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Erbberechtigung eines nichtehelichen Kindes

OLG Köln – Az.: 2 Wx 405/18 und 2 Wx 411/18 – Beschluss vom 10.12.2018

Die Beschwerden der Beteiligten zu 1. vom 16.10.2018 gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Heinsberg vom 10.10.2018 – 2 VI 210/18 – werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerdeverfahren hat die Beteiligte zu 1. zu tragen.

Gründe

1.

Der Erblasser hatte ausweislich eines Auszugs aus der Geburtsmatrikel am 30.06.1943 bei der Feldpost Nr. 16453 A anerkannt, der Vater der am 15.05.1943 in Razvanje, welches zur Zeit der Geburt zum Deutschen Reich gehörte, nichtehelich geborenen Beteiligten zu 1. zu sein (Bl. 8 f.).

Der Erblasser verstarb am 21.12.1990. Ausweislich des auf diesen Tag bezogenen Nachlassverzeichnisses (Bl. 25) betrug der Nettonachlasswert 221.317,- DM.

Mit notarieller Urkunde vom 09.01.1991 hatte die Beteiligte zu 1. die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt (Bl. 2 f.). Nach Hinweis des Nachlassgerichts auf die Nichtehelichkeit war der Antrag zurückgenommen worden (Bl. 13).

Am 20.02.1991 wurde ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt, der als Erben vier Geschwister und drei Nichten des Erblassers, darunter die Beteiligte zu 2., als Erben ausweist (Bl. 22).

Am 26.09.1991 kam es zu einem wegen seines weiteren Inhalts in Bezug genommenen Vergleich vor dem Arbeitsgericht Aachen in einem Verfahren zwischen der Beteiligten zu 1. als Klägerin und der Erbengemeinschaft als Beklagte, in dem letztere sich zur Zahlung von 45.000,- DM an die Beteiligte zu 1. verpflichtete (Bl. 220). Das Arbeitsgericht hatte den Prozessparteien zuvor vorgeschlagen, „die Klägerin mit 1/7 am gesamten Nachlaß zu beteiligen, wobei gegenseitige Forderungen, die nach dem Erbfall entstanden sind, keine Berücksichtigung gefunden haben.“ (Bl. 219). Die Zahlung erfolgte vereinbarungsgemäß.

Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 07.12.2017 (Bl. 27 ff.) begehrte die Beteiligte zu 1. von dem Nachlassgericht unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betreffend das Erbrecht nichtehelicher Kinder Auskunft über die Nachlassakten und die Übersendung von Unterlagen in Kopie.

Mit Schriftsatz vom 18.04.2018 (Bl. 48 ff.) hat die Beteiligte zu 1) die Einziehung des Erbscheins vom 20.02.1991 und die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt. Das Amtsgericht hat darauf hingewiesen, dass der Antrag nicht den Erfordernissen des § 353 Abs. 3 FamFG entspreche (Bl 53). Die Antragstellerin hat daraufhin erklärt, einer eidesstattlichen Versicherung bedürfe es wegen Offenkundigkeit der Tatsachen nicht; im Übrigen sei sie aber auch zur Abgabe einer solchen bereit, beantrage aber, ihr die Abgabe zu erlassen.

Dem Antrag sind die Beteiligten zu 2. bis 7. , 9. bis 12. und 15 entgegengetreten.

Die Nachlassrechtspflegerin hat mit zwei Beschlüssen vom 10.10.2018 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. (Bl. 245 ff.) und deren Einziehungsantrag zurückgewiesen (Bl. 252 ff.). Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, es sei keine Konventionswidrigkeit gegeben, die Beteiligte zu 1) sei nicht in ihren Rechten aus Art. 14 der Konvention verletzt.

Gegen den ihr zu Händen ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 15.10.2018 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) mit zwei am 16.10.2018 bei dem Amtsgericht per Telefax eingegangenen Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 16.10.2018 jeweils Beschwerde gegen die Zurückweisung des Erbscheinsantrages (Bl. 260 f.) und des Einziehungsantrages (Bl. 262 f.) eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, der Ausschluss des Erbrechts in ihrem Fall verstoße gegen die Konvention; die hierzu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei hier einschlägig.

Die Beteiligten zu 2. bis 7, 11., 12. und 15 sind der Beschwerde entgegengetreten.

Das Amtsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen und die Sachen dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2.

Die beiden zulässigen, insbesondere fristgerecht eingelegten Beschwerden haben in der Sache keinen Erfolg. Das Nachlassgericht hat jeweils mit Recht von einer Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins vom 20.02.1991 abgesehen und den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen.

Dem Erbscheinsantrag kann schon deshalb nicht entsprochen werden, weil es an einer eidesstattlichen Versicherung (§ 2356 Abs. 2 Satz 1 BGB) der in § 2354 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB vorgesehen Angaben fehlt und eine Entscheidung des Nachlassgerichts, die Versicherung zu erlassen (§ 2356 Abs. 2 Satz 2 BGB), nicht erfolgt ist. Unzutreffend ist die Auffassung der Beschwerdeführerin, es liege insoweit Offenkundigkeit (§ 2356 Abs. 3 BGB) vor. Davon kann in Bezug auf das Fehlen möglicher vor- oder gleichrangiger Erben, das Nichtvorhandensein einer letztwilligen Verfügung und das Fehlen eines anhängigen Rechtsstreits über das Erbrecht nicht die Rede sein, insbesondere verhalten sich die vorliegenden Schriftstücke hierüber nicht. Die vor einem Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung im anschließend zurückgenommenen Antrag vom 09.01.1991 konnte sich naturgemäß nicht auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des im Jahre 2018 gestellten Antrages beziehen.

Unabhängig davon können das Einziehungsbegehren und der Erbscheinsantrag keinen Erfolg haben, weil die am 15.05.1943 geborene Beteiligte zu 1., in Bezug auf welche der Erblasser ausweislich des vorgelegten Auszuges aus der Geburtsmatrikel (Bl. 8 f.) am 30.06.1943 gegenüber einer dort angegebenen Feldpostnummer (einer Dienststelle der Wehrmacht) die Vaterschaft anerkannt hatte, nicht als Erbin gemäß § 1924 Abs. 1 BGB berufen ist. Denn sie ist aufgrund Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG gemäß § 1589 Abs. 2 BGB a. F. i. V. m. Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a. F. für erbliche Verhältnisse nicht als mit dem Erblasser verwandt anzusehen. Danach tritt die durch Art. 1 Nr. 2 ZwErbGleichG angeordnete Ersetzung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a. F. erst mit Wirkung für Erbfälle ab dem 29. Mai 2009 in Kraft, während im vorliegenden Fall der Erblasser bereits lange vor diesem Stichtag, nämlich am 21.12.1990 verstorben ist.

Durch die Anwendung dieser Vorschrift wird die Beteiligte zu 1. auch nach der neueren Rechtsprechung des F nicht in ihren Rechten aus Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) i. V. m. Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK (Schutz des Eigentums) verletzt.

Nach dem Urteil des F vom 23. März 2017 in der Rechtssache X ./. E (NJW 2017, 1805) verletzt das Ergebnis der strikten Anwendung der in Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG bestimmten Stichtagsregelung die sich aus den genannten Bestimmungen der EMRK ergebenden Rechte nicht ehelicher Kinder, wenn unter den besonderen Umständen des Falles kein gerechter Ausgleich zwischen den betroffenen widerstreitenden Interessen hergestellt würde, wobei die Kenntnis der Betroffenen, der Status der erbrechtlichen Ansprüche (Verjährung) und die bis zur Geltendmachung des Anspruchs verstrichene Zeit ebenso zu berücksichtigen sind, wie der Umstand, ob durch das nationale Recht eine finanzielle Entschädigung für den Verlust des Erbrechts gewährt wird (vgl. F aaO Rdnr. 51, 72 ff.).

Deshalb kommt bei Erbfällen, die sich vor dem 29. Mai 2009 ereigneten und in tatsächlicher Hinsicht mit dem vom F in der Rechtssache C ./. E entschiedenen Fall (ZEV 2009, 510) vergleichbar sind, eine teleologische Erweiterung von Art. 5 Satz 2 ZwErbGleichG in Betracht (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2017 – IV ZB 6/15 – ZEV 2017, 510).

Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine teleologische Erweiterung der Vorschrift nicht erfüllt, weil der Streitfall in tatsächlicher Hinsicht nicht mit der Rechtssache C gegen E vergleichbar ist. Der Ausschluss der Beteiligten zu 1. vom Erbrecht erweist sich nach den Umständen des Streitfalls als verhältnismäßig.

Zwar war den Erben der zweiten Ordnung die Beteiligte zu 1. bereits geraume Zeit bekannt. Dies ergibt sich daraus, dass die Beteiligte zu 1. nach ihrem Vorbringen mit dem Erblasser seit September 1967 zusammenwohnte und nach dem Vorbringen der Antragsgegner das Vorderhaus, der Erblasser das Hinterhaus bewohnte und die Angehörigen des im gemeinschaftlichen Erbschein als Miterbe ausgewiesenen Angehörigen (Ehefrau und Kinder) des Bruders Leo S. auf demselben Grundstück wohnten, sowie ferner aus dem 1991 vor dem Arbeitsgericht Aachen geführten Prozess.

Auch ist die für den Anspruch aus § 2018 BGB geltende dreißigjährige Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB seit 1991 noch nicht verstrichen; vergangen sind rund 27 Jahre.

Indes ist die Beteiligte zu 1. erstmals mit Schriftsatz vom 07.12.2017 gegenüber dem Nachlassgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des F mit der Bitte um Auskunft aus den Nachlassakten hervorgetreten und hat mit Schriftsatz vom 18.04.2018 den Erbscheins beantragt. Damit waren bereits über 8 ½ Jahre seit der „C“-Entscheidung des vom 28.05.2009 F vergangen. Entgegen der Auffassung der Beschwerde kommt es auf den seit dieser Entscheidung verstrichenen Zeitraum – und nicht auf den seit der „X“-Entscheidung vom 23.03.2017 verstrichenen Zeitraum – an. Denn hierauf stellt der F selbst in der „X“-Entscheidung ab, in welcher er ausführt: „Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführer unmittelbar nach Erlass des Urteils in der Rechtssache C (a. a. O.; vgl. Fabris, a. a. O., Rdnr. 68) Klagen vor den innerstaatlichen Gerichten erhoben hatten. Die verstrichene Zeit ist demnach kein Gesichtspunkt, den man ihnen entgegenhalten könnte.“ (juris, Rz. 76; ebenso auf die „C“-Entscheidung abstellend: BGH a.a.O., juris Rz. 13).

Bereits wegen der unterbliebenen Geltendmachung von Rechten nach der „C“-Entscheidung des F ist die dem Wortlaut gemäße Anwendung der Stichtagsregelung nicht unverhältnismäßig im Sinne der vom F aufgestellten Kriterien.

Im Streitfall kommt aber noch hinzu, dass der im Jahre 1991 vor dem Arbeitsgericht geschlossene Vergleich ein besonderes Vertrauen der Erben zweiter Ordnung auf den Fortbestand ihres Erbrechts rechtfertigte, welches der zuvor ihnen erteilte Erbschein bescheinigte. Dem Vergleich war ausweislich des Protokolls vom 26.09.1991 (u.a. Bl. 219) ein Vorschlag des Gerichts vorausgegangen, die Beteiligte zu 1. als Klägerin mit 1/7 „am gesamten Nachlaß“ zu beteiligen. Dies belegt, dass das Gericht – auch – mit einer möglichen Berechtigung der Beteiligten zu 1. am Nachlass befasst worden war, weshalb mangels dem entgegenstehender Umstände davon auszugehen ist, dass sich die am Vergleich Beteiligten – auch im Hinblick auf den zuvor von der Beteiligten zu 1. gestellten, aber wieder zurückgenommenen Erbscheinsantrag – über eine Abfindung etwaiger nachlassbezogener Rechte der Beteiligten zu 1. abschließend geeinigt hatten. Dem steht das Beschwerdevorbringen, es habe sich um eine arbeitsrechtliche Angelegenheit gehandelt, nicht entgegen. Dies kann, da ein Arbeitsgericht mit der Sache befasst war, als richtig unterstellt werden, schließt es indes nicht aus, dass in dem Vergleich vor dem Arbeitsgericht streitige Rechte auf erbrechtlicher Grundlage, wie die Beschwerdegegner geltend machen, eingeflossen sind. Für die Einbeziehung von Rechten in einen Vergleich kommt es nicht darauf an, dass für eine gerichtliche Geltendmachung eine andere sachliche Zuständigkeit bestanden hätte.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG sind nicht erfüllt. Weder hat die vorliegende Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Denn die Entscheidung des Senats beruht auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der Grundsätze, die in den genannten Entscheidungen des F sowie der angeführten Entscheidung des BGH entwickelt worden sind.

Geschäftswert der Beschwerdeverfahrens: zusammen 113.157,58 EUR

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