Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- OLG Schleswig-Holstein: Testament für Ehepartner nach Scheidung unwirksam – Kein Erbe für Ex-Mann trotz § 2077 Abs. 3 BGB
- Ausgangslage: Handschriftliches Testament setzt Ehemann als Erben ein – Was passiert nach der Scheidung?
- Streit ums Erbe nach dem Tod: Ex-Ehemann beantragt Erbschein trotz Scheidung
- Entscheidung OLG Schleswig-Holstein: Ex-Ehemann wird nicht Erbe – Testament von 1999 ist unwirksam
- Gerichtliche Begründung: Warum § 2077 Abs. 1 BGB die Erbeinsetzung nach Scheidung meist aufhebt
- Prüfung der Ausnahme § 2077 Abs. 3 BGB: Bestand der Wille zur Erbeinsetzung auch bei Scheidung?
- Bedeutung der Ersatzerbenregelung und Zeugenaussagen zum Tierschutz
- Fazit: Hohe Hürden für das Erbe des geschiedenen Ehegatten – § 2077 BGB greift
- Kosten des Verfahrens: Ex-Ehemann trägt die Kosten der Beschwerde
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann wird ein Testament, das einen Ehepartner begünstigt, nach der Scheidung unwirksam?
- Welche Bedeutung hat ein Ehevertrag (z.B. Gütertrennung, Verzicht auf Unterhalt) für die Auslegung eines Testaments nach der Scheidung?
- Welche Rolle spielen finanzielle Leistungen (z.B. Bürgschaft, Kreditraten) des Ex-Partners bei der Beurteilung der Wirksamkeit des Testaments?
- Wie wirkt sich die Formulierung des Testaments auf dessen Gültigkeit nach einer Scheidung aus?
- Welche Beweismittel sind geeignet, um den „entgegenstehenden Willen“ des Erblassers nachzuweisen, wenn er trotz Scheidung den Ex-Partner beerben lassen wollte?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 3 Wx 46/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
- Datum: 10.03.2022
- Aktenzeichen: 3 Wx 46/21
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Erbrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ehemaliger Ehemann der Erblasserin, der sich auf das Testament als Alleinerbe beruft.
- Beklagte: Tierheim Wiesbaden, das im Testament als Ersatzerbe für den ehemaligen Ehemann benannt war und dessen Erbscheinsantrag widersprach.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine kinderlose Frau verstarb, nachdem sie sich von ihrem Ehemann scheiden ließ. Sie hatte ihren damaligen Ehemann 1999 in einem Testament als Alleinerben eingesetzt. Nach ihrem Tod beantragte der geschiedene Ehemann einen Erbschein als Alleinerbe.
- Kern des Rechtsstreits: War das Testament noch gültig, obwohl die Ehe nach der Testamentserrichtung und vor dem Tod der Erblasserin geschieden wurde? Entscheidend war die Frage, ob die Erblasserin ihren geschiedenen Ehemann auch im Fall der Scheidung als Erben einsetzen wollte (§ 2077 BGB).
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht wies die Beschwerde des ehemaligen Ehemanns zurück. Es entschied, dass er nicht Erbe geworden ist, da die Erbeinsetzung im Testament durch die Scheidung unwirksam wurde.
- Begründung: Die gesetzliche Regelung (§ 2077 Abs. 1 BGB) sieht vor, dass eine Erbeinsetzung des Ehegatten durch Scheidung unwirksam wird. Eine Ausnahme (§ 2077 Abs. 3 BGB) greift nur, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Erblasser die Person auch für den Fall der Scheidung bedenken wollte. Das Gericht fand keine ausreichenden Beweise für einen solchen Willen der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Jahr 1999 oder später.
- Folgen: Die Entscheidung bedeutet, dass der geschiedene Ehemann kein Erbrecht aus dem Testament von 1999 hat.
Der Fall vor Gericht
OLG Schleswig-Holstein: Testament für Ehepartner nach Scheidung unwirksam – Kein Erbe für Ex-Mann trotz § 2077 Abs. 3 BGB
Ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Schleswig-Holstein vom 10. März 2022 (Az.: 3 Wx 46/21) beleuchtet eine häufige und rechtlich komplexe Frage im Erbrecht: Bleibt ein Testament gültig, das den Ehepartner als Erben einsetzt, wenn die Ehe später geschieden wird?

Der Fall zeigt deutlich, unter welchen engen Voraussetzungen die gesetzliche Regelung, die solche Testamente nach einer Scheidung für unwirksam erklärt, ausnahmsweise nicht greift. Im konkreten Fall wurde die Beschwerde eines geschiedenen Ehemanns zurückgewiesen, der auf Basis eines während der Ehe errichteten Testaments Alleinerbe werden wollte.
Ausgangslage: Handschriftliches Testament setzt Ehemann als Erben ein – Was passiert nach der Scheidung?
Die spätere Erblasserin, geboren 1951, verstarb im November 2020 kinderlos. Sie war von 1995 bis etwa 2004 mit dem Mann verheiratet, der später ihren Erbschein beantragen sollte. Kurz vor der Hochzeit im Jahr 1995 hatten die beiden einen Ehevertrag geschlossen. Darin vereinbarten sie Gütertrennung, den Ausschluss des Versorgungsausgleichs für den Fall der Scheidung und einen gegenseitigen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt. Diese Vereinbarungen deuten auf den Wunsch hin, die vermögensrechtlichen Folgen einer möglichen Trennung bereits im Vorfeld klar zu regeln.
Am 27. September 1999, also während der bestehenden Ehe, verfasste die Frau ein handschriftliches Testament. Darin setzte sie ihren damaligen Ehemann als Alleinerben ein. Gleichzeitig schloss sie explizit ihren Bruder, dessen Sohn, weitere Verwandte sowie die Tochter ihres Mannes aus dessen erster Ehe von der Erbfolge aus. Für den Fall, dass ihr Ehemann vor ihr versterben sollte, benannte sie das Tierheim Wiesbaden als Ersatzerben. Dieses Testament übergab sie dem Amtsgericht Wiesbaden zur amtlichen Verwahrung. Nach einem Umzug beantragte sie im Jahr 2004 die Verlegung des Testaments zum Amtsgericht Niebüll, was auch erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt, im Jahr 2004, hatten sich die Eheleute bereits getrennt (seit 2002) und die Scheidung stand entweder kurz bevor oder war bereits vollzogen. Die Ehe wurde etwa zwei bis drei Jahre nach der Trennung, also ca. 2004 oder 2005, rechtskräftig geschieden. Der geschiedene Ehemann heiratete später erneut.
Interessant ist auch die Vermögenssituation: Im Jahr 2002 zogen die Eheleute gemeinsam nach S. und erwarben dort ein Haus. Alleineigentümerin des Hauses wurde jedoch die spätere Erblasserin. Die Finanzierung erfolgte teils aus einem Erbe der Frau, teils über einen Kredit bei der Sparkasse Wiesbaden. Für diesen Kredit in Höhe von 720.000 DM übernahm der damalige Ehemann am 29. Dezember 2001 eine Bürgschaft. Nach seinen eigenen Angaben zahlte er einige Kreditraten bis zur Trennung 2002. Später, um das Jahr 2017, als eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft drohte, zahlte er nochmals zwei Raten. Den überwiegenden Teil der Raten habe jedoch die Erblasserin selbst getragen. Im Jahr 2018 verkaufte die Frau das Haus, sicherte sich aber ein lebenslanges Wohnrecht im Nebengebäude.
Streit ums Erbe nach dem Tod: Ex-Ehemann beantragt Erbschein trotz Scheidung
Nach dem Tod der Frau im November 2020 informierten die Käufer des Hauses das Nachlassgericht. Sie teilten mit, dass die Verstorbene ihnen gegenüber geäußert habe, ihr Vermögen solle an Tierschutzorganisationen gehen. Ein Testament hatten sie jedoch nicht gefunden. Daraufhin wurde das beim Amtsgericht Niebüll verwahrte Testament vom 27. September 1999 am 28. Januar 2021 offiziell eröffnet.
Auf Grundlage dieses Testaments beantragte der geschiedene Ehemann am 5. März 2021 einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte. Er argumentierte, die Verstorbene habe das Testament bewusst nicht geändert, obwohl sie von der Scheidung und seiner finanziellen Unterstützung (insbesondere der Bürgschaft) gewusst habe. Sie habe gewollt, dass er sie beerbt. Er habe ihr auch zugesagt, sich um ihre Hunde zu kümmern. Der Umstand, dass das Haus nur auf ihren Namen gekauft wurde, sei geschehen, um seine eigene Adoptivtochter von einem möglichen Erbrecht fernzuhalten.
Das Nachlassgericht wies den Antragsteller auf die Regelung des § 2077 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hin. Dieser Paragraph besagt grundsätzlich, dass eine letztwillige Verfügung zugunsten eines Ehegatten unwirksam wird, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wird. Das Gericht holte eine Stellungnahme des geschiedenen Mannes und die Aussage einer Zeugin (eine der Hauskäuferinnen) ein. Die Zeugin bestätigte, dass die Verstorbene in Gesprächen den Wunsch geäußert hatte, Tierschutzorganisationen zu bedenken.
Das als Ersatzerbe eingesetzte Tierheim Wiesbaden trat dem Erbscheinsantrag des Ex-Mannes entgegen. Es argumentierte, dass die relativ kurze Ehedauer und die fehlende enge Beziehung nach der Scheidung gegen einen Fortbestandswillen der Erblasserin zugunsten des geschiedenen Ehemanns sprächen. Dessen finanzielle Unterstützung sei gering gewesen und habe primär der Abwendung seiner eigenen Inanspruchnahme als Bürge gedient. Die Aussage der Zeugin stütze hingegen den Willen zugunsten des Tierschutzes, der sich auch in der Ersatzerbenbestimmung des Tierheims im Testament zeige. Die hohen Anforderungen der Rechtsprechung für den Nachweis eines abweichenden Willens nach § 2077 Abs. 3 BGB seien hier nicht erfüllt.
Das Amtsgericht folgte dieser Argumentation und wies den Erbscheinsantrag des geschiedenen Ehemanns zurück. Dagegen legte dieser Beschwerde beim Oberlandesgericht Schleswig-Holstein ein.
Entscheidung OLG Schleswig-Holstein: Ex-Ehemann wird nicht Erbe – Testament von 1999 ist unwirksam
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein wies die Beschwerde des geschiedenen Ehemanns zurück. Es bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts: Der geschiedene Ehemann ist nicht Erbe seiner früheren Frau geworden. Die entsprechende Klausel im Testament vom 27. September 1999, mit der die Verstorbene ihren damaligen Ehemann als Alleinerben eingesetzt hatte, ist gemäß § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Grund: Die Ehe wurde vor dem Tod der Erblasserin durch Scheidung aufgelöst.
Gerichtliche Begründung: Warum § 2077 Abs. 1 BGB die Erbeinsetzung nach Scheidung meist aufhebt
Das OLG stützte seine Entscheidung maßgeblich auf die Auslegung und Anwendung des § 2077 BGB. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift gilt eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, im Zweifel als unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist. Diese Regelung basiert auf der Lebenserfahrung und der Annahme des Gesetzgebers, dass eine Erbeinsetzung des Ehegatten in der Regel auf der familienrechtlichen Verbundenheit beruht und mit dem Ende der Ehe ihre Grundlage verliert. Es handelt sich um eine gesetzliche Auslegungsregel: Solange nicht das Gegenteil bewiesen wird, geht man davon aus, dass der Erblasser den geschiedenen Partner nicht mehr als Erben bedenken wollte. Die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Regel waren im vorliegenden Fall klar erfüllt: Die Verstorbene hatte ihren damaligen Ehemann im Testament bedacht, und die Ehe war vor ihrem Tod rechtskräftig geschieden.
Prüfung der Ausnahme § 2077 Abs. 3 BGB: Bestand der Wille zur Erbeinsetzung auch bei Scheidung?
Die Unwirksamkeit tritt jedoch nach § 2077 Abs. 3 BGB dann nicht ein, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser die Verfügung auch für den Fall der Auflösung der Ehe getroffen hätte. Hierfür trägt derjenige die Beweislast, der sich auf die Fortgeltung des Testaments beruft – in diesem Fall der geschiedene Ehemann. Die Anforderungen an diesen Nachweis sind nach ständiger Rechtsprechung sehr hoch.
Das Gericht prüfte eingehend, ob solche besonderen Umstände vorlagen. Entscheidend ist dabei der wirkliche oder zumindest hypothetische Wille des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, also im September 1999. Spätere Ereignisse sind nur insoweit von Bedeutung, als sie Rückschlüsse auf den Willen im Jahr 1999 zulassen.
Das OLG fand keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Erblasserin 1999 tatsächlich Gedanken über eine mögliche Scheidung gemacht und gewollt hätte, dass ihr Mann sie auch dann beerbt. Der Wortlaut des Testaments („mein Ehemann“) deutet auf die damalige Eigenschaft als Bezugspunkt hin. Der geschiedene Ehemann räumte selbst ein, dass bei der Testamentserrichtung eine Trennung oder Scheidung nicht bedacht wurde.
Auch ein hypothetischer Wille, den Mann selbst im Falle einer Scheidung als Erben einzusetzen, konnte das Gericht nicht feststellen. Es fehlten besondere Umstände, die eine solche Annahme rechtfertigen würden:
- Der Ehevertrag von 1995, der Gütertrennung vorsah und gegenseitige Unterhalts- und Versorgungsansprüche für den Scheidungsfall weitgehend ausschloss, sprach nach Ansicht des Gerichts eher gegen einen Willen, dem Ehemann auch nach einer Scheidung das gesamte Vermögen zukommen zu lassen.
- Die finanziellen Verflechtungen, insbesondere die Bürgschaft des Mannes von Ende 2001 und seine vereinzelten Ratenzahlungen, erfolgten nach der Testamentserrichtung. Sie können daher keinen direkten Rückschluss auf den Willen im Jahr 1999 zulassen. Selbst wenn man sie berücksichtigen würde, reichten sie nach Ansicht des Gerichts nicht aus. Die Bürgschaft wurde während der Ehe übernommen, die spätere drohende Inanspruchnahme war eine Folge davon. Das finanzielle Engagement des Mannes ging nicht erkennbar über das hinaus, was von einem mitnutzenden Ehemann erwartet werden konnte.
- Der Kontakt zwischen den geschiedenen Eheleuten nach der Trennung und Scheidung war nach den Angaben des Mannes selbst und der Zeugin nicht besonders eng. Ein nur allgemein gutes oder freundschaftliches Verhältnis nach der Scheidung reicht nach gefestigter Rechtsprechung jedoch nicht aus, um die gesetzliche Vermutung des § 2077 Abs. 1 BGB zu widerlegen.
- Die Bedeutung der Hunde für die Verstorbene und die angebliche Zusage des Ex-Mannes, sich zu kümmern, änderten nichts. Das Gericht hielt es nicht für naheliegend, dass die Erblasserin ihn allein deshalb auch als geschiedenen Ehemann als Erben einsetzen wollte, zumal die Betreuung im Scheidungsfall ohnehin fraglich gewesen wäre (tatsächlich kümmerte sich zuletzt eine Nachbarin um den Hund).
- Die Tatsache, dass die Erblasserin das Testament 2004 an ihren neuen Wohnort verlegen ließ, beweist ebenfalls keinen Fortgeltungswillen zugunsten des geschiedenen Mannes. Das Testament enthielt ja auch die Ersatzerbenregelung zugunsten des Tierheims Wiesbaden. Es ist laut OLG ebenso denkbar, dass die Frau davon ausging, die Erbeinsetzung ihres Ex-Mannes sei durch die Scheidung ohnehin unwirksam geworden, sie aber wollte, dass die Ersatzerbenregelung greift. Dies passt zu den Aussagen der Zeugin, wonach die Verstorbene Tierschutzorganisationen bedenken wollte.
- Auch das Argument des geschiedenen Mannes, das Haus sei nur auf den Namen der Frau gekauft worden, um es vor erbrechtlichen Ansprüchen seiner eigenen Tochter zu schützen, stützt seine Position nicht. Es zeigt eher, dass die Vermögensplanung der Frau auch von anderen Motiven geleitet war und begründet keinen zwingenden Willen, den geschiedenen Mann zu begünstigen.
Bedeutung der Ersatzerbenregelung und Zeugenaussagen zum Tierschutz
Das Gericht berücksichtigte bei seiner Auslegung auch die im Testament enthaltene Ersatzerbenregelung zugunsten des Tierheims Wiesbaden. Diese Regelung zeigte, dass die Erblasserin bereits 1999 eine Alternative für den Fall bedacht hatte, dass ihr Ehemann nicht Erbe wird (wenn auch ursprünglich für den Fall seines Vorversterbens). Zusammen mit den Zeugenaussagen über den Wunsch der Verstorbenen, Tierschutzorganisationen zu bedenken, ergab sich für das Gericht ein stimmiges Bild: Es war plausibler anzunehmen, dass die Erblasserin nach der Scheidung entweder davon ausging, dass nun der Ersatzerbe zum Zuge kommt, oder zumindest keinen positiven Willen mehr hatte, ihren geschiedenen Mann als Erben einzusetzen.
Fazit: Hohe Hürden für das Erbe des geschiedenen Ehegatten – § 2077 BGB greift
Das OLG Schleswig-Holstein kam zu dem klaren Ergebnis, dass die sehr hohen Anforderungen der Rechtsprechung für die Annahme eines Fortbestehenswillens nach § 2077 Abs. 3 BGB nicht erfüllt waren. Der geschiedene Ehemann konnte nicht die notwendigen besonderen Umstände nachweisen, die darauf schließen lassen, dass seine Ex-Frau ihn auch im Falle der Scheidung als Erben eingesetzt hätte, wenn sie dies bereits 1999 bei Testamentserrichtung bedacht hätte. Daher griff die gesetzliche Auslegungsregel des § 2077 Abs. 1 BGB: Mit der Scheidung wurde die Erbeinsetzung des früheren Ehemanns unwirksam. Wer nun tatsächlich Erbe ist (ob das Tierheim Wiesbaden als Ersatzerbe oder gesetzliche Erben), war nicht Gegenstand dieser Entscheidung über den Erbscheinsantrag des Ex-Mannes.
Kosten des Verfahrens: Ex-Ehemann trägt die Kosten der Beschwerde
Die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens musste gemäß § 84 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) der geschiedene Ehemann tragen. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wurde auf bis zu 200.000 Euro festgesetzt, basierend auf dem Wert des Nachlasses von rund 191.767 Euro.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil lehrt, dass ein Testament zugunsten des Ehepartners nach einer Scheidung grundsätzlich unwirksam wird (§ 2077 BGB), sofern nicht besondere Umstände nachweisbar sind, die einen Fortbestandswillen belegen. Die Quintessenz liegt in den extrem hohen Anforderungen an diesen Nachweis – selbst finanzielle Verflechtungen, gelegentlicher Kontakt oder die Verlegung des Testaments an einen anderen Amtsgerichtsbezirk reichen nicht aus. Das Urteil hat praktische Bedeutung für alle verheirateten Personen mit Testament, da es die Wichtigkeit unterstreicht, nach einschneidenden Lebensereignissen wie einer Scheidung bestehende Testamente zu überprüfen und anzupassen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann wird ein Testament, das einen Ehepartner begünstigt, nach der Scheidung unwirksam?
Grundsätzlich wird ein Testament, das Ihren Ehepartner als Erben oder Begünstigten einsetzt, unwirksam, sobald Ihre Ehe geschieden ist. Das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 2077 BGB) geht davon aus, dass Ihr Wille, den Ehepartner zu begünstigen, mit der Scheidung endet.
Diese automatische Unwirksamkeit tritt nicht erst mit der vollständigen Rechtskraft der Scheidung ein. Sie greift bereits, wenn zum Zeitpunkt Ihres Todes die Voraussetzungen für eine Scheidung erfüllt waren und Sie selbst die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatten. Es reicht also aus, dass das Scheidungsverfahren lief und die Voraussetzungen vorlagen.
Ausnahmen von der Regel
Es gibt eine wichtige Ausnahme von dieser Regel: Das Testament bleibt wirksam, wenn Sie als Erblasser ausdrücklich wollten, dass die Begünstigung Ihres (ehemaligen) Ehepartners auch im Falle einer Scheidung bestehen bleibt.
Diesen besonderen Willen müssen Sie jedoch klar zum Ausdruck gebracht haben. Das kann im Testament selbst geschehen sein (z.B. durch eine Formulierung wie „Auch im Falle unserer Scheidung soll meine Frau X mein Erbe sein“). Es kann aber auch durch andere Umstände oder Dokumente belegt werden, die Ihren Willen zweifelsfrei zeigen.
Der Nachweis des abweichenden Willens
Es ist oft sehr schwierig, diesen abweichenden Willen nachzuweisen, besonders wenn er nicht eindeutig im Testament steht. Das Gesetz vermutet eben, dass der Begünstigungswille mit der Ehe endet.
Die Person, die trotz Scheidung erben möchte (Ihr Ex-Ehepartner), muss beweisen, dass es Ihr eindeutiger Wille war, die Begünstigung auch nach der Scheidung aufrechtzuerhalten. Ohne einen solchen Beweis wird das Testament bezüglich der Begünstigung des geschiedenen Ehepartners unwirksam.
Welche Bedeutung hat ein Ehevertrag (z.B. Gütertrennung, Verzicht auf Unterhalt) für die Auslegung eines Testaments nach der Scheidung?
Wenn ein Testament die Ehepartner gegenseitig als Erben einsetzt, verliert diese Einsetzung in der Regel ihre Wirkung, wenn die Ehe geschieden wird. Das Gesetz geht davon aus, dass der Erblasser (die Person, die das Testament gemacht hat) seinen geschiedenen Ehepartner normalerweise nicht mehr bedenken möchte.
Es gibt jedoch eine wichtige Ausnahme: Die Erbeinsetzung bleibt gültig, wenn der Erblasser in seinem Testament etwas anderes bestimmt hat oder wenn ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist. Hier kommt die „Auslegung“ des Testaments ins Spiel. Juristisch bedeutet Auslegung, dass man versucht, den wirklichen Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu ermitteln. Was wollte die Person wirklich, als sie das Testament schrieb, gerade im Hinblick auf die Möglichkeit einer Scheidung?
Ein Ehevertrag kann bei dieser Auslegung eine wichtige Rolle spielen. Er kann Hinweise darauf geben, wie der Erblasser seine wirtschaftlichen Verhältnisse mit dem (zukünftigen) Ex-Partner regeln wollte.
Wie der Ehevertrag die Testamentsauslegung beeinflussen kann
Stellen Sie sich vor, ein Ehevertrag sieht die Gütertrennung vor. Das bedeutet, dass das Vermögen beider Partner während der Ehe und im Scheidungsfall strikt getrennt bleibt. Oft wird in solchen Verträgen auch auf gegenseitige Ansprüche im Falle einer Scheidung, wie zum Beispiel den nachehelichen Unterhalt (finanzielle Unterstützung), verzichtet.
Solche Vereinbarungen im Ehevertrag können ein starkes Indiz dafür sein, dass der Erblasser seinen Partner auch nach einer Scheidung nicht wirtschaftlich absichern wollte. Wenn jemand vertraglich festlegt, dass es im Falle einer Trennung keine finanziellen Ansprüche geben soll, liegt der Gedanke nahe, dass er auch erbrechtlich keine Versorgung des Ex-Partners beabsichtigte. In einem solchen Fall kann der Ehevertrag die Annahme stützen, dass die Erbeinsetzung im Testament mit der Scheidung unwirksam geworden ist.
Andere Umstände sind ebenfalls wichtig
Allerdings ist der Ehevertrag nur ein Puzzleteil bei der Testamentsauslegung. Es werden immer alle relevanten Umstände betrachtet, die zum Zeitpunkt der Testamentserstellung und danach vorgelegen haben.
Es kann beispielsweise sein, dass trotz eines Ehevertrags, der finanzielle Ansprüche ausschließt, besondere Gründe vorlagen, warum die Erbeinsetzung gerade auch für den Fall der Scheidung gedacht war. Dies könnte der Fall sein, wenn der geschiedene Partner beispielsweise erhebliche Pflegeleistungen erbracht hat, die weit über das hinausgingen, was man in einer Ehe erwarten würde, oder wenn es andere außergewöhnliche Vereinbarungen oder Begebenheiten gab.
Was das für Sie bedeutet
Für Sie bedeutet das, dass die Existenz und der Inhalt eines Ehevertrags bei der Frage, ob ein altes Testament nach der Scheidung noch gilt, eine wichtige Rolle spielen können. Gerichte schauen sich den Ehevertrag an, um herauszufinden, ob er Hinweise auf den Willen des Erblassers in Bezug auf die finanzielle Zukunft des Partners nach einer Trennung gibt. Ein Ehevertrag, der auf Gütertrennung und Unterhaltsverzicht setzt, spricht eher dafür, dass die Erbeinsetzung mit der Scheidung unwirksam wird. Es ist aber immer eine Einzelfallprüfung, bei der viele Faktoren berücksichtigt werden.
Welche Rolle spielen finanzielle Leistungen (z.B. Bürgschaft, Kreditraten) des Ex-Partners bei der Beurteilung der Wirksamkeit des Testaments?
Nach der Scheidung geht das Gesetz grundsätzlich davon aus, dass Verfügungen im Testament zugunsten des früheren Ehepartners unwirksam werden. Das liegt daran, dass die meisten Menschen ihre Ehepartner gerade weil sie verheiratet sind im Testament bedenken. Wenn die Ehe endet, fällt dieser Grund weg.
Allerdings gibt es eine wichtige Ausnahme: Diese gesetzliche Vermutung der Unwirksamkeit gilt nicht, wenn der Erblasser (die Person, die das Testament gemacht hat) erkennbar wollte, dass die Verfügung zugunsten des früheren Partners auch nach der Scheidung bestehen bleiben soll.
Hier kommen finanzielle Leistungen ins Spiel. Finanzielle Leistungen des früheren Partners nach der Scheidung können ein Hinweis darauf sein, dass der Erblasser trotz der Trennung weiterhin eine Bindung sah oder Dankbarkeit empfand und deshalb wollte, dass die testamentarische Begünstigung wirksam bleibt. Sie sind aber kein Selbstzweck oder automatischer Beweis dafür.
Es kommt dabei sehr darauf an, welche Art von Leistungen das waren:
- Übliche Gefälligkeiten: Kleine, alltägliche Hilfen oder finanzielle Unterstützungen, wie sie auch unter Bekannten oder Verwandten vorkommen können, deuten oft weniger darauf hin, dass der Erblasser deshalb die Verfügung im Testament aufrechterhalten wollte.
- Ehebedingte Leistungen: Wenn der frühere Partner weiterhin Zahlungen leistet, die noch aus der Zeit der Ehe stammen oder direkt mit dieser verbunden sind (z.B. die Fortführung von gemeinsamen Kreditraten für eine früher gemeinsam bewohnte Immobilie), kann dies ein Anhaltspunkt sein. Allerdings muss hier genau geprüft werden, ob der Erblasser diese Leistungen so gewichtig fand, dass er die frühere Begünstigung im Testament deshalb nicht aufheben wollte.
- Außergewöhnliche oder neue Zuwendungen/Verpflichtungen nach der Scheidung: Wenn der frühere Partner nach der Scheidung erhebliche neue finanzielle Lasten oder Verpflichtungen übernimmt, die nicht direkt aus der Ehe resultieren, sondern vielleicht aus einer neuen Situation oder Absprache, kann dies ein stärkerer Hinweis auf einen fortbestehenden besonderen Bezug sein. Zum Beispiel, wenn der Ex-Partner eine neue Bürgschaft für den Erblasser übernimmt oder Schulden begleicht, zu deren Zahlung er eigentlich nicht mehr verpflichtet wäre.
Entscheidend ist immer, wie der Erblasser selbst diese Leistungen gesehen hat und ob er deshalb trotz der Scheidung an der im Testament getroffenen Regelung festhal wollte. Hatte er dies vielleicht sogar im Testament selbst vermerkt oder gab es andere eindeutige Äußerungen von ihm, die diesen Willen zeigen?
Finanzielle Leistungen des Ex-Partners sind also ein möglicher Anhaltspunkt unter vielen anderen, die bei der Deutung des tatsächlichen Willens des Erblassers eine Rolle spielen können. Sie sind kein automatischer „Freifahrtschein“ für die Wirksamkeit des Testaments nach der Scheidung, sondern müssen immer im Gesamtzusammenhang aller Umstände betrachtet werden.
Wie wirkt sich die Formulierung des Testaments auf dessen Gültigkeit nach einer Scheidung aus?
Wenn Sie Ihren Ehepartner in Ihrem Testament als Erben eingesetzt oder ihm etwas vermacht haben, wird diese Verfügung nach einer Scheidung grundsätzlich unwirksam. Das Gesetz geht davon aus, dass man seinen geschiedenen Ehepartner in der Regel nicht mehr bedenken möchte.
Die gesetzliche Grundregel und ihre Ausnahme
Diese automatische Unwirksamkeit tritt ein, wenn die Ehe bei Ihrem Tod geschieden ist. Sie gilt auch, wenn Sie selbst die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatten und die Voraussetzungen für die Scheidung bereits vor Ihrem Tod vorlagen.
Allerdings gibt es eine wichtige Ausnahme von dieser Regel. Die Erbeinsetzung oder das Vermächtnis bleiben gültig, wenn nachgewiesen werden kann, dass Sie diese Person trotz der Scheidung weiterhin bedenken wollten. Hier kommt die genaue Formulierung Ihres Testaments ins Spiel.
Die Bedeutung der Formulierung
Die Art und Weise, wie Sie die Erbeinsetzung Ihres Ehepartners im Testament beschrieben haben, ist oft entscheidend, um Ihren wahren Willen zu ermitteln.
- Einfache Benennung: Haben Sie im Testament lediglich geschrieben „Mein Ehepartner erbt alles“ oder „Ich setze meine Frau/meinen Mann als Erben ein“, ohne weitere Begründung? Eine solche rein auf die Ehe bezogene Formulierung spricht typischerweise dafür, dass die Erbeinsetzung tatsächlich an den Fortbestand der Ehe geknüpft war. In diesem Fall wird die Verfügung nach der Scheidung wahrscheinlich unwirksam.
- Spezifische Gründe oder Bedingungen: Enthält Ihr Testament aber zusätzliche Erläuterungen oder Bedingungen? Haben Sie beispielsweise geschrieben: „Meine Frau erbt, weil wir gemeinsam das Geschäft aufgebaut haben“, oder „Mein Mann erhält die Immobilie, da er sich viele Jahre um deren Instandhaltung gekümmert hat“, oder knüpfen Sie die Zuwendung an Bedingungen, die auch nach einer Scheidung noch gelten könnten? Solche konkreten und über die bloße Ehe hinausgehenden Gründe können ein wichtiger Hinweis darauf sein, dass Sie diese Person auch unabhängig vom Ehestatus bedenken wollten. Eine solche ausführliche und spezifische Formulierung kann dazu beitragen, den entgegenstehenden Willen, also die Gültigkeit trotz Scheidung, zu belegen.
Gerichte prüfen im Zweifelsfall sehr genau, wie das Testament formuliert ist, um festzustellen, was Ihr tatsächlicher Wunsch zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung war. Die Präzision Ihrer Formulierungen kann also maßgeblich beeinflussen, ob die Verfügung zugunsten Ihres geschiedenen Ehepartners nach der Scheidung wirksam bleibt oder nicht. Je allgemeiner die Formulierung, desto wahrscheinlicher ist die automatische Unwirksamkeit. Je spezifischer und begründeter die Formulierung, desto größer ist die Chance, dass Ihr Wille zur Fortgeltung auch nach der Scheidung anerkannt wird.
Welche Beweismittel sind geeignet, um den „entgegenstehenden Willen“ des Erblassers nachzuweisen, wenn er trotz Scheidung den Ex-Partner beerben lassen wollte?
Wenn ein Ehepartner im Testament eingesetzt wurde, wird diese Einsetzung normalerweise ungültig, sobald die Ehe geschieden ist. Das Gesetz geht davon aus, dass der Erblasser (die verstorbene Person) nach der Scheidung seinen Ex-Partner nicht mehr bedenken wollte. Es gibt aber eine Ausnahme: Die Einsetzung bleibt gültig, wenn der Erblasser trotz der Scheidung ausdrücklich wollte, dass der Ex-Partner trotzdem erbt. Diesen „entgegenstehenden Willen“, also den Wunsch, dass die alte Regelung im Testament trotz Scheidung weiter gelten soll, muss die Person beweisen, die erben möchte – also der Ex-Partner.
Es liegt eine Beweislast beim Ex-Partner. Das bedeutet, der Ex-Partner muss das Gericht davon überzeugen, dass der Erblasser diesen besonderen Willen hatte. Bloße Vermutungen oder die Tatsache, dass man sich nach der Scheidung noch gut verstanden hat, reichen dafür nicht aus. Es muss ein klarer, nachweisbarer Wille des Erblassers zur Fortgeltung der Testamentsregelung trotz Scheidung erkennbar sein.
Geeignete Nachweise für diesen Willen können sein:
- Zeugenaussagen: Personen, denen der Erblasser nach der Scheidung oder kurz davor (als die Scheidung schon konkret war) unmissverständlich gesagt hat, dass das Testament zugunsten des Ex-Partners trotz der Scheidung bestehen bleiben soll. Das können Freunde, Familienmitglieder, Nachbarn oder Kollegen sein. Wichtig ist, dass die Aussage glaubwürdig ist und sich auf den Willen bezüglich der Erbeinsetzung trotz Scheidung bezieht.
- Schriftliche Dokumente: Briefe, E-Mails, handschriftliche Notizen oder andere Aufzeichnungen des Erblassers, die seinen Willen klar zum Ausdruck bringen. Auch hier muss deutlich werden, dass die Erbeinsetzung trotz der Scheidung weiterhin gelten soll. Der Inhalt muss eindeutig sein und darf keine Zweifel offenlassen.
- Sonstige Umstände: In Ausnahmefällen können auch andere Gegebenheiten herangezogen werden, wenn sie zusammen mit anderen Beweismitteln ein klares Bild vom Willen des Erblassers ergeben. Das kann zum Beispiel sein, wenn der Erblasser nach der Scheidung sein Testament noch einmal geprüft hat, aber bewusst keine Änderung bezüglich des Ex-Partners vorgenommen hat, obwohl er sich der Konsequenzen bewusst war. Solche Umstände sind aber oft schwer zu beweisen und allein meist nicht ausreichend.
Es kommt immer auf den Einzelfall an und darauf, wie überzeugend die vorgelegten Beweismittel sind. Der Wille des Erblassers, dass die alte Regelung trotz Scheidung weiter gelten soll, muss zweifelsfrei feststellbar sein.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Ehevertrag
Ein Ehevertrag ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen Ehepartnern, die vor oder während der Ehe geschlossen wird und die rechtlichen Beziehungen zwischen ihnen regelt. Er kann beispielsweise Bestimmungen zur Gütertrennung enthalten, wodurch das Vermögen der Partner getrennt bleibt und im Scheidungsfall jeder sein eigenes Vermögen behält. Zudem kann ein Ehevertrag den Versorgungsausgleich (Rentenansprüche) und den nachehelichen Unterhalt ausschließen oder einschränken. Im Erbrecht kann ein Ehevertrag Hinweise darauf geben, wie der Erblasser nach einer Scheidung die vermögensrechtliche und erbrechtliche Situation für den Ex-Partner gewollt hat.
Beispiel: Ein Paar vereinbart vor der Hochzeit Gütertrennung, sodass im Fall einer Scheidung die Vermögen der Eheleute getrennt bleiben und nicht automatisch geteilt werden müssen.
Bürgschaft
Eine Bürgschaft ist eine vertragliche Verpflichtung, bei der eine Person (der Bürge) gegenüber einem Gläubiger dafür haftet, dass ein Dritter (der Hauptschuldner) seine Schuld erfüllt. Wenn der Hauptschuldner seine Verbindlichkeit nicht erfüllt, muss der Bürge einspringen und zahlen. Im Fall des Erbrechts kann eine nachträgliche Übernahme einer Bürgschaft durch den Ex-Ehemann als Hinweis darauf gewertet werden, dass trotz Trennung noch eine finanzielle und/oder persönliche Verbindung zum Erblasser bestand. Allerdings reicht dies nicht automatisch aus, um eine Erbeinsetzung trotz Scheidung aufrechtzuerhalten.
Beispiel: Der Ehemann übernimmt für einen Kredit seiner Frau eine Bürgschaft, womit er für die Rückzahlung haftet, falls sie nicht zahlen kann.
§ 2077 Abs. 1 BGB – Unwirksamkeit der Erbeinsetzung zugunsten des geschiedenen Ehegatten
§ 2077 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bestimmt, dass eine letztwillige Verfügung, mit der der Erblasser seinen Ehegatten als Erben oder Vermächtnisnehmer eingesetzt hat, unwirksam wird, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers durch Scheidung aufgelöst wurde. Dies beruht auf der gesetzlichen Vermutung, dass mit der Scheidung die familiäre Bindung endet und der Erblasser den Ex-Ehepartner nicht mehr bedenken wollte. Die Vorschrift entfaltet automatisch Wirkung, ohne dass dies ausdrücklich im Testament stehen muss.
Beispiel: Hat eine Frau ihren Mann im Testament als Erben eingesetzt, löst sich diese Regelung mit Rechtskraft der Scheidung auf und der Mann wird trotz Testament nicht Erbe.
§ 2077 Abs. 3 BGB – Ausnahme bei besonderem Fortbestandwillen des Erblassers
Nach § 2077 Abs. 3 BGB ist die Unwirksamkeit der Erbeinsetzung zugunsten des geschiedenen Ehegatten ausgeschlossen, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser die Verfügung auch für den Fall der Auflösung der Ehe getroffen hat. Das bedeutet: Wenn der Erblasser ausdrücklich oder eindeutig wollte, dass der Ex-Partner trotz der Scheidung Erbe bleibt, kann die Verfügung wirksam bleiben. Derjenige, der trotz Scheidung erben möchte, trägt die Beweislast für diesen sogenannten abweichenden oder entgegenstehenden Willen. Die Anforderungen an den Nachweis sind sehr hoch und müssen den wirklichen Erblasserwillen zweifelsfrei belegen.
Beispiel: Wenn der Erblasser in seinem Testament angibt, dass sein ehemaliger Ehepartner auch nach der Scheidung erben soll, könnte die Erbeinsetzung trotz § 2077 Abs. 1 BGB weiterhin gültig sein, wenn dies beweisbar ist.
Ersatzerbe / Ersatzerbenregelung
Ein Ersatzerbe ist eine Person oder juristische Einrichtung, die im Testament für den Fall benannt wird, dass der ursprünglich eingesetzte Erbe (hier z. B. der Ehegatte) nicht erben kann oder möchte. Diese Regelung sichert, dass der Nachlass nicht ungewollt ohne Erben bleibt. Im vorliegenden Fall ist das Tierheim Wiesbaden als Ersatzerbe benannt, falls der im Testament eingesetzte (ehemalige) Ehegatte nicht erben kann, beispielsweise wegen der Scheidung. Ersatzerben Schritt tritt somit ein, wenn die Haupt-Erbeinsetzung unwirksam wird.
Beispiel: Wenn ein Testament den Ex-Mann als Erben benennt, dieser aber wegen § 2077 Abs. 1 BGB nicht erben darf, bekommt stattdessen das benannte Tierheim das Vermögen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 2077 Abs. 1 BGB: Diese Vorschrift erklärt eine letztwillige Verfügung zugunsten des Ehegatten für unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers durch Scheidung aufgelöst wurde. Sie basiert auf der Annahme, dass der Wille, den Ehepartner zu beerben, mit dem Ende der ehelichen Gemeinschaft in der Regel entfällt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Testament, das den Ex-Ehemann als Alleinerben einsetzte, wurde mit Rechtskraft der Scheidung unwirksam, weil keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Fortbestand des Erbeinsetzungswillens vorlagen.
- § 2077 Abs. 3 BGB: Diese Ausnahme normiert, dass die Unwirksamkeit des Testaments nicht eintritt, wenn der Erblasser ausdrücklich oder mutmaßlich die Verfügung auch für den Fall der Scheidung treffen wollte. Die Beweislast für diesen Fortgeltungswillen liegt beimjenige, der sich auf die Wirksamkeit beruft. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Ex-Ehemann konnte die hohen Anforderungen an den Nachweis eines abweichenden Willens nicht erfüllen, sodass die Ausnahme nicht greift und das Testament unwirksam bleibt.
- Ehegüterrecht (Gütertrennung) gem. §§ 1414 ff. BGB: Gütertrennung regelt, dass das Vermögen beider Ehegatten getrennt verwaltet wird und keine automatische Vermögensgemeinschaft besteht. Dabei sind insbesondere Unterhalts- und Versorgungsansprüche im Scheidungsfall häufig ausgeschlossen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Ehevertrag mit Gütertrennung und Ausschluss von Versorgungsansprüchen deutet juristisch gegen einen Fortbestand des Erbeinsetzungswillens nach der Scheidung.
- Grundsätze der Testamentserrichtung und Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB: Testamentserklärungen sind nach dem wirklichen, mutmaßlichen Willen des Erblassers auszulegen, wobei Umstände bei der Errichtung maßgeblich sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG berücksichtigte den Zeitpunkt der Testamentserrichtung (1999) und bewertete die Indizien so, dass die Erblasserin keinen Fortbestand der Erbeinsetzung für den Scheidungsfall gewollt hat.
- Nachlassgericht und Erbscheinverfahren nach §§ 2353 ff. BGB, §§ 352 ff. FamFG: Das Nachlassgericht entscheidet über Erbscheinsanträge und stellt fest, wer Erbe ist, wobei Testamentswirksamkeit Voraussetzung ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag des Ex-Ehemanns auf Grundlage von § 2077 BGB zurück, Entscheidung wurde vom OLG bestätigt.
- Kostenentscheidung gem. § 84 FamFG: Das Gesetz regelt die Tragung der Verfahrenskosten in familienrechtlichen und Nachlasssachen, wobei der Unterlegene die Kosten tragen muss. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der geschiedene Ehemann musste die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen, da sein Antrag erfolglos blieb.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 3 Wx 46/21 – Beschluss vom 10.03.2022
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