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Erbausschlagung – Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 9 UF 16/13 – Beschluss vom 23.01.2014

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts – Familiengericht – Bad Liebenwerda vom 27. November 2012 (Az.: 21 F 220/10) wird zurückgewiesen

Für das Beschwerdeverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Gründe

Die Beschwerde, die der Ergänzungspfleger für den Mündel eingelegt hat, ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg.

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat im Ergebnis zu Recht die von dem Vormund für das betroffene Kind erklärte Ausschlagung der Erbschaft nach seiner am …2010 verstorbenen Mutter Y… G… genehmigt.

Gemäß § 1822 Nr. 2 BGB bedarf der Vormund zur Ausschlagung einer Erbschaft der Genehmigung des Familiengerichts. Funktional zuständig ist gemäß § 3 Nr. 2 a) RPflG der Rechtspfleger des Amtsgerichts, da für die in Rede stehende Angelegenheit nach § 14 RPflG kein Richtervorbehalt besteht.

Maßstab der gemäß § 1822 Nr. 2 BGB zu treffenden familiengerichtlichen Entscheidung über die Ausschlagung der Erbschaft ist allein das Wohl des Mündels. Ob die Ausschlagung einer Erbschaft genehmigungsfähig ist, hängt nicht allein von dem wirtschaftlichen Interesse des Mündels unter Berücksichtigung des Nachlassbestandes ab. Auch seine Gesamtbelange sind umfassend zu würdigen (jurisPK/Lafontaine, BGB. 5. Auflage, § 1822 Rn. 220; MüKomm/ Wagenitz, BGB, 6. Auflage, § 1828 Rn. 17 ff.).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die von dem Vormund für das betroffene Kind erklärte Ausschlagung der Erbschaft nach seiner verstorbenen Mutter entspricht seinem Wohl. Das wirtschaftliche Interesse des Mündels wird hierdurch gewahrt, da der Nachlass nicht werthaltig ist. Auch seine besondere persönliche Lebenssituation gebietet die von der Rechtspflegerin getroffene Entscheidung.

Soweit der Ergänzungspfleger die Auffassung vertritt, zum Nachlass gehöre ein nicht unerhebliches Barvermögen, ist das richtig. Die Kindesmutter hatte bei der Sparkasse … ein Schließfach auf ihren Namen angemietet. Zum Zeitpunkt ihres Todes befand sich darin Bargeld in einer Größenordnung von 78.000 €. Es handelt sich hierbei um Vermögen der Erblasserin. Nach herrschender Meinung hat der Bankkunde Alleinbesitz an dem Inhalt des gemieteten Schließfaches (MüKomm/Joost, a.a.O., § 866 Rn. 4 m.w.N.). Gemäß § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB wird zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei. Dies gilt auch für Geld (Palandt/Bassenge, BGB, 73. Auflage, § 1006 Rn. 2). Die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB geht dahin, der Eigenbesitzer habe das (unbedingte) Eigentum zugleich mit dem Besitz erworben (BGH, NJW 1967, 2008; NJW 1984, 1456). Vorliegend spricht nichts dafür, dass der Besitzerwerb der Kindesmutter nicht mit einem Eigentumserwerb verbunden war. Die maßgeblichen Umstände sind nicht bekannt. Das im Schließfach aufbewahrte Geld ist damit zunächst dem Vermögen der Erblasserin zuzurechnen. Die Erbschaft umfasst auch ein Kontoguthaben in Höhe von 481,60 €.

Gemäß § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf den oder die Erben über. Zur Erbschaft gehören auch die Verbindlichkeiten des Erblassers. Vorliegend sind Schulden vorhanden, die den vorhandenen positiven Vermögenswerten (Bargeld und Kontoguthaben) mindestens entsprechen. Die Erblasserin schuldete ihrem Lebensgefährten M… B… die Herausgabe von Erlösen aus verschiedenen Grundstücksgeschäften, die sie für ihn getätigt hatte. Es handelt sich dabei um einen Betrag von (mindestens) 72.000 €. Gemäß § 667 BGB hat der Beauftragte dem Auftraggeber das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte herauszugeben. Mit notarieller Urkunde der Notarin A… M…, amtsansässig in Sch…, vom 27.09.2007 (UR-Nr. 1…) bzw. vom 10.03.2008 (UR-Nr. 3…) veräußerte die Kindesmutter diverse Grundstücke des Lebensgefährten an die L… GmbH F…. Sie war hierzu bevollmächtigt. Der Gesamtkaufpreis betrug 57.000 €. Ferner ließ sie am 06.12.2008 – mit Vollmacht – das Wohngrundstück des Lebensgefährten in D… versteigern. Der Erlös betrug 15.000 €. Sämtliche Zahlungen wurden an die Kindesmutter geleistet. Der Lebensgefährte befand sich seinerzeit in Strafhaft. Mit dem Geld wollten die Lebenspartner einen privaten und beruflichen Neuanfang in Ägypten wagen. Hierzu kam es nicht. Der Lebensgefährte der Kindesmutter wurde Mitte April 2010 vorzeitig aus der Strafhaft entlassen. Während eines anschließenden gemeinsamen Urlaubs wandte sich die Kindesmutter einem anderen Mann zu und hegte Trennungspläne. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf der Lebensgefährte die Kindesmutter am …2010 tötete. Gegenstand der Streitigkeiten waren auch die Erlöse aus den Grundstücksgeschäften.

Neben den Verbindlichkeiten aus den Grundstücksverkäufen (72.000 €) ist der Nachlass noch mit weiteren Verbindlichkeiten belastet. Es handelt sich hierbei um Schulden der Erblasserin bei der Landesjustizkasse (1.279,70 €), der Q… GmbH (378,47 €), dem Kaufhaus K::: (150,25 €), der D… AG (301,32 €), des Jobcenters E… (759,08 € + 239,36 €) und bei dem Vermieter (3.036,50 € + 199,18 €). Ein positiver Nachlass lässt sich nach alledem nicht feststellen. Die Ausschlagung der Erbschaft liegt somit im wirtschaftlichen Interesse des Mündels. Anzumerken bleibt, dass das Jobcenter E… die Rückforderung weiterer geleisteter Zahlungen in fünfstelliger Höhe wegen Falschangaben der Kindermutter betreffend Kindesunterhaltsleistungen angekündigt hat.

Die familiengerichtliche Genehmigung der Erbausschlagung entspricht auch den persönlichen Interessen des Mündels. Die Lebensumstände des betroffenen Kindes müssen vorliegend in besonderem Maße berücksichtigt werden. Die Kindesmutter wurde am ….2010 Opfer einer Gewalttat, die ihr Lebensgefährte (M… B…) verübt hatte. Der damals neunjährige Mündel musste mit ansehen, wie der Täter auf seiner Mutter saß und auf sie einstach. Dem traumatisierten Kind ist es nicht zumutbar, von der Person, die den gewaltsamen Tod der Mutter zu verantworten hat, in einen Rechtsstreit verwickelt zu werden. Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.08.2010 hat der Täter bereits angekündigt, die Erben der Kindesmutter auf Herausgabe des Geldes zu verklagen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Erbe – wie der Ergänzungspfleger in seiner Stellungnahme 13.11.2012 richtig ausführt – seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränken kann (§ 1990 BGB). Angesichts der äußerst geringen Aussicht an dem Nachlass einen wirtschaftlichen Wert zu erhalten, führt diese Möglichkeit nicht dazu, der Erbausschlagung die Genehmigung zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 Abs. 3 FamFG.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes ist entbehrlich, da Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden und außergerichtliche Kosten in Form von Rechtsanwaltsgebühren ersichtlich nicht anfallen.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

 

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