Nachweispflicht der Erbenstellung
AG Kiel – Az.: 110 C 104/20 – Urteil vom 29.09.2020
1. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern
a) die Versicherungsscheine der verstorbenen Frau (…) in Textform zu übermitteln,
b) Abschriften der Erklärungen zu übermitteln, die die verstorbene Frau (…) mit Bezug auf die Verträge gemäß Ziffer 1 abgegeben hat.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 500,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Voraussetzungen des § 93 ZPO liegen nicht vor, da die Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben. Veranlassung zur Klage gibt, wer sich vor Prozessbeginn so verhält, dass der Kläger annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen. Das war der Fall.
Die Kläger sind die Kinder und gesetzliche Erben der Erblasserin. Als solche sind sie als Rechtsnachfolgerin der Erblasserin nach §§ 1922, 1924 BGB berechtigt, die begehrten Vertragsunterlagen zu erhalten.
Zwar war die Beklagte vorprozessual berechtigt, die Erbenstellung anzuzweifeln und einen diesbezüglichen Nachweis zu verlangen. Schließlich muss sie sich vor Übersendung der Unterlagen vergewissern, diese an die zutreffenden Personen zu übersenden. Jedoch durfte die Beklagte nicht verlangen, dass die Kläger zum Nachweis einen Erbschein vorlegen müssen; ein Nachweis durch Urkunden, aus denen sich das gesetzliche Erbrecht ergibt, genügt (vgl. BGH, Urteil vom 05.04.2016, XI ZR 440/15, bei juris Rd. 18).
Die Kläger haben und durften den Nachweis ihres gesetzlichen Erbrechts durch Vorlage von Kopien aus dem Familienbuch und der Sterbeurkunde der Erblasserin sowie eines Schreibens von RA Dr. S. bzgl. des Inhalts von § 6 der notariellen Urkunde des Hamburger Notars Dr. T., UR-NR. x/y betreffend den Verzicht des Ehemanns auf sein gesetzliches Erbrecht erbringen.
Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass die Kinder als Abkömmlinge erster Ordnung von Gesetzes wegen die Erben der Erblasserin geworden sind. Die Beklagte hätte allenfalls Vorlage der Originalurkunden fordern können und verlangen dürfen, dass eine eidesstattliche Versicherung der Kinder abgegeben wird, wonach die Erblasserin keine weiteren Abkömmlinge hatte. Dies hat sie vorprozessual jedoch nicht geltend gemacht, sondern auf Vorlage eines Erbscheins bestanden und andere Nachweismöglichkeiten von vornherein ausgeschlossen. Dazu war sie nicht berechtigt.
Letztlich wäre es in dieser besonderen Konstellation, da die Kläger lediglich Vertragsabschriften und Abschriften der Erklärungen der Erblasserin forderten, auch unschädlich, wenn neben den Klägern weitere Miterben vorhanden gewesen wären. Zwar sieht § 2039 BGB vor, dass ein Schuldner in der Regel nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten kann. Die Leistung an einzelne Miterben wäre hier jedoch unschädlich, da es sich lediglich um die Erfüllung von jederzeit reproduzierbare Nebenforderungen handelt. Insofern hätte die Beklagte im Zweifel sogar auf den Nachweis, ob neben den Klägern weitere gesetzliche Miterben vorhanden waren, verzichten müssen.
Da die Beklagte als Vertragspartnerin der Erblasserin nach §§ 13, 357 FamFG eigenes Recht auf Auskunft bzw. Einsicht in die Nachlassakten gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht hat, kann sie danach selbst prüfen, ob dort letztwillige Verfügungen vorliegen. Etwaige letztwillige Verfügungen wären dort nach §§ 358 FamFG, 2259 Abs. 1 BGB abzugeben und auch zu eröffnen gewesen.
Die Kläger mussten sich deshalb in dieser Situation nicht darauf verweisen lassen, über ihr darüber hinaus bestehende Erbrecht einen Erbschein als Legimationspapier vorlegen zu müssen.