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Erbausschlagungsfrist bei widersprüchlichen Erbfolgeregelungen

Adoptivtochter erhält nach jahrelangem Rechtsstreit über eine halbe Million Euro! Obwohl sie zunächst als Erbin eingesetzt war, entschied sie sich für den Pflichtteil – und das Landgericht Wuppertal gab ihr Recht. Ein komplexer Fall rund um Testamente, Erbverträge und eine späte Ausschlagung der Erbschaft.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Wuppertal
  • Datum: 06.01.2023
  • Aktenzeichen: 2 O 298/19
  • Verfahrensart: Zivilverfahren betreffend Pflichtteils- und Vermächtnisansprüche
  • Rechtsbereiche: Erbrecht, Zivilrecht

Beteiligte Parteien:

  • Klägerin: Adoptivtochter und aufgrund Erbausschlagung Pflichtteilsberechtigte der Erblasserin, macht Pflichtteilsansprüche und Vermächtnisansprüche gegen die Beklagten geltend.
  • Beklagte:
    • Beklagter Gruppe 1 (Nichte): Die leiblichen Nichten der Erblasserin, gegen die Pflichtteilsansprüche in Form von Geldzahlungen geltend gemacht werden.
    • Beklagter Gruppe 2 (Verwandter): Ein entfernter Verwandter, ebenfalls Beklagter in den Zahlungsansprüchen.
    • Beklagter 4: Testamentsvollstrecker, gegen den die Duldung der Zwangsvollstreckung beantragt wird.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Die Klägerin, Adoptivtochter der Erblasserin, hatte ein später als unwirksam angesehenes Testament zugunsten ihres zweiten Ehemanns für sich als Alleinerbin angesehen. Aufgrund eines Erbvertrags aus 1967 wurde ein Viertel Erbschaft beschlossen. Nach Klärung beim Oberlandesgericht Düsseldorf, entschloss sie sich zur Erbausschlagung und zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen.
  • Kern des Rechtsstreits: Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach Erbausschlagung. Frage der Verjährung der Ansprüche und der Fristwahrung der Erbausschlagung war umstritten.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Beklagten zu 1) bis 3) wurden zur Zahlung von 542.731,70 Euro als Pflichtteilsanspruch an die Klägerin verurteilt. Der Beklagte zu 4) muss die Zwangsvollstreckung in den Nachlass dulden.
  • Begründung: Die Klägerin war nach Ausschlagung der Erbschaft pflichtteilsberechtigt und hat ihre Ansprüche substantiiert begründet. Der Pflichtteilsanspruch war nicht verjährt, da der Irrtum über die Berufungsgrundlage den Fristbeginn hemmte. Die nachgewiesene Unkenntnis über den rechtlich korrekten Anspruchsgrund schützte vor dem Vorwurf der Verjährung.
  • Folgen: Die Klägerin erhält den zugesprochenen Pflichtteil. Die Entscheidung klärt die Rechtslage hinsichtlich der Fristberechnung bei konkurrierenden Erbfolgeregelungen und der Auswirkungen einer Irrtumsanfechtung. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits, solidarisch haftend. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Erbausschlagung im Fokus: Widersprüchliche Testamente richtig bewerten

Die Erbausschlagung ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Erbrechts und ermöglicht es Erben, auf ihr Erbe zu verzichten. Insbesondere bei widersprüchlichen Regelungen zur Erbfolge im Testament oder der gesetzlichen Erbfolge kann dies von großer Bedeutung sein. Wer diese Entscheidung trifft, muss jedoch die festgelegte Frist zur Erbausschlagung beachten, da ein verspäteter Verzicht zu unangenehmen finanziellen Verpflichtungen führen kann, etwa zur Zahlung von Erbschaftsteuer oder zur Übernahme von Nachlassverbindlichkeiten.

In der Regel sind Erben selbstständig für die Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten verantwortlich, was zu komplexen erbrechtlichen Fragestellungen führen kann. Vor diesem Hintergrund werden wir einen konkreten Fall analysieren, der zeigt, wie die Erbausschlagungsfrist in der Praxis ausgelegt wird und welche Auswirkungen widersprüchliche Erbfolgeregelungen auf die Rechte der Erben haben können.

Der Fall vor Gericht


Pflichtteilsanspruch nach Erbausschlagung erfolgreich durchgesetzt

Alter Erbvertrag auf einem Schreibtisch, handgeschrieben und leicht ausgeblättert, mit dem Titel
Erbausschlagung und Pflichtteilsanspruch | Symbolfoto: Flux gen.

Das Landgericht Wuppertal hat einer Adoptivtochter einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 542.731,70 Euro gegen die Erbengemeinschaft zugesprochen. Die Klägerin hatte ihre Erbschaft aus einem Erbvertrag von 1967 ausgeschlagen, um stattdessen ihren Pflichtteil geltend zu machen.

Komplexe erbrechtliche Ausgangslage

Die Erblasserin hatte 1967 mit ihrem ersten Ehemann einen notariellen Erbvertrag geschlossen, in dem die Klägerin neben drei weiteren Personen zu einem Viertel als Erbin eingesetzt wurde. Nach dem Tod des ersten Ehemannes errichtete die Erblasserin 2005 und 2009 neue Testamente, in denen sie zunächst ihren zweiten Ehemann und später die Klägerin als Alleinerbin einsetzte. 2010 adoptierte die Erblasserin die Klägerin als Kind.

Wirksame Ausschlagung trotz zeitlichen Abstands

Nach dem Tod der Erblasserin 2015 schlug die Klägerin die Erbschaft erst 2019 aus. Das Gericht bewertete diese späte Ausschlagung dennoch als wirksam. Entscheidend war, dass die Klägerin sich bis zur rechtskräftigen Entscheidung des OLG Düsseldorf im Dezember 2018 in einem beachtlichen Rechtsirrtum über die Wirksamkeit des letzten Testaments befand. Die sechswöchige Ausschlagungsfrist begann daher erst mit Zustellung dieser Entscheidung.

Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs

Der Pflichtteilsanspruch der Klägerin als einziger Abkömmling wurde auf Basis der Hälfte des Nachlasswertes berechnet. Das Gericht legte dabei die tatsächlich erzielten Verkaufserlöse für die Nachlassimmobilien zugrunde. Die Beklagten konnten nicht substantiiert darlegen, dass diese Werte vom Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erbfalls abwichen. Maklerkosten wurden nicht vom Nachlasswert abgezogen.

Durchsetzung gegenüber den Erben

Das Gericht verurteilte die drei Miterben als Gesamtschuldner zur Zahlung des Pflichtteils nebst Zinsen. Der Testamentsvollstrecker muss die Zwangsvollstreckung in den Nachlass dulden. Ein von den Beklagten geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht wegen fehlender Auskunft über frühere Schenkungen wurde zurückgewiesen.

Rechtliche Bewertung des Falles

Das Gericht stellte klar, dass die späteren Testamente der Erblasserin die Erbeinsetzung im Erbvertrag von 1967 nicht wirksam ändern konnten. Der im Erbvertrag enthaltene Änderungsvorbehalt war unwirksam, da er keine konkreten Voraussetzungen für spätere Änderungen festlegte. Dies führte auch zur Unwirksamkeit des im letzten Testament angeordneten Vermächtnisses.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil verdeutlicht, dass frühere Erbverträge Vorrang vor späteren Testamenten haben können, wenn kein wirksamer Rücktritt vereinbart wurde. Selbst wenn eine Erblasserin später andere testamentarische Verfügungen trifft, bleiben die Regelungen eines früheren Erbvertrags bindend bestehen. Die Adoption eines potenziellen Erben ändert nichts an der rechtlichen Wirksamkeit eines zuvor geschlossenen Erbvertrags.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie an einem Erbvertrag beteiligt sind, sollten Sie sich dessen langfristiger Bindungswirkung bewusst sein. Spätere Testamente können einen früher geschlossenen Erbvertrag nicht einfach aufheben – auch nicht durch nachträgliche Adoption oder neue Familienverhältnisse. Lassen Sie sich vor dem Abschluss eines Erbvertrags gründlich beraten, da Sie sich damit möglicherweise unwiderruflich binden. Prüfen Sie genau, ob und welche Änderungsmöglichkeiten im Erbvertrag vorgesehen sind, um später noch flexibel auf veränderte Lebensumstände reagieren zu können.


Erbverträge – Sicher geplant?

Dieses Urteil zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Gestaltung von Erbverträgen ist. Die Bindungswirkung eines Erbvertrages kann weitreichende Folgen haben, die oft erst Jahre später zutage treten. Gerade bei komplexen Familienverhältnissen und sich verändernden Lebenssituationen ist eine umfassende rechtliche Beratung unerlässlich, um Ihre Interessen zu wahren und spätere Konflikte zu vermeiden. Wir unterstützen Sie gerne dabei, Ihre Nachfolge rechtssicher zu regeln und Ihre Wünsche zu verwirklichen.
Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist die gesetzliche Frist für eine Erbausschlagung und wann beginnt sie zu laufen?

Die gesetzliche Frist für die Ausschlagung einer Erbschaft beträgt sechs Wochen. Diese Frist verlängert sich auf sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz ausschließlich im Ausland hatte oder der Erbe sich bei Beginn der Frist im Ausland aufhielt (§ 1944 Abs. 3 BGB).

Beginn der Frist

Die Frist beginnt nicht automatisch mit dem Tod des Erblassers, sondern mit dem Zeitpunkt, zu dem der Erbe Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und dem Berufungsgrund erlangt (§ 1944 Abs. 2 BGB). Dies bedeutet:

  • Bei gesetzlicher Erbfolge: Die Frist beginnt, wenn der Erbe vom Tod des Erblassers sowie von den Umständen erfährt, die ihn als gesetzlichen Erben ausweisen (z. B. durch familiäre Beziehungen).
  • Bei testamentarischer oder vertraglicher Erbfolge: Die Frist beginnt erst mit der Bekanntgabe des Testaments oder Erbvertrags durch das Nachlassgericht (Testamentseröffnung).

Bedeutung von Unwissenheit und Rechtsirrtum

Unwissenheit über den Tod des Erblassers oder die eigene Stellung als Erbe verzögert den Fristbeginn. Beispielsweise kann die Frist erst beginnen, wenn ein Nachlassgericht den Erben über ein Testament informiert oder wenn er von anderen Familienmitgliedern über seine Stellung als Nachrücker in der gesetzlichen Erbfolge erfährt. Ein Rechtsirrtum, wie die Annahme, dass eine Ausschlagung nicht notwendig sei, verlängert die Frist jedoch nicht. Es ist daher entscheidend, sich frühzeitig über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu informieren.

Beispiel aus der Praxis

Stellen Sie sich vor, ein naher Verwandter verstirbt und hinterlässt ein Testament, das erst Monate später gefunden wird. Die sechswöchige Frist beginnt in diesem Fall erst mit der Testamentseröffnung durch das Nachlassgericht. Ohne Testament beginnt die Frist hingegen ab dem Zeitpunkt, an dem Sie sicher wissen, dass Sie aufgrund gesetzlicher Regelungen als Erbe berufen sind.

Handlungsschritte

  • Sobald Sie Kenntnis von Ihrer möglichen Stellung als Erbe haben, prüfen Sie den Nachlass sorgfältig.
  • Entscheiden Sie innerhalb der gesetzlichen Frist von sechs Wochen (oder sechs Monaten bei Auslandsfällen), ob Sie das Erbe annehmen oder ausschlagen möchten.
  • Die Ausschlagung muss persönlich beim Nachlassgericht oder über einen Notar erklärt werden.

Es ist wichtig, diese Fristen genau einzuhalten, da eine versäumte Ausschlagung dazu führt, dass das Erbe automatisch als angenommen gilt (§ 1943 BGB).


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Welche Folgen hat eine Erbausschlagung für den Pflichtteilsanspruch?

Eine Erbausschlagung führt in der Regel zum Verlust des Pflichtteilsanspruchs. Wenn Sie als Erbe die Erbschaft ausschlagen, verzichten Sie damit grundsätzlich auf jegliche Beteiligung am Nachlass, einschließlich des Pflichtteils. Es gibt jedoch wichtige Ausnahmen von dieser Regel, die Sie kennen sollten.

Ausnahmen: Pflichtteilsanspruch trotz Erbausschlagung

In bestimmten Fällen können Sie die Erbschaft ausschlagen und dennoch Ihren Pflichtteilsanspruch behalten:

  1. Beschränkter oder beschwerter Erbteil: Wenn Ihr Erbteil mit Beschränkungen oder Beschwerungen belastet ist, etwa durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers, eine Teilungsanordnung, ein Vermächtnis oder eine Auflage, können Sie die Erbschaft ausschlagen und trotzdem den Pflichtteil verlangen.
  2. Ehegatten in Zugewinngemeinschaft: Überlebende Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, behalten ihren Pflichtteilsanspruch auch nach Ausschlagung der Erbschaft.

Konsequenzen der Erbausschlagung für den Pflichtteil

Wenn Sie sich für die Ausschlagung entscheiden und Ihr Pflichtteilsanspruch bestehen bleibt:

  • Höhe des Anspruchs: Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
  • Art des Anspruchs: Der Pflichtteil ist ein reiner Geldanspruch. Sie haben keinen Anspruch mehr auf einzelne Vermögenswerte aus dem Nachlass.
  • Sofortige Geltendmachung: Sie können den Pflichtteil unmittelbar nach dem Erbfall geltend machen und erhalten so schneller Zugriff auf liquide Mittel.

Abwägung: Erbschaft annehmen oder ausschlagen?

Die Entscheidung zwischen Annahme der Erbschaft und Ausschlagung mit Pflichtteilsanspruch hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Bei überschuldetem Nachlass: Eine Ausschlagung kann sinnvoll sein, um nicht für Nachlassschulden zu haften.
  • Bei Beschränkungen oder Beschwerungen: Wenn das Testament Ihre Rechte als Erbe stark einschränkt, kann die Ausschlagung und Geltendmachung des Pflichtteils vorteilhaft sein.
  • Für Ehegatten: In manchen Fällen kann die Kombination aus Zugewinnausgleich und Pflichtteil günstiger sein als die Annahme der Erbschaft.

Wichtige Fristen und Formalitäten

Wenn Sie erwägen, die Erbschaft auszuschlagen:

  • Die Ausschlagungsfrist beträgt in der Regel sechs Wochen ab Kenntnis vom Erbfall.
  • Die Ausschlagung muss persönlich beim Nachlassgericht erklärt oder notariell beurkundet werden.
  • Eine einmal erklärte Ausschlagung ist grundsätzlich unwiderruflich, außer bei Vorliegen eines Anfechtungsgrundes.

Bedenken Sie, dass die Entscheidung zur Erbausschlagung weitreichende Konsequenzen hat. In komplexen Fällen, insbesondere wenn Sie unsicher sind, ob einer der Ausnahmefälle auf Sie zutrifft, sollten Sie die Vor- und Nachteile sorgfältig abwägen.


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Wie wird die Höhe des Pflichtteils berechnet?

Die Berechnung des Pflichtteils erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wird die Pflichtteilsquote ermittelt, dann der Wert des Nachlasses bestimmt.

Ermittlung der Pflichtteilsquote

Die Pflichtteilsquote beträgt grundsätzlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Um sie zu berechnen, müssen Sie zunächst den gesetzlichen Erbteil bestimmen, der Ihnen zustehen würde, wenn der Erblasser kein Testament hinterlassen hätte. Ihre Pflichtteilsquote hängt davon ab, ob der Erblasser verheiratet war und wie viele Kinder er hatte.

Wenn Sie beispielsweise das einzige Kind eines unverheirateten Erblassers sind, wären Sie nach gesetzlicher Erbfolge Alleinerbe. Ihre Pflichtteilsquote beträgt dann 1/2 des Nachlasses. Bei zwei Kindern eines unverheirateten Erblassers beträgt die Pflichtteilsquote für jedes Kind 1/4.

Bestimmung des Nachlasswertes

Der Wert des Nachlasses wird zum Zeitpunkt des Erbfalls ermittelt. Dazu gehören alle Vermögenswerte des Erblassers, abzüglich seiner Schulden. Zu den Vermögenswerten zählen:

  • Immobilien
  • Bargeld und Bankguthaben
  • Wertpapiere
  • Schmuck und Kunstgegenstände
  • Fahrzeuge
  • Unternehmensbeteiligungen

Wenn Sie pflichtteilsberechtigt sind, haben Sie einen Auskunftsanspruch gegenüber den Erben. Sie können ein Nachlassverzeichnis und die Bewertung der Nachlassgegenstände verlangen.

Berechnung des Pflichtteils

Der Pflichtteilsanspruch ergibt sich aus der Multiplikation der Pflichtteilsquote mit dem Netto-Nachlasswert. Wenn Sie also eine Pflichtteilsquote von 1/4 haben und der Netto-Nachlasswert 400.000 Euro beträgt, steht Ihnen ein Pflichtteil von 100.000 Euro zu.

Berücksichtigung von Schenkungen

Schenkungen des Erblassers in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod können den Pflichtteil erhöhen. Diese werden dem Nachlass hinzugerechnet, wobei ihr Wert pro Jahr um 1/10 abnimmt. Eine Schenkung acht Jahre vor dem Erbfall wird also nur noch mit 2/10 ihres Wertes berücksichtigt.

Streitfragen bei der Wertermittlung

Häufig kommt es zu Auseinandersetzungen über die Bewertung einzelner Nachlassgegenstände. Besonders bei Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen kann die Wertermittlung komplex sein. In solchen Fällen kann die Einholung eines Sachverständigengutachtens notwendig werden.

Wenn Sie als Pflichtteilsberechtigter mit der Bewertung durch die Erben nicht einverstanden sind, können Sie einen Wertermittlungsanspruch geltend machen. Ein Gericht oder Sachverständiger ermittelt dann den korrekten Wert des Nachlasses.


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Was passiert bei mehreren sich widersprechenden Testamenten?

Bei mehreren sich widersprechenden Testamenten gilt grundsätzlich das jüngste Testament als maßgeblich. Dies ergibt sich aus § 2258 Abs. 1 BGB, wonach ein früheres Testament durch ein späteres aufgehoben wird, soweit das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Stellen Sie sich vor, Sie haben in einem älteren Testament Ihren Bruder als Alleinerben eingesetzt und in einem neueren Testament Ihre Schwester. In diesem Fall würde Ihre Schwester erben, da ihr Testament das aktuellere ist.

Widerruf und Neuregelung

Ein späteres Testament hebt ein früheres automatisch auf, wenn es inhaltlich im Widerspruch steht. Sie müssen also nicht ausdrücklich erklären, dass Sie Ihr altes Testament widerrufen. Allerdings ist es ratsam, in einem neuen Testament klar zu formulieren, dass alle früheren Verfügungen aufgehoben werden. Dies vermeidet Unklarheiten und mögliche Streitigkeiten unter den Erben.

Teilweise Widersprüche

Wenn sich Testamente nur teilweise widersprechen, bleiben die nicht widersprüchlichen Teile des älteren Testaments gültig. Wenn Sie beispielsweise in einem früheren Testament Ihre Bibliothek Ihrem Neffen vermacht haben und in einem späteren Testament nur die Erbeinsetzung ändern, bleibt das Vermächtnis für Ihren Neffen bestehen.

Besonderheiten bei Erbverträgen

Bei Erbverträgen gelten besondere Regeln. Ein Erbvertrag kann nicht einseitig durch ein späteres Testament widerrufen werden. Wenn Sie also einen Erbvertrag geschlossen haben, in dem Sie Ihren Ehepartner als Erben einsetzen, können Sie dies nicht einfach durch ein späteres Testament ändern. Der Erbvertrag hat Vorrang vor späteren einseitigen Verfügungen.

Auslegung bei Unklarheiten

Sind die Widersprüche zwischen mehreren Testamenten nicht eindeutig, muss das Gericht den wahren Willen des Erblassers ermitteln. Hierbei werden alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt, wie etwa Ihre Lebensumstände zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung oder Ihre Beziehungen zu den Begünstigten. In einem solchen Fall kann es hilfreich sein, wenn Sie in Ihrem Testament Erläuterungen zu Ihren Beweggründen geben.

Konsequenzen für die Erbausschlagungsfrist

Die Erbausschlagungsfrist beginnt erst zu laufen, wenn der wahre Erbe feststeht. Wenn also Unklarheiten bezüglich widersprüchlicher Testamente bestehen, beginnt die sechswöchige Frist zur Ausschlagung der Erbschaft erst, wenn rechtskräftig geklärt ist, wer tatsächlich Erbe geworden ist. Dies gibt Ihnen als potenziellem Erben Zeit, die Situation zu überdenken und eine fundierte Entscheidung zu treffen.


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Wie kann ein Pflichtteilsanspruch durchgesetzt werden?

Der Pflichtteilsanspruch muss aktiv vom Berechtigten gegenüber dem Erben geltend gemacht werden. Eine automatische Auszahlung erfolgt nicht.

Außergerichtliche Durchsetzung

Der erste Schritt ist die schriftliche Aufforderung an den Erben unter Angabe der Höhe des Pflichtteils, der Bankverbindung und einer angemessenen Zahlungsfrist. Parallel dazu steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Auskunftsanspruch über den Bestand des Nachlasses zu.

Gerichtliche Durchsetzung

Wenn der Erbe nicht freiwillig zahlt, kann der Anspruch gerichtlich durchgesetzt werden. Die häufigste Form ist die Stufenklage, die folgende Schritte umfasst:

  • Auskunftserteilung über den Nachlassbestand
  • Wertermittlung der Nachlassgegenstände
  • Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Erben
  • Zahlungsklage auf den bezifferten Pflichtteilsbetrag

Fristen und Verjährung

Der Pflichtteilsanspruch unterliegt einer Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall und der ihn enterbenden Verfügung Kenntnis erlangt hat.

Zuständiges Gericht

Bei einem Streitwert ab 5.000 € sind die Landgerichte zuständig, wobei Anwaltszwang besteht. Bei niedrigeren Streitwerten kann die Klage beim Amtsgericht eingereicht werden.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Erbausschlagung

Die Erbausschlagung ist eine formelle Erklärung, mit der ein Erbe sein Erbe ablehnt und damit auf seinen Anteil am Nachlass verzichtet. Diese Erklärung muss innerhalb von sechs Wochen, nachdem der Erbe von seiner Erbenstellung erfahren hat, persönlich beim Nachlassgericht erklärt oder als öffentlich beglaubigte Erklärung eingereicht werden (§ 1944 BGB). Durch die Ausschlagung gilt der Erbe als nie Erbe geworden und haftet nicht für Nachlassverbindlichkeiten. Beispiel: Ein überschuldeter Nachlass kann ausgeschlagen werden, um nicht für die Schulden des Verstorbenen aufkommen zu müssen.


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Pflichtteilsanspruch

Der Pflichtteilsanspruch ist ein gesetzlich garantierter Mindestanspruch bestimmter naher Angehöriger (Kinder, Ehegatten, Eltern) auf einen Teil des Nachlasses, auch wenn sie durch Testament oder Erbvertrag enterbt wurden. Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Geldanspruch gegen den oder die Erben (§§ 2303 ff. BGB). Der Anspruch entsteht mit dem Tod des Erblassers und verjährt nach drei Jahren. Beispiel: Eine enterbte Tochter hat Anspruch auf die Hälfte des Wertes, den sie als gesetzliche Erbin erhalten hätte.


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Erbvertrag

Ein Erbvertrag ist eine vertragliche Vereinbarung über die Erbfolge, die nur vor einem Notar geschlossen werden kann und beide Vertragspartner bindet (§ 2274 BGB). Im Gegensatz zum Testament kann er nicht einseitig geändert oder widerrufen werden, es sei denn, dies wurde im Vertrag ausdrücklich vorbehalten. Der Erbvertrag hat Vorrang vor später errichteten Testamenten. Beispielsweise können Ehepartner sich gegenseitig als Erben einsetzen und gleichzeitig die spätere Erbfolge verbindlich regeln.


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Erbengemeinschaft

Eine Erbengemeinschaft entsteht automatisch, wenn mehrere Personen gemeinsam Erben werden. Sie müssen den Nachlass gemeinschaftlich verwalten und können nur zusammen darüber verfügen (§§ 2032 ff. BGB). Jeder Miterbe hat einen Anteil am Gesamtnachlass, nicht an einzelnen Gegenständen. Die Erbengemeinschaft besteht bis zur vollständigen Auseinandersetzung (Aufteilung) des Nachlasses. Beispiel: Drei Geschwister erben gemeinsam ein Haus und müssen Entscheidungen über Verkauf oder Vermietung einstimmig treffen.


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Gesamtschuldner

Gesamtschuldner haften gemeinsam für eine Schuld, wobei der Gläubiger die gesamte Leistung von jedem einzelnen Schuldner verlangen kann (§ 421 BGB). Wenn ein Gesamtschuldner die volle Summe zahlt, werden die anderen von ihrer Verpflichtung befreit. Der Zahlende kann dann im Innenverhältnis Ausgleich von den anderen verlangen. Im Erbrecht haften beispielsweise mehrere Erben als Gesamtschuldner für Pflichtteilsansprüche oder Nachlassverbindlichkeiten.


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Testamentsvollstrecker

Ein Testamentsvollstrecker wird vom Erblasser eingesetzt, um seinen letzten Willen umzusetzen und den Nachlass zu verwalten (§§ 2197 ff. BGB). Er erhält vom Nachlassgericht ein Testamentsvollstreckerzeugnis und hat umfassende Befugnisse zur Verwaltung und Verteilung des Nachlasses. Die Erben können während der Testamentsvollstreckung nicht über Nachlassgegenstände verfügen. Ein Testamentsvollstrecker wird oft bei komplexen Nachlässen oder zu erwartenden Streitigkeiten zwischen den Erben eingesetzt.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • §§ 2247 ff. BGB (Erbvertrag): Ein Erbvertrag ist ein Vertrag, in dem sich die Vertragspartner gegenseitig oder einen Dritten als Erben einsetzen. Er wird in der Regel vor einem Notar geschlossen und ist bindend, d.h. er kann nicht einseitig widerrufen werden. Im vorliegenden Fall hatte die Erblasserin 1967 einen Erbvertrag mit ihrem ersten Ehemann geschlossen, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und die Klägerin sowie die Beklagten zu je ¼ als Erben des Längerlebenden einsetzten.
  • § 1937 BGB (Erbausschlagung): Die Erbausschlagung ist eine einseitige Willenserklärung, mit der ein Erbe die Erbschaft ablehnt. Sie muss innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls und des Grundes der Berufung beim Nachlassgericht erklärt werden. Im vorliegenden Fall schlug die Klägerin die Erbschaft erst 2019 aus, also Jahre nach dem Tod der Erblasserin. Das Gericht entschied jedoch, dass die Ausschlagung wirksam war, da die Klägerin sich in einem Rechtsirrtum über die Wirksamkeit des letzten Testaments befand.
  • § 2303 BGB (Pflichtteil): Der Pflichtteil ist ein gesetzlicher Mindestanteil am Nachlass, der bestimmten nahen Angehörigen des Erblassers zusteht, auch wenn sie im Testament nicht bedacht wurden. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Im vorliegenden Fall machte die Klägerin nach Ausschlagung der Erbschaft ihren Pflichtteil geltend, da sie als Adoptivtochter der Erblasserin pflichtteilsberechtigt war.
  • §§ 2033 ff. BGB (Erbengemeinschaft): Eine Erbengemeinschaft entsteht, wenn mehrere Personen gemeinsam Erben werden. Sie verwalten den Nachlass gemeinschaftlich und müssen sich über die Aufteilung einigen. Im vorliegenden Fall bildeten die Klägerin und die drei Beklagten eine Erbengemeinschaft, da sie im Erbvertrag von 1967 als Erben eingesetzt wurden.
  • § 2311 BGB (Anrechnung von Schenkungen): Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat, können unter bestimmten Voraussetzungen auf den Pflichtteil angerechnet werden. Dies soll verhindern, dass der Erblasser durch Schenkungen den Pflichtteil seiner Angehörigen schmälert. Im vorliegenden Fall machten die Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht wegen fehlender Auskunft über frühere Schenkungen geltend. Das Gericht wies dieses jedoch zurück.

Das vorliegende Urteil


Landgericht Wuppertal – Az.: 2 O 298/19 – Urteil vom 06.01.2023


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