes der Erblasserin – und I. H. sowie M. H. – Geschwister der Erblasserin – gehen soll. Eine Wechselbezüglichkeit dieser beiden Verfügungen (einerseits der Erblasserin und andererseits ihres Ehemannes) zueinander im oben genannten Sinne lässt sich jedoch nicht, jedenfalls nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen, wie der Senat auch in seinem Beschluss im Erbscheinsverfahren vom 11.1.2016, 3 Wx 95/15, ausgeführt hat.

Aus dem Umstand, dass als Schlusserben jeweils zur Hälfte zwei Geschwister der Erblasserin und zwei Geschwister ihres Ehemannes berufen worden sind, ergibt sich kein zweifelsfreier Anhalt, dass die Erblasserin die Geschwister ihres Ehemannes als Schlusserben gerade deshalb mit bedacht hat, weil umgekehrt ihr Ehemann auch ihre Geschwister als Schlusserben berücksichtigt hat. Mit dem von der Berufung in den Vordergrund gerückten Wortlaut, dass das Vermögen „je zur Hälfte an die Geschwister…“ gehen solle, wird die Erbmasse nach dem Längstlebenden nur anteilig gleichmäßig auf die je zwei Geschwister beider Testierenden verteilt. Dass die Verfügung des einen Ehegatten deshalb mit der anderen stehen und fallen soll – also ein Verhältnis der Wechselbezüglichkeit vorliegt – ist diesem Wortlaut nicht zweifelsfrei zu entnehmen. Es bleibt ebenso gut denkbar, dass jeder der Erblasser der Überzeugung war, in der Verteilung des gemeinsam erarbeiteten Vermögens gleichmäßig auf die im Nachtrag genannten Geschwister beider Eheleute nach dem Tode des Letztversterbenden liege eine gerechte und angemessene Nachlassverteilung, ohne dass er diese Verfügung aber nur deshalb getroffen hat, weil auch der andere Ehepartner entsprechend testiert hat.

Auch der von der Berufung hervorgehobene Umstand, die Erblasserin habe aber zum Zeitpunkt der Errichtung des Nachtrags noch einen weiteren lebenden Bruder gehabt, der im Nachtrag aber nicht bedacht werde, führt nicht zweifelsfrei zur Wechselbezüglichkeit. Es bleibt doch jedenfalls die Möglichkeit, das jedem der beiden Ehegatten diese vier im Nachtrag aufgeführten Personen gleich wichtig und nahestehend waren und die so gewählte Schlusserbenbestimmung für ihn jeweils unabhängig von dem anderen Ehepartner bestehen sollte. Es kann – wie das Landgericht überzeugend ausgeführt hat – eben vielfältige Gründe für diese Schlusserbeneinsetzung geben und es gibt jedenfalls keinen Erfahrungssatz dahin, dass die Einsetzung von Verwandten des anderen Ehegatten stets nur deshalb erfolgt, weil auch der andere Ehegatte umgekehrt Verwandte des Partners als Schlusserben beruft.

In der Berufungsbegründung meinen die Klägerinnen, anderes – nämlich die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen im Nachtrag – lasse sich im Wege einer Gesamtschau deshalb feststellen, weil die Eheleute nach schwerer Erkrankung des Ehemannes Ende 1995 (gegenüber der Klägerin zu 1) darüber gesprochen hätten, sie hätten ein sog. Berliner Testament mit Schlusserbeneinsetzung der drei Kinder gemacht (Bl. 190). Dann aber hätten die Eheleute offenbar bewusst falsche Informationen über ihr Testament erteilt, denn sie hatten keine Kinder und haben in dem – allerdings erst im Februar 1996 errichteten – Nachtrag auch nicht drei, sondern vier Schlusserben berufen. In ihrem späteren Schriftsatz behaupten die Klägerinnen, in dem fraglichen Gespräch vor der Operation des Ehemannes der Erblasserin am 9.2.1996 (die OP wäre dann drei Tage nach dem Nachtrag gewesen) sei über eine über die wechselseitige Erbeinsetzung hinausgehende Schlusserbeneinsetzung gesprochen worden. Das ist streitig und kann nach den §§ 529, 531 ZPO in der Berufungsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden. Für eine von beiden Erblassern etwa gewollte Wechselbezüglichkeit der Verfügungen des Nachtrags ergibt sich daraus aber auch nichts Konkretes.

Im Rahmen der Gesamtschau führen die Klägerinnen für ihre Auslegung des Testaments vom 6.2.1996 im Sinne einer Wechselbezüglichkeit auch an, dass die Erblasserin nach dem Tod des Ehemannes 2010 gegenüber dem Nachlassgericht diesen Nachtrag zunächst nicht offengelegt hätte (also ein Verhalten der überlebenden Erblasserin nach dem 1. Erbfall, dass sie in anderem Zusammenhang gerade nicht für heranziehbar halten). Indes lässt sich daraus nichts Sicheres zur Frage der Wechselbezüglichkeit entnehmen. Diese muss festgestellt werden, es reicht nicht, dass sie möglich erscheint. Vor diesem Hintergrund ist allerdings die gegen eine Wechselbezüglichkeit sprechende Angabe der Erblasserin in ihrem notariellen Testament vom 15.11.2011 nicht entscheidend, es fehlen eben umgekehrt ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass Wechselbezüglichkeit der Nachtragsverfügungen zueinander festgestellt werden kann. Es kommt nicht darauf an, dass für die Auslegung allerdings alle mit der Auslegungsfrage in Zusammenhang stehenden Umstände herangezogen werden können, auch solche nach Testamentserrichtung, und dass dazu auch Äußerungen eines der testierenden Ehegatten nach dem Tod des anderen zählen (ebenso Linnartz in jurisPK-BGB, 8. A. 2017, § 2084 Rn. 19 und Litzenburger in FD-ErbR 2016, 376793, dem Senatsbeschluss vom 11.01.2016 – 3 Wx 95/15 – zustimmend; ebenso Schmucker, MittBayNot 2001, 526 ff., 529 unter Bezug auf BayObLG FamRZ 1997, 251, 253, juris Rn. 40).

Die Zweifelsregel des § 2270 Abs. 2, 2. Alt. BGB hilft bei der Frage, ob die Bestimmungen der Erblasser in dem Nachtragstestament wechselbezüglich sind, nicht weiter. Denn danach ist Wechselbezüglichkeit von Verfügungen zueinander im Zweifel anzunehmen, wenn dem einem Bedachten von dem anderen eine ZU.ndung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist. Diese Konstellation liegt bezogen auf die Verfügungen des Nachtragstestaments – also die jeweilige Schlusserbenbestimmung der Ehegatten – nicht vor. Die Zweifelsregel zeigt umgekehrt allerdings die Vorstellung des Gesetzes auf, dass allein der Umstand, dass Ehegatten jeweils Verwandte auch des anderen Partners zu Schlusserben berufen, für die Annahme nicht ausreichen kann, dass diese Schlusserbeneinsetzung sei wechselbezüglich ist (vgl. ebenso OLG München, ErbR 2009, 259 ff., juris Rn. 112; so auch schon Senat im Beschluss vom 11.1.2016, 3 Wx 95/15, FamRZ 2016, 1306 ff; Litzenburger, FD-ErbR 2016, 376793).

Weitere Anhaltspunkte oder Indizien dafür, warum die Bestimmungen des Nachtragstestaments der Erblasserin und ihres Ehemannes zueinander entgegen dem vorstehenden Ergebnis wechselbezüglich sein sollten, finden sich auch im Vorbringen der Klägerinnen nicht. Zutreffend weist das OLG München (a.a.O., juris Rn. 94 f) darauf hin, dass sich für den im Wege der Auslegung zu ermittelnden Willen der Erblasser, ob ihre Verfügungen wechselbezüglich sein sollen, Anhaltspunkte im Testament ergeben müssen, der diesbezügliche Wille also zumindest angedeutet sein muss. Dafür reicht der Hinweis „je zur Hälfte an die Geschwister“ aber nicht aus, weil damit nur die Verteilung als solche geregelt wird.

b.

Auch eine Wechselbezüglichkeit zwischen der Berufung der Erblasserin zur Alleinerbin ihres Ehemannes durch das Testament vom 25.5.1994 mit ihrer Berufung von zwei Geschwistern ihres Ehemannes in dem mit „Nachtrag“ überschriebenen Testament vom 6.2.1996 lässt sich nicht feststellen. Wesentliche neue Aspekte, die die Argumentation des Senats in dem Beschluss vom 11.1.2016, 3 Wx 95/15, deutlich in Frage stellen, haben sich im vorliegenden Verfahren nicht ergeben.

Im Ausgangspunkt ist auch insoweit von Bedeutung, dass Wechselbezüglichkeit sich nicht allein deshalb ergibt, weil nach Meinung der Klägerinnen keine ausreichenden Anhaltspunkte vorliegen, die gegen eine Wechselbezüglichkeit sprechen. Vielmehr muss die Wechselbezüglichkeit – wenn sie wie hier im Testament nicht ausdrücklich geregelt ist – im Wege der Auslegung festgestellt werden und muss sich für einen derartigen Willen der Erblasser jedenfalls ein Anknüpfungspunkt im Wege der Andeutung in der Testamentsurkunde finden, um auch dem Formerfordernis zu entsprechen.

Ursprünglich kann die gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute nicht wechselbezüglich zu der jeweiligen Schlusserbeneinsetzung gewesen sein, weil das Testament vom 25.05.1994 keine Schlusserbeneinsetzung enthält. Es lässt sich deshalb gerade nicht ohne weiteres feststellen, dass der vorverstorbene Ehegatte der Erblasserin diese nur deshalb zu seiner Erbin berufen hat, weil sie wiederum auch seine Geschwister als Schlusserben bestimmt hat.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, dass dann, wenn Verfügungen in zwei zeitlich nacheinander errichteten gemeinschaftlichen Testamenten aufgenommen werden, eine Wechselbezüglichkeit nur bei Vorliegen qualifizierter Voraussetzungen bejaht werden kann. Die Ehegatten müssen dazu nicht nur den Willen zur Zusammenfassung beider Testamente zum Ausdruck bringen – etwa durch die Bezeichnung des zweiten Testaments als Nachtrag – sondern sie müssen zusätzlich auch hinsichtlich der früheren und der späteren Verfügung jeweils deutlich machen, dass auch inhaltlich von einem Abhängigkeitsverhältnis auszugehen ist.

Es reicht also nicht aus, dass die Verfügungen des früheren und diejenigen des späteren Testaments sich sachlich ergänzen, weil sie ansonsten ohnehin nach § 2258 Abs. 1 BGB nicht nebeneinander Bestand haben könnten. Es muss vielmehr zusätzlich im Wege der Auslegung nach den §§ 133, 2084 BGB festgestellt werden, ob die zunächst ohne Rücksicht auf die spätere Verfügung getroffene gegenseitige Erbeinsetzung durch das spätere Testament in der Weise modifiziert wird, dass sie nunmehr nur noch mit Rücksicht auf die Verfügung des jeweils anderen Ehegatten im späteren Testament gelten soll, der früheren gegenseitigen Erbeinsetzung also ausdrücklich oder stillschweigend nachträglich eine zusätzliche, den überlebenden Ehepartner einschränkende Bedingung im Sinne von Wechselbezüglichkeit beigefügt worden ist (OLG Hamm, Urt. v. 12.9.2017, 10 U 75/16, juris Rn. 48 unter Hinweis auch auf die zitierte Senatsentscheidung in der Sache 3 Wx 95/15; BayObLG NJW–RR 1999, 878 ff, juris Rn. 42).

Zu Recht wird in der Berufungserwiderung darauf hingewiesen, dass in der Bindungswirkung als Folge wechselbezüglicher Verfügungen eine Einschränkung der Testierfreiheit liegt und schon deshalb die Annahme einer von den Testierenden gewollten Wechselbezüglichkeit nicht unterstellt werden kann. Selbst wenn Eheleute – wie im Regelfall – die gegenseitige Erbeinsetzung und die Schlusserbenberufung gleichzeitig in einem handschriftlichen Testament verfügen, ist – wie auch dem Senat bekannt – ihnen vielfach jedenfalls nicht umfassend bewusst, dass Wechselbezüglichkeit mit sich daraus ergebenden erbrechtliche Bindungswirkungen vorliegen könnte. Findet sich die Regelung der gegenseitigen Alleinerbeneinsetzung einerseits und die Schlusserbenberufung andererseits aber in zeitlich deutlich auseinanderliegenden Testamenten, ist mit der Annahme von Wechselbzüglichkeit erst Recht große Zurückhaltung geboten und liegt Wechselbezüglichkeit nur vor, wenn der Wille beider Erblasser, die Verfügung als Einheit miteinander zu verknüpfen, zweifelsfrei festgestellt werden kann (so Litzenburger in den Anmerkungen zum Senatsbeschluss vom 11.6.2016, FD-ErbR 2016, 376793 und ders. in BeckOK BGB, Bamberger/Roth u.a., Stand 15.6.2017, § 2270 Rn. 9a). In einem solchen Fall – wie hier – müssten die Erblasser nämlich jedenfalls in der Laiensphäre die Vorstellung und den Willen gehabt haben, durch die zeitlich deutlich spätere Schlusserbenbestimmung ihre frühere gegenseitige Berufung zum Alleinerben des Erstversterbenden (die dem Überlebenden hinsichtlich des Nachlasses volle Freiheit belässt), einschneidend zu modifizieren, sie nämlich nunmehr im Sinne der Wechselbezüglichkeit wegen der Bindungsfolge in eine Abhängigkeit von der später erfolgten Schlusserbenbestimmung zu bringen.

Ob dies der Fall ist, muss im Wege der Auslegung des Testaments geklärt werden, bei der aber die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB nicht heranzuziehen ist. Für deren Anwendung ist vielmehr das Ergebnis dieser Auslegung vorrangig. Es muss also dem zeitlich späteren gemeinschaftlichen Testament ein Hinweis auf den Willen der Eheleute zu einem solchen Abhängigkeitsverhältnis entnommen werden können, dass das frühere gemeinsame Testament nicht nur ergänzt, sondern im Sinne einer Wechselseitigkeit der seinerzeit angeordneten gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute mit der Einsetzung von Schlusserben verändert werden soll. Erst wenn ein solcher Hinweis jedenfalls im Sinne einer Andeutung in dem späteren Testament enthalten ist, aber Zweifel verbleiben – weder die gegenseitige Abhängigkeit noch die gegenseitige Unabhängigkeit sicher feststellbar ist -, kann die Zweifelsregel des § 2270 Abs. 2 bei Vorliegen einer der dort genannten Fallgruppen zur Anwendung kommen (Senat a.a.O.; BayObLG a.a.O.; OLG München ErbR 2009, 259 ff bei juris Rn. 119 f; Reymann in Juris PK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 2270 Rn. 11-13 Jörg Mayer in Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, 5. Aufl. 2006, § 2270 Rn. 7 Litzenburger, a.a.O.; Braun in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl. 2014, § 2270 Rn. 9 f und Schmucker in MitBayNot 2001, 526, 529 f).

Im vorliegenden Fall lässt sich im Rahmen der Auslegung nach den §§ 133, 2084 BGB aber nicht feststellen und fehlt auch ein Hinweis dafür, dass der früheren Verfügung – nämlich der wechselseitigen Einsetzung der Eheleute als Erben – durch den 20 ½ Monate später verfassten Nachtrag nachträglich eine Bindung im Sinne von Wechselbezüglichkeit derart beigefügt worden ist, dass die jeweilige gegenseitige Erbeinsetzung nunmehr auch in einem wechselbezüglichen Verhältnis zu der jeweiligen Schlusserbeneinsetzung stehen soll, das eine mit dem anderen also stehen und fallen und dadurch bedingt sein soll.

Zwar macht die Berufung nachvollziehbar geltend, dass die Erblasser in dem Testament vom 6.2.1996 durch die Überschrift „Nachtrag“ und die dort gewählten einleitenden Worte „Nach dem Ableben des zuletzt verstorbenen Ehegatten geht das Vermögen…“ auch ohne ausdrücklichen Hinweis auf das vorausgegangene Testament vom 25.5.1994 einen Zusammenhang mit diesem hergestellt haben, weil auch ausweislich der von der Berufung dafür nun gerade selbst (und im Widerspruch zur Argumentation an anderer Stelle) als Auslegungsumstand in Bezug genommenen späteren eidesstattlichen Versicherung der Erblasserin vom 11.10.2010 (nach dem Tod ihres Ehemannes) kein Anhalt besteht, dass es weitere (nicht vorgelegte oder zu Lebzeiten der Erblasser vernichtete) Testamente der Eheleute gegeben haben könnte. Indes ergibt sich daraus eben nur der Wille der Eheleute zur Zusammenfassung des späteren mit dem früheren Testament im Sinne einer sachlichen Ergänzung – gegenseitige Berufung zum Alleinerben des Erstversterbenden auf der einen Seite und Schlusserbenberufung auf der anderen Seite -, so dass beide Testamente nach § 2258 Abs. 1 BGB überhaupt nebeneinander Bestand haben können. Das aber reicht gerade nicht aus, weil dem späteren Testament für die Feststellung einer Wechselbezüglichkeit neben dem Willen zur Zusammenfassung der beiden Testament zusätzlich noch ein Hinweis auf den Willen der Eheleute entnommen werden müsste, das frühere Testament in Sinne einer Wechselbezüglichkeit der seinerzeit angeordneten gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute mit der späteren Einsetzung von Schlusserben zu modifizieren, die frühere und die spätere Verfügung also in ein „logisches Abhängigkeitsverhältnis“ zu bringen und dadurch die frühere Verfügung inhaltlich einzuschränken und im Sinne eines wechselbezüglichen Bedingungszusammenhangs zu verändern (Reymann in jurisPK-BGB, a.a.O., § 2270 Rn. 12, unter Hinweis auf BayObLG NJW-RR 1999, 878 ff, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Ein solcher Hinweis fehlt aber gerade und wird auch von der Berufung nicht aufgezeigt.

Anhaltspunkte für eine nachträgliche Verknüpfung im Sinne eines Abhängigkeitsverhältnisses können sich allerdings auch aus einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Verfügungen und einer gemeinsamen Verwahrung der Verfügungen ergeben. Je größer aber der zeitliche Abstand zwischen der ersten und der zweiten Urkunde ausfällt, desto unwahrscheinlicher ist die Annahme wechselbezüglicher Verfügungen (BayObLG a.a.O. juris Rn. 42; Senat, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 58; Reymann, a.a.O., § 2270 Rn. 13). Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den in verschiedenen Testamenten enthaltenen Verfügungen, der den Schluss auf ein von den Eheleuten gewolltes Abhängigkeitsverhältnis im Sinne einer Wechselbezüglichkeit nahelegen könnte, liegt hier nicht mehr vor. Es geht immerhin um einen zeitlichen Abstand von 20 ½ Monaten. Die Berufung weist zwar zu Recht darauf hin, dass im Falle des Bayerischen Obersten Landesgerichts (a.a.O.) ein noch längerer Abstand zwischen den Verfügungen von dort 2 Jahren und 8 Monaten in Rede stand. Indes hat auch das Bayerische Oberste Landesgericht in seiner Auslegung entscheidend darauf abgestellt, ob ausreichende – positive – Anhaltspunkte für eine von den Erblasser gewollte Wechselbezüglichkeit vorliegen. Wechselbezüglichkeit kann nach diesem Urteil „insbesondere bei einem engen zeitlichen Zusammenhang der in den verschiedenen Testamenten enthaltenen Verfügungen nahe liegen“ (a.aO., Rn. 42). Daran fehlt es aber auch bei einem Abstand von 20 ½ Monaten; ein solcher deutlicher Abstand kann kein positiver Anhalt sein, der für sich genommen die Modifizierung der Verfügungen des älteren Testaments durch das jüngere Testament im Wege einer Wechselbezüglichkeit als Willen der Erblasser nahelegt (anders etwa als in dem Fall des OLG Saarbrücken, FamRZ 1990, 1285 f, wo das zweite Testament am nächsten Tag verfasst wurde).

Ein anderer äußerer Umstand, der für eine gewollte Wechselbezüglichkeit der späteren Verfügung mit der früheren Verfügung sprechen könnte, könnte dann vorliegen, wenn die spätere Verfügung auf derselben Urkunde ausgeführt worden wäre, wie die frühere Verfügung. Das ist hier aber nicht der Fall, auch sind die beiden Urkunden hier nicht etwa gemeinsam in amtliche Verwahrung gegeben worden. Insgesamt fehlen deshalb auch außerhalb der Testamentsurkunde des Nachtrags Anhaltspunkte, die den Schluss für eine von den Erblasser im Zeitpunkt der späteren Verfügung gewollte Wechselbezüglichkeit der Schlusserbenberufung mit der gegenseitigen Einsetzung zu Alleinerben des Erstversterbenden zulassen könnten und dann jedenfalls die Anwendung der Zweifelsregel des § 2270 Abs. 2 BGB eröffnen würden.

Festzuhalten bleibt, dass es sich bei der Frage des zeitlichen Abstands zwischen den Verfügungen nur um einen Umstand handelt, der Anhaltspunkte für oder gegen Wechselbezüglichkeit ergeben könnte (OLG Hamm, a. a. O., Rn. 56). Es ist anerkannt, dass auch bei einem sehr großen zeitlichen Abstand – im Fall des OLG Hamm ein solcher von fast 40 Jahren – eine nachträgliche Verknüpfung im Sinne einer Wechselbezüglichkeit zwischen mehreren Testamenten möglich sein kann, wenn demgegenüber andere Indizien, insbesondere solche der inhaltlichen Verknüpfung zwischen den verschiedenen letztwilligen Verfügungen, dies besonders deutlich erkennbar nahelegen (OLG Hamm, aaO; Reymann aaO, § 2270 Rn. 13.1). Das OLG Hamm betont insoweit gerade, dass sich aus dem dortigen Sachverhalt – im Unterschied zu demjenigen des zustimmend zitierten Senatsbeschlusses im Erbscheinseinziehungsverfahren 3 Wx 95/15 – solche inhaltlichen Verknüpfungen ergeben. So haben die dortigen Eheleute in dem Änderungstestament ausdrücklich auf das wesentlich frühere Testament Bezug genommen und „in Abänderung“ dieses zitierten Testaments bestimmt, dass Erbe des Letztlebenden von ihnen ihr Sohn X sein solle. Zudem haben sie dort beide Testamente gemeinsam in besondere amtliche Verwahrung beim Amtsgericht gegeben. Auch die dort unstreitigen Umstände der Entstehungsgeschichte des späteren Testaments und die sich hieraus ergebenden Motive der Eheleute für die Abänderung ihres früheren Testaments sprachen nach den Ausführungen des OLG Hamm im dortigen Fall für Wechselbezüglichkeit.

Solche Anhaltspunkte im späteren Testament und weitere vorliegende äußeren Umstände, die jeweils indiziell für eine gewollte Wechselbezüglichkeit mit dem früheren Testament sprechen, liegen hier aber gerade nicht vor.

Auf die Frage, inwieweit die Äußerung der Erblasserin in ihrem späteren notariellen Testament vom 15.11.2011 von Bedeutung ist, sie sei sich mit ihrem Ehemann darüber einig gewesen, dass der Testamentsnachtrag für den Längstlebenden nicht verbindlich sein solle, kommt es im Ergebnis nicht an. Abweichend von der Auffassung der Berufung ist allerdings – wie bereits oben unter a. ausgeführt – durchaus anerkannt, dass nachträglichen Äußerungen des überlebenden Ehegatten für die Auslegung eines Ehegattentestaments im Einzelfall Bedeutung zukommen kann. Im vorliegenden Fall fehlt es aber eben bereits an positiven Anhaltspunkten dafür, dass mit dem Nachtrag Wechselbezüglichkeit in Verhältnis zu den Bestimmungen des Testaments von 1994 gewollt gewesen ist.

Die Klägerinnen tragen erstmals im Berufungsverfahren vor, die Klägerin zu 1 habe nach schwerer Erkrankung des Bruders 1995 und vor dessen Operation am 9.2.1996 ein Gespräch (wohl mit diesem) geführt, in dem über eine über die wechselseitige Erbeinsetzung hinausgehende Schlusserbeneinsetzung gesprochen worden sei. Dabei handelt es sich aber um neuen, bestrittenen Vortrag im Berufungsverfahren, der nach Maßgabe der §§ 529, 531 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden kann (s.o.). Deshalb kommt zu dieser neuen Tatsache auch eine Anhörung der Klägerinnen zu 1 und 2 nicht in Betracht. Ohnehin ergibt sich aus den diesbezüglichen Andeutungen über das fragliche Gespräch in den beiden im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätzen der Klägerinnen kein Hinweis darauf, dass dort auch über eine etwa von den testierenden Eheleuten gewollte Wechselbezüglichkeit gesprochen worden sein könnte oder sich insoweit jedenfalls Andeutungen ergeben würden.

3.

Hat die Klage keinen Erfolg, hat das Landgericht der Widerklage zu Recht stattgegeben. War die Erblasserin nicht gebunden, richtet sich ihre Erbfolge insgesamt – hinsichtlich aller vier dort genannten Erben – nach ihrem späteren notariellen Testament. Nachvollziehbare Argumente dafür, warum dies anders sein könnte, enthält die Berufungsbegründung nicht.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO bestehen nicht. Die Klägerinnen haben in ihren Schriftsätzen im Berufungsverfahren mehrfach die Zulassung der Revision beantragt und dies vor allem damit begründet, dass wegen des hier nur vorliegenden Zeitabstands von 20 ½ Monaten eine Divergenz zu der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (NJW-RR 1999, 878 ff) vorliegt, wo es nämlich a.a.O. Rn. 42 heißt: „Folgt die ‚Gegenleistung‘ auf die ‚Leistung‘ aber erst nach mehr als 2 Jahren, wie hier, so spricht dies im Grundsatz gegen den Zusammenhang des Motivs, der die Auslegungsregel begründet“. Indes lässt sich daraus nicht ersehen, dass das Bayerische Oberste Landesgericht etwa davon ausgehen würde, bei einem zeitlichen Abstand von weniger als 2 Jahren ergebe sich jedenfalls Wechselbezüglichkeit. Positiv gewendet sieht gerade das Bayerische Oberste Landesgericht nur in „einem engen zeitlichen Zusammenhang der in den verschiedenen Testamenten enthaltenen Verfügungen“, einen Umstand, der Wechselbezüglichkeit nahelegen könnte.

In jedem Fall handelt es sich bei der Frage des zeitlichen Abstands zwischen den Verfügungen nur um einen Umstand, der Anhaltspunkte für oder gegen Wechselbezüglichkeit ergeben könnte (OLG Hamm, a. a. O., Rn. 56). Die Frage, ob der Wille der gemeinschaftlichen Testierenden dahin geht, die frühere und die spätere Verfügung nicht nur als Einheit gelten zu lassen, sondern zwischen ihnen beiden eine Wechselbezüglichkeit herzustellen, ist eine Auslegungsfrage, was im Grundsatz auch die Berufung nicht in Abrede nimmt. Auslegung ist aber Sache des Tatrichters (s. BayObLG NJW-RR 2003, 658 ff, juris Rn. 61 gerade für zwei zeitlich auseinanderfallende letztwillige Verfügungen). Vor diesem Hintergrund liegen die Voraussetzungen nach § 543 ZPO für eine Zulassung der Revision nicht vor.

 

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