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Erbauseinandersetzungsvertrag – Genehmigung durch Betreuungsgericht

Rechtliche Hürden bei Erbauseinandersetzungsverträgen: Pfändungsgläubiger nicht außer Acht lassen

Das Landgericht München II entschied am 23.01.2023 (Az.: 6 T 4230/22 BET), dass die sofortige Beschwerde einer Betreuten gegen die Genehmigung eines Erbauseinandersetzungsvertrages durch das Betreuungsgericht Ebersberg berechtigt ist. Der ursprüngliche Beschluss des Amtsgerichts Ebersberg vom 13.10.2022 wurde aufgehoben. Grund dafür ist, dass der Vertrag ohne die Zustimmung eines Pfändungsgläubigers geschlossen wurde, was rechtlich nicht haltbar ist, und weitere Unstimmigkeiten und Unvollständigkeiten aufweist, die eine Genehmigung nicht rechtfertigen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 T 4230/22 BET >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Landgericht München II hebt einen Beschluss des Amtsgerichts Ebersberg aufgrund einer erfolgreichen sofortigen Beschwerde auf.
  • Im Zentrum steht ein Erbauseinandersetzungsvertrag, der ohne die erforderliche Zustimmung eines Pfändungsgläubigers geschlossen wurde.
  • Der Vertrag enthält zudem Unstimmigkeiten und Unvollständigkeiten, die eine Genehmigung durch das Betreuungsgericht nicht zulassen.
  • Die Entscheidung betont die Notwendigkeit der Zustimmung von Pfändungsgläubigern bei der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften.
  • Sie unterstreicht außerdem die Bedeutung der vollständigen und korrekten Darstellung des Nachlasses in Erbauseinandersetzungsverträgen.
  • Die wirtschaftlichen Interessen der Betreuten wurden durch den genehmigten Vertrag nicht ausreichend berücksichtigt.
  • Der Fall zeigt die komplexe rechtliche Natur von Erbauseinandersetzungen, insbesondere bei bestehenden Pfändungen.
  • Die vollständige Aufklärung der wirtschaftlichen Umstände durch das Betreuungsgericht wird als notwendig erachtet.

Erbauseinandersetzungen und die Rolle des Betreuungsgerichts

Wenn ein geliebter Mensch verstirbt, bleibt neben der Trauer oft auch ein Erbe zurück. Doch was passiert, wenn sich die Erben nicht einig sind oder der Erblasser nicht mehr geschäftsfähig war? In solchen Fällen kann ein Erbauseinandersetzungsvertrag hilfreich sein, der jedoch der Genehmigung durch das Betreuungsgericht bedarf. Doch welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein und welche Schritte sind notwendig? Die folgende Einführung bietet einen Überblick über die wichtigsten Aspekte rund um die Genehmigung eines Erbauseinandersetzungsvertrags durch das Betreuungsgericht.

Im Zentrum des Rechtsstreits steht ein Erbauseinandersetzungsvertrag, der die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft zwischen einer betreuten Person und ihrem Bruder regeln sollte. Die betreute Person, vertreten durch ihre gesetzliche Betreuerin, und ihr Bruder waren Erben ihres verstorbenen Vaters, wobei sie jeweils ein Viertel und ihre Mutter die Hälfte des Erbes erhielt. Nach dem Tod der Mutter erbte der Bruder deren Anteil, was die beiden Geschwister in eine Erbengemeinschaft bezüglich eines spezifischen Grundstücks brachte.

Die rechtliche Komplexität eines Erbauseinandersetzungsvertrags

Die Betreuerin beantragte beim Betreuungsgericht die Genehmigung eines Erbauseinandersetzungsvertrages, um die Erbengemeinschaft zwischen der Betreuten und ihrem Bruder aufzulösen. Dieser Schritt war notwendig, da der Vertrag auch die Zustimmung des Betreuungsgerichts erforderte, um wirksam zu sein. Der Vertrag zielte darauf ab, das gemeinsam geerbte Immobilienvermögen gerecht zwischen den Parteien aufzuteilen. Ein Teilungsversteigerungsverfahren hatte bereits stattgefunden, und der Erlös sollte unter den Erben aufgeteilt werden.

Rechtliche Hürden und die Rolle des Betreuungsgerichts

Das Betreuungsgericht Ebersberg erteilte zunächst die Genehmigung für den Erbauseinandersetzungsvertrag. Diese Entscheidung wurde jedoch auf sofortige Beschwerde der Betreuten hin vom Landgericht München II revidiert. Das LG stellte fest, dass der Vertrag in seiner vorliegenden Form nicht genehmigungsfähig sei. Ein entscheidender Punkt war, dass der Vertrag die Rechte eines Pfändungsgläubigers, der zuvor den Miterbenanteil der Betreuten gepfändet hatte, nicht berücksichtigte. Ein ohne Zustimmung des Pfändungsgläubigers geschlossener Vertrag sei diesem gegenüber unwirksam, wodurch die Erbengemeinschaft ihm gegenüber als nicht auseinandergesetzt gilt.

Die wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen der Entscheidung

Die Entscheidung des Gerichts unterstreicht die Notwendigkeit, alle rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte in Betracht zu ziehen, bevor ein Erbauseinandersetzungsvertrag genehmigt wird. Insbesondere die Rechte von Pfändungsgläubigern und die korrekte Darstellung des Nachlassvermögens sind entscheidend. Das Gericht wies darauf hin, dass der Vertrag nicht nur unvollständige und unrichtige Angaben zum Nachlassvermögen enthielt, sondern auch gesetzeswidrig war, da er ohne die erforderliche Zustimmung des Pfändungsgläubigers abgeschlossen wurde.

Die Bedeutung der Genehmigung durch das Betreuungsgericht

Dieser Fall verdeutlicht die kritische Rolle des Betreuungsgerichts bei der Genehmigung von Rechtsgeschäften, die von Betreuern im Namen der Betreuten durchgeführt werden. Die Gerichte müssen sicherstellen, dass solche Verträge nicht nur den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, sondern auch die wirtschaftlichen Interessen der Betreuten schützen. Die Entscheidung macht deutlich, dass das Betreuungsgericht die Pflicht hat, alle relevanten Umstände zu prüfen und eine umfassende Bewertung vorzunehmen, um die Interessen der Betreuten zu wahren.

Im Kern bestätigte das LG München II, dass das Betreuungsgericht Ebersberg seine Pflicht zur sorgfältigen Prüfung des Erbauseinandersetzungsvertrages nicht erfüllt hatte. Durch die Aufhebung des ursprünglichen Beschlusses setzte das LG München II einen wichtigen Standard für die Rolle der Gerichte bei der Überwachung von Rechtsgeschäften, die im Namen von Betreuten durchgeführt werden.

Zusammengefasst hebt der Fall die Bedeutung der sorgfältigen Prüfung von Erbauseinandersetzungsverträgen hervor, insbesondere in Anbetracht der Rechte Dritter und der korrekten Darstellung des Nachlassvermögens. Er zeigt auch, dass das Betreuungsgericht eine zentrale Rolle bei der Überprüfung und Genehmigung solcher Verträge spielt, um die Interessen der Betreuten zu schützen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was ist ein Erbauseinandersetzungsvertrag?

Ein Erbauseinandersetzungsvertrag ist ein rechtliches Instrument, das im Rahmen der Erbauseinandersetzung, also der Aufteilung des Nachlasses eines Verstorbenen unter den Erben, zum Einsatz kommt. Dieser Vertrag ist besonders relevant, wenn mehrere Personen gemeinsam erben und eine Erbengemeinschaft bilden. Die Hauptfunktion des Erbauseinandersetzungsvertrags besteht darin, eine einvernehmliche Lösung für die Verteilung des Nachlasses zu finden und festzuhalten, um so die Erbengemeinschaft aufzulösen.

Die Erbauseinandersetzung durch einen solchen Vertrag ist der Regelfall und stellt einen gegenseitig verpflichtenden Vertrag dar. Er wird auch als „Erbteilungsvertrag“ bezeichnet und ist nur dann formbedürftig, wenn das zugrundeliegende Geschäft eine bestimmte Form erfordert, wie beispielsweise die notarielle Beurkundung bei der Übereignung von Immobilien. Sollten nicht alle Miterben der Erbteilung nach dem Erbauseinandersetzungsvertrag zustimmen, kann die Erbauseinandersetzung durch eine Klage, die sogenannte Erbauseinandersetzungsklage oder Erbteilungsklage, erzwungen werden.

Der Erbauseinandersetzungsvertrag muss von allen Miterben unterschrieben werden und dient als Grundlage für die Verteilung des Nachlasses. Er ist insbesondere dann erforderlich, wenn zum Nachlass Immobilien gehören, da in solchen Fällen ein notarieller Vertrag notwendig ist. Der Vertrag beinhaltet Vereinbarungen zwischen den Miterben zur Aufteilung des vorhandenen Nachlasses nach den Erbquoten und weiteren relevanten Aspekten.

Ein Erbauseinandersetzungsvertrag empfiehlt sich vor allem dann, wenn sich die Aufteilung des Erbes als komplex erweist, beispielsweise bei unterschiedlichen Nachlassgegenständen wie Grundstücken, Immobilien, Unternehmensteilen und beweglichem Eigentum. Er bildet den Abschluss der Erbauseinandersetzung und führt zur Auflösung der Erbengemeinschaft. Obwohl es keine festen Formvorgaben gibt, ist es ratsam, den Vertrag schriftlich festzuhalten. Bei Immobilien oder im Handelsregister eingetragenen Gesellschaften im Nachlass ist eine notarielle Beurkundung des Vertrags erforderlich.

Zusammengefasst ist der Erbauseinandersetzungsvertrag ein wesentliches Instrument zur geregelten und einvernehmlichen Aufteilung des Nachlasses unter den Erben, um Konflikte zu vermeiden und die Erbengemeinschaft aufzulösen.

Wie erfolgt die Genehmigung eines Erbauseinandersetzungsvertrags durch ein Betreuungsgericht?

Die Genehmigung eines Erbauseinandersetzungsvertrags durch ein Betreuungsgericht ist ein notwendiger Schritt, wenn eine unter Betreuung stehende Person Teil einer Erbengemeinschaft ist. Dieser Prozess stellt sicher, dass die Interessen des Betreuten angemessen berücksichtigt und geschützt werden. Hier ist ein Überblick über den Ablauf der Genehmigung:

  • Notwendigkeit der Genehmigung: Wenn ein gerichtlich bestellter Betreuer im Rahmen eines Erbauseinandersetzungsvertrags handeln muss, ist eine betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich. Diese wird erst mit Rechtskraft wirksam und muss anschließend von dem Betreuer allen Miterben mitgeteilt werden.
  • Prüfung durch das Betreuungsgericht: Das Betreuungsgericht prüft den vorgelegten Erbauseinandersetzungsvertrag auf seine Genehmigungsfähigkeit. Dabei ist es Aufgabe des Gerichts, die wirtschaftlichen Umstände vollständig aufzuklären. Gesetzwidrige Rechtsgeschäfte sind nicht genehmigungsfähig. Das Gericht achtet darauf, dass der Vertrag den Interessen des Betreuten dient und keine wirtschaftlichen Nachteile für ihn birgt.
  • Beteiligung eines Verfahrenspflegers: In manchen Fällen kann das Betreuungsgericht einen Verfahrenspfleger bestellen, der die Interessen des Betreuten im Genehmigungsverfahren vertritt. Der Verfahrenspfleger prüft den Vertrag auf seine Genehmigungsfähigkeit und gibt eine Empfehlung ab. Wenn der Vertrag in einer ersten Fassung nicht genehmigungsfähig ist, kann er überarbeitet und erneut zur Prüfung vorgelegt werden.
  • Genehmigung und Mitteilung: Nach erfolgreicher Prüfung erteilt das Betreuungsgericht die Genehmigung zum Erbauseinandersetzungsvertrag. Diese Genehmigung wird rechtskräftig und muss dann vom Betreuer den anderen Miterben mitgeteilt werden.
  • Besonderheiten bei Minderjährigen: Wenn minderjährige Erben beteiligt sind, kann zusätzlich die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich sein, um ein gesetzlich verbotenes „Insichgeschäft“ zu vermeiden. Die Verträge, die im Namen der Minderjährigen abgeschlossen werden, müssen ebenfalls gerichtlich genehmigt werden.

Zusammenfassend ist die Genehmigung eines Erbauseinandersetzungsvertrags durch das Betreuungsgericht ein wichtiger Schritt, um die Rechte und Interessen von unter Betreuung stehenden Personen im Rahmen der Erbauseinandersetzung zu wahren.

Welche Rolle spielen Pfändungsgläubiger bei Erbauseinandersetzungen?

Pfändungsgläubiger spielen bei Erbauseinandersetzungen eine wichtige Rolle, insbesondere wenn es um die Rechte und Pflichten von Miterben geht, deren Erbanteile gepfändet wurden. Hier sind die wesentlichen Punkte, die ihre Rolle und Einflussnahme verdeutlichen:

  • Pfändung des Erbteils: Ein Pfändungsgläubiger kann den Erbteil eines Schuldners pfänden. Diese Pfändung gibt dem Gläubiger ein Pfandrecht am Erbteil des Schuldners. Trotz der Pfändung bleibt der Schuldner Miterbe, was bedeutet, dass der Gläubiger nicht automatisch in die Position des Miterben eintritt.
  • Verwaltungsbefugnisse: Nach der Pfändung eines Erbteils übt der Pfandgläubiger anstelle des Verpfänders die Verwaltungsbefugnisse in der Erbengemeinschaft aus. Dies bedeutet, dass der Pfändungsgläubiger bestimmte Rechte im Rahmen der Erbengemeinschaft geltend machen kann, ohne dass das Sicherungs- und Befriedigungsinteresse des Pfändungsgläubigers beeinträchtigt wird.
  • Teilungsversteigerung: Der Pfändungsgläubiger kann, nachdem die Pfandreife eingetreten ist, auch ohne Zustimmung des Miterben die Teilungsversteigerung eines zur Erbmasse gehörenden Grundstücks einleiten, sofern ein dinglicher Titel vorliegt. Dies ermöglicht dem Gläubiger, seinen Anspruch durch die Verwertung des Grundstücks zu befriedigen.
  • Eintritt in die Rolle des Miterben: In bestimmten Fällen kann der Pfändungsgläubiger in die Rolle des Miterben eintreten und Maßnahmen wie die Teilungsversteigerung eines zur Erbmasse gehörenden Grundstücks betreiben. Dies geschieht, wenn der Gläubiger den Erbanteil des Schuldners gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen hat.
  • Unwirksamkeit der Erbauseinandersetzung ohne Mitwirkung: Eine Erbauseinandersetzung ohne Mitwirkung des Pfändungsgläubigers ist diesem gegenüber relativ unwirksam, da dadurch sein Erbteilspfandrecht hinfällig werden könnte. Dies bedeutet, dass der Pfändungsgläubiger in den Prozess der Erbauseinandersetzung einbezogen werden muss, um die Wirksamkeit der Auseinandersetzung zu gewährleisten.

Zusammenfassend haben Pfändungsgläubiger durch die Pfändung eines Erbteils signifikante Rechte und können maßgeblich den Verlauf und die Ergebnisse von Erbauseinandersetzungen beeinflussen. Ihre Beteiligung kann notwendig sein, um eine rechtlich wirksame und für alle Parteien akzeptable Lösung zu erreichen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  1. §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1822 Nr. 2 BGB: Diese Paragraphen regeln die Notwendigkeit der Genehmigung von bestimmten Rechtsgeschäften durch das Betreuungsgericht, wenn eine Person unter Betreuung steht. Im Kontext des Urteils war die Genehmigung des Erbauseinandersetzungsvertrages durch das Betreuungsgericht erforderlich, da eine der Parteien betreut wurde.
  2. §§ 63 Abs. 2 Nr., 64 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FamFG: Diese Vorschriften aus dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) beschreiben die formalen Anforderungen und Fristen für die Einlegung von Rechtsmitteln, hier speziell die sofortige Beschwerde. Sie waren relevant, weil die betreute Person gegen die Genehmigung des Erbauseinandersetzungsvertrages durch das Betreuungsgericht Beschwerde eingelegt hatte.
  3. § 1276 Abs. 1 BGB: Dieser Paragraph behandelt die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften gegenüber Pfändungsgläubigern. Im vorliegenden Fall war der Erbauseinandersetzungsvertrag ohne Zustimmung des Pfändungsgläubigers geschlossen worden, was nach diesem Paragraphen nicht zulässig ist.
  4. §§ 859 Abs. 2, 835 Abs. 1 1. Alt., 836 ZPO: Diese Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) befassen sich mit der Pfändung von Forderungen und Rechten sowie der Überweisung zur Einziehung. Sie waren relevant, weil der Anteil der Betreuten an der Erbengemeinschaft durch einen Gläubiger gepfändet worden war.
  5. § 816 Abs. 2 BGB: Dieser Paragraph regelt Ansprüche aus einer Leistung an einen Nichtberechtigten. Er war im Urteil relevant im Hinblick auf mögliche bereicherungsrechtliche Ansprüche, sollte es zu einer Auszahlung an die betreute Person kommen.
  6. §§ 1273 Abs. 2, 1227, 989 ff. BGB, § 823 BGB: Diese Paragraphen betreffen das Pfandrecht und allgemeine Schadensersatzpflichten. Sie waren im Kontext des Urteils von Bedeutung, da der Abschluss des Erbauseinandersetzungsvertrages ohne Zustimmung des Pfändungsgläubigers dessen Rechte beeinträchtigen könnte, was zu Schadenersatzansprüchen führen kann.


Das vorliegende Urteil

LG München II – Az.: 6 T 4230/22 BET – Beschluss vom 23.01.2023

Auf die sofortige Beschwerde der Betreuten wird der Beschluss des Amtsgerichts Ebersberg vom 13.10.2022, Az. XVII 277/21, aufgehoben.

Gründe

I.

1. Mit Beschluss vom 23.12.2021 ordnete das AG Ebersberg als Betreuungsgericht die vorläufige Betreuung von … (Betreute) an und bestellte Frau … zur Betreuerin. Mit Beschluss vom 16.05.2022 (Bl. 315/318 d.A.) ordnete das Betreuungsgericht endgültig eine Betreuung an. Die Überprüfungsfrist wurde auf den 15.05.2024 bestimmt. Zur Betreuerin blieb Frau … bestellt. Die Betreuung umfasst unter anderem die Aufgabenbereiche Vermögenssorge und außergerichtliche und gerichtliche Vertretung in Rechtsangelegenheiten.

2. Die Betreute hat einen Bruder, Herrn …. Sie und ihr Bruder beerbten ihren gemeinsamen, am 12.06.2005 verstorbenen Vater zu je 1/4. Weitere Miterbin des Vaters zu 1/2 war die gemeinsame Mutter. Der Nachlass wurde unter den Beteiligten mit Ausnahme eines hälftigen Miteigentumsanteils des Erblassers an dem Grundstück … in … auseinandergesetzt.

Die Mutter ist zwischenzeitlich verstorben und wurde von dem Bruder der Betreuten allein beerbt. Die danach zwischen der Betreuten mit einem Anteil von 1/4 und ihrem Bruder mit einem Anteil von 3/4 bestehende Erbengemeinschaft besteht im Hinblick auf die noch nicht abgeschlossene Auseinandersetzung bezüglich des genannten Immobilieneigentums fort.

Der andere hälftige Miteigentumsanteil am Grundstück … gehörte der Mutter. Nach deren Tod ging dieser Miteigentumsanteil durch Erbfolge auf den Bruder der Betreuten über. Infolgedessen standen der Betreuten 1/8 Miteigentumsanteil (in ungeteilter Erbengemeinschaft) am genannten Grundstück zu und dem Bruder 7/8 (davon 3/8 in ungeteilter Erbengemeinschaft).

Zum Zwecke der Auseinandersetzung der Miteigentümergemeinschaft wurde vor dem AG Weilheim ein Teilungsversteigerungsverfahren geführt (Aktz.: 2 K 49/12). In diesem Teilungsverfahren wurde am 21.11.2018 Zuschlag an die Meistbietenden erteilt. Mit Beschluss vom 30.06.2021 stellte das AG Weilheim den Teilungsplan fest und ordnete an, dass der den bisherigen Miteigentümern zustehende Übererlös in Höhe von 774.829,82 € bei der Hinterlegungsstelle des AG Weilheim zu hinterlegen ist. Der Betrag wurde zur Hinterlegung an die Hinterlegungsstelle des AG Weilheim ausgezahlt (Hinterlegungssache Aktz.: 49 HL 13/19).

Durch die … wurde vor dem Hintergrund der Ablösung von Hypotheken an dem genannten Grundstück zugunsten der Erbengemeinschaft ein weiterer Betrag von 117.597,14 € bei der Hinterlegungsstelle des AG Weilheim hinterlegt (Aktz.: 49 HL 58/21).

Von der Hinterlegungssumme von insgesamt 892.426,96 € gehört die Hälfte zum ungeteilten Nachlass des Vaters. Die andere Hälfte, mithin ein Betrag in Höhe von 446.213,48 €, steht dem Bruder der Betreuten zu. Von dem zum Nachlass gehörenden Betrag von 446.213,48 € stehen der Betreuten 1/4 zu, mithin ein Betrag in Höhe von 111.553,37 €, und ihrem Bruder 3/4, mithin ein Betrag von 334.660,11 €.

3. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 13.08.2018 pfändete Herr … aufgrund einer durch Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München II vom 18.07.2018 zu seinen Gunsten gegenüber der Betreuten titulierten Forderung in Höhe von 8.485,50 € zuzüglich Zinsen den Miterbenanteil der Betreuten an der noch nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft der Betreuten mit ihrem Bruder (vgl. PfÜB und Zustellungsnachweise in Anlage zu Bl. 426 d.A.). Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde an die Miterben zugestellt.

4. Mit Schreiben vom 16.03.2022 (Bl. 229/230 d.A. nebst Vertragsentwurf in Anlage) beantragte die Betreuerin die Genehmigung eines Erbauseinandersetzungsvertrages zum Zwecke der Auseinandersetzung der zwischen der Betreuten und ihrem Bruder bestehenden Erbengemeinschaft, welcher zuvor mit den anwaltlichen Vertretern des Bruders ausgehandelt worden war. Mit Beschluss vom 29.04.2022 bestellte das Betreuungsgericht Herrn … für dieses Genehmigungsverfahren als Verfahrenspfleger. Der Verfahrenspfleger nahm mit Schriftsatz vom 08.06.2022 (Bl. 332/333 d.A.) dahingehend Stellung, dass der vorgelegte Erbauseinandersetzungsvertrag nicht genehmigungsfähig sei.

Der Auseinandersetzungsvertrag wurde daraufhin überarbeitet. Mit Schreiben vom 25.07.2022 (Bl., 358 d.A. nebst Vertragsentwurf in Anlage) legte die Betreuerin den nach Überarbeitung neu gefassten Erbauseinandersetzungsvertrag vor. Der Verfahrenspfleger erklärte mit Schreiben vom 10.08.2022 (Bl. 387 d.A.), dass der neu gefasste Auseinandersetzungsvertrag aus seiner Sicht genehmigungsfähig sei. Der Bruder der Betreuten unterzeichnete den neu gefassten Erbauseinandersetzungsvertrag am 30.09.2022. Mit Schreiben vom 07.10.2022 (Bl. 393 d.A.) beantragte die Betreuerin die Genehmigung dieses Vertrages.

Mit hier angefochtenem Beschluss vom 13.10.2022 (Bl. 396/397 d.A.) erteilte das Betreuungsgericht die Genehmigung zu diesem Erbauseinandersetzungsvertrag. Der Beschluss wurde der Betreuten am 19.10.2022 zugestellt.

Mit Schreiben vom 31.10.2022, bei dem Betreuungsgericht am gleichen Tag eingegangen, erhob die Betreute gegen diesen Beschluss Beschwerde. Mit Beschluss vom 07.11.2022 (Bl. 418/419 d.A.) half das Betreuungsgericht der Beschwerde nicht ab.

II.

1. Die nach den §§ 63 Abs. 2 Nr. und 64 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FamFG form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Betreuten ist begründet. Der vom Bruder der Betreuten unterzeichnete Erbauseinandersetzungsvertrag ist nicht genehmigungsfähig. Der Beschluss des Betreuungsgerichts war daher aufzuheben.

2. Nach den §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1822 Nr. 2 BGB (in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung) bedurfte der Abschluss des Erbauseinandersetzungsvertrages für die Betreute durch die Betreuerin der Genehmigung des Betreuungsgerichts.

a) Das Betreuungsgericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Im Rahmen dessen hat es die wirtschaftlichen Folgen des Rechtsgeschäfts für die Betreute, ihre Interessen und ihr Wohlergehen zu berücksichtigen. Gesetzwidrige Rechtsgeschäfte sind nicht genehmigungsfähig (vgl. Schneider, MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 1908i Rn. 22 m.w.N.).

b) Der zuletzt zur Genehmigung vorgelegte Erbauseinandersetzungsvertrag enthält, auch wenn er den der Betreuten im Ergebnis zustehenden Geldbetrag richtig berechnet, unter der Zwischenüberschrift „Nachlassbestandsverzeichnis“ Unvollständigkeiten und Unrichtigkeiten. So findet sich bei der Feststellung des Nachlassbestandes auf Seite 1 nach der Formulierung „zum heutigen Tag“ ein Klammerzusatz ohne Eintragung, so dass Unklarheiten hinsichtlich des Stichtages entstehen können. Weiter beträgt das Nachlassvermögen nicht 892.426,96 €. Der Anteil des Nachlasses an dem Grundstück … betrug 1/2 und er setzt sich nach durchgeführter Teilungsversteigerung mit diesem Anteil am Erlös fort. Daher beläuft sich das Nachlassvermögen nur auf 447.713,48 €. Hiervon steht der Betreuten 1/4 zu. Der Gesamtbetrag von 892.426,96 € repräsentiert das Gesamtvermögen der Miteigentümergemeinschaft des Grundstücks …. Der Vertrag enthält insoweit, ohne dies hinreichend klar zum Ausdruck zu bringen, zugleich eine Auseinandersetzung dieser Miteigentümergemeinschaft. Bereits diese Unvollständigkeiten und Unrichtigkeiten stehen einer Genehmigung entgegen.

c) Darüber hinaus ist der Vertrag insgesamt nicht geeignet, eine vollständige Erbauseinandersetzung herbeizuführen und der Betreuten den ihrem Erbteil entsprechenden Anteil am Erlös zukommen zu lassen. Denn der Vertrag negiert die Rechte des Pfändungsgläubigers … und ist deshalb ihm gegenüber unwirksam. Hierzu wird auf Folgendes hingewiesen:

Der Pfändungsgläubiger hat mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Weilheim vom 13.08.2018 den Anteil der Betreuten an der mit ihrem Bruder bestehenden Miterbengemeinschaft wirksam gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen (§§ 859 Abs. 2, 835 Abs.1 1. Alt.,836 ZPO). Das dadurch entstandene Pfändungspfandrecht am Erbanteil erstreckt sich auf sämtliche mit der Miterbenstellung verbundenen Vermögens- und Verwaltungsrechte und umfasst deshalb auch das Recht, die Erbauseinandersetzung zu betreiben bzw. an ihr beteiligt zu werden. Ein Erbauseinandersetzungvertrag kann daher wirksam nur mit Zustimmung des Pfändungsgläubigers geschlossen werden. Ein ohne diese Zustimmung geschlossener Vertrag ist dem Pfändungsgläubiger gegenüber unwirksam. Mit anderen Worten gilt die Erbengemeinschaft ihm gegenüber nicht als auseinandergesetzt und es besteht sein Pfandrecht insoweit fort (vgl. zu alldem Riedel, in BeckOK ZPO, 47. Edition, Stand 01.12.2022, § 859 Rn. 23 ff., 35; Flockenhaus, in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 859 Rn. 21 f.; Leinenweber, in beckOGK, BGB, Stand 01.10.2018, § 1276 Rn. 5 ff., 21 jeweils m.w.N.). Dies gilt ungeachtet dessen, dass sich das Pfandrecht auch an dem Anspruch auf anteiliger (d.h. dem Umfang der Pfändung entsprechender) Auszahlung der Hinterlegungsbeträge fortsetzt (vgl. BGH NJW 1969, 1347). Das Ziel einer endgültigen Erbauseinandersetzung kann vor diesem Hintergrund nicht erreicht werden.

d) Der Abschluss des Erbauseinandersetzungsvertrages ohne Zustimmung des Pfändungsgläubigers verstößt zudem gegen § 1276 Abs. 1 BGB (vgl. Leinenweber, in beckOGK, BGB, Stand 01.10.2018, § 1276 Rn. 5 ff.; Schäfer, in MüKo BGB, 9. Aufl. 2023, § 1276 Rn. 7). Ein solches Vorgehen ist daher auch gesetzwidrig.

e) Schließlich ist zu beachten, dass sich die Betreute, für den Fall, dass es zu einer Auszahlung der hinterlegten Beträge an sie kommt, bereicherungsrechtlichen Ansprüchen (§ 816 Abs. 2 BGB) und gegebenenfalls Schadenersatzansprüchen des Pfändungsgläubigers (§§ 1273 Abs. 2, 1227, 989 ff. BGB, § 823 BGB) ausgesetzt sehen wird, deren Beitreibung voraussehbar mit Kosten verbunden sein wird. Dies widerspricht den wirtschaftlichen Interessen der Betreuten.

f) Abschließend wird darauf hingewiesen, dass sich aus dem Akteninhalt ergibt, dass weitere Pfändungsgläubiger der Betreuten vorhanden sind. Es ist daher im Rahmen der Genehmigung eines neu zu fassenden Erbauseinandersetzungsvertrages festzustellen, inwieweit neben der genannten Pfändung des Gläubigers … gegebenenfalls weitere Erbteilspfändungen vorliegen. Dem Betreuungsgericht obliegt es die maßgeblichen wirtschaftlichen Umstände vollständig aufzuklären (vgl. BGH NJW 1986, 2829).

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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