Eine Betreuerin kümmerte sich jahrzehntelang um einen Schutzbedürftigen und sollte per handschriftlichem Testament sein Elternhaus erben. Doch eine vermeintlich klare Formulierung des Erblassers erwies sich vor Gericht als unüberwindbares Hindernis für ihren Anspruch.
Übersicht
- Das Urteil in 30 Sekunden
- Die Fakten im Blick
- Der Fall vor Gericht
- Die versprochene Erbschaft: Warum eine gut gemeinte Geste vor Gericht scheiterte
- Welche Testamente gab es und was besagten sie?
- Warum beanspruchte die Betreuerin das Erbe?
- Was dachte das Nachlassgericht über die Nacherbeneinsetzung?
- Was entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe?
- Was bedeutet „zu unbestimmt“ im Erbrecht?
- Warum reichte die Beziehung der Betreuerin zu „E“ nicht aus?
- Warum entschied das Gericht nicht über die Bindungswirkung des ersten Testaments?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was passiert, wenn mein Erbe im Testament nicht klar genug benannt ist?
- Kann ich als Betreuungsperson erben, wenn das Testament mich nicht direkt nennt?
- Wie kann ich einen Wunscherben in meinem Testament eindeutig benennen?
- Was tun, wenn mein Erbanspruch wegen unklarer Formulierung scheitert?
- Wie vermeide ich, dass mein Testament wegen unklarer Formulierungen unwirksam wird?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 14 W 36/24 (Wx) | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Urteil in 30 Sekunden
- Das Problem: Eine Frau betreute jahrzehntelang einen Menschen und glaubte, ein Haus als Erbin zu erhalten. Dies stand in einem handschriftlichen Testament des Verstorbenen.
- Die Rechtsfrage: Ist eine vage Formulierung im Testament wie „die es besonders gut konnte“ ausreichend, um einen Erben klar zu benennen?
- Die Antwort: Nein. Ein Gericht hielt die Formulierung für zu unbestimmt und erklärte die Erbeinsetzung für unwirksam. Der Wille des Testamentsverfassers war nicht eindeutig genug erkennbar.
- Die Bedeutung: Erblasser müssen Erben in ihrem Testament präzise benennen, damit keine Zweifel aufkommen. Gerichte dürfen unklare Formulierungen nicht eigenmächtig interpretieren oder ergänzen.
Die Fakten im Blick
- Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
- Datum: 10.07.2025
- Aktenzeichen: 14 W 36/24 (Wx)
- Verfahren: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Familienverfahrensrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine ehemalige Betreuerin und spätere Testamentsvollstreckerin des vorverstorbenen Alleinerben E M. Sie beantragte, als Nacherbin des ursprünglichen Erblassers anerkannt zu werden.
- Beklagte: Der gerichtlich eingesetzte Nachlasspfleger für die unbekannten Erben des vorverstorbenen Alleinerben E M. Er sprach sich gegen die Anerkennung der Nacherbeneinsetzung aus.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Ein Erblasser setzte in einem Einzeltestament einen Vorerben und einen unklar beschriebenen Nacherben ein. Die langjährige Betreuerin des Vorerben beanspruchte nach dessen Tod das Erbe für sich.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Kann eine Person Erbe werden, wenn sie im Testament lediglich als „diejenige Person, die es besonders gut konnte mit E“ beschrieben wurde?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 wurde zurückgewiesen.
- Zentrale Begründung: Die Nacherbeneinsetzung ist unwirksam, weil der Erblasser die Person des Nacherben nicht ausreichend bestimmt hat.
- Konsequenzen für die Parteien: Die Beteiligte Ziffer 1 wird nicht Nacherbin und muss die Kosten des Verfahrens tragen.
Der Fall vor Gericht
Die versprochene Erbschaft: Warum eine gut gemeinte Geste vor Gericht scheiterte

Eine Frau hatte über Jahrzehnte einen schutzbedürftigen Menschen betreut, sich um seine Belange gekümmert und glaubte sich fest versprochen: Als Nacherbin sollte sie das Elternhaus erhalten. Dies versprach ein handschriftliches Testament – eine Geste der Dankbarkeit des verstorbenen Erblassers. Doch das Gericht sah in der scheinbar klaren Formulierung des Erblassers einen unüberwindbaren Fehler, der ihren gesamten Anspruch zunichtemachte.
Welche Testamente gab es und was besagten sie?
Im Mittelpunkt stehen zwei Testamente: Ein gemeinschaftliches Schriftstück aus dem Jahr 1970, verfasst vom Erblasser und seiner Ehefrau. Darin setzten sie sich gegenseitig als Alleinerben ein. Nach dem Tod des länger Lebenden sollte ihr Sohn als sogenannter Schlusserbe das Erbe antreten.
Jahre später, im Jahr 1994, setzte der Erblasser allein ein weiteres Testament auf. Dieses Schriftstück sollte das frühere nicht einfach aufheben, sondern neu strukturieren. Es bestimmte den Sohn zunächst als „Alleinerben“ für das Elternhaus und das dazugehörige Grundstück – als sogenannter Vorerbe. Der entscheidende Punkt für den späteren Streit war eine weitere Passage: „Nach dem Tode von E M soll diejenige Person erben, die es besonders gut konnte mit E.“ Eine Nacherbin sollte also nach dem Tod des Sohnes das Erbe antreten.
Warum beanspruchte die Betreuerin das Erbe?
Der Sohn, hier als „E“ bezeichnet, stand bereits 1996 unter gesetzlicher Betreuung. Die Anspruchstellerin war über zwei Jahrzehnte hinweg seine Betreuerin, kümmerte sich um Aufenthaltsbestimmung, Gesundheit und Vermögen. Sie hatte eine persönliche, enge Beziehung zu ihm aufgebaut.
Nachdem der Sohn im Jahr 2022 verstarb, beantragte die Betreuerin einen Erbschein. Sie sah sich als die im Testament genannte Nacherbin, da sie über all die Jahre „es besonders gut konnte mit E.“ Für sie war klar: Die Formulierung des Erblassers war auf sie zugeschnitten und eindeutig.
Was dachte das Nachlassgericht über die Nacherbeneinsetzung?
Das Nachlassgericht sah die Nacherbeneinsetzung kritisch. Es äußerte Bedenken wegen möglicher Unwirksamkeit und zog einen früheren Erbschein, der den Sohn als Alleinerben auswies, wieder ein. Das Gericht vermutete, die Formulierung des Erblassers sei zu unbestimmt.
Gegen diese Einziehung legte der Nachlasspfleger – ein Vertreter für die unbekannten Erben – Beschwerde ein. Das Nachlassgericht gab dem statt und hob die Einziehung auf. Es begründete dies nun mit der sogenannten Bindungswirkung des älteren gemeinschaftlichen Testaments. Demnach hätte der Erblasser die Erbfolge nicht mehr alleine ändern können. Die Betreuerin legte hiergegen wiederum Beschwerde beim Oberlandesgericht Karlsruhe ein.
Was entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe?
Das Oberlandesgericht Karlsruhe wies die Beschwerde der Betreuerin zurück. Der Nacherbeneinsetzung fehlte es an einer wesentlichen Voraussetzung: Sie war nicht bestimmt genug.
Was bedeutet „zu unbestimmt“ im Erbrecht?
Das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt vor: Ein Erblasser muss die Person eines Erben so präzise benennen, dass sie zum Zeitpunkt des Erbfalls durch jede sachkundige Person anhand objektiver Kriterien ermittelt werden kann. Der Erblasser muss selbst entscheiden, wer erbt – er darf diese Entscheidung nicht einem Dritten oder einer schwer fassbaren Definition überlassen. Das Oberlandesgericht erinnerte an andere Fälle: Auch Formulierungen wie „die dem Erblasser beisteht“ oder „die den zuletzt Verstorbenen begleitet und gepflegt hat“ hielten Gerichte bereits für zu vage.
Warum reichte die Beziehung der Betreuerin zu „E“ nicht aus?
Die Betreuerin trug vor, sie habe über zwei Jahrzehnte hinweg eine tiefe, über die eigentliche Betreuungsaufgabe hinausgehende Beziehung zu E aufgebaut. Sie sei objektiv die Person, die es „besonders gut konnte mit E“.
Das Gericht räumte ein, dass die Betreuerin eine enge Verbindung zu E hatte. Trotzdem war die Formulierung des Erblassers nicht klar genug. Der Ausdruck „die es besonders gut konnte mit E“ lässt zu viele Deutungen offen. Meinte der Erblasser eine freundschaftliche, eine familiäre, eine berufliche oder gar eine therapeutische Beziehung? Auch wenn das Testament in einer vorangehenden Passage von einer „geeigneten Familie“ sprach, die E versorgen sollte, blieb unklar, ob dies nur private Bezugspersonen umfasste oder auch professionelle Betreuer wie die Anspruchstellerin. Das Gericht konnte und durfte diese Unklarheit nicht eigenmächtig auflösen. Ein Richter darf keine Kriterien schaffen, wo der Erblasser keine klaren Vorgaben hinterlassen hat. Das wäre eine unzulässige Ausfüllung der testamentarischen Verfügung durch das Gericht.
Warum entschied das Gericht nicht über die Bindungswirkung des ersten Testaments?
Die Betreuerin hatte argumentiert, die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments von 1970 greife in ihrem Fall nicht. Das Oberlandesgericht hielt eine abschließende Klärung dieser Frage für unnötig. Da die Nacherbeneinsetzung bereits an der Unbestimmtheit scheiterte, spielte es keine Rolle, ob das frühere Testament die spätere Änderung gebunden hätte oder nicht. Die Nacherbeneinsetzung war unwirksam – der Anspruch der Betreuerin hatte somit keinen Bestand.
Die Urteilslogik
Gerichte betonen die strikte Notwendigkeit präziser Formulierungen in Testamenten, damit der wahre Erblasserwille Bestand hat.
- Bestimmtheit der Erbenbezeichnung: Ein Erblasser benennt Erben so präzise, dass jede sachkundige Person ihre Identität zum Zeitpunkt des Erbfalls objektiv feststellen kann.
- Unübertragbare Erbenwahl: Der Erblasser trifft die Erbenwahl persönlich und delegiert diese Entscheidung nicht an Dritte oder vage Beschreibungen.
- Grenzen richterlicher Auslegung: Gerichte schaffen keine neuen Kriterien für Erben, wenn der Erblasser selbst keine eindeutigen Vorgaben hinterlassen hat, da dies eine unzulässige Ausfüllung der Verfügung wäre.
So erweist sich die klare und unzweideutige Formulierung des Erblasserwillens als unverzichtbar für die rechtliche Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung.
Benötigen Sie Hilfe?
Haben Sie Bedenken bezüglich der Bestimmtheit Ihrer Nacherben im Testament? Kontaktieren Sie uns für eine erste Einschätzung Ihrer Situation.
Das Urteil in der Praxis
Ein Testament ist kein Poesiealbum; diese Entscheidung zeigt knallhart, dass jede Unklarheit einen Preis hat. Hier verpufft eine jahrelange, aufopferungsvolle Betreuung, weil die Erblasserformulierung schlichtweg zu vage war. Das Urteil ist eine gnadenlose Erinnerung: Im Erbrecht zählen Fakten und präzise Benennungen, keine guten Absichten oder vermeintlich klaren Beziehungen. Für jeden, der über seinen Nachlass verfügt, ist das eine unmissverständliche Warnung, beim Aufsetzen von Testamenten absolute Klarheit zu schaffen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was passiert, wenn mein Erbe im Testament nicht klar genug benannt ist?
Wenn ein Erbe im Testament nicht präzise genug benannt ist, wird die testamentarische Verfügung als zu unbestimmt eingestuft und ist damit unwirksam. Gerichte dürfen den Erblasserwillen nämlich nicht eigenmächtig interpretieren oder ergänzen. Das Bürgerliche Gesetzbuch fordert eine zweifelsfreie Identifizierbarkeit zum Erbfall durch objektive Kriterien – der Erblasser muss selbst entscheiden, wer sein Vermögen erhält.
Der Grund für diese Strenge? Juristen nennen das Bestimmtheitsgebot. Der Erblasser soll selbst entscheiden, diese Wahl darf nicht an Dritte delegiert werden. Ähnlich wie bei einem Vertrag: Ist der Leistungsempfänger nicht klar, wird die gesamte Vereinbarung schnell zur Makulatur. Das Gesetz verhindert so langwierige und emotionsgeladene Streitigkeiten über den „wahren“ Willen des Verstorbenen.
Formulierungen, die Interpretationsspielraum lassen, etwa „die es besonders gut konnte mit E“ oder „die dem Erblasser beisteht“, sind deshalb rechtlich unzureichend. Sie erlauben keine objektive Bestimmung der Person. Ein Gericht kann hier keine Kriterien schaffen oder den mutmaßlichen Willen des Erblassers eigenmächtig ausfüllen; dies führt unweigerlich zur Unwirksamkeit der Verfügung.
Prüfen Sie Ihr Testament sofort: Stehen dort Vorname, Nachname und Geburtsdatum jedes Erben?
Kann ich als Betreuungsperson erben, wenn das Testament mich nicht direkt nennt?
Als Betreuungsperson können Sie in der Regel nicht erben, wenn das Testament Sie nicht namentlich oder durch eindeutig objektive Kriterien benennt, selbst bei jahrzehntelanger enger Bindung und Fürsorge. Ihr jahrelanges Engagement und die aufgebaute tiefe Beziehung zählen juristisch nicht, wenn Ihr Name im letzten Willen des Erblassers fehlt. Die bittere Erkenntnis: Eine mündliche Zusage oder eine vage Beschreibung genügt dem Gesetz nicht, um einen Erbanspruch zu begründen.
Die Regel lautet: Ein Erblasser muss seine Erben so präzise bestimmen, dass sie zum Zeitpunkt des Erbfalls zweifelsfrei identifizierbar sind. Eine langjährige, über das übliche Maß hinausgehende persönliche Beziehung oder Betreuungstätigkeit allein begründet keinen Erbanspruch, wenn die Person im Testament nicht unzweifelhaft benannt ist. Juristen nennen das den Bestimmtheitsgrundsatz.
Ein Gericht darf hier nicht mutmaßen. Formulierungen wie „die es besonders gut konnte mit E“ lassen zu viele Deutungen offen – freundschaftlich, familiär, beruflich oder gar therapeutisch? Im Klartext bedeutet das: Der Erblasser selbst muss die Entscheidung treffen, nicht ein Richter oder Dritter. Selbst wenn das Testament im Fall von „E“ von einer „geeigneten Familie“ sprach, blieb unklar, ob damit private Bezugspersonen oder professionelle Betreuer gemeint waren. Diese Unklarheit geht zulasten des Anspruchstellers und macht die Erbeinsetzung unwirksam.
Sprechen Sie offen über die Erbfolge. Als Betreuungsperson oder enge Bezugsperson regen Sie an, dass Sie bei zukünftigen Testamenten explizit mit vollständigem Namen und Geburtsdatum benannt werden.
Wie kann ich einen Wunscherben in meinem Testament eindeutig benennen?
Um einen Wunscherben in Ihrem Testament eindeutig zu benennen, nutzen Sie immer dessen vollständigen Namen, Geburtsdatum und gegebenenfalls die aktuelle Adresse; verzichten Sie unbedingt auf vage Beschreibungen, die Interpretationsspielraum lassen und Ihren letzten Willen gefährden könnten. So stellen Sie sicher, dass Ihre gut gemeinten Absichten nicht an juristischen Fallstricken scheitern.
Der Grund ist simpel: Juristen nennen das Bestimmtheitsgebot. Das Bürgerliche Gesetzbuch fordert, dass ein Erblasser die Person eines Erben so präzise benennen muss, dass sie zum Zeitpunkt des Erbfalls durch jede sachkundige Person anhand objektiver Kriterien ermittelt werden kann. Die Entscheidung, wer erbt, liegt allein bei Ihnen. Sie darf nicht an ein Gericht oder an unklare, später zu bestimmende Kriterien delegiert werden.
Denken Sie an den bitteren Fehlschlag, wenn Gerichte eine liebevoll gemeinte Formulierung wie „die mir beisteht“ oder „die sich um mich gekümmert hat“ für zu unbestimmt erklären. Hier zählt nicht Ihr Gefühl, sondern harte Fakten. Schreiben Sie nicht „meine treue Helferin“, sondern konkret: „Frau Anna Mustermann, geboren am 01.01.1970, wohnhaft in Musterstadt“. Nur so verhindern Sie, dass Ihr Erbe an die falsche Person geht oder im schlimmsten Fall niemand den gewünschten Teil erhält.
Nehmen Sie Ihr Testament zur Hand und überprüfen Sie jede Erbenbezeichnung: Steht dort für jeden Erben explizit Vorname, Nachname und Geburtsdatum? Falls nicht, ergänzen Sie dies oder lassen Sie sich umgehend von einem Fachanwalt für Erbrecht beraten.
Was tun, wenn mein Erbanspruch wegen unklarer Formulierung scheitert?
Wenn ein Gericht Ihren Erbanspruch wegen einer unklaren Formulierung im Testament zurückweist, sind Ihre rechtlichen Möglichkeiten extrem begrenzt. Gerichte dürfen fehlende Klarheit im letzten Willen des Erblassers weder interpretieren noch eigenmächtig ergänzen, was die Anfechtung einer solchen Entscheidung oft aussichtslos macht.
Die Regel lautet: Hat der Erblasser seine Wunscherben nicht präzise genug benannt, wie im Fall einer Betreuerin vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe, ist eine nachträgliche Korrektur durch das Gericht ausgeschlossen. Ein Richter darf keine Kriterien schaffen, wo der Erblasser selbst keine klaren Vorgaben hinterließ. Dies wäre eine unzulässige Ausfüllung der testamentarischen Verfügung, die dem eigentlichen Willen des Erblassers widersprechen würde.
Ihre jahrzehntelange enge Beziehung zum Erblasser, Ihr Gefühl der Ungerechtigkeit oder die vermeintlich „wahre Absicht“ des Erblassers – all das zählt vor Gericht nicht. Juristen nennen das „objektive Bestimmbarkeit“. Das Gericht muss sich strikt an die im Testament genannten, nachprüfbaren Fakten halten. So auch im Fall der Betreuerin, deren tiefe Bindung zu „E“ nicht ausreichte, um die vage Formulierung „die es besonders gut konnte mit E“ zu konkretisieren.
Akzeptieren Sie die gerichtliche Entscheidung zur Erbenstellung, doch prüfen Sie dringend mit einem Fachanwalt für Erbrecht alternative Ansprüche wie Pflichtteils- oder Rückforderungsrechte.
Wie vermeide ich, dass mein Testament wegen unklarer Formulierungen unwirksam wird?
Um die Unwirksamkeit Ihres Testaments zu vermeiden, müssen Sie Erben stets präzise benennen und die Bindungswirkung früherer Verfügungen akribisch prüfen lassen. Juristen wissen: Ihr letzter Wille darf keinen Raum für Interpretationen lassen. Jeder Bedachte muss zweifelsfrei identifizierbar sein, sonst sind Ihre Absichten nur noch leere Worte vor Gericht. Absolute Klarheit ist hier kein Luxus, sondern Pflicht.
Das Bürgerliche Gesetzbuch macht klare Vorgaben: Ein Erblasser muss die Person eines Erben so präzise benennen, dass sie zum Zeitpunkt des Erbfalls durch jede sachkundige Person anhand objektiver Kriterien ermittelt werden kann. Das bedeutet, vollständiger Vor- und Nachname, Geburtsdatum und idealerweise die aktuelle Adresse sind unerlässlich für jeden, den Sie bedenken möchten – Vorerben, Nacherben und Schlusserben gleichermaßen. Beschreibungen wie „die Person, die sich am besten gekümmert hat“ oder „die den Verstorbenen begleitet hat“, wirken menschlich, sind aber juristisch fatal. Gerichte dürfen den Willen nicht eigenmächtig auslegen.
Denken Sie auch an die Tücke gemeinschaftlicher Testamente, etwa das Berliner Testament. Wer meint, dieses einfach durch ein neues, eigenhändiges Einzeltestament ändern oder ergänzen zu können, riskiert alles. Eine solche einseitige Änderung kann wegen der Bindungswirkung unwirksam sein, selbst wenn die neuen Formulierungen glasklar sind. Ein teurer Fehler, der jahrelange Überlegungen zunichtemacht.
Handeln Sie proaktiv: Vereinbaren Sie noch diese Woche einen Termin bei einem Fachanwalt für Erbrecht oder einem Notar, um Ihr bestehendes Testament detailliert auf Bestimmtheit der Erbenbenennungen und potenzielle Bindungswirkungen durch frühere Testamente überprüfen zu lassen oder ein neues, rechtssicheres Testament aufzusetzen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Bestimmtheitsgebot
Das Bestimmtheitsgebot fordert im Erbrecht, dass ein Erblasser seine Erben im Testament so präzise benennt, dass deren Identität zum Zeitpunkt des Erbfalls objektiv zweifelsfrei feststeht. Der Gesetzgeber will damit sicherstellen, dass nur der Erblasser selbst die weitreichende Entscheidung über die Nachfolge seines Vermögens trifft und diese nicht an Gerichte oder Dritte delegiert. Damit vermeidet das Gesetz langwierige Streitigkeiten über mutmaßliche oder unklare Erblasserwille.
Beispiel: Dem Testament der Frau fehlte es an der Einhaltung des Bestimmtheitsgebots, weil die Erblasserin die Nacherbin nur als „die es besonders gut konnte mit E“ bezeichnete, was das Oberlandesgericht als zu vage ansah.
Bindungswirkung
Die Bindungswirkung beschreibt die rechtliche Tatsache, dass Erblasser bei bestimmten Formen von Testamenten, insbesondere gemeinschaftlichen Testamenten, ihren letzten Willen nicht mehr einseitig ändern oder aufheben können. Diese Regelung schützt das Vertrauen der beteiligten Partner darauf, dass die gemeinsam getroffenen Verfügungen nach dem Tod des Erstversterbenden bestehen bleiben und nicht eigenmächtig geändert werden. Sie schafft damit Rechtssicherheit für die beidseitig gewollte Erbfolge.
Beispiel: Im vorliegenden Fall hätte das frühere gemeinschaftliche Testament der Eltern eine Bindungswirkung entfalten können, die den Erblasser gehindert hätte, die Erbfolge im späteren Einzeltestament einseitig zu ändern, was das Gericht aber nicht mehr klären musste.
Erblasser
Ein Erblasser ist die verstorbene Person, deren Vermögen – das Erbe – aufgrund eines Testaments oder der gesetzlichen Erbfolge auf andere übergeht. Das Gesetz regelt über den Erblasser die Übertragung des Eigentums und der Pflichten nach dessen Tod, um Rechtssicherheit im Rechtsverkehr zu gewährleisten und die Vermögensnachfolge klar zu definieren. Er hinterlässt somit seinen letzten Willen für die Vermögensverteilung.
Beispiel: Der verstorbene Erblasser hatte in seinem handschriftlichen Testament eine Nacherbin benannt, um seiner Dankbarkeit gegenüber der Betreuerin Ausdruck zu verleihen, was jedoch an juristischen Hürden scheiterte.
Nacherbe
Als Nacherbe benennt man eine Person, die das Erbe erst nach einem sogenannten Vorerben erhält, nachdem dieser die Erbschaft für einen bestimmten Zeitraum oder bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses verwaltet hat. Durch die Einsetzung eines Nacherben kann der Erblasser eine zeitlich gestaffelte oder an Bedingungen geknüpfte Vermögensweitergabe über Generationen hinweg oder an verschiedene Personen regeln. Er sorgt so für eine langfristige Verteilung seines Vermögens nach seinen Wünschen.
Beispiel: Die Betreuerin beantragte einen Erbschein als Nacherbin, weil sie glaubte, die im Testament umschriebene Person zu sein, die das Erbe nach dem Sohn erhalten sollte.
Nachlasspfleger
Ein Nachlasspfleger ist eine vom Nachlassgericht bestellte Person, die sich um den Nachlass kümmert und die Erben vertritt, wenn diese noch unbekannt sind oder nicht festgestellt werden können. Diese Bestellung schützt das Erbe vor Wertverfall und stellt sicher, dass notwendige Maßnahmen zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses ergriffen werden, bis die rechtmäßigen Erben feststehen. Der Nachlasspfleger wacht über die Integrität des Erbes.
Beispiel: Nachdem das Nachlassgericht den ursprünglichen Erbschein einzog, legte der Nachlasspfleger Beschwerde ein, um die Interessen der potenziellen, noch unbekannten Erben zu vertreten und den Bestand des Erbes zu sichern.
Schlusserbe
Ein Schlusserbe ist die Person, die in einem gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod des länger lebenden Ehepartners das gesamte gemeinsame Vermögen als finale Erbschaft erhält. Diese Regelung, oft im sogenannten Berliner Testament verankert, stellt sicher, dass das Vermögen zunächst dem überlebenden Ehepartner zugutekommt und erst danach in seiner Gesamtheit an die nächste Generation oder eine bestimmte Person übergeht. Es vermeidet eine Aufteilung des Vermögens in zwei Schritten.
Beispiel: Das gemeinschaftliche Testament von 1970 sah den Sohn als Schlusserben vor, sodass dieser nach dem Tod beider Elternteile das gesamte Erbe erhalten sollte und nicht bereits eine Teilung stattfand.
Vorerbe
Ein Vorerbe ist eine Person, die ein Erbe zunächst erhält, es aber nicht vollständig frei verfügen kann, da es nach dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses an einen Nacherben weitergegeben werden muss. Durch die Vorerbschaft kann der Erblasser bestimmen, dass bestimmte Vermögenswerte nur für eine bestimmte Zeit oder zu bestimmten Bedingungen an eine Person gehen, bevor sie an den endgültigen Empfänger, den Nacherben, weitergeleitet werden. Diese Konstruktion erlaubt eine sehr präzise Steuerung der Vermögensweitergabe.
Beispiel: Der Sohn wurde im Testament des Erblassers als Vorerbe für das Elternhaus eingesetzt, was bedeutete, dass er es bis zu seinem Tod besitzen durfte, bevor es an eine Nacherbin übergehen sollte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Bestimmtheit der Erbeinsetzung (§ 2065 BGB)
Ein Erblasser muss in seinem Testament klar und unmissverständlich festlegen, wer Erbe werden soll, und darf diese Entscheidung nicht jemand anderem oder schwer greifbaren Umständen überlassen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Formulierung „die es besonders gut konnte mit E“ war dem Gericht zu ungenau, um eine eindeutige Person als Nacherben zu bestimmen, da zu viele Interpretationsmöglichkeiten bestanden.
- Grenzen richterlicher Auslegung bei unklarem Erblasserwillen (Allgemeines Rechtsprinzip)
Gerichte dürfen den Willen eines Erblassers nicht frei interpretieren oder ergänzen, wenn dessen Anweisungen im Testament zu unklar sind, um eine eindeutige Entscheidung zu treffen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht lehnte es ab, die unklare Formulierung „die es besonders gut konnte mit E“ auszulegen und selbst Kriterien festzulegen, da dies einer unzulässigen Ergänzung des Erblasserwillens gleichkäme.
- Nacherbschaft (§ 2100 BGB)
Bei der Nacherbschaft bestimmt der Erblasser zwei Personen hintereinander als Erben: Zuerst erbt der Vorerbe und danach, oft nach dessen Tod, eine weitere Person als Nacherbe.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Erblasser wollte mit dieser Regelung sicherstellen, dass das Elternhaus erst an seinen Sohn (Vorerbe) und nach dessen Tod an eine weitere, von ihm näher beschriebene Person (Nacherbe) fällt.
- Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente (§ 2271 BGB)
Wenn Ehepartner ein gemeinschaftliches Testament verfassen und sich darin gegenseitig sowie einen Schlusserben einsetzen, kann der länger lebende Partner die darin getroffenen Verfügungen oft nicht mehr einseitig ändern.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Nachlassgericht sah eine mögliche Bindungswirkung des älteren gemeinschaftlichen Testaments, die den Erblasser daran gehindert hätte, die Erbfolge in seinem späteren Einzeltestament zugunsten einer Nacherbin neu zu regeln.
Das vorliegende Urteil
OLG Karlsruhe – Az.: 14 W 36/24 (Wx) – Beschluss vom 10.07.2025
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Dr. jur. Christian Gerd Kotz ist Notar in Kreuztal und seit 2003 Rechtsanwalt. Als versierter Erbrechtsexperte gestaltet er Testamente, Erbverträge und begleitet Erbstreitigkeiten. Zwei Fachanwaltschaften in Verkehrs‑ und Versicherungsrecht runden sein Profil ab – praxisnah, durchsetzungsstark und bundesweit für Mandanten im Einsatz.
