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Einstweilige Anordnung gegen Veräußerung eines Erbbaurechts durch Testamentsvollstrecker

OLG Karlsruhe – Az.: 11 Wx 88/12  – Beschluss vom 24.08.2012

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Notariats 5 – Nachlassgericht – H. vom 20. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

2. Der Beteiligte zu 1 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf EUR 82.814,42 festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 wendet sich gegen die Zurückweisung seines Antrags, dem als Testamentsvollstrecker eingesetzten Beteiligten zu 2 im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, das zum Nachlass gehörende Erbbaurecht He. 3 in H. zu veräußern.

Der Beteiligte zu 1 ist Alleinerbe der am 12. Juli 2006 verstorbenen Erblasserin, der Beteiligte zu 2 ist für die Dauer von sieben Jahren ab dem Todestag zum Testamentsvollstrecker eingesetzt.  Der Beteiligte zu 1 hat die Entlassung des Beteiligten zu 2 als Testamentsvollstrecker wegen pflichtwidriger Amtsführung beantragt. Gegen die diesen Antrag zurückweisende Entscheidung des Nachlassgerichts ist beim Senat (Aktenzeichen 11 Wx 6/12, nachfolgend BA) seit dem 24. Januar 2012 (BA As. 1853) ein Beschwerdeverfahren anhängig.

Mit Schreiben vom 1. Juni 2012 an den Beteiligten zu 1 (BA As. 2093) teilte der Beteiligte zu 2 mit, dass er sich entschlossen habe, das Erbbaurecht He. 3 zu verkaufen.  Ihm liege das Angebot eines Interessenten vor, der für den Kauf des Objekts einen Kaufpreis von 1,89 Mio. EUR bezahlen wolle. Er halte den Verkauf des Anwesens für wirtschaftlich zwingend notwendig. Das Schreiben enthält nähere Angaben zu den aus der Vermietung des Gebäudes erzielten Einnahmen, zu anstehenden Reparaturarbeiten sowie zum Verkehrswert des Gebäudes.

Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2012 hat der der Beteiligte zu 1 bei dem Nachlassgericht beantragt, dem Beteiligten zu 2 im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, das Erbbaurecht He. 3 in H. zu veräußern. Der Verkauf widerspreche dem Erblasserwillen und sei auch nicht erforderlich; die Zins- und Tilgungsleistungen für die Verbindlichkeiten könnten aus den Mieteinnahmen gedeckt werden. Der Beteiligte zu 1 habe seine Zustimmung zum Verkauf des Erbbaurechts nicht erklärt.

Das Nachlassgericht hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Das Nachlassgericht sei für einstweilige Anordnungen im Rahmen des Entlassungsverfahrens nicht mehr zuständig, da das Entlassungsverfahren bereits in zweiter Instanz anhängig sei. Der Entlassungsantrag habe im Übrigen auch keine Erfolgsaussichten, weshalb es an einem wichtigen Grund, der eine einstweilige Anordnung rechtfertigen könnte, fehle.

Gegen diese Entscheidung, die der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 25. Juni 2012 zugestellt worden ist, richtet sich die am 25. Juli 2012 eingegangene Beschwerde des Beteiligten zu 1. Er vertritt die Auffassung, das Nachlassgericht sei von Anfang an für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zuständig gewesen und habe den Antrag daher, ohne dass es eines Antrags bedurft hätte, an das Oberlandesgericht verweisen müssen. Anders als nach dem früher geltenden FGG sei nach dem auf das vorliegende Verfahren bereits anwendbaren FamFG der Erlass einer einstweiligen Anordnung möglich und wegen des vorliegenden dringenden Bedürfnisses auch geboten.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Akten des die Entlassung des Testamentsvollstreckers betreffenden Verfahrens Bezug genommen.

II.

Die nach § 58 Absatz 1 FamFG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Nachlassgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Testamentsvollstrecker im Wege der einstweiligen Anordnung den Verkauf des Erbbaurechts zu untersagen.

1. Der Beschwerdeführer, der sich mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Gericht erster Instanz gewandt hatte, macht mit der Beschwerde ausdrücklich nicht mehr geltend, dass das Nachlassgericht für die Entscheidung über den Antrag zuständig gewesen wäre; er vertritt nunmehr die Auffassung, dass es dem Nachlassgericht von vornherein an seiner Zuständigkeit gemangelt habe und es den Antrag daher von Amts wegen an das Oberlandesgericht K. hätte verweisen müssen. Ob das zutreffend ist, bedarf keiner Vertiefung. Der geltend gemachte Verfahrensmangel hätte, wie der Beteiligte zu 1 unter Berufung auf die Kommentierung von Sternal (in: Keidel, FamFG, 17. Auflage, § 65, Rn. 20) zu Recht geltend macht, allenfalls zur Folge, dass das Beschwerdegericht die Sachentscheidung des Nachlassgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen hätte. Die Prüfung führt hier, wie nachfolgend auszuführen sein wird, zu einer Verneinung der rechtlichen Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung.

2. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nicht in Betracht, weil das Nachlassgericht ebenso wenig wie das Beschwerdegericht befugt ist, im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in die Amtsführung des Testamentsvollstreckers einzugreifen.

a) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung würde nach dem Zweck dieses Verfahrens voraussetzen, dass das Nachlassgericht in einem Hauptsacheverfahren befugt wäre, dem Testamentsvollstrecker eine bestimmte Handlung – hier die Veräußerung eines zu dem Nachlassvermögen gehörenden Gegenstands – zu untersagen. Dafür fehlt es aber an einer gesetzlichen Grundlage.

aa) Da der Testamentsvollstrecker sein Amt und seine selbständige Rechtsstellung vom Erblasser ableitet, führt das Nachlassgericht keine Aufsicht über die Verwaltung des Nachlasses durch den Testamentsvollstrecker (vgl. J. Mayer in BeckOK, BGB, Edition 23, § 2197, Rn. 9). Anders als es etwa in § 1837 Absatz 2 Satz 1 BGB für den Vormund angeordnet ist, sieht das Gesetz eine allgemeine Kontrolle der Arbeit des Testamentsvollstreckers nicht vor; eine solche gerichtliche Kontrolle könnte noch nicht einmal vom Erblasser wirksam angeordnet werden (vgl. Zimmermann in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 2205, Rn. 13). Das Gesetz hat das Testamentsvollstreckerrecht vielmehr so ausgestaltet, dass es eine Kontrolle durch präventive Maßnahmen nicht vorgesehen, sondern dem Nachlassgericht nur die Möglichkeit eingeräumt hat, einen pflichtwidrig handelnden Testamentsvollstrecker zu entlassen.

bb) Fehlt es aber an einem Aufsichtsrecht des Nachlassgerichts, ist dieses auch nicht befugt, durch endgültige Anordnungen oder ihnen vorgelagerte einstweilige Anordnungen in die Verwaltung des Nachlasses dadurch einzugreifen, dass einzelne Handlungen geboten oder untersagt würden (so im Ergebnis auch OLG Köln, Beschluss vom 8. Oktober 1986 – 2 Wx 57/86, NJW-RR 1987, 71; zustimmend Bumiller/Harders, FamFG, 10. Auflage, § 355, Rn. 10; ebenso OLG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2010 – 15 Wx 40/10, BeckRS 2010, 18316). Ein solches Eingriffsrecht würde auch deshalb zu problematischen Ergebnissen führen, weil nicht nur eine einzelne vom Testamentsvollstrecker geplante oder verweigerte Maßnahme betrachtet werden könnte, sondern diese Teil des bei der Testamentsvollstreckung verfolgten wirtschaftlichen Gesamtkonzepts ist. Dieses zu bestimmen, ist aber im Rahmen der Erblasseranordnungen die originäre Aufgabe des Testamentsvollstreckers; das Nachlassgericht kann sie nicht an seiner Stelle übernehmen.

b) Zimmermann (ZEV 2010, 368; ebenso Reimann in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, vor § 2197, Rn. 30) hält es unter Geltung des hier bereits anwendbaren Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für zulässig, dass das Nachlassgericht eine einstweilige Anordnung trifft, die dem Testamentsvollstrecker die Verfügung über alle oder bestimmte Nachlassgegenstände untersagt. Dem folgt der Senat nicht. Zwar stehen dem Erlass einer einstweiligen Anordnung keine grundsätzlichen verfahrensrechtlichen Hindernisse entgegen, weil § 49 Absatz 1 FamFG eine solche ausdrücklich vorsieht. Etwas grundsätzlich anderes galt aber auch für das frühere Recht nicht. Dort war der Erlass einer einstweiligen Anordnung  allerdings ausdrücklich nur für den zweiten Rechtszug geregelt, indem das Beschwerdegericht in § 24 Absatz 3 FGG ermächtigt wurde, vor der Entscheidung in der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zu erlassen. Auch unter Geltung des früheren Rechts war aber die Möglichkeit anerkannt, dass das Gericht erster Instanz eine sogenannte „vorläufige Anordnung“ erlässt, wenn ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten bestand (vgl. Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage, § 19, Rn. 30). Diese verfahrensrechtlich grundsätzlich bestehende Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung ändert aber nichts daran, dass es einer gesetzlichen Befugnis bedarf, die einstweilen getroffene Regelung auch in Form einer Hauptsacheentscheidung zu erlassen. Eine solche Befugnis aber ist den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit aus den oben unter a) eingeräumten Gründen nicht eingeräumt. Eine solche Befugnis entsteht auch nicht durch die Befassung des Gerichts mit einem Entlassungsantrag. Solange der Testamentsvollstrecker aus seinem Amt nicht entlassen ist, muss er es im Interesse des Nachlasses fortführen, ohne dass er in seiner Amtsführung durch einstweilige Anordnung des Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeschränkt werden kann.

c) Diese Beurteilung führt allerdings dazu, dass im Instanzenzug der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch dann keine einstweilige Anordnung erlassen werden kann, wenn die Gefahr besteht, dass der Testamentsvollstrecker bis zur Entscheidung über einen gegen ihn gerichteten Entlassungsantrag noch Verwaltungshandlungen vornimmt, also etwa Vermögensgegenstände veräußert oder sonst Verträge schließt, durch die der Nachlass verpflichtet wird. Der Erbe wird dadurch aber nicht schutzlos gestellt. Zwischen ihm und dem Testamentsvollstrecker besteht ein gesetzliches Verpflichtungsverhältnis. Aufgrund dessen ist es dem Erben möglich, seinen Rechtsanspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung gegen den Testamentsvollstrecker im Zivilprozess durchzusetzen (OLG Köln a. a. O.). Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 9. Oktober 1957 (IV ZR 217/57, NJW 1957, 1916, 1917) ausgesprochen, dass jeder Erbe gegen den Testamentsvollstrecker darauf klagen könne, dass dieser seine Pflichten erfülle. Besteht aber eine zivilprozessuale Klagebefugnis, so besteht auch kein verfahrensrechtliches Hindernis, im Verhältnis zu dem Testamentsvollstrecker eine einstweilige Verfügung nach den §§ 935, 940 ZPO zu beantragen (ebenso OLG Schleswig, Beschluss vom 9. März 2010 – 3 W 29/10, juris-Rn. 5, das lediglich eine einstweilige Untersagung der Amtsausübung durch das Prozessgericht, nicht aber die Untersagung einzelner Verwaltungsmaßnahmen für unzulässig hält).

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Gründe, die es rechtfertigen könnten, von der regelmäßig gebotenen Belastung des erfolglosen Rechtsmittelführers mit den Kosten abzusehen, sind nicht ersichtlich.

2. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 131 Absatz 4, 30 KostO. Nach den Angaben des Testamentsvollstreckers in seinem die Veräußerung des Erbbaurechts ankündigenden Schreiben soll der Verkehrswert 1,95 Mio. EUR betragen, denen dinglich gesicherte Belastungen von EUR 1.121.855,85 gegenüberstehen (BA As. 2101). Der Senat erachtet es für angemessen, als Geschäftswert für das um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchende Beschwerdeverfahren ein Zehntel des Differenzbetrages, mithin EUR 82.814,42 anzusetzen.

3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Absatz 4 FamFG ausgeschlossen.

 

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